Die in den letzten Jahrzehnten stetige Zunahme von Unternehmensaktivitäten auf weltweiten Märkten führt dazu, dass sich Unternehmenskulturen von ihren vormals rein nationalen Ausrichtungen zur internationalen Orientierung wandeln. Geschäftliches Tätigwerden ist kulturübergreifender geworden. Soziale Kontakte zwischen Menschen aus verschiedenen Kulturen dauern länger und sind intensiver geworden. Dies gilt nicht nur für touristisch motivierte Auslandsaufenthalte, sondern insbesondere für das Geschäftsleben. Interkulturelle Zusammenarbeit ist bereits schon in mittleren Führungsebenen und für Angestellte alltäglich. Hierfür müssen die Beteiligten nicht zwangsläufig ins Ausland reisen. Globale Projekte involvieren die Mitarbeiter von ihren Schreibtischen im eigenen Land aus.
Nur Firmen, die kulturelle Besonderheiten ihrer globalen Kundschaft und Mitarbeiter kennen und mit diesen kompetent kommunizieren können, sind dauerhaft in weltweiten Märkten erfolgreich. Deshalb ist es ein Anliegen der Wirtschaftskommunikation, die Zusammenarbeit zwischen Angehörigen verschiedener Kulturen zu erleichtern und zu optimieren. Interkulturell erfolgreiches Handeln setzt bestimmte soziale Kompetenzen voraus. Daneben ist Wissen über Kulturen von Bedeutung. Deshalb hat diese Arbeit einzelne Aspekte, in denen sich die Kulturen unterscheiden können zum Gegenstand, und bietet einen tieferen Einblick in das, was wir Kultur nennen. Durch die Beschreibung von spezifischen Trainings wird in dieser Diplomarbeit darauf hingedeutet, wie interkulturelle Kompetenzen praktisch zu erlangen sind. Denn nicht zuletzt durch diese Kompetenzen können die kulturellen Unterschiede der mit einem Unternehmen verbundenen Menschen, seien es Kunden, Mitarbeiter oder Geschäftspartner, erfolgreich gemanagt und genutzt werden. Interkulturelle Kompetenz hilft letztendlich unternehmerische Chancen zu ergreifen und Risiken zu minimieren.
INHALTSVERZEICHNIS
DARSTELLUNGSVERZEICHNIS
A. Grundlegung
I.Einleitung
II.Fragestellung
III. Gang der Untersuchung
B. Theoretische Grundlagen des interkulturellen Kompetenzerwerbs
I. Soziale und interkulturelle Kompetenzen
1. Begriffskennzeichnung „soziale Kompetenz“ und „sozial kompetentes Verhalten“
2. Die Bestimmung sozialer Kompetenzen
3. Interkulturelle Kompetenz
II. Dimensionen von Kulturen
1. Begriffskennzeichnung Kultur
2. Kulturelle Manifestationen
3. Kultur als Bedingung für Fremdheit
4. Kulturelle Prägung von Individuen
5. Der Umgang mit Vorurteilen
6. Problematiken bei Kulturvergleichen
7. Strukturierung und Vergleich von Kulturen
7.1 Einführung in die Kulturvergleichsstudien Geert Hofstedes
7.2 Machtdistanz - die Toleranz gegenüber Machtgefällen
7.3 Individualismus und Kollektivismus
7.4 Maskulinität und Femininität
7.5 Die Unsicherheitsvermeidung
7.6 Die Langfristorientierung - Kultur als Wettbewerbsvorteil?
7.7 Kritische Würdigung der Kulturvergleichsstudien von Hofstede
III. Besondere Anforderungen an die Interkulturelle Kommunikation
mittels Sprache
1. Sprache und kulturelle Identität
2. „High-Context“, - und „Low-Context“- Kommunikationsstile nach Hall
C. Trainingsmethoden zum Erwerb interkultureller Kompetenzen
1. Diagnose Interkultureller Handlungskompetenzen: Die Assessment Center-Methode
2. Grundlagen interkulturellen Lernens
3. Interkulturelle Trainingsmethoden und Coaching
D. Zusammenfassung der Ergebnisse und offene Fragen
LITERATURVERZEICHNIS
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG
Darstellungsverzeichnis
Abbildung 1: Kulturelle Prägung von Individuen, nach Hofstede
Abbildung 2: Kulturelle Prägung von Individuen, nach Aschenbrenner-Wellmann
Abbildung 3: Position von 50 Ländern und 3 Regionen bzgl. der Dimensionen Machtdistanz und Individualismus/Kollektivismus
Tabelle 1: Machtdistanzindexwerte von 50 Ländern und 3 Länderregionen
Tabelle 2: Individualismusindexwerte von 50 Ländern und 3 Länderregionen
Tabelle 3: Maskulinitätsindexwerte von 50 Ländern und 3 Länderregionen
Tabelle 4: Unsicherheitsvermeidungsindexwert von 50 Ländern und 3 Regionen
A. Grundlegung
I. Einleitung
Die in den letzten Jahrzehnten stetige Zunahme von Unternehmensaktivitäten auf weltweiten Märkten führt dazu, dass sich Unternehmenskulturen von ihren vormals rein nationalen Ausrichtungen zur internationalen Orientierung wandeln. Geschäftliches Tätigwerden ist kulturübergreifender geworden. Soziale Kontakte zwischen Menschen aus verschiedenen Kulturen dauern länger und sind intensiver geworden. Dies gilt nicht nur für touristisch motivierte Auslandsaufenthalte, sondern insbesondere für das Geschäftsleben. Interkulturelle Zusammenarbeit ist bereits schon in mittleren Führungsebenen und für Angestellte alltäglich. Hierfür müssen die Beteiligten nicht zwangsläufig ins Ausland reisen. Globale Projekte involvieren die Mitarbeiter von ihren Schreibtischen im eigenen Land aus.
Nur Firmen, die kulturelle Besonderheiten ihrer globalen Kundschaft und Mitarbeiter kennen und mit diesen kompetent kommunizieren können, sind dauerhaft in weltweiten Märkten erfolgreich. Deshalb ist es ein Anliegen der Wirtschaftskommunikation, die Zusammenarbeit zwischen Angehörigen verschiedener Kulturen zu erleichtern und zu optimieren.
