Kreditinstitute in Deutschland sind sehr daran interessiert ihre Kreditvergabe vorher genau zu analysieren. Doch durch die hohen Insolvenzzahlen der letzten Jahre haben auch die Banken hohe Forderungsausfälle zu verzeichnen. In diesem Zusammenhang stellt sich nunmehr die Frage nach der zukünftigen Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Kreditnehmers. Daraus entsteht als nächstes die Frage, welche Methoden hierfür am sinnvollsten geeignet sind.
Dieses Buch gibt nach einer kurzen Einführung einen Überblick auf die verschiedenen Methoden der Kreditwürdigkeitsprüfung und versucht die Antwort zu dieser Frage näher zu bringen.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
A. Einleitung
B. Grundlagen der Kreditwürdigkeitsprüfung
I. Kreditfähigkeit und Kreditwürdigkeit
II. Abgrenzung der Kreditwürdigkeit
1. Persönliche Kreditwürdigkeit
2. Materielle Kreditwürdigkeit
III. Die Ziele der Kreditwürdigkeitsprüfung
C. Die Methoden
I. Die Jahresabschlussanalyse
1. Kennzahlen der Vermögenslage
2. Kennzahlen der Finanzlage
3. Kennzahlen der Ertragslage
4. Beurteilung der Jahresabschlussanalyse
II. Die Empirische Bilanzanalyse
III. Die multivariate Diskriminanzanalyse
1. Ablauf des Verfahrens
2. Beurteilung der multivariaten Diskriminanzanalyse
IV. Die Nearest Neighbour Klassifikation
1. Prinzip der Nearest Neighbour Klassifikation
2. Nearest Neighbour Klassifikation einzelner Punkte
3. Nearest Neighbour Klassifikation durch Punktemengen
V. Methoden der Künstlichen Intelligenz
1. Expertensystem
2. Neuronale Netze
3. Fuzzy-Logik
VI. Bankinternes Rating
D. Schlussbetrachtung
Quellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Ablauf des Bonitätsbeurteilungsverfahrens der Deutschen Bundesbank
Abb. 2: Multivariate Diskriminanzanalyse als graphische Darstellung
Abb. 3: Nearest Neighbour Klassifikation einzelner Punkte
Abb. 4: Nearest Neighbour Klassifikation durch Punktemengen
Abb.5: Allgemeiner Aufbau eines Künstlichen Neuronalen Netzes
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in ieser Leseprobe nicht enthalten
A. Einleitung
Im Zuge der negativen gesamtwirtschaftlichen Lage der letzten Jahre sind steigende Insolvenzzahlen auch weiterhin präsent. Die Banken, die im Vorfeld einen Kredit an später insolvent gewordene Unternehmen vergeben, haben hohe Forderungsausfälle zu verzeichnen. Die Motivation der Kreditinstitute besteht darin, sich durch geeignete Maßnahmen vor Kreditausfällen zu schützen. Bereits vor der Kreditvergabe müssen die Risiken durch eine genaue Analyse erkannt werden. Der Schwerpunkt der von Kreditinstituten durchgeführten Kreditwürdigkeitsprüfungen richtet sich auf die Frage nach der zukünftigen Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Kreditnehmers. Daher stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, welche Methoden dafür am besten geeignet sind und zusätzlich auch aktuelle Verhältnisse und Gegebenheiten berücksichtigen.
Diese Ausarbeitung gibt nach einer kurzen Einführung und Definition grundlegender Begriffe der Kreditwürdigkeit einen Überblick auf verschiedene Vorgehensweisen der Kreditwürdigkeitsprüfung. Im Mittelpunkt dieser Ausarbeitung steht die Kreditwürdigkeitsprüfung von gewerblichen Unternehmen. In der Theorie diskutierte und in der Praxis aktuell angewandte Methoden und Verfahren werden in den folgenden Kapiteln angeführt.
