Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler, nach wirtschaftlich und politisch unruhigen Zeiten für das Deutsche Reich, zum Reichskanzler ernannt.
Was darauf folgte, ist eigentlich jedem bekannt:
Der Wahlsieg der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) am
05. März 1933.
Somit erlangte er die absolute Staatskontrolle durch das Ermächtigungsgesetz, die Gleichschaltung, den Versuch, ganze Volksgruppen und Minderheiten auszurotten und schließlich einen Krieg mit ca. 60 Millionen Toten.
In diesem Krieg machten, neben anderen Organisationen, die Polizeibataillone mit der Erschießung von Tausenden Unschuldigen und der brutalen Aufrechterhaltung der Macht in den von Deutschland besetzten Gebieten von sich Reden.
Diese Arbeit geht es um die Anfänge des Prozesses, der von einer Polizei in einem demokratischem Staat zu einem willigen Instrument eines Diktators bei der Verwirklichung seiner wahnsinnigen Ziele führte.
[...]
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Polizei in der späten Weimarer Republik
2.1 Rechtliche Grundlagen
2.2 Aufgabenzuweisungen
2.3 Ermächtigungsnormen
2.4 Entstehung, Zusammensetzung
2.5 Wirtschaftliche Situation von Polizeibeamten
3. Einfluß der politischen Veränderungen auf die Polizei
3.1 Politische Situation 1930 bis 1933
3.2 Politische Betätigung innerhalb der Polizei
3.3 Einflußnahme durch die NSDAP
3.4 Folgen des „Preußenschlages“ für die preußische Polizei
4. Die Polizei nach der Machtergreifung durch die NSDAP
4.1 Rechtliche Grundlagen
4.2 Ermächtigungsnormen und Aufgabenzuweisungen
4.3 Einrichtung der Hilfspolizeien 1933
5. Änderungen der Strukturen innerhalb der Polizei nach der
Machtergreifung
6. Abschlußbetrachtung
Anhang I: Gliederung der Polizeigewalt in der Weimarer Republik
Anhang II: Organisation der Polizei in Preußen vor der Machtergreifung (schematische Darstellung)
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler, nach wirtschaftlich und politisch unruhigen Zeiten für das Deutsche Reich, zum Reichskanzler ernannt.
Was darauf folgte, ist eigentlich jedem bekannt:
Der Wahlsieg der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) am
05. März 1933.
Somit erlangte er die absolute Staatskontrolle durch das Ermächtigungsgesetz, die Gleichschaltung, den Versuch, ganze Volksgruppen und Minderheiten auszurotten und schließlich einen Krieg mit ca. 60 Millionen Toten.
In diesem Krieg machten, neben anderen Organisationen, die Polizeibataillone mit der Erschießung von Tausenden Unschuldigen und der brutalen Aufrechterhaltung der Macht in den von Deutschland besetzten Gebieten von sich Reden.
Diese Arbeit geht es um die Anfänge des Prozesses, der von einer Polizei in einem demokratischem Staat zu einem willigen Instrument eines Diktators bei der Verwirklichung seiner wahnsinnigen Ziele führte.
2. Die Polizei in der späten Weimarer Republik
Um einen eventuellen Einfluß der Veränderungen der politischen Umstände auf die Polizei nachvollziehen zu können, ist es notwendig, den Zustand der Polizei in der Weimarer Republik in Bezug auf ihre rechtlichen Grundlagen und ihres Aufbaues zu betrachten.
2.1 Rechtliche Grundlagen
Da das Deutsche Reich nach dem ersten Weltkrieg eine Demokratie war, sind hier die rechtlichen Grundlagen zunächst in der Verfassung zu suchen.
Die Verfassung des deutschen Reiches[1] wurde am 11. August 1919 von der Nationalversammlung in Weimar verabschiedet, was ihr auch den Namen „Weimarer Verfassung“ (WV) gab.
Der zweite Hauptteil der WV, beginnend mit Artikel (Art.) 109, befaßte sich mit den Grundrechten. Alle Grundrechte des Grundgesetzes (GG) fanden sich auch hier wieder.
