Augustinus, der bedeutendste lateinische Kirchenvater, begann mit der Abfassung der Confessiones, seinem wohl bekanntesten Werk, zwei Jahre nach seiner Ordination zum Bischof. Im Wesentlichen handelt es sich um eine Autobiographie, in welcher Fragen der Sünde, Erlösung und der Gnade Gottes die zentrale Stellung einnehmen. Augustinus zeichnet darin seine über mehrere Stationen verlaufende Hinwendung von der Sünde zu Gott nach. Als Interpretationsmuster liegt die von ihm zuvor entwickelte Gnadenlehre zu Grunde. Das heißt, die Confessiones) sind als Versuch zu sehen, die eigene Lebensgeschichte im Sinne dieser Lehre zu deuten. Dabei bricht Augustinus mit der antiken Tradition, insofern er dem, was vormals als richtiges Handeln und gutes Leben begriffen wurde, mit Blick auf das alles entscheidende Jenseits jeden Wert abspricht. Denn aus eigener Kraft und eigener Freiheit heraus, so Augustins Postulat, kann der Mensch nicht den mindesten Beitrag zum Guten leisten.
Augustinus hatte maßgeblichen Einfluß auf das Mittelalter und seine Wirkung reicht bis in die Neuzeit, als (Kirchen-)Vater einer Form von Erlösungsreligion, die von einem fundamental unversöhnten Mensch-Gott-Verhältnis ausgeht, bei der Gottes Handeln durch den Menschen weder beeinflussbar noch auf irgendeine Weise vorhersehbar ist. In Gegenüberstellung zu Heilsreligionen ist in den Confessiones vor dem Hintergrund der augustinischen Gnadenlehre eine extreme, radikalisierte Form von Erlösungsvorstellung formuliert, die ausschließlich den Einzelnen im Blick hat und nicht die Wiederherstellung einer kosmischen Ordnung.
Inhalt
I Einleitung
II Sünder, Wahrheitssucher, Gläubiger - Die Beziehung zwischen Gott und Mensch als anthropologische Konstante
1. Augustins autobiographische Schilderung in den Confessiones
2. Zur Beziehung zwischen Mensch und Gott als anthropologische Konstante in den Confessiones
III Zum philosophisch-theologischen Hintergrund der Confessiones - Ad Simplicianum I2
IV Augustins philosophisch-theologische Konzeption als Extremform christlicher Erlösungsvorstellung
Literaturliste:
I Einleitung
Zwei Jahre nach seiner Ordination zum Bischof (395) begann Augustinus, der bedeutendste lateinische Kirchenvater, mit der Abfassung der Confessiones, seinem wohl bekanntestem Werk. Etwa vier Jahre später waren sie fertig gestellt. Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um eine Autobiographie, in welcher Fragen der Sünde, Erlösung und der Gnade Gottes die zentrale Stellung einnehmen. Augustin zeichnet - vom zur Zeit der Niederschrift erreichten theologisch-philosophischen Standort aus - seine über mehrere Stationen verlaufende Hinwendung von der Sünde zu Gott nach. Es sind Bekenntnisse in doppeltem Sinne, Sündenbekenntnis wie auch Bekenntnis zu Gott in Form eines gewissermaßen überdimensionierten lobpreisenden Gebets.[1] Doch sind sie letztlich nicht an den (ohnehin allwissenden) Gott gerichtet. Sie dienen der Erbauung der Gläubigen, vor allem aber der Mahnung an die Sünder, wie tief sie auch immer in die Sünde verstrickt sind, sich an Gott zu wenden.[2]
Inwieweit in den Confessiones alle biographischen Einzelheiten getreu wiedergeben sind, mag an dieser Stelle dahin gestellt bleiben[3] und ist im gegebenen Zusammenhang nicht bedeutend. Zweifel sind jedoch angebracht, zumal sich im Rückblick der junge Augustinus und der spätere Bischof von Hippo sozusagen vermischen, das heißt, der Rückschau liegt die Gnadenlehre als Interpretationsmuster zu Grunde, die Augustin etwa ein Jahr vor Abfassung der Confessiones in Ad Simplicianum I 2 entwickelte. So sind die Bekenntnisse in ihrem größten Teil[4] als Versuch zu sehen, die eigene Lebensgeschichte im Sinne dieser Lehre in exemplarischer Absicht zu deuten.[5]
