Jedes neue Medium entsteht aus einer Tradition heraus, die durch diverse andere Medien geprägt ist. Dabei zeichnet sich jedes Medium durch spezifische Aspekte aus, die es von den anderen unterscheidet. Seien es (oberflächlich betrachtet) die schriftliche Fixierung und massenhafte Verbreitung einer bis dahin überwiegend mündlich überlieferten Narration durch den Buchdruck oder die statische beziehungsweise dynamische Visualisierung narrativer Vorgänge durch die bildende Kunst oder den Film. Vor allem das 20. Jahrhundert zeichnet sich durch eine Vielzahl neuer technischer Möglichkeiten aus, die medial genutzt werden. „Erfindungen“ wie Film, Radio, Fernsehen und nicht zuletzt Computer und Internet erlangten (entwicklungsgeschichtlich betrachtet) binnen kürzester Zeit Massenpopularität. Interessant ist der Punkt, dass sich die Medien über Jahrtausende hinweg eines grundlegenden Mittels bedienten: dem Akt des Erzählens. Dass dies (dem Zweck gemäß) enorm vereinfacht dargestellt ist, dass das Erzählen diverse hochspezifische Formen und natürlich unterschiedlichste Konsequenzen hatte oder Intentionen verfolgte, ist klar. Aber grundsätzlich funktionierten die Medien ausschließlich über das Erzählen (mündlich, schriftlich, bildlich, darstellerisch, plastisch…). Dabei gab es jeweils einen oder mehrere Produzenten (Geschichtenerzähler im weitesten Sinne 2 ) und einen oder mehrere Konsumenten. Letztere konnten lediglich entscheiden, ob ihnen die Geschichte gefällt oder nicht und entsprechend der Erzählung bis zum Ende folgen oder die Rezeption abbrechen 3 . Andere Möglichkeiten der Einflussnahme auf das Medium und seine wie auch immer erzählte Geschichte hatten sie nicht 4 . [...]
Inhaltsverzeichnis
1. Computerspiele und ihre Dramaturgie im intermedialen Kontext
1.1 Computerspiele als Medium
1.2 Computerspiele als Wirtschaftsfaktor
1.3 Computerspiele als Untersuchungsgegenstand
2. Analysen der Computerspielreihe „Monkey Island“
2.1 The Secret of Monkey Island (1990)
2.1.1 Handlung
2.1.2 Struktur
2.1.3 Archetypische Funktionen
2.1.4 Narration und Interaktion
2.1.5 Audiovisuelle Umsetzung
2.1.6 Kurzresümee
2.2 Monkey Island 2: LeChucks Revenge (1991)
2.2.1 Handlung
2.2.2 Struktur
2.2.3 Archetypische Funktionen
2.2.4 Narration und Interaktion
2.2.5 Audiovisuelle Umsetzung
2.2.6 Kurzresümee
2.3 Curse of Monkey Island (1997)
2.3.1 Handlung
2.3.2 Struktur
2.3.3 Archetypische Funktionen
2.3.4 Narration und Interaktion
2.3.5 Audiovisuelle Umsetzung
2.3.6 Kurzresümee
2.4 Flucht von Monkey Island (2000)
2.4.1 Handlung
2.4.2 Struktur
2.4.3 Archetypische Funktionen
2.4.4 Narration und Interaktion
2.4.5 Audiovisuelle Umsetzung
2.4.6 Kurzresümee
3. Crossmediale Auswirkungen auf die dramaturgischen Strategien narrativer Computerspiele
4. Quellenverzeichnis
1. Computerspiele und ihre Dramaturgie im intermedialen Kontext
1.1 Computerspiele als Medium
Jedes neue Medium entsteht aus einer Tradition heraus, die durch diverse andere Medien geprägt ist[1]. Dabei zeichnet sich jedes Medium durch spezifische Aspekte aus, die es von den anderen unterscheidet. Seien es (oberflächlich betrachtet) die schriftliche Fixierung und massenhafte Verbreitung einer bis dahin überwiegend mündlich überlieferten Narration durch den Buchdruck oder die statische beziehungsweise dynamische Visualisierung narrativer Vorgänge durch die bildende Kunst oder den Film. Vor allem das 20. Jahrhundert zeichnet sich durch eine Vielzahl neuer technischer Möglichkeiten aus, die medial genutzt werden. „Erfindungen“ wie Film, Radio, Fernsehen und nicht zuletzt Computer und Internet erlangten (entwicklungsgeschichtlich betrachtet) binnen kürzester Zeit Massenpopularität. Interessant ist der Punkt, dass sich die Medien über Jahrtausende hinweg eines grundlegenden Mittels bedienten: dem Akt des Erzählens. Dass dies (dem Zweck gemäß) enorm vereinfacht dargestellt ist, dass das Erzählen diverse hochspezifische Formen und natürlich unterschiedlichste Konsequenzen hatte oder Intentionen verfolgte, ist klar. Aber grundsätzlich funktionierten die Medien ausschließlich über das Erzählen (mündlich, schriftlich, bildlich, darstellerisch, plastisch…). Dabei gab es jeweils einen oder mehrere Produzenten (Geschichtenerzähler im weitesten Sinne[2] ) und einen oder mehrere Konsumenten. Letztere konnten lediglich entscheiden, ob ihnen die Geschichte gefällt oder nicht und entsprechend der Erzählung bis zum Ende folgen oder die Rezeption abbrechen[3]. Andere Möglichkeiten der Einflussnahme auf das Medium und seine wie auch immer erzählte Geschichte hatten sie nicht[4].
Neben dem kulturgeschichtlich allgegenwärtigen Interesse an Erzählungen gibt es noch ein weiteres, für das Anliegen dieser Arbeit relevantes kulturelles Phänomen: das Spiel.
Auch in Spielen wollen Menschen nicht nur der Langeweile entgehen, sie wollen Erlebnisse haben, einen Kitzel verspüren, Risiken eingehen und das Schicksal herausfordern. […] [D] as Spiel wurde immer wieder als Metapher für das Leben der Menschen und auch für die göttliche Schöpfung verwendet [.][5]
Universale Grundkonflikte, wie sie auch in den erzählenden Medien vermittelt werden, können im Spiel symbolisch selbst erlebt werden. Dabei kann auch dem Spiel (wie der Rezeption einer Erzählung) durchaus eine kathartische Ventilfunktion zugeschrieben werden[6]. Träume, Wünsche, Phantasien und deren stellvertretendes Ausleben im Spiel sind ein grundlegendes Bedürfnis des Menschen.
Denn, um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.[7]
Der Akt des Spielens folgt spezifischen Regeln[8]:
Dabei sei unter „spielen“ eine Tätigkeit verstanden, welche die folgenden Merkmale zeigt: (1) „spielen“ vollzieht sich in einer Region des Als-ob; […] (2) „spielen“ ist reglementiert, doch gelten nicht die moralischen und juridischen Regeln unserer Alltagswelt, sondern eben Spielregeln. […] (3) „spielen“ ist ein interaktives Geschehen, bei dem die einzelnen Spielzüge kontingent sind; das ganze Spielgeschehen ist die partikulare Realisierung einer von unendlich vielen Konfigurationen, welche ein abstraktes System annehmen kann.[9]
Die Ebene des Als-ob teilt das Spiel mit den erzählenden Medien[10]. Auch diese behaupten (in unterschiedlichster Abstraktion oder Stilisierung), etwas zu sein, was sie realiter nicht sind[11]. Sie geben etwas „als ob“ vor. Die Ebene der Regelhaftigkeit ist auch bei den erzählenden Medien vorhanden[12]. Diese Regeln können explizit oder implizit sein und konstituieren die dem jeweiligen Medium zugrundeliegende Dramaturgie[13]. Der entscheidende Unterschied liegt nun auf der dritten Ebene: der Interaktion. Zwar ist nach dem Vollzug des Spiels betrachtet auch dieses nur genau eine Geschichte[14], diese entspringt aber einer Vielzahl möglicher Varianten. Im Falle der Wiederholung eines Spiels wäre von anderen Vorgängen zu berichten. Anders bei besagten Medien: Ein Bild ist immer dasselbe, egal wie oft es betrachtet wird[15], gleiches gilt für einen Film, ein Buch, eine Statue. Theater, Musik und andere transitorische „Live Performances“ bilden da eine Ausnahme, da sie bei jeder „Realisierung“ anders sind[16]. Diese Veränderungen unterliegen allerdings dem Produzenten. Der Konsument (respektive Rezipient) hat darauf keinen Einfluss[17]. Anders nun beim Spiel. Hier bestimmen der Wille und die Fähigkeit oder das Glück des Spielenden den Ablauf des Geschehens. Er hat also zumindest Einfluss auf das „Wie“, meist auch auf das „Was“[18].
Was im nun zu Ende gehenden Industriezeitalter die Spielzeugeisenbahn war, das sind im eben beginnenden Computerzeitalter die Video- und Computerspiele.[19]
In eben diesen fallen nun Spiel und Erzählung zusammen und bilden damit ein neues, spezifisches Medium[20].
Das Computerspiel steht als „Nachfolgemedium“ bereit. In den vergangenen zwanzig Jahren hat bereits die erste Generation von Heranwachsenden in westlichen Industrienationen diese neue Kulturtechnik erlernt und Fähigkeiten erlangt, auf die das Medium „Fernsehen“ nicht mehr angemessen „antworten“ kann.[21]
Die meisten Computerspiele[22] erzählen eine „Geschichte“ im weitesten Sinne, selbst wenn sie „nur“ darin besteht, dass feindliche Raumschiffe angreifen und zu vernichten sind[23] oder, dass eine kleine gelbe Scheibe mit großem Mund unersättlichen Hunger auf Punkte hat, aber zugleich selbst vor bösen Geistern fliehen muss, auf deren Speisekarte sie steht[24]. Damit ist eine klare Spielsituation definiert und der Spieler mit einer eindeutigen Aufgabe konfrontiert.
Games will never be as good as films at telling stories visually. They’ll never be as good as books at weaving cerebral tapestries of ideas and human lives. But videogames are already extremely good at providing an exhilarating blast of the animal emotions. Fear and triumph – that is why you play a videogame at the moment.[25]
Diese These ist zwar sicher etwas zu kurz gegriffen, bezeichnet aber einen sehr wesentlichen Reiz des neuen Mediums: Der Spieler ist tatsächlich für Furcht[26] oder Sieg verantwortlich und es liegt in seiner Hand, damit umzugehen oder ihn herbeizuführen. Furcht und Sieg werden nicht einfach so vermittelt, sondern sind Bestandteile einer Geschichte, die der Spieler zu gestalten hat.
Interactive narrative, or interactive story-telling, it is argued optimistically, is the entertainment medium of the future.[27]
Damit verbinden sich die Reize zweier unterschiedlicher, kulturgeschichtlich gewachsener Bereiche zu einem neuen, audiovisuellen, die Massen ansprechenden Medium. Zwar gab es auch vorher schon Verknüpfungen von Spiel und Erzählung[28], allerdings standen diese eher in literarischer Tradition und konnten bei weitem noch kein so großes Publikum erreichen, wie dies nun Computerspiele tun.
[T] hey [Computerspiele; kb] are doing something totally different from traditional narrative forms.[29]
Im Computerspiel stehen dem Nutzer mittlerweile völlig eigene, optisch und akustisch wahrnehmbare Welten zur Verfügung[30].
Grundlegend lässt sich also für das Medium Computerspiel feststellen:
1. Ein Großteil der Computerspiele ist narrativ[31].
2. Computerspiele müssen gespielt werden.
3. Werden sie gespielt, finden sie auf einer Ebene des „Als-ob“ statt, implizieren eigene Regeln und sind interaktiv.
4. Computerspiele sind sinnlich wahrnehmbar.
5. Computerspiele sind mittlerweile ungeheuer populär und entsprechend gewinnträchtig.
Im nächsten Kapitel soll dieser letzte Punkt belegt werden. Danach werden dann Computerspiele als Untersuchungsgegenstand betrachtet.
1.2 Computerspiele als Wirtschaftsfaktor
[W] e should[32] not be surprised that at the beginning of the third millennium, the eternal human need for play has sprouted once more in radical, electronic form, and will very soon constitute the world’s largest entertainment industry.[33]
Momentan, basierend auf den Untersuchungen zum Jahr 2004, kann davon ausgegangen werden, dass sich in den deutschen Haushalten etwa 30 Millionen PCs und 10 Millionen Spielkonsolen der neueren Generation befinden[34]. Damit verfügen 95% der deutschen Haushalte über (mindestens) einen PC und gut die Hälfte über (mindestens) eine Spielkonsole. Vom insgesamt zur Verfügung stehenden Medienbudget[35] nimmt die entsprechende Unterhaltungssoftware 11,6% ein. Neben dem Film-Markt ist es die „boomende“ Branche. Allein mit Entertainment-Software für den PC werden etwa 476 Millionen Euro Umsatz gemacht, mit der für Konsolen nochmals knapp 642 Millionen. Allein die Deutschen geben also über 1,1 Milliarde Euro pro Jahr für Unterhaltungssoftware aus[36]. Weltweit betrachtet wird mit Computer- und Videospielen heute mehr Geld umgesetzt als mit Kinofilmen: rund 18,8 Milliarden Euro pro Jahr[37]. Die Tendenz ist steigend[38] und das bis vor kurzem wachstumsstärkste Markt-Segment „Kauf-DVD“ wurde von der Unterhaltungssoftwarebranche überholt. Lediglich im Bereich der Info- und Edutainmentsoftware für den PC sind Verluste zu verzeichnen. Übertroffen wird der deutsche Unterhaltungssoftwaremarkt nur noch von denen der Bücher (37,2%) und der Musik (16,5%)[39]. Diese nehmen zwar einen höheren Anteil am Medienbudget ein, müssen aber Umsatzrückgänge hinnehmen: Erzielte die Musikindustrie 2003 noch 55% mehr Umsatz als die Unterhaltungssoftwareindustrie, sind es im Folgejahr nur noch 15%.