Einen vergleichbaren Artikel zu Art. 20 (3) GG[2] gab es nicht.
Nach Art. 176 WV waren jedoch „Alle öffentlichen Beamten und Angehörigen der Wehrmacht [...] auf diese Verfassung zu vereidigen“.
Da, wie schon vermerkt, die Grundrechte in der Verfassung verbrieft und mit entsprechenden Gesetzesvorbehalten versehen waren, kann durch den in Art. 176 WV verlangten Eid eine Bindung der Exekutive an Recht und Gesetz abgeleitet werden.
Die Art. 6 bis 12 WV beziehen sich auf die Gesetzgebungskompetenz.
Nach Art. 9 WV hat das Reich die Gesetzgebung über den Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, „nur soweit ein Bedürfnis für den Erlaß einheitlicher Vorschriften vorhanden ist“.
Da das Polizeiwesen nicht im Art. 6 WV (ausschließliche Gesetzgebung des Reiches) genannt ist, und Art. 12 WV den Ländern das Recht der Gesetzgebung zugesteht[3], ist davon auszugehen das auch in der Weimarer Republik Polizei Ländersache war.
Dies bestätigt der § 1 des preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes (PVG) vom
01. Juni 1931:
„Die Polizei ist Angelegenheit des Staates Preußen.“[4]
2.2 Aufgabenzuweisungen
Schaeffer und Albrecht schreiben:
„das Recht der Polizei gründet sich vorwiegend auf Landesrecht, beruht aber daneben auch zu einem erheblichen Teile auf Reichsrecht“[5].
Aufgabenzuweisungen oder auch sachliche Zuständigkeiten sind daher auch sowohl im Reichsrecht (siehe Abschnitt 2.1, S. 2, zu Art 9 WV), als auch im Landesrecht zu suchen.
Wie in der Einleitung erläutert, wird hier das preußische Landesrecht betrachtet.
In § 14 (1) PVG werden die Polizeibehörden ermächtigt,
„im Rahmen der geltenden Gesetze die nach pflichtmäßigem Ermessen notwendigen Maßnahmen zu treffen, um von der Allgemeinheit oder dem Einzelnen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird.“[6]
Aufgabe der Polizei war es also, die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu erhalten und bevorstehende Gefahren von der Allgemeinheit und Einzelpersonen abzuwehren. Wir können deswegen von einer Aufgabe der allgemeinen Gefahrenabwehr sprechen, wie sie heute auch noch im Hessischen Polizeigesetz (HSOG) zu finden ist.
Absatz 2 forderte von der Polizei,
„diejenigen Aufgaben zu erfüllen, die ihnen durch besondere Gesetze übertragen worden sind.“[7]
Dieser Absatz ist die Brückenvorschrift zu den, mehrheitlich reichsrechtlichen, polizeilichen Aufgabenzuweisungen.
Hierzu gehörte die Aufgabe, nach § 163 Strafprozeßordnung (StPO) Straftaten zu erforschen und deren Verdunkelung zu verhindern. Die Polizei hatte im strafrechtlichen Bereich sogar die Aufgabe, nach § 413 der damaligen StPO Strafverfügungen für geringfügige Delikte zu erlassen[8], also Teilaufgaben der Judikative wahrzunehmen.
Die Erklärung hierfür mag das damalige Bestehen von Übertretungen als Straftatbestand anstelle von Ordnungswidrigkeiten sein.
2.3 Ermächtigungsnormen
Neben zahlreichen Ermächtigungsnormen im speziellen Polizeirecht, besonders im Reichsrecht, ist hier noch einmal Bezug zu nehmen auf § 14 (1) PVG.
Durch die Formulierung „die nach pflichtmäßigem Ermessen notwendigen Maßnahmen zu treffen,“ wird der Polizei eine Generalvollmacht zur Gefahrenabwehr gegeben, die ihre Grenzen in der Aufgabenzuweisung und in den in der Verfassung garantierten Grundrechten findet.
