Es gibt wohl keinen anderen Abschnitt der Geschichte, der annähernd so gut erforscht und für die Bevölkerung erkundet ist wie die Zeit des 3. Reiches in Deutschland. Viele Historiker wie Norbert Frei, Golo Mann, Ernst Fraenkel, Raul Hilberg und seit wenigen Jahren via TV auch Guido Knopp klären in unzähligen Büchern und Fernsehsendungen über die grausamen Verbrechen des Regimes, den Holocaust, „Hitlers Helfer“, seine Manager, Frauen, Kinder und neuerdings auch über die „Familie Hitler“ auf. Als ich mich aus Interesse mit dem 3. Reich, zum Beispiel mit der Machtergreifung der Nazis, dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust sowie dessen schrecklichen Folgen auseinandergesetzt habe, fiel mir auf, dass das Gebiet der Kultur und das Feld des kulturellen Lebens im 3. Reich noch eine Art weißer Fleck auf der Landkarte der Geschichtsforschung sind.
Sicher hat man schon von der Hamburger „Swingjugend“ gehört und dass Wagner der Komponist war, der von Hitler am meisten verehrt wurde. Auch den Lieblingsmarsch des „Führers“, den „Badenweiler Marsch“, kennt man wenigstens dem Titel nach, auch wenn er öffentlich heute nicht mehr gespielt wird. Aber dann ist es auch schon oft zu Ende mit dem, was man über die Musik des 3. Reiches erfahren hat. Nicht viel besser sieht es mit der Bekanntheit der allgemeinen Kulturästhetik in den Bereichen Literatur, Theater, Presse und Rundfunk aus. Von „entarteter Kunst“ haben viele schon einmal gehört, doch was „entartete Kunst“ wirklich ist oder war, das weiß fast niemand. Es drängt sich die Frage auf, wieso sich diese Lücke in der Geschichtsforschung auftut. Die Antworten darauf sind mannigfaltig und reichen vom Desinteresse der Geschichtsforscher, die offensichtlich keinen Anreiz sehen, einem bestimmten kulturellen Thema näher nachzugehen, bis hin zum Schweigen der Personen des damaligen kulturellen Lebens, die damit ihre Hörigkeit gegenüber diesem menschenverachtenden Regime verschleiern wollen, um sich ihre weiße Weste zu erhalten wie beispielsweise Herbert von Karajan. Aber immerhin gibt es auch einige Aspekte, die einen guten Ansatzpunkt für die Auseinandersetzung mit diesem Thema in der Realschule bieten und somit helfen können, ein größeres Interesse an dem Thema zu erzeugen und Anreize zu liefern sich nicht mit den oben genannten wenigen Fakten über die Musik während des 3. Reiches zufrieden zu geben. Als weiteres Beispiel für ein Objekt der NS-Kulturpolitik sind beispielsweise die „Comedian Harmonists“ zu nennen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Die Reichskulturkammer (RKK)
- 2.1 Der Kampfbund für deutsche Kultur (KdfK)
- 2.2 Die einzelnen Kammern der RKK
- 2.3 Die Organisation der Kammern am Beispiel der RMK
- 2.4 Grafische Darstellung der RKK
- 3. Gesetzgebung und Definitionen zu „Entarteter Kunst“ und „Entarteter Musik“
- 3.1 Gesetzliche Grundlagen
- 3.2 Definitionen im Vergleich
- 4. Aufgeführte musikalische Literatur des 3. Reiches
- 4.1 Wilhelm Furtwängler
- 4.2 Herbert von Karajan
- 4.3 Karl Böhm
- 4.4 Hans Knappertsbusch
- 4.5 Clemens Krauss
- 4.6 Fazit Nummer 1
- 4.7 Franz Adam und Erich Kloss
- 4.8 Fazit Nummer 2
- 5. Musikalische Werke
- 5.1 „Mathis der Maler“ von Paul Hindemith
- 5.1.1 Grundlage des Werkes
- 5.1.2 Musikalische Analyse und Aufbau
- 5.1.2.1 Der erste Satz „Engelkonzert“
- 5.1.2.2 Der zweite Satz „Grablegung“
- 5.1.2.3 Der dritte Satz „Die Versuchung des heiligen Antonius“
- 5.1.3 Fazit
- 5.2 Violinkonzert von Alban Berg 1935
- 5.3 „Le sacre du Printemps“ von Igor Strawinsky
- 5.4 Jazz im 3. Reich
- 5.5 Die „Comedian Harmonists“
- 5.6 Friedrich Hollaender
- 6. Ergebnisse der Untersuchungen „Musik im 3. Reich“
- 7. „Entartete Musik“ im Unterricht
- 7.1 Klärung und Einführung in die Thematik
- 7.2 Fächerübergreifender Unterricht zum Thema „Entartete Kunst“ auf Grundlage des Bildungsplans 2004 (BP2004)
- 7.2.1 Berechtigung durch den BP2004
- 7.2.2 Durchführung eines projektbezogenen, fächerübergreifenden Unterrichts
- 7.3 Umgang mit Vorurteilen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die oftmals verschwiegene Musikästhetik des Dritten Reiches und entwickelt Impulse für den fächerübergreifenden Unterricht an Realschulen. Ziel ist es, die Lücke in der Geschichtsforschung zu diesem Thema zu schließen und ein größeres Interesse bei Schülern zu wecken.