Jährlich erscheinen insgesamt fast 1800 neue Spiele. Spitzenreiter der Entertainment-Software sind Action- und Strategiespiele (jeweils 32% bzw. 20% Marktanteil). Adventures nehmen knapp 5,5% des Marktes ein und befinden sich nach einer „Krise“ wieder im wirtschaftlichen Aufwind.
Dabei sind die Abnehmer bei weitem nicht nur Kinder und Jugendliche: Etwa 56% der regelmäßigen Computerspieler sind zwischen 25 und 44 Jahren alt. Fast die Hälfte der PC-Spieler hat die mittlere Reife oder einen höheren Abschluss, fast ein Fünftel sogar Abitur beziehungsweise einen Hochschulabschluss. Aber auch bei den Jüngeren steht die Unterhaltungssoftware hoch im Kurs: 88% (!) der 13- bis 19-jährigen Jungen haben Computerspiele oder wünschen sich welche, 50% haben oder wünschen sich Konsolenspiele. Die Tendenz bei den Vertretern des weiblichen Geschlechtes ist steigend. Nach und nach werden also verschiedenste Zielgruppen erschlossen. Unterhaltungssoftware ist mittlerweile ein generations- und geschlechtsübergreifendes Phänomen geworden, das ein enormes wirtschaftliches Potential bietet.
1.3 Computerspiele als Untersuchungsgegenstand
Aufgrund ihrer audiovisuellen Wahrnehmbarkeit haben Computerspiele (zumindest oberflächlich betrachtet) eine Ähnlichkeit mit den Medien Film, Fernsehen und Internet. Von diesen steht der Film am deutlichsten in einer narrativen Tradition[40]. Da es noch keinen etablierten Analyseapparat für die dramaturgische Struktur von Computerspielen gibt, lohnt also ein Blick auf in dem Bereich des Films bereits entwickelte und etablierte Modelle[41]. Aus den zahlreichen Methoden heben sich vor allem zwei hervor, die sich der Dramaturgie des populären Spielfilms zuwenden: die von Syd Field[42] und die von Christopher Vogler[43]. Dabei entwickelt Field ein regelrechtes Diktat, wie ein Film aufgebaut zu sein hat. Für ihn gibt es nur ein festes, normatives Schema aus drei Akten, bei denen der Umfang, die Reihenfolge und die markanten Handlungsumschwünge (Plot Points) genau festgelegt sind. Er steht damit in einer Tradition, die vergleichbar ist mit diversen „Regelkanons“ aus der Dramentheorie[44]. Für die Analyse interaktiven Geschichtenerzählens scheint dies nicht geeignet. Aus einer ganz anderen Richtung kommt Voglers Entwurf:
Wo soll man also die Struktur der Erzählung suchen? In den Erzählungen vermutlich. In allen Erzählungen?[45]
Seit dem 20.Jahrhundert gibt es empirische Untersuchungen der narrativen Strukturen von Erzählungen. So analysierte beispielsweise der russische Strukturalist Vladimir Propp die Elemente russischer Zaubermärchen und zerlegte diese in immer wiederkehrende kleine Erzählbausteine und Figurentypen[46]. Ähnlich ging der Mythenforscher Joseph Campbell vor[47]. Er untersuchte mythologische Stoffe verschiedener Kulturkreise und isolierte auch hier wiederkehrende Erzählmomente als Symbolträger unterbewusster Archetypen[48]. Das von ihm entdeckte und in den 1940ern veröffentlichte Grundmuster der mythologischen Reise des Helden bildet den Kern des „Monomythos“. George Lucas ist Chef eines eigenen Unterhaltungs-Imperiums[49], Gründer der Pixar-Studios und Autor, Regisseur beziehungsweise Produzent zahlreicher erfolgreicher Kinofilme wie „Star Wars“ oder „Indiana Jones“. Er steht in der Tradition dieses Monomythos[50], der ursprünglich nie als Anleitung für Filmemacher gedacht war. Es kam sogar zu mehreren Treffen zwischen Campbell und Lucas, bei denen sie unter anderem gemeinsam die Star-Wars-Filme ansahen. Campbell war begeistert:
I tell you, I was really ... thrilled. Here the man understands the metaphor. What I saw was things that had been in my books but rendered in terms of the modern problem, which is man and machine ... That young man opened a vista and knew how to follow it and it was totally fresh.[51]
Die Heldenreise nach Campbell wurde zum Standard für viele Hollywood-Produktionen. Nicht zuletzt durch den Drehbuchautor Christopher Vogler, der schließlich knapp 50 Jahre nach Campbell auf dessen Monomythos zurückkommt und bei der Untersuchung von über 6000 Drehbuchentwürfen feststellt:
Die Grundmuster des Mythos und sein archetypisches Personal bilden nach wie vor die Grundlage des modernen Geschichtenerzählens [.][52]
Erfolgreiche (Film-)Geschichten arbeiten mit genau den Elementen, die aus Mythen, Märchen und Träumen bekannt sind[53]. Daraus extrahiert Vogler zwölf Etappen der Heldenreise:
1. Der Held wird in seinem Leben in der gewöhnlichen Welt vorgestellt und
2. erhält seine Berufung.
3. Er zögert oder verweigert die Berufung, wird aber
4. von einem Mentor ermutigt,
5. die erste Schwelle zu überschreiten, woraufhin ihm
6. Proben, Verbündete und Feinde begegnen.
7. Der Held nähert sich der geheimsten Höhle, wobei er eine zweite Schwelle überschreiten muss, und
8. hat dann die äußerste Prüfung zu bestehen.
9. Er nimmt die Belohnung an sich und
10. ist auf seinem Rückweg in die gewöhnliche Welt Verfolgungen ausgesetzt.
11. Danach hat er noch eine dritte Schwelle zu überschreiten, erlebt seine Auferstehung und wird von dieser Erfahrung grundlegend verändert.
12. Nun kann er mit dem Elixier, dem Schatz oder einer sonstigen Wohltat in die gewöhnliche Welt zurückkehren.[54]
Außerdem charakterisiert er die sieben wichtigsten Archetypen der handelnden Figuren[55]. Vogler betont dabei, dass es sich bei den Archetypen nicht um die durchgehende Funktion einer Figur in der Erzählung handelt, sondern dass mit jedem Archetypus bestimmte Charakteristika verbunden sind, die wie eine Maske von verschiedenen Figuren[56] zu verschiedenen Zeiten übernommen werden können[57]. Außerdem könne auch jede einzelne Station der Reise an jedem beliebigen Punkt der Story auftauchen[58]. Damit entwickelt er einen flexiblen Fundus an Handlungsbausteinen, die nicht mehr an den strengen Aufbau klassischer Dramaturgie gebunden sind[59]. Obwohl ursprünglich für den Film entwickelt, lässt dieser große Interpretationsspielraum Voglers Modell auch für die Beschreibung interaktiver Geschichten geeignet erscheinen[60].
Von den Helden in Märchen und Mythen und ihren Initiationsübungen führt ein direkter Weg zu den Computergames. Der Spieler tritt an die Stelle des Helden. Er kämpft in einer virtuellen Welt, die die bekannten Märchen und Mythen zitiert.[61]
Basierend auf Voglers Modell und vor allem dessen betonter Flexibilität lassen sich zumindest die Struktur und das (vermutete) archetypische Personal von Computerspielen bestimmen[62]. Zwei weitere wesentliche Bestandteile dieses Mediums lassen sich damit nicht erfassen: die Interaktion und die audiovisuelle Umsetzung. Da ein entsprechendes Analyse- oder Beschreibungsinstrumentarium (noch) nicht existiert[63], werden diese ohne Bezug auf ein bestehendes Schema untersucht.
Auf dem Gebiet der Computerspiele haben sich mittlerweile verschiedenste Genres, Sub-Genres und Mischformen[64] herausgebildet. Klare Definitionen oder Abgrenzungen lassen sich nicht mehr treffen, da sie permanenten Veränderungen unterworfen wären. Fast alle Genres zeichnen sich aber durch das Vorhandensein von narrativen Elementen aus[65]. Dabei fällt auf, dass selbst Spielarten, die in ihrer historischen Entwicklung eher wenig narrativ geprägt waren, mittlerweile auf einem komplexen Erzählgerüst aufbauen[66]. Der höchste narrative Anteil findet sich bei Spielen aus dem (ursprünglichen) Adventure-Bereich.
Bei Adventure Games handelt es sich um das einzige Bildschirmspielgenre, das sowohl einen hohen Anteil an narrativen Elementen als auch einen hohen Anteil an spielerischen Elementen vereint. Alle anderen Genres betonen eher die spielerischen Möglichkeiten und ergänzen diese lediglich um wenige, meist isolierte narrative Elemente.[67]
Die Adventures stehen in der Tradition klassischer Pencil&Paper-Rollenspiele[68] und versetzen den Spieler in eine fantastische Welt, die er zu erkunden und in ihr verschiedenste Abenteuer zu bestehen hat[69]. Dabei entwickelt sich durch die beteiligten Figuren eine umfassende Geschichte, die den Spieler in ihren Bann zieht[70]. Thematisch basieren diese Erzählungen auf diversen bekannten Motiven oder Mythen[71]. Eine sehr populäre Adventure-Reihe entfaltet eine eigene, sehr humoristische Piratenwelt: die Welt von Monkey Island[72]. In mittlerweile vier Teilen wird die Geschichte von Guybrush Threepwood und seinem Kampf um die Gouverneurin Elaine Marley und gegen den Geisterpiraten LeChuck erzählt. Diese Reihe soll hier aus verschiedenen Gründen untersucht werden:
1. Monkey Island ist ein Produkt der LucasFilm Games (später LucasArts). Es hat seine Wurzeln somit in einem medienübergreifenden Konzern, den es ohne den durchschlagenden (finanziellen) Erfolg von Filmen nicht gäbe[73]. Crossmediale Einflüsse müssten hier also besonders deutlich werden.
2. Monkey Island ist sehr populär. Vor allem die ersten beiden Teile können mittlerweile als „Kult“ bezeichnet werden und haben eine große (kaufkräftige) Fangemeinde hinter sich.
3. Monkey Island ist in hohem Grade narrativ. In den vier Teilen wird ein eigener Mythos konstruiert. Wie dies im Medium Computerspiel geschieht, soll untersucht werden. Dies ist außerdem deshalb von Interesse, da vermutet wird, dass die Bedeutung narrativer Elemente in diesem Medium genreübergreifend zunehmen wird[74].
4. Durch die Existenz von vier Teilen der Reihe lassen sich exemplarisch Schlüsse über eine historische Entwicklung der Computerspiele von 1990 bis 2000 ziehen.
5. Trotz aller Komplexität der vier Teile ist die Handlung noch „überschaubar“[75]. Ein konstituierender Grundkonflikt wird entwickelt und ausgebaut.
6. Alle vier Teile sind momentan noch verfügbar und laufen auch auf modernen Computersystemen, für die sie ursprünglich nicht geschrieben wurden[76].
7. Zu guter Letzt muss auch noch erwähnt werden, dass es eine umfassende dramaturgische Analyse der Monkey-Island-Reihe momentan schlicht und ergreifend nicht gibt[77].
Im Folgenden sollen diese vier Teile nun untersucht werden. Dazu wird zunächst jeweils kurz die Handlung dargelegt. Dann soll, vor allem hinsichtlich vermuteter crossmedialer Einflüsse, das Augenmerk auf folgende Kategorien gelegt werden: strukturale und funktionale Elemente der Heldenreise nach Vogler[78], die Verknüpfung der untersuchten narrativen Ebene mit interaktiven Momenten und die audiovisuelle Umsetzung dieses Konglomerats. Darauf basierend sollen dann, quasi prototypisch, spezifische Merkmale der Dramaturgie von graphischen Adventure-Games herausgearbeitet werden.