B. Grundlagen der Kreditwürdigkeitsprüfung
I. Kreditfähigkeit und Kreditwürdigkeit
Die Kreditfähigkeit beinhaltet die volle Geschäftsfähigkeit von natürlichen und juristischen Personen des öffentlichen und privaten Rechts. Sie ist also die Fähigkeit, rechtwirksame Kreditverträge abzuschließen.
Eine allgemeine Kreditwürdigkeit besteht, wenn von der Person oder dem Unternehmen
eine termingenaue und ertragsmäßige Erfüllung hinsichtlich Rückzahlung und Zinszahlungen zu erwarten ist.[1] Die Kreditwürdigkeit ist noch genauer in persönliche und materielle Kreditwürdigkeit abzugrenzen.
II. Abgrenzung der Kreditwürdigkeit
1. Persönliche Kreditwürdigkeit
Durch die Prüfung der persönlichen Kreditwürdigkeit möchte der Kreditgeber in Erfahrung bringen, ob der Kunde in Form einer Privatperson oder eines Unternehmens geeignet ist, eine vertragsgemäße Kreditverpflichtung zu erfüllen. Die persönliche Kreditwürdigkeit ist gegeben, wenn der Antragsteller aufgrund seiner Zuverlässigkeit, seinem persönlichen und beruflichen Werdegang und seiner fachlichen Qualifikation das Vertrauen der Bank verdient. Auch seine familiäre Situation ausgehend von Familienstand und Kindern, wird betrachtet. Ebenso die unternehmerische Situation eines Kunden, wie beispielsweise der Ruf des Unternehmens, wird hierbei berücksichtigt. Durch ein Gespräch mit dem Kunden erhält die Bank einen persönlichen Eindruck über sein Auftreten, seine sprachliche Gewandtheit und sein Verhandlungsgeschick.[2] Die Bank bezieht zusätzliche Auskünfte und Informationen über Dritte. Dabei handelt es sich um Büroauskünfte verschiedener Institute und Bankauskünfte von anderen Banken.[3] Die Schufa ist ein Institut, das ausschließlich Daten von Privatpersonen speichert. Neben den Personenstammdaten werden Informationen über die Beantragung und Aufnahme von Vertragsbeziehungen wie Krediten, Leasinggeschäften, Bürgschaften, Girokonten und Kreditkartenausgaben gespeichert. Es werden ebenfalls Auskünfte über ein nicht vertragsgemäßes Verhalten gegeben. Das können Kreditkündigungen, Pfändungen und eidesstattliche Versicherungen sein.[4] Ein Institut für Wirtschaftsauskünfte ist die Creditreform. Sie erfasst Daten von Unternehmen in Bezug auf deren Bonität, Branche, Kapital, Jahresumsatz, Auftragslage, Unternehmensentwicklung und Zahlungsbereitschaft.[5]
2. Materielle Kreditwürdigkeit
Die materielle Kreditwürdigkeit ist erfüllt, wenn der Kunde oder das Unternehmen kapitaldienstfähig sind. Kapitaldienstfähigkeit bedeutet, dass die gegenwärtigen und künftig erwarteten Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Kunden oder die Rentabilität eines Unternehmens entsprechende Zinszahlungen und eine Rückzahlung des Kredites, den sog. Kapitaldienst, innerhalb der Laufzeit erwarten lassen.[6] Die Kapitaldienstfähigkeit wird anhand verschiedener Kriterien überprüft. Bei privaten Kunden erhält die Bank über Einkommensteuererklärungen und Selbstauskünfte den Einblick über das Einkommen und die Vermögenswerte.[7]
Im Rahmen von Basel II werden neue Eigenkapitalanforderungen an die Banken gestellt. Auch das KWG verlangt nach §18 Satz 1 Folgendes speziell bei gewerblichen Unternehmen: „Ein Kreditinstitut darf einen Kredit, der insgesamt 750 000 Euro oder 10 vom Hundert des haftenden Eigenkapitals des Instituts überschreitet, nur gewähren, wenn es sich von dem Kreditnehmer die wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere durch Vorlage der Jahresabschlüsse, offen legen lässt.“[8] Auf die Analyse des Jahresabschlusses in Bezug auf die Kreditwürdigkeitsprüfung wird in Kapitel C näher eingegangen.