Interkulturell erfolgreiches Handeln setzt bestimmte soziale Kompetenzen voraus. Daneben ist Wissen über Kulturen von Bedeutung. Deshalb hat diese Arbeit einzelne Aspekte, in denen sich die Kulturen unterscheiden können zum Gegenstand, und bietet einen tieferen Einblick in das, was wir Kultur nennen. Durch die Beschreibung von spezifischen Trainings wird in dieser Diplomarbeit darauf hingedeutet, wie interkulturelle Kompetenzen praktisch zu erlangen sind. Denn nicht zuletzt durch diese Kompetenzen können die kulturellen Unterschiede der mit einem Unternehmen verbundenen Menschen, seien es Kunden, Mitarbeiter oder Geschäftspartner, erfolgreich gemanagt und genutzt werden. Interkulturelle Kompetenz hilft letztendlich unternehmerische Chancen zu ergreifen und Risiken zu minimieren.
II. Fragestellung
Thema der Diplomarbeit:
Interkulturelle Kompetenz -
Kulturbetrachtung und interkultureller Kompetenzerwerb
Diese Diplomarbeit beschäftigt sich mit Kulturen und interkultureller Kompetenz. Den Schwerpunkt bildet dabei die Frage, was bei der Auseinandersetzung mit kulturellen Unterschieden zu beachten ist. Dadurch soll die Arbeit auch einen Leitfaden darstellen, der die Lesenden für die Betrachtung ihrer eigenen und fremder Kulturen sensibilisiert und zeigt, auf welchen Wegen interkulturelle Kompetenzen erworben werden können.
Aus dem Thema resultierende Fragestellungen:
1. Worauf basieren interkulturelle Kompetenzen und sind sie erweiter- und erlernbar?
2. Welche wesentlichen Elemente von Kulturen lassen sich beschreiben, die bei der interkulturellen Kommunikation besonders zu berücksichtigen sind?
3. Auf welchen praktischen Wegen können solche Kompetenzen aufgebaut werden?
III. Gang der Untersuchungen
Um in der Geschäftswelt und zu anderen Anlässen erfolgreich mit Menschen aus anderen Kulturen kommunizieren zu können, bedarf es spezifischer Kompetenzen. Den sozialen Kompetenzen fällt hierbei besonderes Gewicht zu. Daher wird imI. Teil desAbschnitts Bzunächst der Begriff der Kompetenz themenadäquat bestimmt, um anschließend eine Arbeitsdefinition aufzustellen, die sich auf vier zentrale Merkmale zur Bestimmung sozialer Kompetenz beschränkt. Aufbauend auf diesen Ergebnissen schließt dieser Teil mit der Untersuchung von Zugangsmöglichkeiten zur Entwicklung der interkulturellen Kompetenz ab.
DerII. Teil des Abschnitts Bvertieft sich in die konkrete Betrachtung von Kulturen, indem er zentrale Dimensionen erläutert, die zu Kulturvergleichen herangezogen werden können. Diese zentralen Dimensionen erleichtern es Menschen, die sich in einer fremden Kultur zurechtfinden müssen, diese Kultur im Hinblick auf Kernmerkmale zu analysieren und zu verstehen. Hierfür stützt sich die Arbeit insbesondere auf die Ergebnisse der umfassenden Kulturvergleichsstudien des niederländischen Organisationspsychologen Geert Hofstede.
Weiterhin beschäftigt sich dieser Abschnitt mit der kulturellen Prägung von Menschen, legt dar, weshalb ein Individuum mehr als nur einer Kultur angehört, und geht dem Wesen und den Umgang mit Vorurteilen auf den Grund.
Die Sprache ist das bedeutendste Kommunikationsmittel der Menschen. Insbesondere in der Geschäftswelt ist eine Verständigung, die einzig auf Gestik und Mimik beruht, kaum vorstellbar. Um die Möglichkeiten und Grenzen der Sprache als Kommunikationsinstrument für interkulturelle Interaktionen aufzuzeigen, beschäftigt sich derIII. Teil des Abschnitts Bmit der gegenseitigen Beeinflussung von Sprache und Kultur, sowie unterschiedlichen kulturell geprägten Kommunikationsstilen.
DerAbschnitt Cbefasst sich mit der praktischeren Seite des interkulturellen Kompetenzerwerbes. Hier wird die Assessment Center-Methode im Hinblick auf die Diagnose interkultureller Kompetenzen vorgestellt, sowie eine Systematisierung von Trainingsmethoden zum Erwerb interkultureller Kompetenzen vorgenommen, die in Form von Seminaren oder Coaching verbreitet sind.
ImAbschnitt Dwerden abschließend die Ergebnisse der Arbeit genannt, und auf offene Fragen und Forschungsaspekte des Themas hingewiesen.
B. Theoretische Grundlagen des interkulturellen Kompetenzerwerbs
I. Soziale und interkulturelle Kompetenzen
1. Begriffskennzeichnung „soziale Kompetenz“ und „sozial kompetentes Verhalten“
Soziale Kontakte zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen hat es im Laufe der Geschichte schon immer gegeben. Heutzutage sind diese Kontakte, sei es aus geschäftlichen, wissenschaftlichen, politischen oder privaten Anlässen, häufiger und länger andauernd geworden. Interkulturelle Begegnungen betreffen unterschiedliche Personenkreise, so z.B. Studierende in Auslandssemestern, interkulturelle Projektgruppen oder SoldatInnen in Auslandseinsätzen. An diese Menschen werden hohe Anforderungen an Kooperation gestellt.
In interkulturellen Interaktionen treffen nicht Kulturen, sondern Menschen aufeinander. Diese sind in unterschiedlichen kulturellen Kontexten sozialisiert wurden und haben daher eine spezifische Art der Wahrnehmung und des Handelns entwickelt. Eine interkulturelle Interaktion kann somit als ein Spezialfall des sozialen Handelns aufgefasst werden.1Für den Erfolg zwischenmenschlicher Kommunikation ist soziale Kompetenz unabdingbar. Sie ist bei der Untersuchung des Erfolgs von interkulturellen Interaktionen von besonderer Bedeutung und wird deshalb im folgenden Abschnitt behandelt.
Zuerst werden die Begriffe Kompetenz und kompetentes Verhalten voneinander abgegrenzt, um dann anschließend eine Arbeitsdefinition der sozialen Kompetenzen aufzustellen. Daran schließen sich Überlegungen an, wie soziale Kompetenzen bestimmt werden können.