2. Analysen der Computerspielreihe „Monkey Island“
2.1 The Secret of Monkey Island (1990)
2.1.1 Handlung
Tief in der Karibik: Guybrush Threepwood hat es nach Melee Island verschlagen. Um dort ein anerkannter Pirat zu werden, gilt es für ihn, drei Prüfungen zu bestehen: Er muss die Schwertmeisterin der Insel im Fechten besiegen, aus der Villa der Gouverneurin eine Statue stehlen und einen Schatz auf der Insel finden. In der Scumm-Bar erfährt Guybrush von dem Geisterpiraten LeChuck, der sich in Elaine Marley, die Gouverneurin der Insel, verliebt hat. Ebenso erfährt LeChuck, dass Guybrush angetreten ist, ein Pirat zu werden. Er entschließt sich, die Dinge auf der Insel selbst in die Hand zu nehmen, um seine Pläne nicht von Amateuren durchkreuzen zu lassen. Bei der Erkundung der Insel stößt Guybrush Threepwood in einer abgelegenen Gasse auf den dubiosen Sheriff Fester Shinetop, der ihn von der Insel vertreiben will. Eine ominöse aber freundliche Voodoo-Lady sagt Guybrush voraus, dass er ein Schiff befehligen und im Inneren eines Affen Abenteuer erleben wird. Mittels einer gekauften Karte findet Guybrush den Schatz von Melee Island. In der Villa der Gouverneurin stößt er ein weiteres Mal auf Fester Shinetop. Es kommt zu einer absurden Schlägerei, die Guybrush gewinnt. Es gelingt ihm, das „Idol der vielen Hände“ aus der Villa zu entwenden. Eine weitere Schlägerei mit Fester, der sich mittlerweile befreien konnte, wird durch das Auftauchen der Gouverneurin Elaine Marley verhindert. Sie nimmt Guybrush in Schutz, “leiht“ ihm das Idol und weist Fester hinaus. Guybrush ist sprachlos. Er hat sich in Elaine Marley verliebt. Als er die Villa verlassen will, bringt ihn Fester in seine Gewalt und, gefesselt an die Statue, unter Wasser. Durch einen einfachen Trick kann Guybrush sich unter Wasser befreien. Kaum ist er wieder an Land, stürzt Elaine herbei, um ihn zu retten. Unter dem strahlenden Sternenhimmel Melee Islands kommen sie sich näher. Als Belohnung für die noch ausstehende Meisterung der drei Prüfungen stellt Elaine Guybrush ein Rendezvous in Aussicht. Nachdem Guybrush die Kunst des Beleidigungsfechtens erlernt und trainiert hat, besiegt er die Schwertmeisterin Carla. Damit ist die letzte Prüfung bestanden. Auf dem Weg zu seiner „Belohnung“ sieht sich Guybrush mit unangenehmen Überraschungen konfrontiert: Fester Shinetop alias LeChuck hat Elaine entführt und nach Monkey Island verschleppt. Die Voodoo-Lady mahnt Guybrush, hinterher zu segeln und LeChuck zu finden. Eine uralte Wurzel sei ein wirksames Mittel gegen Geister. Guybrush besorgt sich bei Stan’s Gebraucht-Schiff-Handel ein eigenes Schiff, heuert eine Mannschaft an und legt gen Monkey Island ab.
Kaum in See gestochen meutert seine Mannschaft, die lieber Ferien an Deck machen will. Guybrush muss allein zusehen, wie er nach Monkey Island findet. An Bord befindet sich ein altes Logbuch, das darauf schließen lässt, dass das Schiff schon einmal auf dem Weg nach Monkey Island war. Ein Rezept für einen Voodoo-Spruch bringt das Schiff auf den rechten Kurs. Da die Mannschaft noch immer keine Kooperationsbereitschaft zeigt, bleibt Guybrush nichts anderes übrig, als sich mit der Bordkanone selbst an Land zu schießen.
Dort begegnet er Herman Toothrot, einem etwas verwirrten alten Einsiedler, der vor 20 Jahren mit demselben Schiff wie nun Guybrush auf die Insel kam. Guybrush verspricht, Herman von der Insel zu retten. Auf dem fast menschenleeren Monkey Island gibt es nur ein Thema: Die Besetzung des heiligen Affenkopfes durch LeChuck und die damit verbundenen Einschränkungen für die ansässigen Kannibalen. Außerdem hat LeChuck von den Kannibalen eine Voodoo-Malz-Wurzel beschlagnahmt, die diese natürlich zurückfordern. Guybrush macht die Bekanntschaft mit eben diesen Kannibalen, die Obstmasken tragen und sich zum Vegetarismus bekannt haben. Im Labyrinth im Inneren des großen steinernen Affenkopfes findet er LeChucks unter Monkey Island liegendes Schiff und an Bord desselben die magische Voodoo-Wurzel. Daraus brauen ihm die Kannibalen ein Anti-Geist-Mittel. Als Guybrush damit zu dem Geisterschiff zurückkehren will, hat dieses die Insel bereits verlassen. Ein zurückgebliebenes Geisterskelett ermutigt Guybrush hinterher zu reisen: LeChuck wolle auf Melee Island die entführte Gouverneurin heiraten. Gemeinsam mit seiner Crew macht sich Guybrush auf den Weg zurück.
[Alternative Möglichkeit der Heimkehr: Sollte Guybrush auf Monkey Island versehentlich mit einer katapultartigen Konstruktion sein eigenes Schiff mit der zurückgelassenen meuternden Mannschaft versenkt haben, kommt ihm nicht diese, sondern Herman Toothrot zu Hilfe. Er leiht ihm sein eigenes Boot unter der Bedingung, dass Guybrush ihn damit rettet. Auch auf diesem Weg kommt er zurück nach Melee Island.]
Mit Hilfe des Anti-Geist-Mittels bahnt sich Guybrush den mit Geisterpiraten bewachten Weg durch Melee Island zur Kirche. Vor dem Altar stehen LeChuck und seine Braut. Guybrush kann die Hochzeit im entscheidenden Moment unterbrechen. Dies erweist sich als überflüssig, denn Elaine hat sich selbst zu helfen gewusst: Bei der Braut handelt es sich um zwei verkleidete Affen, die mit Malzbier (dem Anti-Geist-Mittel) bewaffnet sind. Aus Versehen verscheucht Guybrush diese und Elaine versucht, sie wieder einzufangen. Im entscheidenden Moment versagt Guybrushs eigene magische Malz-Bier-Flasche. LeChuck zeigt sich in seiner ganzen Grausamkeit: Er prügelt den hilflosen Guybrush über die Insel, bis dieser in einem Grog-Automaten landet, in dem sich eine Malzbier-Flasche findet. Einige Spritzer aus dieser bedeuten das Ende für LeChuck. Er löst sich in Luft auf und unter dem aus ihm hervorgehenden Feuerwerk lädt Elaine Guybrush auf ein Malzbier ein. Während die beiden ihr Happy End genießen, denkt keiner an Herman Toothrot, der allein auf Monkey Island zurückgeblieben ist.
[Alternative Möglichkeit des Endes: Sollte Guybrush mit Herman statt mit seiner eigenen Mannschaft Monkey Island verlassen haben, so sieht man statt Herman am Ende diese in der Gefangenschaft der Kannibalen und mit der großen Frage, ob Guybrush wohl etwas mit dem Felsen zu tun habe, der ihr Schiff traf.]
2.1.2 Struktur
Für Guybrush Threepwood beginnt mit „The Secret of Monkey Island“ ein neuer Lebensabschnitt. Seine Vorgeschichte ist nicht bekannt[79]. Eine „gewöhnliche Welt“ im ursprünglichen Sinn[80] wird nicht gezeigt. Guybrush hat bereits eine oder mehrere Schwellen ins Abenteuer überschritten[81] und ist auf Melee Island gelandet. Sowohl für ihn als auch für den Spieler wird nun Melee Island die gewöhnliche Welt. Das Ziel ist mit den ersten Worten des Helden klar:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das Bedürfnis Guybrushs, sich selbst beweisen zu wollen, zugleich aber seine absolute Unbedarftheit in Sachen Piratenleben machen ihn zur Identifikationsfigur. Der Spieler wird eingeladen, mit ihm auf Abenteuerreise zu gehen[82].
Die Identifikation mit universellen Bedürfnissen erschafft also ein starkes Band zwischen Publikum und Held.[83]
Genau dies war das Anliegen von Ron Gilbert, dem Autor der ersten beiden Teile der Monkey-Island-Reihe:
I figured if Guybrush di dn't know anything , then the player wouldn't be frustrated when they didn't know how to do basic pirate tasks. […] It told the player that Guybrush didn't know any more then they did, and they were going to learn together.[84]
In diesem ersten Akt werden alle wichtigen Figuren vorgestellt und eingeführt. Bereits vor ihrem ersten Auftritt sind die Hauptfiguren Elaine Marley und LeChuck verbal angekündigt und somit Erwartungshaltungen ihnen gegenüber aufgebaut. Gleich auf dem ersten Bildschirm, auf dem Interaktion möglich ist, hängt ein Wahlplakat für Elaine Marley und spätestens in der SCUMM-Bar erfährt man von den ansässigen Piraten einiges über Elaine und LeChuck.
Außerdem ist die Bar der geeignete Schauplatz, um den Helden mit Informationen zu versehen und ihn über die Spielregeln, die in der Welt jenseits der Schwelle gelten, ins Bild zu setzen.[85]
Der Grundkonflikt dieses und aller folgenden Spiele ist hier bereits angelegt: Guybrush lernt die Gouverneurin Elaine Marley kennen, verliebt sich in sie und muss es mit dem Antagonisten LeChuck aufnehmen, hier noch inkognito in Gestalt des Sheriffs Fester Shinetop. In Voglers Sinne ist dies bereits „das kleine Modell der anderen Welt“, das in die gewöhnliche eingeblendet wird.
Im Vergleich mit der anderen Welt mag die gewöhnliche Welt etwas zu friedlich oder gar langweilig wirken, aber die Keimzelle aller künftigen Spannung und Herausforderung sind für gewöhnlich bereits dort zu finden. […] In vielen Fällen blenden Autoren in die gewöhnliche Welt schon ein kleines Modell der anderen Welt ein, das eine Vorausdeutung auf künftige Kämpfe und Entscheidungsnöte bietet.[86]
Das erregende Moment (der Plot Point[87] ) des ersten Aktes ist die Entführung Elaines durch LeChuck[88]. Dies bringt Guybrush von seinem ohnehin bereits erreichten Ziel, Pirat werden zu wollen, ab. Somit kommt das eigentliche Abenteuer, die Rettung Elaines und der Kampf gegen LeChuck, in Gang[89].
Alle Theorien aber stellen fest, dass es eines bestimmten Ereignisses bedarf, um die Story in Gang zu bringen, sobald die wichtigsten Figuren erst einmal vorgestellt sind.[90]
Aus der zunächst zentralen Frage „Wird Guybrush es schaffen, ein Pirat zu werden?“ wird nun „Gelingt es Guybrush, LeChuck zu besiegen und Elaine zurückzuerobern?“
Das Zögern des Helden, das deutlich macht, dass das bevorstehende Abenteuer sehr riskant ist[91], findet bei Guybrush Threepwood nicht statt. Die Gefahr des Kampfes gegen LeChuck wird durch den Späher und eine Botschaft von LeChuck, die er überbringt, vermittelt und dadurch sowohl Guybrush als auch der Spieler gewarnt:
Doch selbst in den Storys mit bereitwilligen Helden kommen Furcht und Zweifel zum Ausdruck. Hier sprechen eben andere Figuren ihre Befürchtungen aus, warnen Held wie Publikum vor dem, was ihm auf seinem Weg zustoßen kann.[92]
Bevor Guybrush in See sticht, gibt ihm die namenlose Voodoo-Lady noch Hinweise, wo LeChuck zu finden und womit er zu besiegen ist. Diese klassische Begegnung mit dem Mentor stattet Guybrush und den Spieler mit dem Wissen aus, das er für den weiteren Verlauf des Abenteuers benötigen wird[93]. Nachdem die nötigen Vorbereitungen zum Aufbruch in die andere Welt getroffen wurden (das Besorgen eines Schiffs und das Versammeln einer Crew), sticht die Sea-Monkey in See. Die erste Schwelle ist überschritten[94]. Dabei ist das „In-See-Stechen“ ein Bild des Übergangs:
Im Grunde genommen geht die Story erst in diesem Augenblick richtig los; an diesem Punkt beginnt das eigentliche Abenteuer. Der Ballon steigt auf, das Schiff sticht in See, die Liebesgeschichte fängt an, das Flugzeug (oder das Raumschiff) hebt ab, der Zug setzt sich in Bewegung.[95]
Allerdings bringt die neue Welt gleich Probleme und somit erste Prüfungen mit sich: Die eben versammelte Mannschaft meutert und Guybrush muss alleine den Weg nach Monkey Island finden. Auch die Ankunft auf Monkey Island auf dem Luftweg gleicht einer Bruchlandung.