Zusätzlich unternehmen die Banken Betriebsbesichtigungen[9], weil es gerade ohne diese zu Fehlern bei der Kreditwürdigkeitsprüfung in der Vergangenheit gekommen ist.[10] Des Weiteren kann sich das Kreditinstitut ggf. auch einen Überblick auf alle Vermögensaufstellungen verschaffen. Die Situation der Branche und deren Entwicklungschancen für die Zukunft sind für die Prüfung ebenso ausschlaggebend. Auch allgemeinwirtschaftliche Gesichtspunkte, wie die konjunkturelle Entwicklung und Tendenzen im Außenhandel, werden mit in die Wertung einbezogen.[11]
III. Die Ziele der Kreditwürdigkeitsprüfung
Das Oberziel der Kreditwürdigkeitsprüfung ist die Minimierung der mit einer Kreditentscheidung verbundenen Risiken. Dies geschieht in erster Linie durch die Beurteilung der Rückzahlungsfähigkeit eines Kredites. Eng hiermit verbunden ist wiederum die ausreichende Bemessung der Höhe eines Kredites. Das Kreditinstitut muss sorgfältig prüfen, ob der Kreditsuchende für sein Vorhaben das erforderliche Kreditvolumen kalkuliert hat, um der Gefahr zu entgehen, während der Laufzeit den Kredit eventuell erhöhen zu müssen.[12]
Die Einstufung der Bonität des Kunden in verschiedene Risikoklassen durch alle zur Verfügung stehenden relevanten Informationen stellt ein zusätzliches, wichtiges Ziel dar. Das Ergebnis der Risikoidentifikation dient zur Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung eines Kredites.[13]
Heutzutage ist die betriebswirtschaftliche Beratung von Unternehmen ein festes Aufgabengebiet der Kreditinstitute. Hier kann die Kreditwürdigkeitsprüfung als Schlüssel zur Unternehmensberatung fungieren. Der Informationsfluss, der durch die Prüfung entsteht, hilft, Fehler und Schwachstellen im Unternehmen zu erkennen. Das Ziel der Bank ist es, dem Kunden seine Dienste in Form der Beratung anzubieten.[14]
C. Die Methoden
Nachdem die einzelnen Begriffe der Kreditwürdigkeit und die Ziele der Kreditwürdigkeitsprüfung dargelegt worden sind, sollen im Weiteren die in der Literatur beschriebenen sowie die in der Praxis eingesetzten Methoden vorgestellt werden. In der Praxis wird die Kreditwürdigkeitsprüfung heutzutage generell als Bankinternes Rating bezeichnet. In Kapitel C. VI. wird dieses Verfahren, das auf quantitativen und qualitativen Faktoren beruht, näher vorgestellt.
Auch die Deutsche Bundesbank hat einen ähnlichen Ablauf mit mehreren Methoden für ihr Bonitätsbeurteilungsverfahren entwickelt.
Abb. 1: Ablauf des Bonitätsbeurteilungsverfahrens der Deutschen Bundesbank
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, September 2004
I. Die Jahresabschlussanalyse
Das Verfahren der Jahresabschlussanalyse wird allgemein als klassisch oder traditionell bezeichnet. Ausgangspunkt dieses Verfahrens ist § 18 des KWG. Hierbei werden von der Bank die Jahresabschlüsse des Kreditsuchenden Unternehmens analysiert.[15]
Unter der Analyse versteht man die Bildung bestimmter Kennzahlen, die alle eine bestimmte Aussagekraft über das Unternehmen haben. Sehr wichtig ist diese Betrachtung in der Entwicklung im Mehrjahresvergleich. Die meisten Kreditinstitute verwenden hierfür spezielle computergestützte Programme.[16]
In § 264 Abs.2 Satz 1 HGB heißt es:
„Der Jahresabschluß der Kapitalgesellschaft hat unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln.“[17]
Dieses Bild wird mit Kennzahlen, die die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage beurteilen, geprüft. Allerdings gibt es zahlreiche Kennzahlen in Praxis und Theorie, die eingesetzt werden. Hier sollen ein paar wesentliche von ihnen genannt werden.