Im Geschäftsleben ist unabhängig von der Branche oft von Kompetenz die Rede. Es wird danach gefragt, ob eine Handwerkerin kompetent genug ist, Reparaturen vorzunehmen, ein Mitarbeiter in der Kreditabteilung einer Bank die erforderliche Kompetenz besitzt, die Kundschaft in Finanzangelegenheiten zu beraten, oder ob eine Polizistin in kritischen Situationen kompetent mit unterschiedlichsten Menschen kommunizieren kann. Unter dieser oft genannten Kompetenz wird gewöhnlich verstanden, ob ein Mensch die besondere Fähigkeit und Befugnis hat, eine bestimmte Aufgabe erfolgreich zu erledigen. Nach Frei u.a. wird unter Kompetenz verstanden, dass ein Individuum die Möglichkeit hat, in Abhängigkeit von seinen Lebensbedingungen seine Fähigkeiten so zu ordnen und einzusetzen, dass es seine Wünsche, Ziele und Interessen verwirklichen kann.2
Eine Trennung der Ausdrücke Kompetenz und kompetentes Verhalten erscheint sinnvoll. Die Kompetenz wird bei Frei u.a. als das Potential eines Individuums betrachtet, sich kompetent zu verhalten. Auch Kanning spricht von der Kompetenz als den „Fähigkeiten und Fertigkeiten eines Menschen (…) ein bestimmtes (z.B. soziales - Einfügung N.Sauer) Verhalten zu zeigen“3. Unter dem kompetenten Verhalten versteht er ein konkretes, beobachtbares Verhalten in einer spezifischen Situation.4Somit kann festgehalten werden, dass die soziale Kompetenz über die ein Mensch verfügt, einzig die Grundlage für sozial kompetentes Verhalten darstellt, aber keine Garantie dafür ist, das sich dieser auch so verhält.
In ihrer Arbeit charakterisieren Frei u.a. an der Kompetenz weiterhin, dass der inhaltliche maximale Umfang einer Kompetenz nicht bestimmbar ist. Darüber hinaus ist für die Autoren die Kompetenz nicht auf eine gesamte Unternehmung von einem Anfangspunkt A zu einem Endpunkt B bezogen, sondern auf einzelne Tätigkeiten einer Person innerhalb dieser Unternehmung.5Demnach ließen sich so viele unterschiedliche Kompetenzen vorstellen, wie es Tätigkeitsfelder gibt.
Aufgrund der Komplexität der natürlichen, technischen, kulturellen und sozialen Umwelt ist unverkennbar, dass eine einzelne generalisierte Kompetenz nicht ausreicht, um sich in den vielfältigen Situationen des privaten Umganges und des Berufslebens kompetent zu verhalten. Vondererforderlichen Kompetenz für die Lösung eines Problems im Singular zu sprechen, ist daher unpräzise. Vielmehr erfordert die Bewältigung von Problemen jeglicher Art das Zusammenspiel unterschiedlichster Kompetenzen.
Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass es sich bei Kompetenzen um Fertigkeiten und Fähigkeiten handelt, die in ihrem Zusammenwirken einem Individuum die Möglichkeit geben, spezifische Probleme zu lösen.
Mit dem Eintritt in das Informationszeitalter verändern sich auch die gewöhnlichen Tätigkeiten und Arbeitsabläufe in vielen Berufszweigen. Anstelle der bloßen Delegation von Arbeiten von oben nach unten, trat eine Zunahme von eigenverantwortlichem und selbstständigem Tätigwerden einzelner Mitarbeiter und Teams in teilweise globalem Umfang. Diese Veränderung erfordert auch eine Zunahme von Informationsaustausch und Abstimmungsvorgängen. Dieser Entwicklung folgt eine wachsende Bedeutung von zwischenmenschlichen Interaktionen, auch kulturübergreifend und über Ländergrenzen hinweg. Eine Zunahme solcher Beziehungen bedingt wiederum eine Zunahme an Problemen des sozialen Umganges, zu deren Lösung spezifische Kompetenzen benötigt werden. Um diesen Anforderungen zu genügen, sind von Mitarbeitern heutzutage Kompetenzen gefordert, die als sozial bezeichnet werden.
Neben Frei u.a.6trifft auch Kanning eine Unterscheidung zwischen den Begriffen Kompetenz und kompetentem Verhalten und definiert soziale Kompetenz als die „Gesamtheit des Wissens, der Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Person, welche die Qualität eigenen Sozialverhaltens...fördert.“7
In einer sozialen Interaktion wirken immer mehrere Kompetenzen zusammen, so dass es präziser ist, von sozialen Kompetenzen im Plural zu sprechen. Dies wird auch in der in der von Kanning vorgenommenen Unterscheidung sozialer Kompetenz in die drei Bereiche Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten deutlich.8Der erste Teilbereich der sozialen Kompetenz - das Wissen - beinhaltet alle Informationen über grundlegende Verhaltensregeln zwischenmenschlichen Interagierens. Dazu zählt beispielsweise stark kulturabhängiges Wissen um gesellschaftliche Werte, Normen, Rollenvorgaben, Begrüßungsrituale oder das Verhalten in öffentlichen Räumen.
Der zweite Baustein - die Fähigkeiten - umfassen breitere Basiskompetenzen, denen oft auch eine genetische Determination unterstellt wird. Dazu zählen z.B. die Intro- oder Extraversion, sowie die Fähigkeiten soziale Situationen angemessen wahrzunehmen und zu beurteilen. Andere erlernte Kompetenzen wie z.B. die motorische Ausführung des Essens mit Stäbchen finden sich in dem dritten Teilbereich, den Fertigkeiten, wieder. Soziale Kompetenz existiert also nicht als ein generalisiertes Konstrukt, sondern setzt sich aus gespeichertem Wissen und diversen sozialen Fähigkeiten und Fertigkeiten zusammen.
2. Die Bestimmung sozialer Kompetenzen
Aus den im vorangegangenen Abschnitt beschriebenen Bausteinen, aus denen sich soziale Kompetenz zusammensetzt, wird deutlich, dass soziale Kompetenzen zum großen Teil erlern- und erweiterbar sind. Neben dem Wissen lassen sich auch Fertigkeiten und Fähigkeiten der sozialen Kompetenz unter Einschränkungen, wie z.B. Behinderungen, bei allen Menschen ausbauen.