Nicht alle Helden haben eine angenehme Landung. Sie können sprichwörtlich oder im übertragenen Sinne recht heftig in die andere Welt hineinstürzen. Waren sie vor dem Sprung noch voller Vertrauen, so geraten sie nun in eine Vertrauenskrise, weil ihre romantischen Vorstellungen von der anderen Welt schon beim ersten Kontakt gründlich erschüttert werden.[96]
Monkey Island erweist sich als eine wesentlich größere und damit unübersichtlichere Insel als Melee Island. Außerdem ist sie kaum zivilisiert: Hier leben der Einsiedler Herman Toothrot, vegetarische Kannibalen[97], natürlich Affen und (unterirdisch) LeChuck. Damit ist ein scharfer Kontrast zur bisher erlebten Piraten-Welt geschaffen, wie ihn Vogler fordert[98]. Guybrush stößt auf Verbündete (Herman, einen Affen, die Kannibalen) und Feinde (die Mannschaft LeChucks). Das Ziel ist eine Höhle, deren Eingang ein überdimensionaler und verschlossener Affenkopf bildet. Um diesen zu öffnen und schließlich das unterirdische Schiff LeChucks zu finden, muss Guybrush weitere Prüfungen bestehen.
Schließlich gelangt der Held in die unmittelbare Nähe eines gefährlichen Ortes, der nicht selten tief im Untergrund verborgen ist und an dem sich das Ziel seiner Wünsche befindet. Oft handelt es sich bei diesem Ort um das Hauptquartier seines schrecklichsten Feindes, den gefährlichsten Ort in der anderen Welt, die geheimste Höhle. Indem der Held diesen furchterregenden Ort betritt, überschreitet er zugleich die zweite wichtige Schwelle.[99]
Um an Bord des Schiffes und somit in die „geheimste Höhle“[100] zu gelangen, muss Guybrush „in die Haut“ seiner Gegner schlüpfen und mittels einer magischen Halskette unsichtbar werden. Damit erfüllt er ein weiteres Kriterium dieser Station der Voglerschen Heldenreise[101]. Die äußerste Prüfung ist der Raub der Voodoo-Wurzel und damit die Erringung eines Elixiers gegen LeChuck. Guybrush steigt in die Unterwelt hinab und schaut dem Tod ins Auge[102]. Eine beruhigende und retardierende Phase der Belohnung, die an dieser Stelle üblich wäre[103], findet nicht statt.
Wenn ein Held in die unmittelbare Nähe seines höchsten Ziels gelangt ist, muss er sich auf entmutigende Rückschläge gefasst machen.[104]
Kurz bevor Guybrush das Ziel seiner Wünsche erreicht hat (LeChuck besiegen und Elaine befreien), wird dies durch LeChuck vereitelt (2.Plot Point). Dieser ist mit Elaine zurück nach Melee Island gesegelt, um sie dort zu heiraten.
Der Schurke kann fliehen, und es wird im dritten Akt zu einer erneuten Konfrontation mit ihm kommen.[105]
Damit zwingt er Guybrush umgehend zur Rückkehr, einer weiteren Station der Reise.
Vielleicht ereignen sich auf dem Heimweg noch größere Abenteuer – die letzten Augenblicke einer Reise sind nicht selten die spannendsten Momente, die sich am stärksten in das Gedächtnis einprägen [.][106]
An dieser Stelle kann erstmals und für kurze Zeit das Moment des Zweifels ins Spiel kommen. Allerdings nur, wenn der Spieler im Dialog mit einem zurückgebliebenen Geisterskelett diese Option wählt:
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Dieser wird allerdings gleich wieder zerstreut.
Oft werden Helden auf den Rückweg gezwungen, wenn die Mächte, über die sie in der Prüfung gesiegt haben, sich wieder sammeln und zurückschlagen.[107]
Guybrush begibt sich bewusst auf die nächste Etappe seines Abenteuers und in Richtung des endgültigen Ziels. Damit beginnt der dritte Akt, in dem er auf den stärksten Widersacher treffen wird und der nach dem Prinzip der Verfolgungsjagd (in verschiedenen Varianten) aufgebaut ist:
Solche Szenen sind hervorragend dazu geeignet, die Spannung noch einmal ansteigen zu lassen. So können Sie das Publikum fesseln. Die Story nähert sich dem Ende und gewinnt noch einmal an Tempo.[108]
Guybrush verfolgt LeChuck bis in die Kirche auf Melee Island und erledigt mithilfe des Voodoo-Malz-Gebräus alle Geisterpiraten, die sich ihm dabei in den Weg stellen. Dort kommt es dann zu einem weiteren überraschenden Moment.
Die Rückkehr ist wenig beeindruckend, wenn sich hier alles gar zu glatt oder den Erwartungen gemäß auflöst. Eine gute Story sollte zwar die im Plot geschürzten Knoten auflösen, aber dabei noch ein gewisses Überraschungsmoment bieten.[109]
Elaine ist es gelungen, sich selbst zu befreien (3.Plot Point). In dem Brautkleid stecken zwei Affen, bewaffnet mit dem Wundermittel Malzbier[110] gegen Geister.
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Guybrush ist so überrascht, dass er die Affen verscheucht und mit LeChuck und seiner eigenen, mittlerweile defekten, Malzbier-Sprühflasche allein zurückbleibt.
Die Mächte des Todes und der Finsternis holen zu einem letzten, verzweifelten Schlag aus, ehe sie endgültig besiegt werden.[111]
LeChuck greift zu roher Gewalt und prügelt Guybrush über die Insel. Dies sind der symbolische Tod und die Auferstehung des Helden.
Im einfachsten Fall kann die Auferstehung so aussehen, dass der Held in einem letzten Showdown, einem letzten Kampf, abermals dem Tod gegenübertreten muss. Dabei handelt es sich oft um die endgültige, alles entscheidende Konfrontation mit dem Schurken oder dem Schatten.[112]
Schließlich kann Guybrush LeChuck mit einigen Spritzern aus einer eher zufällig gefundenen[113] Flasche Malzbier besiegen. Er hat seine Aufgabe gelöst.
Und einige Funktionen […] werden wir hier möglicherweise wiederfinden: Besitzergreifen, Feier, mystische Hochzeit, Lagerfeuerszene, Selbsterkenntnis, Rache oder Vergeltung.[114]
Guybrush „ergreift Besitz“ von Elaine Marley. Vor Feuerwerk im Hintergrund kommen sie sich näher.
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Der nächste Teil von Monkey Island schließt daran an und beginnt mit einer Lagerfeuerszene. Schließlich wird LeChuck zu Rache und Vergeltung wiederauferstehen.
Zusammenfassend lassen sich also folgende Parallelitäten zwischen dem Modell von Vogler und den Stationen Guybrush Threepwoods feststellen:
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Das Spiel folgt im Prinzip 1:1 dem Voglerschen Modell. Damit entspricht es außerdem einer klassischen Drei-Akt-Struktur: Im ersten Akt werden die Hauptfiguren vorgestellt und Guybrush besteht seine „Aufnahmeprüfung“ als Pirat. Im zweiten Akt muss er nach Monkey Island kommen und dort aus LeChucks Schiff die magische Voodoo-Wurzel stehlen. Im dritten Akt gilt es schließlich noch, LeChuck zu besiegen und Elaine aus seinen Fängen zu befreien.
Am Ende des 1. und 2.Aktes und in der Mitte des 3.Aktes schlägt die Handlung überraschend um (Plot Points): 1. Elaine Marley wird nach Monkey Island entführt; 2. Elaine Marley wird zur Hochzeit zurück nach Melee Island gebracht; 3. Elaine Marley konnte sich selbst befreien und hätte LeChuck besiegt, wäre Guybrush mit seinem Rettungsversuch nicht dazwischengekommen.
Im Folgenden sollen nun die beteiligten Figuren und (gegebenenfalls) Gegenstände hinsichtlich ihrer archetypischen Qualitäten untersucht werden.
2.1.3 Archetypische Funktionen
Bei Guybrush Threepwood, der Spiel- und somit Hauptfigur der Monkey-Island-Reihe, handelt es sich eher um einen Antihelden als um einen klassischen Vertreter dieses Archetyps. Er handelt zunächst nur aus purem Eigennutz („Ich will Pirat werden.“). Erst durch die Konfrontation mit LeChuck wird sein Handeln auch in den Nutzen der Gemeinschaft gestellt, da der untote Geisterpirat eine Bedrohung des gesamten Drei-Insel-Reiches der Karibik darstellt. Guybrush ist ein verträumter Einzelkämpfer und eignet sich als Identifikationsfigur für den Spieler, da wir dazu neigen…
[…] uns mit solchen Outsidern zu identifizieren, weil wir uns eben alle schon einmal als Outsider gefühlt haben.[115]
In Sachen Piratendasein ist er vollkommen unbedarft (was ihn wohl mit den meisten der Spieler verbindet)[116]. In Dialogsequenzen zeichnet er sich außerdem durch einen „ausgeprägten Zynismus“[117] aus. Seine eigene Selbstüberschätzung lässt ihn bedenkenlos in jedes neue Abenteuer stolpern[118]. Das macht ihn menschlicher, als es ein makelloser Held wäre und verleiht ihm zugleich Züge eines tragischen Helden:
Tragische Helden sind oft herausragende Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, doch sie neigen dazu, sich als den Göttern gleichwertig oder gar überlegen zu betrachten. Sie schlagen sämtliche Warnungen in den Wind oder setzen sich über den jeweiligen Moralkodex hinweg; sie glauben, sie würden über den Gesetzen der Götter wie auch über denen der Menschen stehen.[119]
Guybrushs Möglichkeiten des Handelns beschränken sich während des gesamten Spiels auf folgende (Menü-)Punkte[120]:
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Das unterscheidet ihn von Figuren, die über ein weit größeres (normal „menschliches“) Handlungsrepertoire verfügen und die aus Filmen, Theaterstücken und ähnlichen realitätsnäheren medialen Angeboten bekannt sind[121]. Guybrushs Handlungsmöglichkeiten sind klar eingeschränkt und eine Weiterentwicklung, die für einen Helden nach Vogler konstituierend ist, bleibt auf dieser Ebene ausgeschlossen[122]. Ebenso werden die Vorgeschichte und das Innenleben Guybrushs ausgeblendet (mit Ausnahme der genannten Selbstüberschätzung). Dies ist der Besonderheit des Mediums Computerspiel geschuldet. Denn dieses zeichnet sich dadurch aus, dass nicht der Held von sich aus handelt, sondern nur durch die Aktionen des Spielers dazu veranlasst werden kann. Diese Gleichsetzung erfolgt im Spiel dadurch, dass beide am Anfang auf absolut gleichem Stand sind. Die Vorgeschichte ist für die aktuellen Ereignisse (zunächst) unerheblich und es wird, da die Spielfigur hauptsächlich für äußere Aktionen (Handeln) bestimmt und geeignet ist, auf eine tiefergehende Psychologisierung verzichtet.
In dramaturgischer Sicht ist der Held zunächst einmal das „Fenster“ zur Story; er bietet dem Publikum einen Zugang zum Geschehen an. Wer einer Geschichte lauscht, ein Theaterstück oder einen Film sieht, hat zu Beginn der Story die Gelegenheit, sich mit dem Helden zu identifizieren, mit ihm eins zu werden und die Welt durch seine Augen zu betrachten.[123]
Genau dies kann in diesem Fall unbeeinträchtigt geschehen, da der Blick des Spielers dem des Helden (auf unterschiedlicher Ebene) ähnlich ist: eine neue Welt mit neuen Regeln, der Wille zu handeln[124] und der Spaß am Ausprobieren und Entdecken. Das „Erledigen“ von Aufgaben, die „Bereicherung“, der „Kampf“ sowie „Prüfung und Bewährung“ sind häufig in Computerspielen wiederkehrende Grundmuster[125], die aus der realen Welt bekannt sind, im Computerspiel allerdings zum spielerischen (und das meint vor allem folgenlosen) Ausreizen einladen.
Indem Kinder und Jugendliche sich dem Videospiel zuwenden, machen sie im Grunde nichts anderes als Kinder früherer Generationen, die über das Lesen von Märchen und Mythen an Werten, Normen, Verhaltensmustern und Handlungsorientierungen teilhaben wollten. […] Auf einer eher unbewussten Ebene erleben die Spieler das Videospiel als "ihr" Leben. Es steht ihnen als Märchen, Mythos oder Sage gegenüber. Und indem sie das Spiel entfalten, entfalten sie sich selbst im Spiel.[126]
Um dies zu gewährleisten ist Guybrush auf einige wesentliche Eigenschaften und Handlungsoptionen reduziert und somit quasi auf den kleinsten gemeinsamen Nenner mit dem Spieler gebracht.