1. Kennzahlen der Vermögenslage
Abbildung in ieser Leseprobe nicht enthalten
Sie misst den Anteil des Eigenkapitals am Gesamtkapital. Als allgemeine Regel gilt, dass der Eigenkapitalanteil etwa ein Drittel sein sollte. Eine hohe Eigenkapitalquote schützt vor Insolvenz durch Überschuldung und verringert zudem das Kreditausfallrisiko für die Banken, die als Gläubiger auftreten. Ebenso ist sie eine gute Voraussetzung für die Neuaufnahme von Krediten.[18]
Abbildung in ieser Leseprobe nicht enthalten
Die Eigenmittel ergeben sich hierbei aus dem Eigenkapital und den zuzurechnenden langfristigen Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern. Die Eigenmittelquote gibt Kenntnis über die langfristigen Mittel, die von den Eigentümern bereitgestellt wurden. Eine höhere Quote verbessert den Zugang zu Fremdkapitalaufnahmen.[19]
[...]
[1] Vgl. Brandt, Reiner, Informationsgespräch in der Volksbank Wilhelmshaven, Wilhelmshaven 2006.
[2] Vgl. Falter, Manuel , Die Praxis des Kreditgeschäfts, 14.Aufl., Stuttgart 1994, S.255.
[3] Vgl. Ebenda, S.256.
[4] Vgl. Falter, Manuel, Die Praxis des Kreditgeschäfts, 14.Aufl., Stuttgart 1994, S.257.
[5] Vgl. www.creditreform.de/Deutsch/Creditreform/Produkte_und_Leistungen/Wirtschafts
informationen/Firmenauskuenfte/wirtschaftsauskunft.jsp.
[6] Vgl. Falter, Manuel, Die Praxis des Kreditgeschäfts, 14.Aufl., Stuttgart 1994, S.259.
[7] Vgl. Brandt, Reiner, Informationsgespräch in der Volksbank Wilhelmshaven, Wilhelmshaven 2006.
[8] Deutsche Bundesbank, Gesetz über das Kreditwesen, Frankfurt 2005, §18 Satz 1.
[9] Vgl. Brandt, Reiner, Informationsgespräch in der Volksbank Wilhelmshaven, Wilhelmshaven 2006.
[10] Vgl. Dicken, André Jacques, Kreditwürdigkeitsprüfung, Hamburg 1997, S.4.
[11] Vgl. Falter, Manuel, Die Praxis des Kreditgeschäfts, 14.Aufl., Stuttgart 1994, S.261.
[12] Vgl. Brandt, Reiner, Informationsgespräch in der Volksbank Wilhelmshaven, Wilhelmshaven 2006.
[13] Vgl. Dicken, André Jacques, Kreditwürdigkeitsprüfung, Hamburg 1997, S.13.
[14] Vgl. Ebenda, S.12.
[15] Vgl. Dicken, André Jacques, Kreditwürdigkeitsprüfung, Hamburg 1997, S.22.
[16] Vgl. Ebenda, S.23.
[17] HGB, Bonn 2005, § 264 Abs. 2 Satz 1.
[18] Vgl. Gräfer, Horst, Bilanzanalyse, 9.Aufl., Berlin 2005, S.119.
[19] Vgl. Deutsche Bundesbank, Beurteilung der Bonität von Unternehmen durch die Deutsche Bundesbank im Rahmen der Refinanzierung deutscher Kreditinstitute, Frankfurt 2004, Anlage 3.
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