McFall äußert sich im Hinblick auf soziale Kompetenz: „The key here is that the term (soziale Kompetenz - Einfügung N.Sauer) is an evaluative generalization. … The key is that the term skills refers to specific abilities”9. Soziale Kompetenz besteht für ihn aus einer unbestimmten Anzahl sozialer Fertigkeiten und Fähigkeiten. Demnach kann eine Person soziale Fertigkeiten und Fähigkeiten besitzen, aber dennoch in einer spezifischen Situation sozial inkompetent handeln, da sie nicht überallesozialen Fertigkeiten und Fähigkeiten verfügt, die indieserSituation notwendig wären, um sozial kompetent zu handeln. Daher muss festgehalten werden, dass die sozialen Kompetenzen einer Person niemals allein aufgrund ihres Verhaltens in einer isolierten Situation beurteilt werden können. Denn die sozialen Fertigkeiten und Fähigkeiten einer Person können für Situation A nicht ausreichend oder ungeeignet, aber für ein sozial kompetentes Einschreiten in Situation B vollkommen tauglich sein. Die Situationsspezifität ist demnach ein Bestimmungsmerkmal sozialer Kompetenzen. Beispielsweise sollte in Bewerbungsgesprächen daher nicht einfach nach dem Vorhandensein einer generellen sozialen Kompetenz gefragt werden. Es sollte vielmehr geprüft werden, ob die Kandidaten auf den bestimmten Job und das Arbeitsumfeld bezogene soziale Kompetenzen besitzen. Hierzu ist eine Analyse der typischen Anforderungen des Aufgabenbereiches Voraussetzung. Von der Situationsspezifität ableitend kann auch davon ausgegangen werden, dass soziale Fertigkeiten trainierbar sind, indem die Lernenden mit bislang unbekannten oder kulturspezifischen Situationen, z.B. in Seminaren mit Rollenspielen oder anderen Schulungsmaßnahmen, vertraut gemacht werden.
Neben der Situationsspezifität ist die zwischenmenschliche Interaktion eine weitere wesentliche Bestimmungsgröße sozialer Kompetenz, denn sie bezieht sich ja auf den Umgang mit Menschen. Sozial kompetentes Verhalten kann sich nur in Situationen zeigen, in denen direkt oder indirekt zwei oder mehrere Personen involviert sind. Beispielhaft hierfür sind Teammeetings, Verhandlungsgespräche zwischen Geschäftspartnern, Kritikgespräche zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern oder Kundengespräche. Alle zwischenmenschlichen Interaktionen werden mit einer bestimmten Zielsetzung der Beteiligten durchgeführt. Anknüpfend an das oben genannte Beispiel des Kritikgespräches könnte das Ziel des Vorgesetzten die Motivation des Mitarbeiters bzw. das Ziel des Mitarbeiters das Einholen von Feedback sein. Die Orientierung des Handelns an eigenen Zielen ist somit ein weiteres Bestimmungsmerkmal sozial kompetenten Verhaltens.10
Um von den Mitmenschen als sozial kompetent eingestuft zu werden, sind dem zielgerichteten Verhalten jedoch Grenzen gesetzt. Nach Kanning ist ein Verhalten sozial kompetent, wenn es in einer spezifische Situation dazu beiträgt, die eigenen Ziele zu verwirklichen, aber gleichzeitig die soziale Akzeptanz des Verhaltens gewahrt wird.11
Auch Riemann und Allgöwer definieren sozial kompetentes Verhalten dementsprechend. Nach ihnen wird soziale Kompetenz Personen zugesprochen, die fähig sind, mit anderen so zu interagieren, dass aus ihrem Verhalten ein Maximum an positiven und ein Minimum an negativen Konsequenzen für alle Beteiligten folgt. Das Verhalten muss zudem als mindestens sozial akzeptabel gelten.12Die soziale Akzeptanz variiert von Kultur zu Kultur. Um Normen, Werte und soziale Anforderungen in anderen Kulturbereichen zu erfassen und das eigene Verhalten danach auszurichten, ist eine Auseinandersetzung mit den jeweiligen sozial akzeptierten Verhaltensstandards wie z.B. Geschäftspraktiken unumgänglich.
Zusammenfassend lassen sich vier Bestimmungsmerkmale sozial kompetenten Verhaltens charakterisieren. Dazu zählt der Grundsatz der Angemessenheit des zielorientierten Verhaltens, so dass für alle Beteiligte ein Maximum an positiven und ein Minimum an negativen Konsequenzen folgt. Dieser bedingt eine Zweckrationalität der eingesetzten Mittel zur Zielerreichung. Diese Zweckrationalität wird neben der Situationsspezifität, der Interaktion von mindestens zwei Personen und der Zielorientierung als viertes Bestimmungsmerkmal sozial kompetenten Verhaltens herangezogen.13Aus diesen Charakteristika lässt sich eine Arbeitsdefinition der sozialen Kompetenz konstruieren. Demnach handelt eine Person sozial kompetent, wenn sie ihr Handeln in einer spezifischen zwischenmenschlichen Interaktion an den eigenen Zielen ausrichtet und dabei die Angemessenheit der eingesetzten Mittel wahrt.
3. Interkulturelle Kompetenz
Bei der interkulturellen Interaktion begegnen sich nicht Kulturen, sondern Menschen. Deshalb ging die Arbeit in den vorangegangenen Abschnitten bereits detailliert auf die soziale Kompetenz, die für erfolgreiches zwischenmenschliches Interagieren wesentlich ist, ein. Lang bezeichnet soziale Kompetenz als „die Fähigkeit eines Mannes oder einer Frau, mit anderen Personen beiderlei Geschlechts aus allen gesellschaftlichen Schichten angemessen umgehen zu können“14, betont also die Relevanz von Geschlecht und unterschiedlicher sozialer Hintergründe in zwischenmenschlichen Interaktionen. Es ist somit immer im Bewusstsein zu behalten, dass die prägenden Subkulturen, denen eine Person zugehörig ist, sei es das Geschlecht, die Altersgruppe, soziale Hintergründe, Bildungsschichten oder Religionsgemeinschaften, neben der nationalkulturellen Prägung wesentlichen Einfluss auf ihre Wahrnehmung und das Verhalten haben.