Eine weitere Besonderheit des „Personals“ in Computerspielen lässt sich bei den Vertretern des Archetypus des Mentors feststellen[127]. Ein Mentor ist…
[…] jemand, der dem Helden vorübergehend zur Hilfe kommt und ihm bei dieser Gelegenheit meist eine Gabe überlässt. Dabei kann es sich um eine magische Waffe handeln, um einen wichtigen Hinweis, um einen Zaubertrank oder einen entscheidenden Ratschlag.[128]
Ein klassischer Vertreter dieses Archetypus im Spiel ist die Voodoo-Lady:
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Durch ihre enge Verbindung zum Geisterreich und die Affinität zur Voodoo-Magie steht sie zugleich in der Tradition der Schamanen[129], was sich beispielsweise in ihrer Fähigkeit, Visionen zu haben, ausdrückt. Die Voodoo-Lady verrät Guybrush, wo sich LeChuck aufhält und wie er zu besiegen ist. Weitere wichtige Mentoren im Spiel sind General Smirk (der Guybrush in die Kunst des Beleidigungsfechtens einführt), der Koch von Melee Island (der ihn motiviert, LeChuck zu finden), Herman Toothrot (der wichtige Hinweise zur Situation auf Monkey Island gibt), die Kannibalen (die Guybrush mit einem Talisman ausstatten, der ihn durch das unterirdische Labyrinth führt) und das Skelett Bob (das verrät, dass LeChuck zurück nach Melee Island gesegelt ist). Außerdem gibt fast jede Figur, auf die Guybrush trifft, einen Tipp. Entweder wie eine bestimmte Aufgabe zu lösen ist oder wie man an der Figur selber vorbeikommt. Damit besitzen fast alle handlungsrelevanten Figuren Mentorenqualität und es ist die Aufgabe des Spielers, eben diese herauszufinden.
An die Stelle des leibhaftigen Mentors kann auch eine Requisite, ein Kunstwerk oder ein Buch treten, das den Helden in seinem Streben begleitet.[130]
Auch diese Facette des Mentorentyps wird bedient. Klassischer gegenständlicher Mentor ist die Schatzkarte mit dem entscheidenden Hinweis, wo der Schatz von Melee Island vergraben liegt. Nicht ganz so offensichtlich ist das Rezept, das Guybrush an Bord der Sea Monkey findet. Nachgekocht bahnt es ihm, dank Voodoo-Magie, den Weg nach Monkey Island. Dort wiederum sind diverse Memos verteilt, die die aktuelle Debatte zwischen den Kannibalen, LeChuck und Herman Toothrot wiedergeben. Diese liefern Guybrush die Informationen, dass Elaine tatsächlich hierher verschleppt und die benötigte magische Wurzel von LeChuck gestohlen wurde. Mentoren sind also in einer relativ hohen Dichte über das Spielgeschehen verteilt.
Gleiches gilt für den Archetypus des Schwellenhüters:
Die wichtigste dramaturgische Funktion des Schwellenhüters besteht darin, den Helden zu prüfen. Sobald ein Held einer dieser Gestalten begegnet, muss er ein Rätsel lösen oder wird auf die Probe gestellt.[131]
Damit ist Guybrush permanent konfrontiert. Immer gilt es, an irgendeiner Person oder Barriere vorbeizukommen, Gegenstände, Informationen bzw. Dienste zu erhandeln oder sich in diversen Wettkämpfen zu beweisen[132]. Dabei stehen einige dieser Schwellenhüter in einem größeren Rahmen im Sinne der Handlung, andere sind nur dazu da, um kurz aufzuhalten und überwunden zu werden. Dazu zählt
beispielsweise der Troll, der eine Brücke auf Melee Island bewacht:
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Er verlangt lediglich einen Wegzoll, der toll aussehen aber nutzlos sein soll. Dieser wird in Form eines „Roten Herings“[133] gefunden und gezahlt. Daraufhin gibt der Troll den Weg zum Hafen frei. Ähnlich verhält es sich mit den Piranha-Pudeln, die die Gouverneursvilla bewachen. Diese Schwellenhüter sind nur dazu da, den Weg zu blockieren und aufzuhalten. Die entsprechende Prüfung besteht darin, einen Gegenstand oder die passende Information zu finden, um daran vorbeizukommen.
Ein anderer Typus des Schwellenhüters ist der, der auch in einem direkten Zusammenhang mit der Geschichte steht, beispielsweise die Schwertmeisterin Carla. Wurde diese im Beleidigungsfechten besiegt, hat Guybrush eine der drei Prüfungen zum Piratendasein bestanden[134]. Außerdem wird sie dann in die Crew von Guybrush eintreten und ihm dadurch ermöglichen, nach Monkey Island zu segeln[135]. Des weiteren wird Guybrush die Kenntnis des Beleidigungsfechtens immer wieder von Nutzen sein.
Der dritte Vertreter dieses Archetyps sind die nicht personifizierten Schwellenhüter. Dabei handelt es sich überwiegend um Türen. Diese müssen geöffnet werden, bevor man sie durchschreiten kann – eine aktive Handlung, die vom Spieler zu initiieren ist. Eine besondere Variante dieser Form ist der überdimensionale Affenkopf auf Monkey Island:
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Er ist der Eingang zu dem unterirdischen Labyrinth, in dem LeChucks Schiff vor Anker liegt, und verschlossen. Erst wenn es Guybrush (mit Hilfe von Herman und den Kannibalen) gelungen ist, ihn zu öffnen, kann er die Schwelle in die geheimste Höhle überschreiten.
Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass es überverhältnismäßig viele Schwellenhüter im Spiel gibt. Fast jede Figur oder Tür „bewacht“ irgendeine Information oder Funktion und muss überwunden werden.
Dabei werden Schwellenhüter meist dazu genutzt, bestimmte lokale und informative Bereiche abzugrenzen, zu denen der Spieler an einem bestimmten Punkt der Handlung noch nicht gelangen soll. Erst wenn er die Handlung so weit vorangetrieben hat, dass er an einer anderen Stelle den „Schlüssel“ (welcher Art auch immer) finden kann, wird der entsprechende Bereich zugänglich und neue Abschnitte spielbar.
Die Funktion eines Herolds wird nur von zwei Figuren im Spiel übernommen. Sie steht der des Mentors relativ nahe, hat aber vor allem die Aufgabe „Herausforderungen und bevorstehende große Wandlungen anzukündigen.“[136] Dies geschieht vor allem aus dem Mund der Mentorin Voodoo-Lady[137]. In einer Vision sieht sie, dass Guybrush als Kapitän eines Schiffes eine lange Reise antreten und im Inneren eines riesigen Affen Abenteuer bestehen wird. Außerdem kann man LeChuck in den Zwischensequenzen Herold-Qualitäten zuweisen, denn der Spieler erfährt, dass er alles daran setzen wird, Guybrush auszuschalten. Diese Ankündigungen sind allerdings nur für den Spieler bestimmt, denn Guybrush ist (rein realistisch betrachtet) nicht in der Lage, von Melee Island aus diese Vorgänge unter Monkey Island wahrzunehmen.
Auch der Archetyp des Gestaltwandlers ist vertreten:
Helden treffen häufig auf Figuren […] , deren augenfälligste Eigenschaft darin besteht, dass sie sich vom Blickwinkel des Helden aus gesehen ständig zu verändern scheinen.[138]
So werden zum Beispiel die auf Melee Island gewonnenen Crew-Mitglieder überraschend ihren Dienst auf hoher See verweigern, was Guybrush vor neue Probleme stellt:
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In eine andere Richtung entwickeln sich die Kannibalen auf Monkey Island. Nachdem sie zuerst als Gegenspieler auf den Plan treten und Guybrush einsperren, kann er sie dann für seine Zwecke gewinnen und von ihnen die nötige Hilfe zum Klau und zur Verarbeitung der Wurzel in Anspruch nehmen. Ebenso das Skelett Bob: Es verweist Guybrush zunächst immer wieder vom Geisterschiff. Nachdem es schließlich von LeChuck sitzen gelassen wurde, verrät es Guybrush, wo dieser sich jetzt aufhält.
Ein Gestaltwandler kann eine andere Erscheinung annehmen oder einfach seine Launen von einem Augenblick auf den nächsten ändern – und genau dies macht es dem Helden wie auch dem Publikum so schwer, solche Figuren zu er- und begreifen.[139]
Genau dies ist bei dem Gebraucht-Schiff-Händler Stan der Fall.
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In klassischer Händler-Manier versucht er in Verkaufsgesprächen durch den ständigen Wechsel seiner Meinung den Preis nach oben zu treiben. Dies ist eine Herausforderung für den Spieler, da er nur einen bestimmten Preis zu zahlen in der Lage ist. Selbst nachdem der (zum Fortgang der Handlung nötige) Handel erfolgreich abgeschlossen wurde, will Stan ihn zunächst wieder rückgängig machen.
Die dramaturgische Funktion des Gestaltwandlers besteht darin, eine Story mit den Elementen des Zweifels und der Spannung zu versehen.[140]
Dafür ist Stan ein Paradebeispiel. Eine weitere Überraschung erlebt Guybrush im Hinblick auf seine Angebetete Elaine Marley:
In vielen Fällen legen gerade ihre mehr oder weniger angebeteten Wunschpartner die irritierenden Merkmale des Gestaltwandlers an den Tag.[141]
Guybrush ist fast im gesamten Spiel (respektive Abenteuer) unterwegs, um sie zu befreien, also ein gängiges Klischee des Frauenbildes zu bedienen (Held rettet hilflose Frau). Der Bruch mit genau diesem Klischee bietet ein enormes gestaltwandlerisches Potential. Da es Elaine am Ende gelungen ist, sich selbst zu befreien und die Vernichtung LeChucks in die Wege zu leiten, gerät Guybrushs Sicht der Welt ins Wanken[142]. Seinen ganzen romantisierend verklärten Rettungsversuch (und somit den des Spielers) hätte er sich angesichts dieser Enthüllung auch sparen können. Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass zwar wenige, dafür aber äußerst wirkungsvolle Gestaltwandler im Spiel auftauchen.
Eine gute Geschichte braucht einen Konflikt. Dieser wird meist durch den Archetyp des Schattens provoziert[143]:
Die wichtigste dramaturgische Funktion des Schattens besteht darin, den Helden herauszufordern und ihm einen würdigen Gegenspieler zu geben. Der Schatten lässt einen Konflikt entstehen und bringt den Helden in eine lebensbedrohliche Situation, in der er zeigen muss, was wirklich in ihm steckt.[144]
Im Falle von Monkey Island handelt es sich dabei um LeChuck. Er ist der Antagonist, der wie Guybrush um Elaines Gunst buhlt. Im finalen Showdown treten die beiden sich schließlich direkt gegenüber und Guybrush entscheidet den Kampf (vorläufig) für sich.
Ist der Schatten eine Figur oder äußere Kraft, dann muss er vom Helden bezwungen oder vernichtet werden.[145]
Um den Schatten sammeln sich diverse Schurken, die mit ihm gemeinsame Sache machen. Gegenüber dem Helden kommen sie aber nicht an dessen Gefährlichkeit heran. Als einer dieser Schurken erscheint LeChuck selber: In Gestalt des Sheriffs Fester Shinetop tritt er Guybrush quasi inkognito gegenüber und kämpft mit menschlichen Kräften gegen ihn. Der Wandel Festers zu LeChuck findet in einer Zwischensequenz statt. Diese vermittelt Handlungselemente, die Guybrush nicht wahrnehmen kann. Also handelt es sich nur für den Spieler um einen Gestaltwandler (im wortwörtlichen Sinn). Für Guybrush ist er es nicht, da er im Spiel nie erfährt, dass LeChuck auch Fester ist beziehungsweise war. Für ihn erscheint er nur als Schurke, der ihn beinahe umbringt, dem er aber letztenendes entkommen kann. Weitere Schurken sind die Geisterskelette, die allerdings keine echte Gefahr für Guybrush darstellen. Sie begegnen ihm eher als Schwellenhüter an Bord des Schiffes und später auf dem Weg zur Kirche.
Zu guter Letzt ein Blick auf den Archetyp des Tricksters:
Hinter dem Archetypus des Tricksters stehen die Energie des Unfugs wie auch der Wunsch nach Veränderung; er drückt sich in sämtlichen Figuren aus, die in erster Linie die Rolle des Clowns oder des komischen Begleiters spielen.[146]
Da Guybrush selbst durchgehend über eine gewisse Komik verfügt, keine Zote auslässt und alle Geschehnisse ironisch kommentiert, trägt er selbst in seiner Gestalt als Held die Züge eines Tricksters. Er braucht eigentlich keinen komischen Begleiter, der diese Funktion erfüllt. Ebenfalls Merkmale eines Tricksters trägt Stan. Er ist clownesk angelegt: Seine überdrehte Wirkung wird durch einen enormen sprachliche und argumentativen Witz und über sehr auffällige äußere Merkmale erreicht: ein geschmacklos kariertes Jackett, ein überdimensionaler Hut, ein permanent wippender Fuß und hektisch herumfuchtelnde Arme[147]. Durch diese überdeutliche Zeichnung hebt er sich von vielen Figuren im Spiel ab und prägt sich in die Erinnerung ein. Ein weiterer Trickster ist Herman Toothrot, der Einsiedler auf Monkey Island:
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Der leicht verwirrte ältere Herr lebt seit 20 Jahren auf der Insel, ist mit seinen eigenen Problemen (v.a. bezüglich der Kannibalen) beschäftigt und taucht immer wieder überraschend an Guybrushs Seite auf. Er hat sich in seine Rolle als Einsiedler hineingesteigert und besteht darauf, gerettet werden zu wollen, auch wenn er eigentlich sogar ein eigenes seetaugliches Schiff besitzt. Wie Stan gelegentlich auch, spricht er den Spieler direkt an und kommentiert ironisch die Äußerungen und Handlungen des Helden. Mit ihm ist eine Art komischer Begleiter angelegt.
