Phantastische Kinder- und Jugendliteratur entwickelte sich aus der Romantik des 19. Jahrhunderts, in der es zu einer Neubelebung von phantastischen Elementen aus Volksmärchen, Mythen und Sagen kam. Die Kinder- und Jugendliteratur der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts, aus denen die im Folgenden vorgestellten Bücher stammen, ist geprägt von einer Abkehr des im vorherigen Jahrzehnts vorherrschenden Schwerpunktes realistischer Themenschwerpunkte und wendet sich erneut und mit großem Erfolg phantastischen Elementen und Inhalten zu.
Vor dem Hintergrund einiger wichtiger theoretischer Strukturmerkmale sollen hier nun zwei Bücher von Frederik Hetmann, zum einen „Wagadu“ von 1983 und „Madru oder Der Große Wald“ von 1984 analysiert und miteinander verglichen werden. Dabei folgt nach der historischen Einordnung und einer kurzen Inhaltsangabe die Erläuterung der Gattung phantastischer Kinder- und Jugendliteratur. Im Anschluß an die äußere Beschreibung der Bücher und der darin enthaltenen Orte und Wirklichkeitsbereiche folgt ein Umriss der wichtigsten Figuren der Geschichten und die Erläuterung von Erzählhaltung und Sprache. Im Anschluß werden die Bücher im Hinblick auf die besonderen thematischen Eigenarten und Schwerpunkte als Hauptmotive phantastischer Kinder- und Jugendliteratur miteinander verglichen. Schließlich wird auf die Funktion dieser Literaturgattung auf den Rezipienten eingegangen und abschließend der Autor und seine Bibliographie vorgestellt.
Um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen, bleibt sie auf eine strukturelle Analyse beschränkt. Es wird in dieser Arbeit nicht um die spezielle Deutung der in den Büchern in Fülle zu findenden Symboliken und Mythen gehen.
Inhalt
1. Einleitung
2. Historische Einordnung
3. Inhaltsangabe
3. 1 Madru oder Der Große Wald
3. 2 Wagadu
4. Gattung
5. Äußere formale Gegebenheiten
6. Orte und Wirklichkeitsbereiche
7. Inhaltliche Kriterien
7. 1 Figuren
7.1.1 Madru oder Der Große Wald
7.1.2 Wagadu
8. Erzählhaltung und Sprache
9. Motive
9.1 Phantastische Reise
9.2 „Queste“
9.3 Einbruch der Vergangenheit in die Gegenwart
9.4 Gut und Böse
9.5 Andere Welten
10. Funktion
11. Schluß
12. Autor
13. Bibliographie
14. Preise
15. Literatur
„Die Wahrheit kam nicht nackt in diese Welt, sondern in Formen und Bildern. Man kann die Wahrheit in anderer Weise nicht empfangen...Der Bräutigam muß durch das Bild in die Wahrheit eindringen.“ Philippus Evangelium
1. Einleitung
Phantastische Kinder- und Jugendliteratur entwickelte sich aus der Romantik des 19. Jahrhunderts, in der es zu einer Neubelebung von phantastischen Elementen aus Volksmärchen, Mythen und Sagen kam. Die Kinder- und Jugendliteratur der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts, aus denen die im Folgenden vorgestellten Bücher stammen, ist geprägt von einer Abkehr des im vorherigen Jahrzehnts vorherrschenden Schwerpunktes realistischer Themenschwerpunkte und wendet sich erneut und mit großem Erfolg phantastischen Elementen und Inhalten zu.
Vor dem Hintergrund einiger wichtiger theoretischer Strukturmerkmale sollen hier nun zwei Bücher von Frederik Hetmann, zum einen „Wagadu“ von 1983 und „Madru oder Der Große Wald“ von 1984 analysiert und miteinander verglichen werden. Dabei folgt nach der historischen Einordnung und einer kurzen Inhaltsangabe die Erläuterung der Gattung phantastischer Kinder- und Jugendliteratur. Im Anschluß an die äußere Beschreibung der Bücher und der darin enthaltenen Orte und Wirklichkeitsbereiche folgt ein Umriss der wichtigsten Figuren der Geschichten und die Erläuterung von Erzählhaltung und Sprache. Im Anschluß werden die Bücher im Hinblick auf die besonderen thematischen Eigenarten und Schwerpunkte als Hauptmotive phantastischer Kinder- und Jugendliteratur miteinander verglichen. Schließlich wird auf die Funktion dieser Literaturgattung für den Rezipienten eingegangen und abschließend der Autor und seine Bibliographie vorgestellt.
Um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen, beschränke ich mich auf eine strukturelle Analyse. Es wird in dieser Arbeit nicht um die spezielle Deutung der in den Büchern in Fülle zu findenden Symboliken und Mythen gehen.