Neben diesen personalen Faktoren wird die Ausprägung interkultureller Kompetenz von situativen Aspekten beeinflusst. Die Verschiedenartigkeit möglicher sozialer Situationen ist in ihrer Komplexität kaum zu fassen. Konstellationen in denen fremdkulturelle Menschen miteinander interagieren unterscheiden sich u.a. darin, ob es sich z.B. um das Gastland oder das Heimatland, um eine private oder geschäftliche Situation handelt. Weiterhin an welchen Orten, zu welchen Zeiten und mit welchen Interaktionspartnern die Kommunikation stattfindet, ferner können klimatische Bedingungen, der Status der Handelnden, die zwischen ihnen bestehenden Machtverhältnisse oder das Vorhandensein von Rückzugsmöglichkeiten beeinflussende Faktoren sein. Diese situative Faktoren können den Aufbau interkultureller Kompetenz erleichtern oder erschweren. Die individuelle Verarbeitung der objektiven Umweltgegebenheit ist entscheidend.15Nur eine angemessene Situationsinterpretation erlaubt auch ein angemessenes soziales Verhalten. Wie bei jeder sozialen Interaktion wirken beim interkulturellen Handeln persönliche und situationsbedingte Faktoren zusammen. Es kommt zudem der Faktor Kultur hinzu, so dass eine interkulturelle Interaktion als ein Spezialfall der sozialen Interaktion gesehen werden kann.
Interkulturelle Kompetenz wird in der Fachliteratur häufig als Zusammenspiel aus Wissen, Motivation, Einstellung sowie Fähigkeiten und Fertigkeiten beschrieben, deren kombinierter Einsatz den erfolgreichen, angemessenen Verlauf interkultureller Begegnungen fördert. Das Bewusstsein der eigenen kulturellen Prägungen und ihre Auswirkungen auf die Wahrnehmung und das Handeln sind ein zentraler Bestandteil interkultureller Kompetenz. Dieses Bewusstsein führt zu dem Verständnis, dass auch Menschen aus anderen Kulturen spezifisch geprägt wurden und daher eine eigene Art der Weltinterpretation, der Situationswahrnehmung und des Handelns entwickelt haben. Interkulturelle Kompetenz zeichnet sich daher auch dadurch aus, zuerst einmal die richtigen Fragen zu stellen. Thomas und Müller haben für interkulturelle Situationen folgende generelle Fragen aufgestellt:16
Was ist für mein fremdkulturelles Gegenüber in dieser Situation bedeutsam?
Worauf ist die Aufmerksamkeit meiner Interaktionspartner gerichtet?
Was kann ich tun, damit meine Absicht richtig interpretiert wird?
Welche Verhaltensweisen werden von mir erwartet?
Sechs Zugangsmöglichkeiten zur Entwicklung interkultureller Kompetenz beschreibt Aschenbrenner-Wellmann17: Als eine sieht sie den Anpassungs- und Angleichungsprozess, den Menschen durchlaufen, wenn sie in eine fremde Kultur gelangen. Ihrzufolge können auch Menschen, die unter starkem Akkulturationsstress18leiden, in einer fremden Kultur erfolgreich handeln und z.B. in ihrer Arbeit und der Interaktion mit fremdkulturellen Geschäftspartnern erfolgreich sein. Das letzte Stadium des Anpassungs- und Angleichungsprozesses in einer fremden Kultur stellt dann das persönliche Wohlbefinden dar. Wenn sich eine Person in der fremdkulturellen Umgebung mit fremdkulturellen Menschen wohl fühlt, zwischen den Kulturen wandern kann und der Akkulturationsstress somit minimiert ist.
Eine weitere Zugangsmöglichkeit liegt nach Aschenbrenner-Wellmann in spezifischen Persönlichkeits- und Einstellungsmerkmalen, die für erfolgreiche interkulturelle Kommunikation notwendig sind. Hierzu zählen Eigenschaften wie Empathie, Flexibilität, Toleranz, Selbstsicherheit oder Eigeninitiative. Die Problematik in diesem Ansatz besteht darin, dass Persönlichkeitsmerkmale in verschiedenen Kulturen unterschiedlich wahrgenommen werden. So wird z.B. ein extravertierter Mensch in einigen Kulturen als offen und umgänglich eingeschätzt, hingegen in Kulturen, in denen die Eigenschaften Bescheidenheit und Zurückhaltung bei Menschen wertgeschätzt werden, wird eine extravertierte Person entsprechend anders wahrgenommen. Deshalb ist der Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und interkultureller Kompetenz empirisch schwer nachzuweisen.
Einen dritten Ansatz für die Entwicklung interkultureller Kompetenz besteht in der Aneignung von Wissen über Kulturen. Dieser Annahme folgend, müsste eine Anhäufung von theoretischem Wissen über die Zielkultur zu einer gesteigerten interkulturellen Kompetenz führen. Kritisch anzumerken ist bei diesem Ansatz, dass aus der Lehr- und Lernforschung bekannt ist, dass eine Anhäufung von Informationen zu trägem Wissen führt, dass schwer in realen Situationen anwendbar ist.19
Die Kommunikation mit Menschen aus fremden Kulturen kann weiterhin durch allgemeine linguistische und soziale Fähigkeiten erleichtert werden. Besonders durch Sprachkompetenz können kulturelle Missverständnisse schneller aufgelöst werden.
Eine psychologische Herangehensweise an die interkulturelle Kommunikation prägte den Begriff der interkulturellen Handlungskompetenz.20Der Fokus wird hier auf die Handlungsaspekte gelegt. Zur Erlangung interkultureller Handlungskompetenz ist die Anpassung an kulturspezifische Verhaltensmuster und Standards erforderlich. Eine Anwendung eigenkultureller Verhaltensmuster in einer fremden Kultur kann zu Missverständnissen führen.
Bei einer weiteren Zugangsmöglichkeit zur interkulturellen Kompetenz wird sie der sozialen Kompetenz gleichgesetzt. Demnach braucht ein Mensch für interkulturellen Handlungserfolg dieselben sozialen Fähigkeiten wie in der eigenen Kultur.