Im Folgenden wird zunächst, in Kapitel II, diese Deutung dargelegt Es ist jedoch kein biographischer Abriss im üblichen Sinne beabsichtigt, d. h. die Skizze beschränkt sich auf Augustins theologisch-philosophische Entwicklung und auf in dieser Hinsicht bedeutsame Lebenserfahrungen. Die Confessiones schildern zwar einen individuellen Lebenslauf, jedoch unter als allgemein postulierten Prämissen. Diese Prämissen werden im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Mensch und Gott im 2. Teil des Kapitels aufgezeigt. Der erste Abschnitt des Kapitels II ist ausführlicher gehalten, um die Person Augustin stärker hervortreten zu lassen. - Mehr als gewöhnlich in wird der Literatur in Bezug auf Augustin der Zusammenhang von Persönlichkeit und Theologie betont.[6] Greshake etwa schreibt, in gewisser Weise handele es sich bei Gnadenlehre des Augustinus um „eine kongeniale Aktualisierung paulinischer Aussagen, entsprungen einer ähnlichen persönlichen Erfahrung. Beide haben nämlich in ihrem Leben die Gnade Gottes erfahren als ein momentanes, auf sie zukommendes, ihre Freiheit überwältigendes Geschen, das sie in ihrem Innern traf und radikal umwandelte.“[7] Die Prämissen im zweiten Abschnitt können dagegen in knapper Form zusammengefasst werden.
Im Anschluss wird in Kapitel III auf die in Ad Simplicianum I 2 vertretene Gnadenlehre eingegangen, die Augustin als Interpretationsgrundlage diente. Mit Blick auf das Seminarpapier[8] soll in Kapitel IV belegt und deutlich gemacht werden, dass Augustinus, der als „Lehrer des Abendlandes“[9] maßgeblichen Einfluß auf das Mittelalter hatte und dessen Wirkung noch bis in die Neuzeit hineinreicht[10], als (Kirchen-)Vater einer sozusagen extremen Form von Erlösungsreligionsreligion anzusehen ist, die von einem fundamental unversöhnten Mensch-Gott-Verhältnis ausgeht, bei der Gottes (Erlösungs-)Handeln durch den Menschen weder beeinflussbar noch auf irgend eine Weise vorhersagbar ist.
II Sünder, Wahrheitssucher, Gläubiger - Die Beziehung zwischen Gott und Mensch als anthropologische Konstante
1. Augustins autobiographische Schilderung in den Confessiones
Als Kind eines heidnischen Vaters und einer christlichen Mutter wurde Augustinus 354 n. Chr. im nordafrikanischen Thagaste geboren. Seine Lebensbeschreibung setzt mit der frühen Kindheit ein. Als sündig sieht er sich (und alle anderen) im Rückblick schon als Kleinkind[11], wenn er etwa versuchte, den Eltern seinen Willen aufzuzwingen. Sündig ist ihm auch die Eifersucht dem „Milchbruder“ gegenüber, angesichts dessen, was Gott, vermittelt durch Mutter oder Amme, in seiner Gnade gibt.[12] Später in der Schule wurde er aus seiner Sicht „unglücklich gemacht und betrogen“[13], d. h., er wurde dazu erzogen, sich an weltlichen Werten wie Ruhm und Reichtum zu orientieren. Ohne dass ihm der Zweck deutlich war, musste er die Buchstaben lernen, und bekam bei Nachlässigkeit Schläge. Er betete zu Gott, „klein wie ich war, aber mit großer Inbrunst, du möchtest mich vor Schlägen in der Schule bewahren.“[14] Gott aber erhörte ihn nicht, weil es nicht zu seinem Heil gewesen wäre, wie Augustinus meint.[15] Allerdings wurde er trotz der Schläge nicht fleißiger, sondern zog das Spiel und den Wettkampf der eitlen Siege wegen der Pflicht und dem elterlichen Gebot weiterhin vor.