- Die Reichskulturkammer und ihre Rolle in der NS-Kulturpolitik
- Definition und Gesetzgebung zu „entarteter Musik“
- Analyse ausgewählter musikalischer Werke und Komponisten des Dritten Reiches
- Konzeption eines fächerübergreifenden Unterrichtskonzepts
- Der Umgang mit Vorurteilen im Unterricht
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung beschreibt die Forschungslücke bezüglich der Kulturpolitik des Dritten Reiches, insbesondere im Bereich der Musik. Sie hebt hervor, dass im Gegensatz zur umfassenden Erforschung der Verbrechen des NS-Regimes, die kulturellen Aspekte weniger Beachtung gefunden haben. Die Arbeit zielt darauf ab, diese Lücke zu schließen und didaktische Ansätze für den Schulunterricht zu entwickeln, indem sie die Musikästhetik des Dritten Reiches untersucht und Beispiele wie die „Comedian Harmonists“ heranzieht, um Schülerinteresse zu wecken. Eine Definition von Musikästhetik bildet die Grundlage für die weitere Analyse.
2. Die Reichskulturkammer (RKK): Dieses Kapitel analysiert die Struktur und Funktion der Reichskulturkammer (RKK) als zentrale Institution der NS-Kulturpolitik. Es beleuchtet die Organisation der einzelnen Kammern, die Rolle des Kampfbundes für deutsche Kultur und die damit verbundene Kontrolle und Zensur künstlerischer Aktivitäten. Die Untersuchung zeigt auf, wie die RKK die kulturelle Produktion des Dritten Reiches zentralisierte und die Verbreitung von Kunst, die nicht den Idealen des Regimes entsprach, verhinderte.
3. Gesetzgebung und Definitionen zu „Entarteter Kunst“ und „Entarteter Musik“: Dieses Kapitel befasst sich mit den rechtlichen Grundlagen und den Definitionen von „entarteter Kunst“ und „entarteter Musik“. Es untersucht die Gesetzgebung und Verordnungen, die die Ausgrenzung und Verfolgung von Künstlern und deren Werken regelten. Durch den Vergleich verschiedener Definitionen wird die vage und willkürliche Natur der Kriterien deutlich, die für die Einstufung eines Werkes als „entartet“ verwendet wurden. Dies verdeutlicht die ideologisch motivierte Natur der Kampagne gegen „entartete Kunst“.
4. Aufgeführte musikalische Literatur des 3. Reiches: Dieses Kapitel analysiert das Schaffen ausgewählter Komponisten und Dirigenten (Furtwängler, Karajan, Böhm, Knappertsbusch, Krauss, Adam und Kloss) während der NS-Zeit. Es untersucht ihre Karrieren, ihre Zusammenarbeit mit dem Regime und die von ihnen aufgeführten Werke. Der Fokus liegt auf der Frage, inwiefern diese Künstler die Musikästhetik des Regimes unterstützten oder widerstanden.
5. Musikalische Werke: Dieses Kapitel untersucht im Detail ausgewählte musikalische Werke, die als "entartet" galten oder unter dem Einfluss des NS-Regimes standen. Die Analyse von Hindemiths "Mathis der Maler", Bergs Violinkonzert, Strawinskys "Le sacre du printemps" und dem Jazz im Dritten Reich sowie die Betrachtung der Comedian Harmonists und Hollaenders Arbeit soll ein vielseitiges Bild der Musiklandschaft in dieser Zeit zeichnen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der musikalischen Struktur und dem ideologischen Kontext der Werke.
6. Ergebnisse der Untersuchungen „Musik im 3. Reich“: Dieses Kapitel fasst die Ergebnisse der vorangegangenen Analysen zusammen und beleuchtet die zentralen Erkenntnisse der Untersuchung zur Musik im Dritten Reich. Es synthetisiert die gewonnenen Einblicke in die Musikästhetik und die Rolle von Musik in der NS-Propaganda und Unterdrückung.