Für sich allein betrachtet, eignet sich keine Zugangsmöglichkeit, um interkulturelle Kompetenz zu definieren. Eine Kombination aller Betrachtungsweisen erlaubt die Beschreibung interkultureller Kompetenz am ehesten. Auch Thomas weist darauf hin, dass sich interkulturelle Handlungskompetenz, genau wie soziale Kompetenz aus verschiedenen Bereichen zusammensetzt und zum großen Teil durch lernintensive interkulturelle Begegnungs- und Erfahrungsprozesse entwickelt werden kann.21Hierzu müssen in einem ersten Schritt in realen oder in Trainings inszenierten Situationen, Erfahrungen gemacht werden, die dabei helfen das eigene kulturelle Orientierungssystem zu reflektieren, und sich dabei darüber bewusst zu werden, wie das eigene Denken und Handeln dadurch bestimmt wird. In einem zweiten Schritt werden die Lernenden Wissen über das fremdkulturelle Orientierungssystems erwerben, und die Fremdheit und Andersartigkeit des Verhaltens von Menschen aus der anderen Kultur in ihrer kulturellen Bedingtheit wahrnehmen. So können sie nachvollziehen, warum Menschen in entsprechenden Situationen so andersartig wahrnehmen, beurteilen und handeln. Es muss bei den Lernenden darüber hinaus eine Bereitschaft entwickelt werden, diese Denk- und Verhaltensweisen zu respektieren, und im Kontext der fremden Kultur zu beurteilen. Interkulturelle Kompetenz beinhaltet nicht zuletzt die Fähigkeit, die eigene und die fremde Kultur zu vergleichen, und darauf aufbauend die kulturspezifische Perspektive der Interaktionspartner teilweise zu übernehmen, und das eigene Verhalten entsprechend anzupassen.
Welche Aspekte von Kulturen für das Erkennen und Verstehen menschlicher Verhaltensunterschiede berücksichtigt werden müssen, wird in den nachfolgenden Abschnitten behandelt.
II. Wesentliche Aspekte der Erfassung und des Vergleichs von Kulturen
1. Begriffskennzeichnung Kultur
In diesem Abschnitt soll auf den für die Untersuchung interkultureller Kompetenz zentralen Begriff „Kultur“ eingegangen werden. Kultur zu definieren ist schwierig, da es in den verschiedenen Wissenschaftsgebieten unterschiedliche Auffassungen über sie gibt. In einer 1952 erschienenen Studie „Culture. A Critical Review of Concepts and Definitions“ haben Kroeber und Kluckhohn bereits mehr als 150 Definitionen und Konzepte von Kultur ermittelt.22Darin, dass Kultur immer an eine Gesellschaft gebunden ist und ein weites Feld umfasst, sind sich die ForscherInnen der verschiedenen Fachrichtungen einig. Eine sehr weite Definition lieferte der amerikanische Psychologe Triandis: „By culture I mean the human made part of the environment.“23Demnach vereinigt Kultur alles, was von Menschen geschaffen wurde, von Gegenständen und Gebäuden über Techniken, Arbeitsmethoden und Sprache bis zu immateriellen Werten, Ideen, Weltanschauungen. Krewer versteht unter kulturellen Errungenschaften, dass Menschen in der Lage sind ihre naturgegebene Ausstattung zu erweitern, indem sie materielle und auch soziale Strukturen schaffen und diese auch an nachfolgende Generationen übermitteln.24Die Aufnahme sozialer Strukturen als Bestandteil kultureller Errungenschaften macht deutlich, dass soziales Handeln und Verhalten kulturabhängig sind.
Wenn von interkultureller Kommunikation die Rede ist, wird meist von der Kommunikation von Menschen unterschiedlicher Nationalkulturen ausgegangen. Auch in dieser Arbeit, die sich damit beschäftigt, wie Menschen unterschiedlicher kultureller Prägung erfolgreich miteinander umgehen können, zielt der Begriff Kultur auf die Nationalkultur. Diese kann definiert werden als die Kultur, die eine große Anzahl von Menschen, die einer Nation von Geburt an angehören oder sich ihr zugehörig fühlen, im Verlauf der Geschichte entwickelt hat, und als verbindlich und daseinsbestimmend definiert.25Innerhalb von Nationalkulturen existiert eine Vielzahl von Subkulturen, die aus kleineren abgrenzbaren Gruppen von Menschen bestehen, die eigene Verhaltensweisen, Rituale und Werte herausgebildet haben. Diese Subkulturen sind regional oder sozial-ökonomisch geprägt. Dazu zählt z.B. auch das Stadt-Land-Gefälle in einer Gesellschaft. In der Fachliteratur werden im Zusammenhang mit Subkulturen unter anderem Genderculture, Ageculture oder Socialculture genannt.
Die spezifische Kultur von Organisationen und Institutionen wie z.B. Unternehmen, einer Handwerksbranche oder eines Industriezweiges kann auch als Subkultur bezeichnet werden. Unternehmenskulturen werden durch die jeweilige Branchen,- bzw. Industriekultur und vor allem aber durch die Nationalkultur geprägt, denn kulturelle Merkmale wie Sprache, Religion oder Geschichte bestimmen die Bildung einer kollektiven Identität am meisten. Aber auch individuelle Führungspersönlichkeit, Firmengeschichte oder Unternehmensphilosophie haben einen Einfluss auf die Mitglieder einer Organisation. Die Kultur eines Unternehmens wirkt sich darauf aus, wie ihre Mitglieder innerhalb der Organisation (= Ingroup) miteinander umgehen, und wie sie mit Nicht-Mitgliedern (= Outgroup) z.B. Kunden, Geschäftspartnern kommunizieren.
Wenn in dieser Arbeit im folgenden von Kultur die Rede ist, dann im Kontext ihrer ethnisch/nationalen Ausrichtung unter Beachtung dessen, dass ein Individuum nicht nur einer Nationalkultur angehört, sondern auch diversen Subkulturen, von denen es ebenfalls beeinflusst ist. Für eine Beschäftigung mit Kulturen, mit dem Ziel die Zusammenarbeit zwischen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zu verbessern, wird Kultur in Anlehnung an Thomas26in dieser Arbeit wie folgt definiert:
Kultur ist etwas, das allen Gesellschaften zu Eigen ist. Hierbei ist es unerheblich ob sich diese Gesellschaft durch einen Nationalstaat definiert, oder ob es sich um Subkulturen handelt. Die Mitglieder einer Gesellschaft leben in ihrer Kultur und entwickeln sie stetig weiter. Kultur ist kein statisches Gebilde, sondern ein Prozess. Sie strukturiert den Alltag der Menschen dahingehend, dass sie Regeln und Normen für den Umgang mit Tieren, Pflanzen, Objekten sowie den Umgang der Menschen untereinander regelt. Die kulturellen Regeln beeinflussen die gesamte Umwelt der Menschen. Von der Beschaffenheit von Organisationen und Institutionen bis zu gelebten Werten, Ideen und Weltbildern. Durch von Generation zu Generation überliefertes Wissen über die natürliche und soziale Umwelt und Erfahrungen darin, wie dieses Wissen anzuwenden ist, haben Kulturen die Funktion, ein Orientierungssystem zu schaffen, mit dem sich die Menschen in ihrer Umwelt besser zurecht finden können. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Menschen durch Kultur ihrer Umwelt Sinn verleihen. Durch die Kultur formen sie ihre Umwelt und erleichtern ihr Leben darin. Die Umwelt ihrerseits trägt wiederum die kulturell entstandenen Bedeutungen an das Individuum in Form von Normen, Regeln und Wertvorstellungen heran.
