Die Bezeichnung Soziologie ist ein „etymologischer Bastard“ (Endruweit 1989), da sie sich aus dem lateinischen Wort socius (Gefährte, Bundesgenosse, Geschäftspartner) und dem griechischen Wort logos (Wort, Vernunft) zwitterhaft zusammensetzt. Eingeführt wurde dieser Begriff durch Auguste Comte, dessen Terminus die ältere Bezeichnung „Physique sociale“ ablöste. Die Soziologie ist „eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären“ (Weber 2005) will. Gegenstand der Soziologie sind also soziale Phänomene, d. h., sie erklärt das Soziale. Hier unterscheidet sich die Soziologie noch nicht grundlegend von anderen Wissenschaften, auch Politikwissenschaft, Ökonomie oder die Geschichtswissenschaften haben soziale Phänomene als Gegenstand ihrer wissenschaftlichen Forschung. Die Soziologie hebt sich jedoch von allen anderen Wissenschaften dadurch ab, dass sie nicht nur soziale Phänomene zum Gegenstand hat, sondern dass sie die Gesellschaft als „Realität sui generis“ (Durkheim 1988) begreift und ihre Erklärungen auf die gesellschaftliche Bedingtheit der Phänomene zurückführt. Die ihr besondere Methodik ist also, dass sie durch das Soziale erklärt. Je nach Erkenntnisinteresse ist der soziologische Erklärungsbereich entweder auf das konkrete Handeln einzelner Akteure oder aber auf gesellschaftliche Ganze ausgerichtet und aus diesem heraus kausal erklärend.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist Soziologie?
- Was sind Theorien?
- Wozu soziologische Theorie?
- Was sind soziologische Theorien?
- Symbiose von Theorie und Praxis
- Werturteile in den Wissenschaften
- Recours auf Klassiker der Soziologie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text befasst sich mit der Rolle und Bedeutung soziologischer Theorie. Er untersucht die verschiedenen Funktionen von Theorien in der Soziologie und beleuchtet den Zusammenhang zwischen Theorie und Praxis. Darüber hinaus wird die Frage nach Werturteilen in der wissenschaftlichen Forschung behandelt.
- Die Definition und Funktion von soziologischer Theorie
- Die Verbindung von Mikro- und Makroperspektive in der Soziologie
- Die Bedeutung von Theorien für die Erklärung sozialer Phänomene
- Die Abgrenzung zwischen Theorie und Praxis in der Soziologie
- Die Rolle von Werturteilen in der wissenschaftlichen Forschung
Zusammenfassung der Kapitel
Was ist Soziologie?
Dieses Kapitel definiert den Begriff der Soziologie als „etymologischen Bastard“ und erläutert die Entstehung des Begriffs durch Auguste Comte. Der Fokus liegt auf der Betrachtung der Gesellschaft als „Realität sui generis“ und der besonderen Methodik der Soziologie, die soziale Phänomene durch das Soziale erklärt.
Was sind Theorien?
Dieser Abschnitt definiert Theorien als logisch widerspruchsfreie und empirisch überprüfbare Aussagen über die Wirklichkeit. Er betont den kausalen oder funktionalen Charakter von Theorien und die Bedeutung der Generalisierung und Universalisierung für die Intersubjektivität und Nachprüfbarkeit.
Was sind soziologische Theorien?
Hier wird soziologische Theorie als generalisierender und kausal oder funktional erklärender Versuch definiert, Auskunft über einen bestimmten Wirklichkeitsausschnitt zu geben. Der Schwerpunkt liegt auf der Abstraktheit soziologischer Theorie und der unterschiedlichen Perspektiven (Mikro- und Makroperspektive) in der soziologischen Forschung.
Symbiose von Theorie und Praxis
Dieses Kapitel beleuchtet die historische Entwicklung der Soziologie und die Diskussion um ihre praktische Nutzbarkeit. Der vermeintliche Gegensatz zwischen Theorie und Praxis wird als irreführend dargestellt, und es wird die Bedeutung der Symbiose von Erfahrungserkenntnis und Theorie für die neuzeitliche europäische Wissenschaft hervorgehoben.
Werturteile in den Wissenschaften
Dieser Abschnitt behandelt das Problem der politischen, moralischen und pädagogischen Voreingenommenheit in der wissenschaftlichen Forschung. Max Webers Postulat der Wertfreiheit wird eingeführt und als Mittel zur Entlastung des Forschers von Voreingenommenheit dargestellt.
Schlüsselwörter
Die zentralen Begriffe in diesem Text sind: Soziologie, Theorie, Gesellschaft, soziale Phänomene, Mikro-Makro-Problem, Wertfreiheit, Symbiose von Theorie und Praxis, empirische Forschung, Generalisierung, Universalisierung.
- Citation du texte
- Florian Karsch (Auteur), 2005, Wozu soziologische Theorie?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61488