Organisation und Aufbau
Um den Aufbau und die Organisation der Polizei des Landes Preußen zu verstehen, ist es notwendig, zunächst auf den damaligen Polizeibegriff einzugehen.
Bis zum 17. Jahrhundert (Jh.) verstand man in Deutschland unter Polizei („Polizen“) „jegliche Form der Staatstätigkeit, also unterschiedslos Gesetzgebung, Justiz und Verwaltung“[9].
Im 17 Jh. wurden dann vom Polizeibegriff die auswärtigen Angelegenheiten, das Heerwesen, das Finanzwesen und die Justiz abgelöst.
Anfang des 19. Jh. wurde der Begriff weiter eingegrenzt auf „die Summe aller Verwaltungstätigkeit, die der Staat zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung entfaltet"[10].
Dieses Verständnis von Polizei hatte bis in die Weimarer Republik Bestand.
Klingt diese Definition schon sehr wie unser heutiger Polizeibegriff, muß man jedoch deutlich abgrenzen.
So hatte die Polizei gefahrenabwehrende Aufgaben zu versehen, die heute im Zuständigkeitsbereich der Ordnungsbehörden liegen, und zwar sowohl nach Landesrecht (Bauaufsicht, Feld- und Forstverwaltung, Jagd- und Fischereiüberwachung, Wasser und Wegerecht), als auch nach Reichsrecht (z. B. Gewerbeaufsicht, Vereinsrecht, Presseaufsicht, Überwachung des Lichtspielwesens auf moralische Festigkeit, Abwehr von gemeingefährlichen Seuchen)[11].
Aufgrund der, nach heutigem Verständnis, weitgefaßten Zuständigkeiten ergeben sich auch unterschiedliche Polizeizweige, die in der heutigen Zeit nicht mehr auftreten.
So unterschied man in der Weimarer Republik zunächst zwischen Verwaltungspolizei und gerichtlicher Polizei.
Die gerichtliche Polizei, auch Strafpolizei, hatte die Aufgabe, als „Gehilfin der Justiz“[12] tätig zu sein, d.h. Strafverfolgung zu betreiben, während die Verwaltungspolizei (auch: administrative Polizei genannt) die eigentliche Tätigkeit der
Polizei, also die
„Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit schlechthin mit Einschluß der vorbeugenden Tätigkeit der Polizei zur Verhütung strafbarer Handlungen“[13]
versah, also die Mitwirkung der Polizei bei der Strafverfolgung, der Erlaß von Strafverfügungen und die Mitwirkung bei der Strafvollstreckung.
Die gerichtliche Polizei stellte zwar einen gesonderten Zweig dar, ihre Angelegenheiten wurden jedoch von der allgemeinen Polizei (in Form der Kriminalpolizei) wahrgenommen.
Die Verwaltungspolizei wiederum ist zu unterteilen in die allgemeine Polizei (Sicherheitspolizei) und die besondere Polizei (Verwaltungspolizei).
Voneinander abzugrenzen sind die beiden Zweige durch ihre obersten Dienstherren.
So unterstand die Sicherheitspolizei weiterhin dem Polizeiministerium, während die Verwaltungspolizei, je nach Zweig, in die Zuständigkeit anderer Ministerien fiel.
Die Sicherheitspolizei gliederte sich in die Zweige Politische Polizei (vergleichbar mit dem heutigen Verfassungsschutz), Vereins- und Versammlungspolizei, Pressepolizei, Theater- und Lichtspielpolizei, Aufenthalts-, Fremden- und Paßpolizei, Sittenpolizei, Waffenpolizei, Verkehrspolizei und Kriminalpolizei (im Präventionsbereich).
Die Verwaltungspolizei umfaßte die Baupolizei, Medizinal- und Veterinärpolizei, Gewerbepolizei, Feld- und Forstpolizei, Jagd- und Fischereipolizei, Wasser-, Strom, und Schiffahrtspolizei, Wegepolizei, Eisenbahnpolizei und Parlamentspolizei[14].