2. Historische Einordnung
Die Romane „Madru oder Der Große Wald“ und „Wagadu“ fallen mit ihren Erscheinungsdaten von 1983 im Eugen Diederichs Verlag bzw. 1984 im Signal Verlag, in die Zeit des „Phantastik-Booms“ (Haas, Klingberg, Tabbert, 1984, S. 267), in der phantastische Kinder- und Jugendliteratur zunehmend ins Interesse der literarischen Öffentlichkeit rückte. Eine Anspielung auf Michael Endes „Unendliche Geschichte“ von 1979, die u. a. für diesen Erfolg von großer Bedeutung gewesen ist, findet sich beispielsweise in „Wagadu“ wieder („...daß ich mich am liebsten gleich meines Zaubersteins bedient und mich davon gemacht hätte, auf dem Weg der Schulschwänzer, in eine andere Welt“S.183).
Haas, Klingberg und Tabbert erklären diese Entwicklung zum einen aus dem Bedürfnis nach anderer Literatur als den belehrenden, didaktischen und zu einer bestimmten Haltung beeinflussenden realistischen Texten der siebziger Jahre und zum anderen aus dem simplen Fehlen einer angemessen hochwertigen und lesenswerten Literatur dieser Gattung in Deutschland bis in diese Zeit (1984,S. 268). Scheiner weist auf die Veränderung des Problembewußtseins der Jugend bezüglich ihrer Schaffung von Wertvorstellungen hin, die sich von der „Auseinandersetzung mit der sozialen Außenwelt zur Suche nach dem eigenen Ich verschiebt“, was als Motiv besonders in „Wagadu“ deutlich wird (2004, S.197).
3. Inhaltsangabe
3. 1 Madru oder Der Große Wald
Der phantastische Roman „Madru oder Der Große Wald“ von Frederik Hetmann von 1984 erzählt die Geschichte von Madru, einem Sklavensohn an einem schwedischen Hof, der aufgrund einer alten Vorschrift und bestimmten astronomischen Konstellationen von Druiden als „Sternensohn“ erkannt wird, und der somit als männlicher Erbe des Fürsten seiner Heimat Norrland eingesetzt werden soll, dem nur Töchter geboren worden sind.
Also verlässt Madru seinen Hof und wird durch seinen Lehrer Ase in die Zusammenhänge und Aufgaben des Sternensohnes eingeweiht. Madru muss sich bestimmten, an aus schamanischen Traditionen erinnernde Einweihungsritualen unterziehen, bevor er am Fürstenhof als Prinz eingesetzt wird. Er muß sich nach einer Ausbildung und mit Hilfe eines „Bilderspieles“ zwischen drei zur Auswahl stehenden Wegen entscheiden, um schließlich die Herrschaft des Fürstenhofes zu übernehmen und „das Reich des Großen Waldes“ zu schützen. Hier leben die Menschen im Einklang mit der Natur und insbesondere der Wald ist ihnen heilig. Gefahr droht durch den Fürsten Lausbart aus dem Reich des Südens, der aus Geld- und Machtgier von den Norrländern Tribut erpresst und letztendlich Brandschatzung und Raubbau am Großen Wald betreibt. Die Prophezeiung, der Große Wald würde untergehen, scheint sich bewahrheitet zu haben.
3. 2 Wagadu
Der phantastische Roman „Wagadu“ von 1983 erzählt die Geschichte des 23jährigen Studenten Kaspar, der in einer Sinnkrise steckt. Diese wird deutlich am angespannten Verhältnis zu seinem Vater, dem Direktor eines Industriekonzernes, dessen materielle Ansprüche nach Macht und Geld Kaspar nicht teilen kann. Kaspar befindet sich in einem Zu- stand der Hoffnungs- und Orientierungslosigkeit und kann sich zunächst durch die Undeutlichkeit eigener Wertvorstellungen und durch mangelndes Selbstvertrauen einer Auseinandersetzung mit dem Vater nicht stellen. Ihm fehlt ein fester persönlicher Standpunkt. Bei einem Museumsbesuch weckt die westafrikanische Fotografie einer Szenerie mit zwei Personen Kaspars heftiges Interesse und während der genauen Betrachtung dieses Bildes geschieht ein Perspektivwechsel und er befindet sich plötzlich selbst als Teil innerhalb der Szene und eine Reise in eine andere Zeit und eine andere Umgebung beginnt. Im Laufe der Geschichte unternimmt Kaspar nun, begleitet von einem „Spielmann“ eine Reise durch vier Länder, in deren Mittelpunkt die Suche nach „dem wahren Wagadu“ steht und in deren Verlauf er seine eigene Identität findet.