2. Kulturelle Manifestationen
Hofstede bezeichnete Kultur als Denk-, Fühl- und Handlungsmuster und prägte den Begriff von Kulturen als mentalen Programmen. Menschen sind somit kulturell programmiert, haben aber grundsätzlich die Möglichkeit von diesen mentalen Programmen abzuweichen und völlig neue, unerwartete und kreative Reaktionen oder Ideen zu zeigen.27
Kulturelle Unterschiede manifestieren sich auf verschiedene Weise. Auf den fundamentalen, bereits als Kind erworbenen und meist unbewussten Werten einer Kultur lagern die bewussten Kulturmerkmale. Verbreitet ist das Zwiebelmodell28, das mit vier charakteristischen Merkmalen von Kulturen - Symbole, Helden, Rituale und Werte - den Gesamtzusammenhang gut darstellt.
Die Symbole sind die oberflächlichsten und am leichtesten von Fremden wahrzunehmenden Merkmale einer Kultur. Neue Symbole entwickeln sich schnell und alte verschwinden. Symbole werden auch oft von Angehörigen anderer Kulturen nachgeahmt. Zu den Symbolen zählen Worte, Gesten, Bilder oder Objekte z.B. Flaggen, Kleidung oder CocaCola. „Kellogg’s feiert Amerika“ ist der Titel einer „Limited Edition“ des Cornflakeherstellers. In dieser Serie wird den US-amerikanischen Kunden unter der Überschrift „Zeig deinen amerikanischen Geist“ neben den Cornflakes zum Frühstück eine bebilderte Nachhilfe der eigenen Kultur vorgesetzt. Und damit auch jeder gleich weiß, woran hierbei zu denken ist, werden zentrale kulturelle Symbole und Helden der US-amerikanischen Kultur auf den Packungen abgebildet. Neben der Freiheitsglocke sind dies z.B. die Freiheitsstatue, der Weißkopfadler und die Präsidentengalerie am Mount Rushmore.29
Helden einer Kultur können lebende oder tote, echte oder fiktive Personen sein, die Eigenschaften besitzen, die in der jeweiligen Kultur hoch angesehen sind. Daher stellen Helden auch oft Verhaltensvorbilder dar. Hierzu können religiöse Figuren wie der Prophet Mohammed, oder weltliche wie der Revolutionär Che Guevara in Cuba oder der Politiker Abraham Lincoln in den USA gehören.
Rituale fördern den sozialen Zusammenhalt einer Gemeinschaft. Sie umfassen kollektive Tätigkeiten, die zur Erreichung eines Zieles nicht notwendig sind, aber in einer Kultur als sozial notwendig gelten. Dazu zählen z.B. Formen des Grüßens und der Ehrerbietung, soziale und religiöse Zeremonien, Tänze und Feste oder geschäftliche und politische Zusammenkünfte.
Hofstede fasst Helden, Symbole und Rituale unter dem Begriff Praktiken zusammen. Diese kulturellen Praktiken sind für Fremde wahrnehmbar, ihre spezifische kulturelle Bedeutung erschließt sich aber nur Insidern.
Den Kern jeder Kultur bilden Werte. Sie drücken die Neigung aus, bestimmte Umstände anderen vorzuziehen. Sie gehören zu den ersten Dingen die Kinder lernen. Werte sind Gefühle mit einer Orientierung zum Plus- oder Minuspol hin und lassen sich daher in Gegensatzpaaren beschreiben: z.B. schmutzig/sauber, böse/gut, hässlich/schön, unnatürlich/natürlich, anormal/normal, paradox/logisch, irrational/rational. Da Werte in frühster Kindheit erworben wurden und später meist unbewusst sind, ist es schwer über ihren Sinn zu diskutieren. Werte sind die tiefsten kulturellen Manifestationen.30
3. Kultur als Bedingung für Fremdheit
Wie bereits in den vorangegangenen Abschnitten erwähnt, können Menschen verschiedenen Subkulturen mit jeweils spezifischen Werten und Verhaltenskodexen angehören. Dazu zählen z.B. Genderculture, Familienkulturen, Organisationskulturen, Regionalkulturen oder spezifische Generationskulturen (Vgl. Abschnitte I. 3; II. 1.). Die Kulturen, denen eine Person angehört, von der sie geprägt ist und deren Vorgaben sie sich anpasst, können unterschiedliche Reichweiten haben und miteinander interagieren. Dies kann sich insofern auswirken, dass dieselbe Person ihre Identität in verschiedenen Situationen und Kontexten unterschiedlich definiert und sich jeweils unterschiedlich verhält bzw. sogar unterschiedliche Einstellungen vertritt.31Layes schließt sich hier an und spricht von Interkulturalität innerhalb einer einzelnen Person, wenn die unterschiedlichen Identitätsanteile eines Menschen als unterschiedliche „Kulturen“ angesehen werden, zwischen denen das Selbst permanent vermitteln muss.32Boesch spricht sogar von dem „inneren Fremden“33, wenn eine Person bei diesem intrapersonalen Vermittlungsprozess auf Bereiche stößt, die der Person an sich selbst fremd erscheinen.
Durch die Kultur ist der Mensch in der Lage, die Welt und seine Position in ihr mit spezifischen Bedeutungen zu belegen, und ihr dadurch Sinn zu verleihen. Davon kann eine weitere Facette der Kultur abgeleitet werden. Dadurch, dass Kultur immer die Bedeutungssysteme einer bestimmten Personengruppe beschreibt, und somit deren Sicht auf die Welt und sich selbst, ist sie die Bedingung für das Erleben von Fremdheit.