Als Knabe erkrankte Augustin lebensbedrohlich. Seine Mutter, „deren keusches, glaubensvolles Herz um mein ewiges Heil noch zärtlicher bangte als um mein irdisches Wohlergehen“[16], wäre, wie Augustin schreibt, sicher seinem drängenden Wunsch, getauft zu werden, nachgekommen, wenn er nicht bald genesen wäre. Da man aber annahm, er würde im Weiteren unvermeidlich sündigen, und dies würde nach dem Empfang des Sakraments noch schwerer wiegen, wurde die Taufe - letztlich von Gott - durch die Mutter hinausgeschoben.[17] Doch auch die Mutter „wusste schon, wie viele und mächtige Sturmfluten von Versuchungen über den zum Jüngling heranwachsenden hereinbrechen würden.“[18]
In der Schule befand sich Augustin in unglücklicher Lage. Er musste sich selbst zum Lernen zwingen und wurde gezwungen. Doch selbst verschuldet war er dorthin gelangt, denn er war aus Gottes Ordnung gefallen und so sich selbst zur Strafe geworden.[19] Und er sank noch tiefer, indem er, statt an nützlichen Dingen, an Fabeln und frevelhaften Mythen, in denen Götter den Menschen gleichen, Gefallen fand. Gelegentlich bestahl er seine Eltern und betrog wo es ging beim Spiel. Bei allem war er sich zuwider und sehnte sich danach, sich „in der unversehrten Ganzheit zu erhalten, die die Spuren der geheimnisvollen Einheit trägt, der ich entstamme.“[20] Das hätte aus späterer Sicht geheißen, sich Gott und nicht dessen Kreaturen zuzuwenden. Doch Augustin verstrickte sich in die Sünde mehr und mehr. In seiner Sprache: Zur Zeit erwachender Sinnlichkeit stand der lichthelle Pfad der Freundschaft dem Sumpf der fleischlichen Begierde gegenüber, reine Liebe war von Wollust nicht zu unterscheiden. Gott zürnte zwar, aber schwieg, zumindest für Augustin, der seinerzeit nicht begriff, dass die mahnenden Worte der besorgten Mutter die Worte Gottes waren. Schließlich liebte er auch das Böse um des Bösen willen, wenn er etwa Birnen allein der bösen Tat wegen stahl. - Rückblickend dankt Augustin Gott für dessen Barmherzigkeit, durch die ihm seine Sünden verziehen wurden, und für Gottes behütende Gnade, die allein verhinderte, dass er weitere Sünden beging. Aus eigener Kraft wäre dies nicht gelungen, denn wer „dürfte es wagen, Keuschheit und Unschuld seinen eigenen Kräften gutzuschreiben? Würde er dich dann nicht weniger lieben, sich einbildend, dein Erbarmen, das den Bußfertigen die Sünden vergibt, habe ihm weniger notgetan?“[21]
[...]
[1] Vgl.: Kurt Flasch, Burkhard Mojsisch (Hrsg.): Augustinus - Bekenntnisse. Reclam, Stuttgart 1989, S. 6.
[2] „Wem erzähle ich das? Nicht Dir, mein Gott; ich erzähle es in Deiner Gegenwart meinesgleichen, dem Menschengeschlecht, wie klein auch das Häufchen sein mag, das einst an dies mein Buch geraten wird. Und wozu erzähl ich´s denn? Damit ich und jeder, der es liest, bedenke, dass man aus jeder Tiefe, noch so groß, zu Dir rufen soll“. Augustinus in den Confessiones, zit. nach: Menke, Karl-Heinz: Das Kriterium des Christseins - Grundriss der Gnadenlehre, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, 2003, S. 25.
[3] Das Mailänder-Garten-Erlebnis fehlt beispielsweise in anderen autobiographischen Berichten Augustins. Siehe: Horn, Christoph: Augustinus. Ch. Beck´sche Verlagsbuchhandlung, München 1995,
S. 24 f.
[4] Die Schilderung der Lebensgeschichte nimmt zehn Kapitel ein (wobei im zehnten Kapitel eine detaillierte Betrachtung des Gedächtnisses enthalten ist). Das elfte Kapitel behandelt die Schöpfung (mit der bekannten Analyse der Zeit), das zwölfte die Genesis, das XIII die Trinität.
