Manche Menschen sind sich und dem Leben gegenüber optimistisch eingestellt, leben in stabilen Partnerschaften und haben einen verlässlichen Freundeskreis. Wenn sie mal Hilfe benötigen, dann haben sie keine Scheu, andere Menschen darum zu bitten und umgekehrt sind sie auch bereit, anderen zu helfen, wenn diese ihre Hilfe brauchen. Aber es gibt auch jene, denen das Leben eher schwer zu fallen scheint. Diese Menschen können ihrem Leben nichts Positives abgewinnen. Bei Problemen ziehen sie sich wie eine Schnecke in ihr Haus zurück, anstatt aktiv zu werden und nach Hilfe zu suchen. Sie geraten oft mit ihrem Partner oder ihren Freunden aneinander und leiden häufiger unter seelischen und körperlichen Beschwerden. Aber warum gelingt den einen scheinbar spielerisch, was den anderen schmerzlich verwehrt bleibt? Das Zauberwort lautet: „psychische Sicherheit“. Währendpsychische Sicherheit das Leben bereichert, schränkt psychische Unsicherheit dieses eher ein (vgl. Grossmann/Grossmann, 2004). Die Hauptgrundlage für eine solche psychische Sicherheit stellt eine sichere Bindungsbeziehung dar. Welch enorme Bedeutung eine sicher Bindung für die menschliche Entwicklung und das Verhalten eines Menschen besitzt, haben verschiedenste Untersuchungen bereits gezeigt. „Sicher gebundene Kinder zeigen mehr Kompetenz im Umgang mit anderen Kindern und eine positivere Wahrnehmung von sozialen Konfliktsituationen und sind sehr viel konzentrierter beim Spiel. Auch im Schul- und Jugendalter zeichnen sich sicher gebundene Kinder durch positive soziale Wahrnehmung, hohe soziale Kompetenz, beziehungsorientiertes Verhalten, bessere Freundschaftsbeziehungen mit Gleichaltrigen und Vertrauens- oder Liebesbeziehungen aus.“(Becker-Stoll, 2002). Im Vergleich dazu werden Jugendliche mit einer unsicheren Bindungsrepräsentation von ihren Freunden oftmals als wenig ich-flexibel, ängstlicher und feindseliger beschrieben, und sie zeigen auch häufiger spezifische Verhaltens- oder Bindungsstörungen. So konnte besonders in Untersuchungen an klinischen Stichproben gezeigt werden, dass bestimmte Störungsbilder von Jugendlichen systematisch mit deren Bindungsrepräsentanzen zusammenhingen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1 Bindungstheoretische Grundaussagen
- 1.1 Die „Fremde Situation“ und ihre Bindungsqualitäten
- 1.2 Das Adult Attachment Interview (AAI) und seine Bindungsrepräsentationen
- 1.3 Das internale Arbeitsmodell
- 2 Stabilität vs. Labilität
- 2.1 Bindungsstabilität über Generationen
- 2.2 Die Bielefelder Längsschnittstudie
- 2.3 Von der Mutter-Kind-Dyade zur systemischen Betrachtung
- 2.3.1 Die Mutter und ihr feinfühliges Verhalten
- 2.3.2 Der Vater
- 2.3.3 Die eheliche Qualität
- 2.3.4 Das Kind als aktiver Mitgestalter der Interaktion
- 2.3.5 Der Einfluss von Fremdbetreuung
- 2.4 Risiko- und Schutzfaktoren und das Geheimnis der Resilienz
- 2.4.1 Die Kauai-Studie
- 2.5 Bindungsstörungen
- 3 Interventionen
- 3.1 Rückblick
- 3.2 Prävention, Intervention und mögliche Ansätze
- 3.2.1 Entwicklungspsychologische Beratung jugendlicher Mütter
- 3.2.2 Eltern-Kind-Psychotherapie unsicher gebundener Dyaden
- 3.2.3 Elterntraining mit Fokus auf mütterlicher Feinfühligkeit
- 3.2.4 Meta-Analyse verschiedener Interventionsstudien
- 3.2.5 Allgemeine Bewertung bezüglich der Effektivität von Interventionen
- 3.3 Steps Toward Effective and Enjoyable Parenting (STEEP)
- 3.4 Positive Parenting Program (Triple P)
- Zusammenfassung
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Frage, ob frühe Bindungserfahrungen die weitere Entwicklung eines Kindes prägen. Die Autorin untersucht, ob die Bindungsqualität im frühen Kindesalter als Schicksal betrachtet werden kann, oder ob es Möglichkeiten der Intervention gibt.
- Bindungstheoretische Grundaussagen und Bindungsmuster nach Ainsworth
- Stabilität und Labilität von Bindungsmustern über die Lebensspanne und über Generationen hinweg
- Einflussfaktoren auf die Bindungsqualität und die kindliche Entwicklung
- Risiko- und Schutzfaktoren sowie die Resilienz
- Interventionsmöglichkeiten zur Förderung sicherer Bindungsbeziehungen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in die Bindungstheorie und den Grundgedanken von John Bowlby und Mary S. Ainsworth. Die Autorin erläutert die verschiedenen Bindungsmuster und die Erfassung der Bindungsqualität mithilfe der „Fremden Situation“. Im zweiten Kapitel wird die Frage der Stabilität und Labilität von Bindungsmustern behandelt. Es werden die Ergebnisse der Bielefelder Längsschnittstudie und die Bedeutung verschiedener Einflussfaktoren auf die Bindungsqualität, wie das elterliche Verhalten, die eheliche Qualität und die Fremdbetreuung, diskutiert.
Kapitel 3 widmet sich den Interventionsmöglichkeiten zur Förderung sicherer Bindungsbeziehungen. Die Autorin beleuchtet verschiedene Interventionsstudien und deren Effektivität, wie z.B. die Entwicklungspsychologische Beratung jugendlicher Mütter, die Eltern-Kind-Psychotherapie und das Elterntraining mit Fokus auf mütterlicher Feinfühligkeit.
Schlüsselwörter
Bindungstheorie, Ainsworth, „Fremde Situation“, Bindungsqualität, Bindungsrepräsentationen, Stabilität, Labilität, Einflussfaktoren, Risiko- und Schutzfaktoren, Resilienz, Interventionen, Eltern-Kind-Interaktion, Entwicklungspsychologie
- Citar trabajo
- Nicole Graumüller (Autor), 2005, Sind Kindheitsjahre Schicksalsjahre? Der Einfluss früher Bindungserfahrungen auf die weitere Entwicklung - Schicksal oder interventionsoffen?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61988