Fremdheit beinhaltet hierbei alles was aus der eigenkulturellen Perspektive unbekannt ist und zunächst nicht verstanden wird. Was fremd erscheint, ist somit immer abhängig von der Perspektive der Betrachtenden.34Graumann bemerkt zutreffend, dass „Fremdsein keine Eigenschaft ist, sondern ein Verhältnis bezeichnet“.35Insofern sagt die Feststellung, etwas sei fremd, auch immer etwas über den Erfahrungshorizont dieser Person aus.
Trainingsmaßnahmen zur Erlangung interkultureller Kompetenz sollen Menschen nun dazu befähigen, Fremdes zu Bekanntem zu machen. Dies kann geschehen, indem z.B. beim Durchspielen häufig auftretender, zentraler interkultureller Situationen, die den Lernenden bei Auslandsaufenthalten oder im Geschäftsleben widerfahren können, fremdkulturelle Perspektiven eingenommen werden.
Dadurch sollen Entwicklungsprozesse angestoßen werden, die die Lernenden gegenüber dem eigenen Verhalten, sowie gegenüber den als fremd empfundenen Handlungen sensibilisiert und dem Fremden so das bedrohliche, verwirrende und beängstigende nimmt. Im günstigsten Fall wird das Fremde sogar zu etwas Eigenem gemacht. Die Auseinandersetzung mit fremdkulturellen Sachverhalten und Verhaltensweisen kann eine Anregung für die Weiterentwicklung des eigenen Erfahrungshorizontes und somit der eigenen Kulturen sein. In Einwanderungsländern wie den USA stellen z.B. MigrantInnen ein erhebliches kreatives Potential für die Weiterentwicklung der Kultur dar.
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1Vgl. Layes: Grundformen, 2000, S. 37; Aschenbrenner-Wellmann: Interkulturelle Kompetenz, 2003, S. 85.
2Vgl. Frei; Hugentobler; Alioth; Dell; Ruch: Organisation, 1993, S. 14.
3Kanning: Diagnostik, 2003, S. 13.
4Vgl. ebd., S. 13.
5Vgl. Frei; Duell; Baitsch: Kompetenzentwicklung, 1984.
6Vgl. Frei; Hugentobler; Alioth; Dell; Ruch: Organisation, 1993, S. 14.
7Kanning: Diagnostik, 2003, S. 15.
8Vgl. ebd., S. 16ff.
9McFall: Concept, 1982, S.12 f, zit. nach Karkoschka: Validität,1998, S. 22.
10Vgl. Karkoschka: Validität, 1998, S. 24.
11Kanning: Diagnostik, 2003, S. 15.
12Riemann; Allgöwer: „Interpersonal Competence Questionaire“, Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische Psychologie, 1993, S. 153, zit. nach Karkoschka: Validität, 1998, S. 24f.
13Vgl. Karkoschka: Validität, 1998, S. 26.
14Lang: Schlüsselqualifikationen, 2000, S. 353.
15Vgl. Stahl: Internationaler Einsatz, 1998, S. 63.
16Vgl. Müller; Thomas: Studienhalber in den USA, 1995, In: Thomas; Kinast; Schroll-Machl (Hrsg.): Interkulturelle Kommunikation, 2003 a, S. 145
17Vgl. Aschenbrenner-Wellmann: Interkulturelle Kompetenz, 2003, S. 93ff.
18Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Akkulturation; Seite besucht am 15.11.2004: Der Begriff Akkulturation bezeichnet das Hineinwachsen einer Person in ihre kulturelle Umwelt. In der Regel bezieht sich der Begriff auf Heranwachsende, also Kinder und Jugendliche in der Phase der Adoleszenz. Es kann aber auch der Assimilationsprozess Erwachsener gemeint sein, die sich z.B. als Immigranten oder zeitweilige Besucher mit einer ihnen fremden Kultur vertraut machen.; Fremdwörter Lexikon, Wissen Verlag, 1991: Akkulturation: Anpassung an kulturelle Gegebenheiten, freiwillige oder unfreiwillige Übernahme fremder Kulturelemente.
19Vgl. Aschenbrenner-Wellmann: Interkulturelle Kompetenz, 2003, S. 93ff.
20Vgl Thomas; Kinast; Schroll-Machl (Hrsg.): Interkulturelle Kommunikation, 2003 a.
21Vgl. ebd., S. 138 ff.
22Vgl. Kroeber; Kluckhohn: Critical Review, 1952, In: Aschenbrenner-Wellmann: Interkulturelle Kompetenz, 2003.
23Triandis: Intercultural Education, In: Funke: Understanding, 1989, S. 306.
24Vgl. Krewer: Kulturelle Identität, 1992, S. 264.
25Vgl. Thomas; Kinast; Schroll-Machl (Hrsg.): Interkulturelle Kommunikation, 2003 a, S.33.
26Vgl. Thomas; Kinast; Schroll-Machl (Hrsg.): Interkulturelle Kommunikation, 2003 a, S. 22.
27Vgl. Hofstede: Lokales Denken, 2001, S. 1-25.
28Vgl. ebd., S. 9.
29Vgl. Assheuer, Die „Staatsfeinde“ aus der Serie Rätselhaftes Amerika, DIE ZEIT, Ausgabe 45/2004, S. 60.
30Vgl. Hofstede: Lokales Denken, 2001, S. 1-25.
31Vgl. Demorgon & Molz: Analyse von Kultur(en), In: Thomas (Hrsg.): Psychologie Interkulturellen Handelns, 1996, S. 43-86.
32Vgl. Layes: Grundformen, 2000, S. 19.
33Vgl. Boesch: Fremde und Eigene, In: Thomas (Hrsg.): Psychologie Interkulturellen Handelns, 1996, S. 90.
34Vgl. Krewer: Kulturelle Identität, 1992.
35Graumann: Erfahrung des Fremden, S. 47, In: Mummendey & Simon (Hrsg.): Identität, 1997.
- Arbeit zitieren
- Diplom Wirtschafts-Kommunikationswirtin (FH) Nancy Sauer (Autor:in), 2005, Interkulturelle Kompetenz - Kulturbetrachtung und interkultureller Kompetenzerwerb, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61817
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