7. „Entartete Musik“ im Unterricht: Dieses Kapitel entwickelt didaktische Ansätze zur Vermittlung des Themas „Entartete Musik“ im Unterricht. Es beschreibt die Klärung der Thematik, die Möglichkeiten eines fächerübergreifenden Unterrichts und den Umgang mit Vorurteilen der Schüler. Das Kapitel erläutert, wie der Bildungsplan 2004 genutzt werden kann, um das Thema in den Unterricht zu integrieren und bietet praktische Vorschläge für die Umsetzung eines projektorientierten Unterrichts.
Schlüsselwörter
Reichskulturkammer, Entartete Musik, Musikästhetik des 3. Reiches, NS-Kulturpolitik, Wilhelm Furtwängler, Herbert von Karajan, Paul Hindemith, Alban Berg, Igor Strawinsky, Comedian Harmonists, Fächerübergreifender Unterricht, Bildungsplan 2004.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Musik im 3. Reich
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit befasst sich mit der Musikästhetik des Dritten Reiches, einem oft vernachlässigten Aspekt der NS-Geschichte. Sie untersucht die Rolle der Musik in der NS-Propaganda und Unterdrückung und entwickelt didaktische Ansätze für den fächerübergreifenden Schulunterricht.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Reichskulturkammer (RKK) und ihre Rolle in der NS-Kulturpolitik, die gesetzliche Definition und Ausgrenzung von „entarteter Musik“, die Analyse ausgewählter musikalischer Werke und Komponisten (z.B. Furtwängler, Karajan, Hindemith, Berg, Strawinsky, die Comedian Harmonists), sowie die Entwicklung eines fächerübergreifenden Unterrichtskonzepts zum Thema „Entartete Musik“ und den Umgang mit Vorurteilen im Unterricht.
Welche Komponisten und Dirigenten werden analysiert?
Die Arbeit analysiert das Schaffen von Wilhelm Furtwängler, Herbert von Karajan, Karl Böhm, Hans Knappertsbusch, Clemens Krauss, Franz Adam und Erich Kloss im Kontext des Dritten Reiches. Der Fokus liegt auf ihrer Zusammenarbeit mit dem Regime und den von ihnen aufgeführten Werken.
Welche musikalischen Werke werden untersucht?
Die Arbeit untersucht detailliert „Mathis der Maler“ von Paul Hindemith (inklusive Analyse der einzelnen Sätze), das Violinkonzert von Alban Berg (1935), „Le sacre du Printemps“ von Igor Strawinsky, Jazz im Dritten Reich, die Musik der Comedian Harmonists und das Werk von Friedrich Hollaender.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit ist in sieben Kapitel gegliedert: Einleitung, Die Reichskulturkammer, Gesetzgebung und Definitionen zu „Entarteter Kunst“ und „Entarteter Musik“, Aufgeführte musikalische Literatur des 3. Reiches, Musikalische Werke, Ergebnisse der Untersuchungen „Musik im 3. Reich“ und „Entartete Musik“ im Unterricht. Sie enthält außerdem ein Inhaltsverzeichnis, eine Zielsetzung mit Themenschwerpunkten, Zusammenfassungen der Kapitel und Schlüsselwörter.
Welches Ziel verfolgt die Arbeit im Hinblick auf den Schulunterricht?
Die Arbeit zielt darauf ab, eine Lücke in der Geschichtsforschung zu schließen und das Thema „Entartete Musik“ für den Schulunterricht aufzubereiten. Sie entwickelt ein fächerübergreifendes Unterrichtskonzept, das den Bildungsplan 2004 berücksichtigt und den Umgang mit Vorurteilen der Schüler thematisiert.
Welche didaktischen Ansätze werden vorgeschlagen?
Die Arbeit schlägt einen projektbezogenen, fächerübergreifenden Unterricht zum Thema „Entartete Kunst“ vor, der die Möglichkeiten des Bildungsplans 2004 nutzt. Es wird betont, wie die Klärung der Thematik und der Umgang mit Vorurteilen im Unterricht wichtig sind.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Reichskulturkammer, Entartete Musik, Musikästhetik des 3. Reiches, NS-Kulturpolitik, Wilhelm Furtwängler, Herbert von Karajan, Paul Hindemith, Alban Berg, Igor Strawinsky, Comedian Harmonists, Fächerübergreifender Unterricht, Bildungsplan 2004.
- Quote paper
- Steffen Siegert (Author), 2006, 'Entartete Musik' - Untersuchungen zur oftmals verschwiegenen Musikästhetik des 3. Reiches und Impulse für den fächerübergreifenden Unterricht in der Realschule, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61532