Im Spiel tauchen also folgende Vertreter der Voglerschen Archetypen auf:
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2.1.4 Narration und Interaktion
When people talk about videogames, they tend to compare them with forms they already know and love: film, painting, literature and so on. But there’s one critical difference that we need to bear in mind, and it throws a huge spanner in the works of any easy equation between videogames and traditional art forms. It’s this. What do you do with a videogame? You play it.[148]
Die eben analysierte Handlung und die in ihr agierenden Figuren bilden zwar einen enorm wichtigen, jedoch nicht den einzigen Bestandteil eines Computerspiels. Die narrativen Elemente sind verknüpft mit interaktiven Passagen[149]. Dabei lassen sich die interaktiven Abschnitte[150] in zwei Typen unterscheiden: 1. Dialoge und 2. Abschnitte freier Aktionsmöglichkeit.
Die Dialoge dienen sowohl der Informationsvermittlung als auch der Unterhaltung. Der Spieler kann aus mehreren Möglichkeiten wählen, was Guybrush sagen soll[151]. Das Prinzip der Gesprächsführung soll anhand eines Dialoges mit einem der Piraten in der Scumm-Bar erläutert werden. Spricht Guybrush ihn an, grüßt der Pirat „Ahoi, Fremder!“ Guybrush hat nun folgende vier Antwortmöglichkeiten:
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Die Punkte eins bis drei eröffnen neue Gesprächsmöglichkeiten, Punkt vier beendet den Dialog. Wählt der Spieler den ersten Punkt, antwortet der Pirat „Guybrush Threepwood? Ha ha ha!!! Das ist der bescheuerteste Name, den ich je gehört habe!“ Das neue Gesprächsthema ist also Guybrushs Name. Es stehen nun folgende Optionen zur Verfügung:
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Punkt eins führt zu einem weiteren verbalen Schlagabtausch (Sackgasse), Punkt vier beendet das Gespräch. Die Punkte zwei und drei lassen den Piraten seinen eigenen Namen verraten („Mancomb Seepgood“) und ihn sich erkundigen, was Guybrush nach Melee Island treibt (neues Gesprächsthema):
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Punkt vier beendet das Gespräch. Die Punkte eins bis drei bringen den Piraten dazu, folgende Information preiszugeben: „Du solltest mit den schrecklich wichtigen Piraten im nächsten Zimmer reden. Auf die hören die meisten hier. Die sagen dir, wohin du gehen sollst und was du tun musst.“ Dies ist eine wichtige Information bei der Suche nach den Piraten-Anführern[152]. Egal ob Guybrush schon etwas von der Gouverneurin der Insel erfahren hat oder nicht, kann er nun folgende Frage stellen (neues Gesprächsthema)[153]:
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Punkt zwei beendet das Gespräch. Auf Punkt eins erwidert der Pirat: „Gouverneurin Marley? Ihr Haus liegt auf der anderen Seite der Stadt. Aber Piraten sind nicht mehr so willkommen wie vor ein paar Jahren.“ Auf diese Informationen kann Guybrush wie folgt reagieren (neues Thema):
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Die Punkte zwei und drei beenden das Gespräch, allerdings mit der Warnung, dass sich Guybrush vor den Hunden in Acht nehmen sollte. Punkt eins liefert folgende Informationen (neues Thema): „Nun, das letzte Mal, als ein Pirat sie besuchte, hat er sich in sie verliebt. Dadurch wurden die Verhältnisse hier unnötig kompliziert.“
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Alle drei Punkte beenden das Gespräch: Punkt drei umgehend; Punkt eins mit der Information, dass es eine lange und unglaubliche Geschichte sei, die aber der Pirat am Nachbartisch besser erzählen könnte; Punkt zwei mit der zusätzlichen Information, dass es sich bei dem verliebten Piraten um LeChuck handele. Ein weiteres Gespräch mit diesem Piraten ist an dieser Stelle nicht mehr möglich[154]. Der Dialog liefert also folgende Informationen: 1. wer der Gesprächspartner ist; 2. dass Guybrush mit den Anführern der Piraten im Nachbarraum sprechen sollte; 3. wo die Gouverneursvilla liegt; 4. dass auf der Insel einiges nicht mehr ist wie früher und 5. dass ein verliebter Pirat daran schuld ist. Entscheidet sich der Spieler am Anfang des Gespräches für die Option “Sind Sie ein Pirat? Darf ich in ihre Crew?“ oder „Wer hat hier das Kommando?“, erhält Guybrush dieselben Informationen, nur auf anderem Wege. Die wichtigen und handlungsrelevanten Punkte sind versteckt zwischen retardierendem (im Grunde unnötigen) „Geplauder“, das wegen seines humoristischen Tonfalls vor allem der Unterhaltung dient. Reizt der Spieler beharrlich alle Dialogoptionen aus, kommt er am Ende immer zu allen wichtigen Informationen[155]. Der beschriebene Dialog verfolgt die Strategie, von einem Thema zum nächsten überzuleiten. Dabei kann es auch passieren, dass Guybrush über das Ziel hinausschießt, was die Satz-Auswahl vermuten lässt. Er bringt dann von selbst neue Argumente ins Spiel und treibt somit ohne die bewusste „Anweisung“ des Spielers, die Handlung weiter beziehungsweise in eine andere Richtung[156]. Es gibt noch eine weitere Dialogstrategie: Wenn Guybrush mit einer Person über mehrere, thematisch unterschiedliche Punkte reden kann, hat er am Beginn des Dialoges die Möglichkeit, eines dieser Themen auszuwählen. Ist dieses dann erschöpfend behandelt, kommt der Spieler zurück zur Anfangsauswahl und kann Guybrush das nächste Thema anbieten lassen. Bestimmte Ereignisse oder die Übergabe von Gegenständen an Personen können das Themenrepertoire erweitern.
Im zweiten Typ interaktiver Abschnitte, dem der freien Aktionsmöglichkeit, kann der Spieler den Avatar[157] Guybrush durch die jeweiligen Räume bewegen und gegebenenfalls die im Menü aufgeführten Aktionen durchführen lassen. Tut er dies nicht, stehen Guybrush und seine Umgebung relativ still, bis der Spieler eine Handlung auslöst[158]. Guybrush ist also von dem Willen des Spielers abhängig, ihn handeln zu lassen[159]. Dabei gibt es keinen Zeitdruck für den Spieler[160]. Ausnahmen heben sich hervor und bestätigen die Regel[161].
[...]
[1] Auf eine Diskussion des umstrittenen Begriffes „Medium“ soll an dieser Stelle verzichtet werden.
[2] Selbst ein Bild (ob Höhlenmalerei oder kunstvolles Gemälde) oder eine Skulptur erzählt (meist!) eine Geschichte bzw. stellt ein charakteristisches Moment einer narrativen Einheit dar (und sei es noch so abstrahiert).
[3] Also das Theater verlassen, das Fernsehprogramm umschalten, das Buch beiseite legen, zum nächsten Bild gehen usw.
[4] Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel (beispielsweise Abstimmungsverfahren, wie ein Film weitergehen soll, Improvisationstheater auf Zuruf, Romane mit „interaktiver“ Struktur), aber der Großteil der Erzählungen war in seinem Verlauf nicht beeinflussbar.
[5] Rötzer, Florian: Aspekte der Spielkultur in der Informationsgesellschaft. In: Vattimo, Gianni und Wolfgang Welsch (Hg.): Medien Welten Wirklichkeiten. München: Fink, 1998, S.152ff.
[6] „Spiel ist Erholung, ist Übung der Kräfte, ist Katharsis, ist eine menschliche Grunderscheinung, ist Gleichnis für ein höherwertiges Leben etc.“ (Walter, Klaus: Grenzen spielerischen Erzählens. Spiel- und Erzählstrukturen in graphischen adventure games. Dissertation, Siegen: Universität, 2002, S.48).
[7] Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen. In: ders.: Gesammelte Werke. Achter Band. Philosophische Schriften. Berlin: Aufbau, 1955, S.446.
[8] Auch das Gebiet der Spieltheorie ist umstritten und soll nicht weiter ausgeführt werden. Die gewählte Definition des Spiels erscheint die für diese Arbeit zweckmäßigste.
[9] Krämer, Sybille: Zentralperspektive, Kalkül, Virtuelle Realität. Sieben Thesen über die Weltbildimplikation symbolischer Formen. In: Vattimo, Gianni und Wolfgang Welsch (Hg.): Medien Welten Wirklichkeiten. München: Fink, 1998, S.35.
[10] „Die Arena, der Spieltisch, der Zauberkreis, der Tempel, die Bühne, die Filmleinwand, der Gerichtshof, sie sind allesamt der Form und der Funktion nach Spielplätze, d.h. geweihter Boden, abgesondertes, umzäuntes, geheiligtes Gebiet, in dem besondere Regeln gelten. Sie sind zeitweilige Welten innerhalb der gewöhnlichen Welt, die zur Ausführung einer in sich abgeschlossenen Handlung dienen.“ (Huizinga, Johan: Homo ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel. übers. v. Andreas Flitner. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1987, S. 18).
[11] Ein Bild von einem Helden, ein Schauspieler in Kostüm und Gestus eines Helden, ein Lied, Film oder Buch über einen Helden usw. Es handelt sich also um Nachahmungen. Nie ist der Held an sich das Medium.
[12] Bei diesen allerdings an anderen, jeweils sehr spezifischen und in der historischen Entwicklung Veränderungen unterworfenen Kriterien orientiert als im Falle des Spiels.
[13] Deshalb werden sie in dieser Untersuchung von Bedeutung sein.
[14] Geschichte ist hierbei im weitesten, unter Umständen auch rudimentärsten Sinne zu verstehen (also Anfang-Mitte-Ende; siehe auch: Aristoteles: Poetik. Griechisch/Deutsch, übers. v. Manfred Fuhrmann, bibliographisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart: Reclam, 2001, S.25).
[15] Dass es natürlich von jedem Betrachter anders wahrgenommen wird und selbst auf einen einzelnen Betrachter unterschiedlich wirken kann, ist unbestritten, ebenso, dass es im Lauf der Zeit gewissen Verfallserscheinungen ausgesetzt ist. Das steht hier aber nicht zur Debatte.
[16] Sie sind u.a. abhängig von den Spielbedingungen und der Tagesform der Künstler und schwanken somit in Intensität, Timing, räumlicher Anlage usw.
[17] Zumindest, solange er sich an die „Spielregeln“ hält und die Aufführung oder das Kunstwerk nicht (zer)stört.
[18] Sicher hat auch der Leser eines Buches einen Einfluss auf das „Wie“, schließlich findet die projizierte Handlung in seinem Kopf statt. Er beeinflusst aber damit die Darstellungsebene des Ausgangsmediums (Schrift) nicht.
[19] Rudolph, Werner: Erfolgreiche Videospiele. Charakterisierung aus Sicht der Software-Industrie am Beispiel Nintendo. In: Fritz, Jürgen und Wolfgang Fehr (Hg.): Handbuch Medien: Computerspiele. Theorie, Forschung, Praxis. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 1997, S.168.
[20] Die Geschichte der Computerspiele und die Notwendigkeit ihrer Entstehung werden hier nicht erläutert. Es sei verwiesen auf diverse Literatur zu diesem Thema, darunter vor allem: Pias, Claus: Computer Spiel Welten. München: sequenzia, 2002.
[21] Fritz, Jürgen und Wolfgang Fehr: Kriterien zur pädagogischen Beurteilung von Computer- und Videospielen. In: Fritz, Jürgen und Wolfgang Fehr (Hg.): Handbuch Medien: Computerspiele. Theorie, Forschung, Praxis. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 1997, S.333.
[22] Die Begriffe Videospiel und Computerspiel werden im gleichen Sinne gebraucht, auch wenn sie unterschiedliche Wiedergabegeräte und somit Wahrnehmungsdispositive verwenden. „Weshalb in der Literatur auch die überflüssige Unterscheidung von Video- und Computerspielen getroffen wird – ganz so als ob Videospiele keiner Computer bedürften.“ (Pias, Claus: Computer Spiel Welten. München: sequenzia, 2002, S.199).
[23] Anfang: Angriff der Gegner; Mitte: Verteidigung des eigenen Schiffes; Ende: Untergang des eigenen Schiffes.
[24] Anfang: ein mit Punkten und Geistern gefülltes Labyrinth; Mitte: Punkte fressen, Geistern ausweichen; Ende: schließlich einem Geist zum Opfer fallen. Beide Beispiele (Space-Invaders und Pacman) haben unausweichlich den virtuellen Tod als Ende. Dies liegt v.a. daran, dass sie aus der Tradition der Arcadespiele stammen, die ursprünglich überwiegend in Spielhallen zum Einsatz kamen. Das Ziel des Spielers besteht darin, diesen Tod so lange wie möglich hinauszuzögern (was immer schwieriger wird) und dabei auch noch möglichst viele Punkte zu sammeln, um sich in der High-Score-Liste einen Platz in der virtuellen Ewigkeit zu sichern.