[5] Die Gnadenlehre der Simplicianusbriefe war, nach Kurt Flasch, das „Organisationsprinzip, nach dem Augustin in den Bekenntnissen das autobiographische Material präsentierte, aber sie war vielleicht nicht das einzige.“ Als weiteres Prinzip vermutet Flasch ein unbewusstes Prinzip, das psychoanalytisch zu fassen wäre. Siehe: Kurt Flasch, Burkhard Mojsisch (Hrsg.): Augustinus - Bekenntnisse. A. a. O., S. 24 f.
[6] Vgl. etwa: Hirschberger, Johannes: Geschichte der Philosophie. Bd. I: Altertum und Mittelalter. Komet Verlag, Köln, o. J. S. 345. Sowie Horn, Christoph: Augustinus. A. a. O., S. 13.
[7] Greshake, Gisbert: Geschenkte Freiheit. Einführung in die Gnadenlehre. Herder, Freiburg im Breisgau, 1977, 1977, S. 53.
[8] Vgl: Seminarpapier zu den Unterscheidungskriterien von Heils- und Erlösungsreligionen.
[9] Weischedel, Wilhelm, in: Der Gott der Philosophen – Grundlegung einer philosophischen Theologie im Zeitalter des Nihilismus, Primus Verlag, Darmstadt, 1998, S. 345.
[10] Bis in die Neuzeit habe Augustinus die christliche Gnadenlehre nachhaltiger geprägt als die Heilige Schrift, so Karl-Heinz Menke in: Das Kriterium des Christseins. Grundriss der Gandenlehre. A. a. O., S. 24.
[11] Freilich ist die Rekonstruktion der sehr frühen Kindheit, wie Augustin anmerkt, auf Erzählungen, Vermutungen und Beobachtungen bei anderen Kindern angewiesen. Siehe: Aurelius Augustinus – Bekenntnisse. Deutscher Taschenbuch Verlag München, 1982, S. 39.
[12] „Aber weder meine Mutter noch meine Ammen hatten sich selbst ihre Brüste gefüllt, sondern du botest mir durch sie die kindliche Nahrung wie du es vorgesehen nach deinem Reichtum deiner Güte die die Welt bis zum Grunde durchwaltet.“ Augustinus: ebd. S. 35. „Nein, schwach und darum unschuldig sind nur die kindlichen Glieder, nicht des Kindes Seele.“ Augustinus, ebd., S. 38 f.
[13] Ebd., S. 41.
[14] Ebd., S. 41.
[15] Zwar meint Augustin, freie Neugierde fördere das Lenen besser als Zwang, fährt aber fort: „Doch fügen es, Gott, deine Gesetze so, daß dieser die Flut der Neugier eindämmen muß, deine Gesetze, denen die Rutenstreiche der Lehrer und Folterqualen der Märtyrer dienen, deine Gesetze, die in die giftschwangere Lust, die uns hinwegführt von dir, heilsame Bitternis mischen und uns so zu dir zurückrufen.“ Ebd., S. 49 Nicht erspart bleibt den Erwachsenen, die ihn schlugen, der Vorwurf, dass sie im Grunde nichts anderes als er selbst taten, es hingegen Geschäft genannt nannten. Vgl. Ebd., S. 42.
[16] Augustinus, ebd., S. 44.
[17] „Ich bitte dich, mein Gott, ich wüsste gern, wenn du es erlaubst, in welcher Absicht du damals meine Taufe hinausschieben ließest.“ Augustinus, ebd., S. 44.
[18] Augustinus, ebd., S. 45.
[19] Die Strafe Gottes „traf mich nicht unverdient, mich so kleines Kind und ach, so großen Sünder! So tatest du mir wohl durch die, die mir übel taten, und durch mich selbst, den Sünder, straftest du mich gerecht. Denn so hast du´s angeordnet und geschieht es auch, daß jeder Geist, der aus deiner Ordnung fällt, sich selbst zur Pein und Strafe werden muß.“ Augustinus, ebd., S. 45.
[20] Augustinus; ebd. S. 55.
[21] Augustinus: ebd., S. 66.
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