Diese Trennung war jedoch in erster Linie theoretisch. In der Praxis wurden viele Aufgaben der besonderen Polizei von der allgemeinen Polizei wahrgenommen (vgl. gerichtliche Polizei).
Über diesen Zweigen der Polizei, welche grundsätzlich ins Aufgabengebiet der Länder fielen, standen noch einige Polizeieinrichtungen des Reiches[15], nämlich der Reichswasserschutz, die Reichsbahnpolizei und das Reichskriminalamt[16].
An dieser Stelle soll nun die allgemeine Polizei genauer betrachtet werden.
Die allgemeine Polizei in Preußen war in gegliederten Instanzen organisiert.
Der Minister des Innern (Polizeiministerium) fungierte in seiner Funktion als Zentralpolizeibehörde.
Der Landeszentralbehörde waren die Regierungspräsidenten als Landespolizeibehörden direkt nachgeordnet..
Es folgten die Landräte als Kreispolizeibehörde und die Ortspolizeibehörden, angesiedelt bei den Bürgermeistern bzw. Amtsvorstehern, in größeren Städten bei einem anderen höheren städtischen Verwaltungsmitglied.
In den kreisfreien Städten waren die Kreispolizeibehörde und die Ortspolizeibehörde zusammengefaßt.
Das Land Preußen hatte die örtliche Polizeigewalt generell auf die Bürgermeister übertragen, die dann kommunale Polizeibeamten einstellten. Dies geschah nicht in Selbstverwaltung, sondern in Delegation. Die Gemeinden trugen jedoch die Kosten der Polizeiverwaltung.
In Städten mit einer Größe ab 10000 Einwohnern wurden staatliche Ortspolizeibehörden errichtet, die durch die staatliche Schutzpolizei besetzt wurden, wodurch auch ein Großteil der Kosten hier wieder auf das Land entfielen[17].
Besonders im Zuge der Reorganisation des Polizeiwesens 1920 erfolgten viele Verstaatlichungen von Ortspolizeibehörden.
[...]
[1] RGBl. 1919, S. 1383 ff.
[2] „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende
Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“
[3] Mit Ausnahme der ausschließlichen Gesetzgebung.
[4] GS 1931 S. 77.
[5] Schaeffer / Albrecht, Grundriß des privaten und öffentlichen Rechts, Bd. 28, 1. – 7. Aufl. 1929, S.2.
[6] Stolz, Geschichte der Polizei in Schleswig-Holstein, 1980, S. 74.
[7] Lessmann, Die preußische Schutzpolizei, 1989, S. 399.
[8] Schaeffer, Grundriß des privaten und öffentlichen Rechts, Bd. 10, 33. – 38. Aufl. 1930, S. 111.
[9] Schaeffer / Albrecht, Grundriß des privaten und öffentlichen Rechts, Bd. 28, 1. – 7. Aufl. 1929, S.1.
[10] Schaeffer / Albrecht, a. a. O., S. 2.
[11] Schaeffer / Albrecht, Grundriß des privaten und öffentlichen Rechts, Bd. 28, 1. – 7. Aufl. 1929, S. 4.
[12] Schaeffer / Albrecht, a. a. O., S.25.
[13] Schaeffer / Albrecht, a. a. O..
[14] Schaeffer / Albrecht, Grundriß des privaten und öffentlichen Rechts, Bd. 28, 1. – 7. Aufl. 1929, S. 26 ff.
[15] Auf der Grundlage von Art. 15 und Art. 9 WV.
[16] Schaeffer / Albrecht, Grundriß des privaten und öffentlichen Rechts, Bd. 28, 1. – 7. Aufl. 1929, S. 34.
[17] Schaeffer / Albrecht, Grundriß des privaten und öffentlichen Rechts, Bd. 28, 1. – 7. Aufl. 1929, S. 36 ff, vgl. ders., Grundriß des privaten und öffentlichen Rechts, Bd. 14/2, 12. – 13. Aufl. 1930, S.71.
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