[25] Poole, Steven: Trigger Happy. Videogames and the Entertainment Revolution. New York: Arcade, 2004, S.225.
[26] Phobos (Furcht) ist bereits ein von Aristoteles mit der Tragödie angestrebter Affekt (siehe dazu: Aristoteles, Sn.19, 35).
[27] Poole, S.92.
[28] Beispielsweise im Pencil-&-Paper-Rollenspiel. Siehe dazu auch: Bhatty, Michael: Interaktives Story Telling: Zur historischen Entwicklung und konzeptionellen Strukturierung interaktiver Geschichten – Modifikationen des phantastischen Pan-Genres durch die Vernetzung polymedialer Einflüsse auf Pencil-&-Paper-Rollenspiele und narrative Computerspiele. Dissertation, Aachen: Shaker, 1999.
[29] Poole, S.95.
[30] „Mit virtuellen Realitäten können mögliche Welten sinnlich exploriert werden.“ (Krämer, S.33).
[31] Dabei lässt sich die Tendenz feststellen, dass selbst Spielarten ohne offensichtliche Geschichte (zum Beispiel Schach) durch narrative Elemente in einen erzählerischen Kontext gestellt werden. Dabei ist die weite Spanne von einer einzelnen zu lösenden Aufgabe bis hin zur komplexen, epischen Erzählung in verschiedensten Spielarten (im doppelten Wortsinne) abgedeckt.
[32] Alle Daten sind der Homepage vom Verband der Unterhaltungssoftware Deutschland e.V. (kurz: VUD) entnommen: www.vud.de (April 2005).
[33] Poole, S.166.
[34] Das meint die Sony Playstation 2, die X-Box von Microsoft und den GameCube von Nintendo.
[35] Das Medienbudget bezeichnet die Verbraucherausgaben für die Produktbereiche Musik, Film, Kino, Video, Buch sowie Computer- und Videospiele.
[36] Deutschland ist damit der zweitstärkste Spielemarkt in Europa, nur noch übertroffen von Großbritannien.
[37] Die Marktforscher von Research and Markets prognostizieren bis 2008 ein weltweites Umsatzwachstum auf 27,1 Mrd. Euro.
[38] Vor allem der Bereich PC-Entertainment legt überdurchschnittlich zu: Die Steigerungsrate von 2003 zu 2004 beträgt 15,26%.
[39] Das Marktforschungsunternehmen DFC Intelligence schätzt, dass die Umsätze der Videospielindustrie die der Musikbranche in den nächsten fünf Jahren übersteigen könnten.
[40] Auch im Fernsehen wird erzählt. Allerdings steht in diesem Medium die Unterhaltung durch verschiedenste Strategien im Vordergrund. Nur eine davon ist die Narration, für die dann ganz eigene medienspezifische Gesetze gelten, die dem Eindruck einer geschlossenen Erzählung meist entgegenwirken (Serienstruktur, Werbeunterbrechungen, enorme Redundanzen usw.). Allerdings lässt sich feststellen, dass sich vor allem die Darstellung von Sportspielen stark an der durch das Fernsehen entwickelten Ästhetik der Live-Übertragung orientiert [„The modern sports game is no longer a re-creation of an actual sport so much as it is a re-creation of viewing that sport on television.“ (Poole, S.39)]. Auch das Internet bietet narrative Möglichkeiten an, aber auch hier sind diese nicht medienkonstituierend, da das Netz hauptsächlich der Information, Kommunikation und Unterhaltung dient. Letztere ist dabei nur bedingt narrativ.
[41] Dass diese zwangsweise nur einen spezifischen Teil der Erscheinung des Mediums Computerspiel beschreiben können (nämlich den rein narrativen), liegt in der Natur der Sache: Filme sind nicht interaktiv und infolgedessen sieht das Analyseinstrumentarium auch keine entsprechende Option vor.
[42] Field, Syd (u.a.): Drehbuchschreiben für Fernsehen und Film. Ein Handbuch für Ausbildung und Praxis. München: Econ Ullstein List, 2001.
[43] Vogler, Christopher: Die Odyssee des Drehbuchschreibers. Frankfurt/Main: Zweitausendeins, 1997.
[44] Fields propagiertes Schema eines Filmes erinnert an Gustav Freytags Modellentwurf zum Dramenaufbau, das in der Praxis auch nur auf einen ganz bestimmten Teil von Theatertexten anwendbar ist (wie Fields Modell im Filmbereich). (siehe dazu: Freytag, Gustav: Die Technik des Dramas. Stuttgart: Reclam, 1993.).
[45] Barthes, Roland: Einführung in die strukturale Analyse von Erzählungen. In: Das semiologische Abenteuer. Frankfurt: Suhrkamp, 1988, S.103.
[46] Propp, Vladimir: Morphologie des Märchens. München: Hanser, 1972. „Das Modell, das Propp entwickelt, sieht also folgendermaßen aus: Aus einem Repertoire von 31 Funktionen in der Tiefenstruktur wählt das jeweilige Märchen einige oder auch alle aus und aktualisiert sie in der Oberflächenstruktur. […] Auch die Reihenfolge der Funktionen bleibt in jedem Märchen die gleiche. Es kann zwar eine Auswahl getroffen werden, zeitliche Verschiebungen aber kommen in Propps Schema nicht vor, jedes Märchen ist vielmehr durch einen festgelegten Ablauf charakterisiert.“ (Neitzel, Britta: Gespielte Geschichten. Struktur- und prozessanalytische Untersuchungen der Narrativität von Videospielen. Dissertation, Weimar: Bauhaus Universität, 2000, S.87).
[47] Campbell, Joseph: Der Heros in tausend Gestalten. Frankfurt am Main/Leipzig: Insel, 1999.
[48] Ebd. S.26.
[49] Dazu zählen Lucasfilm, LucasArts Entertainment Company, Lucas Digital Ltd. und Industrial Light & Magic. LucasArts Entertainment Company (vormals LucasFilm Games) ist die Produktionsfirma der Monkey-Island-Reihe. (Siehe auch: www.lucasarts.com).
[50] „Joseph is my Yoda.“ (George Lucas, zitiert nach: Bancks, Tristan: Beyond the hero’s journey. www.findarticles.com/p/articles/mi_m0PEI/is_33/ai_112130487 (Januar 2005). Siehe auch: Tschiedert, Markus: George Lucas im Interview mit Markus Tschiedert. www.youandme.de/interview/george_lucas/george_lucas.html (Januar 2005).
[51] Joseph Campbell in: The Hero's Journey. San Francisco, 1990, Sn.181-182. Zitiert nach: Buchen, Richard: Joseph Campbell and the Skywalker: Meetings with George Lucas. www.online.pacifica.edu/cgl/lucas (Januar 2005).
[52] Vogler, S.10.
[53] vgl. ebd. S.13.
[54] ebd. S.53.
[55] Das sind: Held, Mentor, Schwellenhüter, Herold, Gestaltwandler, Schatten und Trickster. Dazu später mehr.
[56] Oder Gegenständen (auch dazu später mehr).
[57] vgl. Vogler, S.60.
[58] vgl. ebd. Sn.53, 368.
[59] Wie beispielsweise bei Aristoteles, bei dem jedes Element zwangsweise auf genau ein anderes folgen und genau einem anderen vorausgehen muss. (siehe dazu: Aristoteles, S.25).
[60] Für Klaus Walter ist genau diese Beliebigkeit der Grund, Voglers Modell nicht zur Bestimmung dramaturgischer Erzählstrukturen und struktureller Muster in graphischen Adventure Games zu nutzen. (siehe dazu: Walter, S.203).
[61] N.N.: Märchen als Modell. Zitiert nach: Homepage der Sendung delta – Mythos und Märchen (ausgestrahlt am 03.März 2005 auf 3sat), www.3sat.de/delta (März 2005).
[62] „Da es sich bei Adventure Games um Massenprodukte handelt, die aufgrund der hohen Produktionskosten auf dem Markt erfolgreich sein müssen, kann allerdings davon ausgegangen werden, dass sie zwangsläufig bestimmten narrativen Konventionen unterliegen.“ (Walter, S.66).
[63] Klaus Walter (s.o.) hat zumindest für die Verknüpfung von Narration und Interaktion ein Modell entwickelt, mit dem sich das mathematische Verhältnis der beiden bestimmen lässt. Dies ist allerdings für eine dramaturgische Untersuchung nicht geeignet.
[64] „Bei den Spielern ebenso im Kommen sind sogenannte Genremix-Spiele. Zu dieser Gattung gehören komplexe Spiele, die mehrere Genres verknüpfen, zwischen denen beständig gewechselt wird.“ [N.N., zitiert nach: www.vud.de (April 2005)].
[65] Lediglich Spiele wie beispielsweise Tetris oder Solitär lassen sich schwer in ein narratives Schema zwängen.
[66] Bestes Beispiel ist das sehr erfolgreiche, an taktischen Ego-Shootern orientierte Splinter Cell, das aus der Feder des Romanautors (!) Tom Clancy einen komplexen erzählerischen Unterbau bekommen hat. Oder die mehrteiligen Abenteuer um Lara Croft (Tomb Raider), die eine, für ein aus der Tradition der Jump’n’Run-Shooter stammendes Spielkonzept, überraschende Handlungsstruktur aufweisen.
[67] Walter, S.2.
[68] Eine umfassende Zusammenfassung dieser beiden Spielarten bietet: Bhatty.
[69] “In the movie theatre, the world is projected at you; in a videogame, you are projected into the world.” (Poole, S.86).
[70] Diese Geschichte kann auch spielübergreifend sein. Umfassendstes Beispiel wäre die Final Fantasy -Serie, die in mittlerweile elf Spieltiteln einen eigenen, modernen Mythos entworfen hat. Ähnliches gilt für die Might&Magic -Reihe, die allerdings heute nicht mehr fortgesetzt wird.
[71] Beispielsweise auf den durch Literatur, Film und Fernsehen bekannten Fantasy-, Science-Fiction- oder Superheldenstoffen. [„Immer mehr Bereiche, die bislang anderen Unterhaltungsmedien wie Buch, Comic, Film und Fernsehen vorbehalten waren, entwickeln sich zu Welten, die durch ‚Videonauten’ jeglichen Alters erschlossen und erobert werden können. Für jeden Geschmack und jedes Interesse stehen Welten bereit, in denen sich die Spieler in vielfältigen Bewährungssituationen wiederfinden können.“ (Fritz, Jürgen: Zur „Landschaft“ der Computerspiele. In: Fritz, Jürgen und Wolfgang Fehr (Hg.): Handbuch Medien: Computerspiele. Theorie, Forschung, Praxis. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 1997, S.87)].
[72] Ron Gilbert, Spielentwickler und „Erfinder“ von Monkey Island: „Ich habe mich für Piraten entschieden, weil es nah an Fantasy war, aber ohne Elfen. Oder wenn es Elfen gegeben hätte, wären sie von den Piraten getötet worden.“ [N.N.: Interview mit Ron Gilbert. www.tentakelvilla.de/interview/rongilbert.html (Januar 2005)].
[73] „Videospiele stehen in ihrer Inhaltlichkeit also nicht isoliert da, sondern sind eingewoben in ein massenmediales System mit festgelegten Mustern und Strukturen. Dies lässt sich recht gut am Beispiel von der weitverzweigten Firmengruppe ‚LucasArts Entertainment’ zeigen [...] Diese Firmengruppe hat in den letzten 15 Jahren systematisch die Bild- und Inhaltstraditionen, speziell der westlichen Welt, mit Hilfe neuer technischer Möglichkeiten in massenmediale Produkte wie SF-Filme (z. B. ‚Krieg der Sterne’) und Videospiele wirkungsvoll einbezogen. Das Beispiel ‚LucasArts’ zeigt, wie die Medien ‚Spielfilm’ und ‚Videospiel’ immer mehr zusammenrücken und sich wechselseitig aufeinander beziehen[.]“ [Fritz, Jürgen und Wolfgang Fehr: Videospiele in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, o.J., http://snp.bpb.de/referate/fritzlwl.htm (Dezember 2004), o.S.].
[74] „Die Möglichkeiten, die sich aus der Kombination von Spiel und Erzählung ergeben, aber auch ihre Grenzen sind aufgrund ihrer prototypischen Qualitäten für die Entwicklung und Gestaltung interaktiver Medien äußerst spannend und aufschlussreich.“ (Walter, S.iii).
[75] Die Analyse der bereits erwähnten Final Fantasy -Reihe würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen.
[76] Die ersten drei Teile bedürfen dazu allerdings eines Emulationsprogramms, das unter Windows XP eine DOS-Umgebung simuliert.
[77] Dies ist exemplarisch. Zu den meisten Computerspielen existieren (wenn überhaupt) lediglich sehr oberflächliche Beschreibungen, die allerdings keinem wissenschaftlichen Anspruch gerecht werden.
[78] Dies wird bei der Untersuchung des ersten Teils der Reihe,The Secret of Monkey Island, ausführlicher geschehen, da hier das Modell von Vogler direkt am Beispiel vorgestellt werden soll.