Nachdem Kaspar sich am Ende der Geschichte wieder zurück am Ausgangspunkt seiner „realistischen“ Welt befindet, erlebt er einen Zuwachs an Mut und Selbstvertrauen und kann sich den Herausforderungen seines Lebens endlich stellen.
4. Gattung
Beide Bücher sind kollektivbegrifflich der phantastischen Literatur zuzuordnen und spezifisch der phantastischen Erzählung für Kinder und Jugendliche. Anders als beispielsweise im klassischen Märchen, in dem es ausschließlich nur eine Erzähldimension ohne Verbindung zu realen Orts- oder Handlungsbezügen gibt, ist die phantastische Erzählung gekennzeichnet von einer klaren Unterscheidung zwischen einer Welt des Realen und einer Welt des Phantastischen. Nach Haas, Klingberg und Tabbert bestehen solche „spezifisch eigenen Motive“ z. B. in der Existenz fremder Gesellschaften neben der alltäglichen Welt oder dem Eintritt alltäglicher Figuren in eine „magisch-mythische Welt“ (1984, S. 270), was sich in „Wagadu“ durch Kaspars Reise durch vier verschiedene, phantastische Gesellschaftsformen wiederspiegelt und ebenso in „Madru oder Der Große Wald“ in Form des Verwobenseins von Realwelt und Anderswelt wiederfinden läßt.
Der Unterschied zu phantastischer Literatur für Erwachsene besteht darin, dass in dieser durch die phantastische Motivik „Schrecken, Angst und Grauen“ ausgelöst werden, die phantastische Kinder- und Jugenliteratur hingegen die Wirkung auf „Komik, Spiel und satirische Pointierung“ erweitert (Haas, Klingberg und Tabbert, 1984, S. 269), was in beiden Büchern durch die enorme Anhäufung und dem fast spielerischen Umgang mit Elementen diverser Religionen, Mythen und Kulturbereichen anklingt. Meißner spricht zusätzlich von einer „didaktischen Phantastik“, in der zum einen Texte durch Spiegelung von Realwelten auf
einer imaginären Ebene als Beschreibung anderer Lebensmodelle auf den Leser hinsichtlich des eigenen (Sinn des) Lebens durch Anregung eines Perspektivwechsels belehrend wirken können; in „Wagadu“ beispielsweise dargestellt an der Gesellschaftsform in der Stadt Agada (Meißner, 1989, S.193). Zum anderen hat didaktische Phantastik das Problem der Umweltzerstörung zum Thema, was in „Madru oder Der Große Wald“ deutlich wird an der Zerstörung des Großen Waldes.
Haas nennt „Madru oder Der Große Wald“ )auch durch die Verbindung mit realistischen politischen und gesellschaftlichen Problematiken) eine „Mischform aus Fantasy und sozialkritischer Erzählung mit deutlich didaktischem Einschlag“ (Haas, 2004, S. 21), was auch in „Wagadu“ durch die symbolischen Verweise auf die aktuelle soziale Wirklichkeit zu finden ist.
5. Äußere, formale Gegebenheiten
Das an Claude-Lévi-Strauss´ Definition von Fantasy-Texten angelehnte Strukturmerkmal der „absolut dominanten Bildlichkeit“ findet sich zum einen im Titelbild zu „Madru oder Der Große Wald“, auf dem der Wald ein Gesicht hat, wieder und zum anderen in den jedem einzelnen der 22 Kapitel hinzugefügten Illustrationen der Karten des Baumtarot, welches im Laufe der Geschichte eine zentrale Rolle spielt (Haas, 2004, S.21). Für den Leser bietet die Voranstellung eines Bildes vor jedes Kapitel den Anreiz, sich bereits vor der kognitiven Auseinandersetzung mit dem folgenden Inhalt der Geschichte assoziativ mit deren weiterem Verlauf zu beschäftigen.
Das Titelbild zu „Wagadu“ zeigt eine stilisierte Berglandschaft, in der ein an einer Ecke verbranntes Foto von Türmen zu schweben scheint. Im Vordergrund befindet sich ein afrikanisch anmutender (Krieger-) Kopf im Profil. Die Darstellung wirkt traumartig und geheimnisvoll und weckt so die Neugier des Betrachters.
Quasi als Zusammenfassung des Grundthemas ist hier jedem der sechs Kapitel eine Zeichnung, die die Hauptaspekte des vorher Beschriebenen nocheinmal bildlich zusammenzufassen scheint, hinzugefügt. So erschließt sich dem Leser dann auch nach der Lektüre der gesamten Geschichte die Symbolik des Titelbildes.
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- Anke Fellers (Author), 2006, Eine Analyse der Bücher "Wagadu" und "Madru oder Der Große Wald" von Frederik Hetmann, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61908
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