[79] Erst in Monkey Island 2: Le Chucks Revenge gibt es einige kleine Verweise auf seine Kindheit und seine Eltern. In Flucht von Monkey Island erfährt man dann ein kleines Detail der Vorgeschichte von The Secret of Monkey Island: Guybrush wurde an die Küste von Melee Island gespült. Warum und woher bleibt ungeklärt.
[80] Die gewöhnliche Welt zeigt den Helden zu Beginn einer Story in seinem „alltäglichen“ Umfeld, vermittelt Informationen über seine Vergangenheit sowie die aktuelle Situation und steht in möglichst großem Kontrast zur Welt des Abenteuers jenseits der ersten Schwelle. (Vogler, S.143ff).
[81] „Wird eine Grenze überschritten, so ereignet sich etwas, das erzählt werden kann.“ (Neitzel, S.49).
[82] „Guybrush´s Traum, ein gefürchteter Pirat zu werden, steht im deutlichen Widerspruch zu seinem friedliebenden, freundlichen Naturell, woraus der besondere Reiz der Figur entsteht.“ (Witting, Tanja: Virtuelle Spielfiguren in Bildschirmspielen. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, o.J., http://snp.bpb.de/referate/witt_spil.htm (Dezember 2004), o.S).
[83] Vogler, S.153.
[84] Gilbert, Ron: On Stranger Tides. http://grumpygamer.com/6476640 (Februar 2005).
[85] Vogler, S.42.
[86] ebd. S.146.
[87] „Ein Plot Point ist ein Vorfall oder ein Ereignis, das in die Geschichte eingreift und sie in eine andere Richtung lenkt.“ (Field, S.12f).
[88] „Interaktive Erzählungen beginnen ebenso wie klassische Erzählungen mit der Störung des Alltäglichen. Der Spielercharakter wird zum Handeln gezwungen und besteht ggf. das erste Abenteuer.“ (Bhatty, S.168).
[89] „Das Streitobjekt, das die unterschiedliche Motivation von Antagonist und Protagonist verkörpert, ist der MacGuffin. Er repräsentiert das Verknüpfungselement aller erzählrelevanten Bestandteile und beeinflusst durch seine Existenz die Aktionen von Protagonist und Antagonist.“ (Bhatty, S.130).
[90] Vogler, S.169.
[91] siehe: ebd. S.180.
[92] ebd. S.185.
[93] siehe: ebd. S.193f.
[94] siehe: ebd. S.209.
[95] ebd. S.41.
[96] ebd. S.215f.
[97] Auf Anraten ihres Ernährungsberaters versuchen sie, aus streng gesundheitlichen Gründen, ihre Ernährung fleischlos zu halten.
[98] siehe: ebd. S.220.
[99] ebd. S.43.
[100] ebd. S.231.
[101] siehe: ebd. Sn.247, 290.
[102] siehe: ebd. S.251.
[103] siehe: ebd. S.284.
[104] ebd. S.242.
[105] ebd. S.267.
[106] ebd. S.257.
[107] ebd. S.304.
[108] ebd. S.306f.
[109] ebd. S.346.
[110] Der fehlende Zusammenhang zwischen magischer Voodoo-Wurzel und Malzbier liegt an der deutschen Sprache. Im englischen Original muss Guybrush eine „root“ (Wurzel) finden und daraus das Elixier brauen. Malzbier heißt auf Englisch „rootbeer“.
[111] Vogler, S.50.
[112] ebd. S.317.
[113] Tatsächlich wird das Moment des Zufalls simuliert. Es übernimmt die Funktion des deus ex machina.
[114] Vogler, S.346.
[115] Vogler, S.75f. „Seinen besonderen Charme bekommt er [Guybrush Threppwood; kb] dadurch, dass er vom Piratenleben träumt, er aber in Wirklichkeit der untypischste Pirat der Karibik ist.“ [http://de.wikipedia.org/wiki/Monkey_Island (Dezember 2004)].
[116] „Genau wie die Mehrzahl der Spieler in der realen Welt, verfügt auch Guybrush über keinerlei besonders herausragende Fähigkeiten, starke Waffen oder gar mächtige Magie, die ihm beim Überwinden seiner Probleme und Hürden helfen könnten, und oft steht er genau so mittellos und ohnmächtig vor Schwierigkeiten wie auch der Spieler selbst.“ (Grewel, Christian: Spiel: Monkey Island, Teile 1–4. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, o.J., http://snp.bpb.de/projekte/misland.pdf (Dezember 2004), S.5).
[117] Vogler, S.75f.
[118] “They catch our interest simply because we like them, and would prefer to see them succeed.” (Poole, S.201).
[119] ebd. S.156.
[120] Mit zwei kleinen, eher humoristischen Ausnahmen: 1. Als eine kleine Prüfung muss Guybrush einen angeblich „mörderischen geflügelten Teufel“ (einen Papagei) berühren. Er hat an dieser Stelle u.a. die Möglichkeiten „Kraule“, „Schmuse“, „Kneife“, „Fass an“, die aber alle zum selben Ergebnis (dem Bestehen der Mutprobe) führen. 2. Wenn Guybrush festgebunden unter Wasser ertrunken sein sollte, hat er nur noch Handlungsoptionen wie „Quell auf“, „Starre“ oder „Verwese“, die aber keinen weiteren Einfluss auf das an dieser Stelle beendete Spiel haben.
[121] „Es gelingt nicht im Mindesten, die Komplexität der Wirklichkeit abzubilden. Darum geht es bei Videospielen auch nicht.“ (Fritz/Fehr Lebenswelt, o.S.).
[122] Eine Entwicklung findet allerdings auf Rezeptionsebene statt: „Deshalb steht am Ende des Adventurespiels auch nicht das aus-gebildete Subjekt des Bildungsromans, sondern jemand, der eine parsergerechte Sprache spricht, durch die objektbezogene Situationen gelöst (oder technischer: Daten optimal rekonfiguriert) werden können und damit ein recyclebares Benutzerwissen.“ (Pias, S.141).
[123] Vogler, S.67.
[124] Den man beim Spieler voraussetzen kann, da er ansonsten das Spiel nicht gekauft, installiert und gestartet hätte.
[125] siehe: Fritz/Fehr Lebenswelt, o.S.
[126] Fritz/Fehr Lebenswelt, o.S.
[127] „Der Versuch, […] Ch. Voglers „Figurenmodell“ auf Adventure Games zu applizieren, gelingt nur in begrenztem Umfang. Zwar finden sich Figuren […] Held, Mentor und Gestaltwandler […], doch gibt es eine Vielzahl von Figuren, die durch diese Modelle nicht erfasst werden. Dass Held und Gegenspieler, d.h. Protagonist und Antagonist, berücksichtigt werden müssen, ergibt sich aus der dramaturgischen Notwendigkeit des Grundkonflikts. Dagegen sind […] Mentor und Gestaltwandler in den untersuchten Adventure Games nur sporadisch vertreten.“ (Walter, S.295). Das Gegenteil wäre also nun zu beweisen.
[128] Vogler, S.86.
[129] siehe: ebd. Sn.95, 197.
[130] ebd. S.97.
[131] ebd. S.101.
[132] „Die erzählerische Funktion des Hindernisses liegt in der (nächsten) Belohnung. Diese Belohnung besteht in der Regel aus Hilfsmitteln oder Informationen.“ (Bhatty, S.143).
[133] Als „roten Hering“ bezeichnet man im kriminalistischen Bereich eine falsche Fährte, die ablenken oder aufhalten soll. Nur dies tut auch dieser tatsächliche Hering.
[134] Dies ist eine Schwelle, die zwar etabliert, aber nicht aufgelöst wird, da die drei Prüfungen mit der Entführung Elaines hinfällig werden.
[135] Schließlich taucht sie auch im vierten Teil der Monkey-Island-Reihe wieder auf.
[136] Vogler, S.105.
[137] „Es kommt häufig vor, dass ein Mentor kurzfristig diese Aufgabe übernimmt und den Helden mit seiner Herausforderung vertraut macht.“ (ebd. S.109f).
[138] ebd. S.111.
[139] ebd. S.112.
[140] ebd. S.116.
[141] ebd. S.111.
[142] Dieses neue Frauenbild steht bei George Lucas in einer gewissen Tradition: „Die vom Helden ‚zu rettende’ Prinzessin des volkstümlichen Märchens wird vom Typ der starken politischen Senatorin abgelöst. Leia [die Prinzessin aus Lucas’ Star Wars; kb] kann ebenfalls kämpfen und wird zur eigenständigen Leitfigur.“ (Bhatty, S.49).
[143] „Ohne Antagonismus kein Konflikt – ohne Konflikt keine Geschichte.“ (ebd. S.132).
[144] Vogler, S.123.
[145] ebd. S.126.
[146] ebd. S.129.
[147] Siehe Abbildung oben.
[148] Poole, S.13.
[149] „Wo erzählt wird, wird nicht gespielt, und wo gespielt wird, wird nicht erzählt, oder anders gesagt: Eine Erzählung erzählt von Handlungen, im Spiel jedoch werden Handlungen ausgeführt. Erst wenn das Spiel zu Ende ist, kann von ihm erzählt werden.“ (Neitzel, S.9).
[150] „‚Interaktion’ bedeutet die Möglichkeit zur Modifikation variabler Daten innerhalb vorgegebener Parameter in Form fester Daten.“ (Bhatty, S.5).
[151] Meist tut er dies dann auch. Es gibt Situationen, in denen Guybrush autoritären Figuren gegenübersteht, die etwas von ihm wissen wollen. Guybrush stehen nun sehr freche und überhebliche Antworten zur Verfügung, die ihn höchstwahrscheinlich in weitere Schwierigkeiten bringen würden. Egal welche der Spieler davon auswählt, Guybrush wird immer kleinlaut beigeben indem er etwas anderes sagt.
[152] Die Anführer findet Guybrush auch ohne diese Information, aber so kann er sicher sein, dass die drei Piraten im Nachbarzimmer tatsächlich die Anführer sind.
[153] Dies kann durchaus als kausaler Fehler angesehen werden. Eigentlich dürfte diese Option im Dialog erst verfügbar sein, wenn Guybrush an anderer Stelle tatsächlich etwas über die Gouverneurin erfahren hat.
[154] Sollte Guybrush vorher schon das Gespräch beendet haben, kann er es so oft wieder aufnehmen, bis die wichtigen Informationen komplett vermittelt sind. Der Spieler entscheidet, ob er dies tut, oder nicht.
[155] „Keine Angst, Sie können in keine Sackgasse geraten, wenn Sie eine ‚falsche’ Antwort auswählen. Aus jedem noch so festgefahrenen Dialog gibt es einen Ausweg, wenn er für die Lösung des Spiels wichtig ist.“ [N.N.: The Secret of Monkey Island. (Handbuch zum Spiel), o.O.: 1990, S.4].
[156] In David Cronenbergs Film „eXistenZ – Du bist das Spiel“ bringt die Programmiererin Allegra Geller (Jennifer Jason Leigh) dieses Prinzip wie folgt auf den Punkt: „Es gibt gewisse Dinge, die gesagt werden müssen, um die Handlung voranzutreiben und die Figuren festzulegen. Und diese Dinge werden gesagt, ob Sie sie sagen wollen, oder nicht.“
[157] Als Avatar bezeichnet man den Stellvertreter des realen Spielers in der virtuellen Welt. Ursprünglich ist es der Name der Hindus für illusorische Erscheinungen. Siehe auch: Neitzel, S.53; und: de Kerckhove, Derrick: Brauchen wir, in einer Realität wie der unseren, noch Fiktionen?. In: Vattimo, Gianni und Wolfgang Welsch (Hg.): Medien Welten Wirklichkeiten. München: Fink, 1998, S.197.
[158] „Durch Selektion und Anwendung eines Befehles wird der statuarische Charakter der Adventure Games aufgehoben, es entsteht Dynamik.“ (Walter, S.158). Dieses Spielprinzip wird als „Turn-Modus“ bezeichnet: „Das Spielgeschehen wird ‚angehalten’. Erst wenn der Spieler seine Eingabe beendet hat, setzt sich das Spiel fort, und erst dann wird erkennbar, welche Wirkungen die Eingaben des Spielers ausgelöst haben[.]“ (Fritz Landschaft, S.88).
[159] Gleiches gilt für die Gesprächsführung. Entscheidet sich der Spieler für keine der angebotenen Rede-Optionen, steht der Dialog (und somit auch das Spiel) so lange still, bis eine Eingabe von Seiten des Spielers erfolgt.
[160] „Wege, Gegenstände und Feinde verwuchern, verfallen oder sterben nicht, sondern warten in zeitvergessener Gegenwärtigkeit auf die entscheidende Eingabe des Spielers.“ (Pias, S.135f).
[161] Beispielsweise die Verfolgung des Gemischtwarenhändlers zur Schwertmeisterin, den man dabei nicht aus den Augen verlieren darf, oder der Showdown mit LeChuck, der dem Spieler nur wenig Zeit zum Handeln lässt, bis LeChuck wieder zuschlägt.
- Arbeit zitieren
- Karsten Barthold (Autor:in), 2005, Crossmediale Einflüsse auf die Dramaturgie von Computerspielen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61686
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