[...] Vor Beginn meiner Arbeit begegnete mir die Frage, weshalb ich eine Arbeit über die Veränderung der Frauenrolle und nicht stattdessen eine Abhandlung über die Veränderung der Männerrolle schreiben wolle. Die Antwort hierzu ist schnell gefunden: Das Patriarchat formte vordergründig die Geschichte, es behielt sich vor, alle Institutionen zu besetzen - angefangen von Kirche, Politik, Wirtschaft bis zur Rechtsprechung. Es diskriminiert(e) und grenzt(e) verschiedenste Gruppen bis heute aus und beherrscht und wirkt bis in beinahe jede Institution nach. Zu diesem als normal erachteten Zu-stand in unserer Gesellschaft möchte mit dieser Arbeit einen geringen Gegenwert bilden. Obwohl sich weltweit bereits zahlreiche männliche Autoren, wie Ulrich Beck, H.T. Wilson, Michael Lenz, Hartmuth Kasten - um hier nur einen geringen Ausschnitt zu benennen - direkt oder indirekt mit dem Thema zur Veränderung der Frauenrolle beschäftigt haben, so möchte ich mich diesen Autoren anschließen und einen Beitrag zur Entfesselung rigider und festgefahrener Strukturen bieten. In meiner Arbeit beziehe ich mich deshalb auf unterschiedlichste Themengebiete, die im ersten Augenblick ungewöhnlich erscheinen - betrachtet man sie jedoch als ein Ganzes, so werden die Entwicklungen im Individualisierungsprozess deutlich erkennbar. Dabei befasse ich mich mit Ausführungen zum Thema Recht, greife Forschungen zur sozialen Arbeit auf, stelle Arbeitszeitmodelle dar und begebe mich auf die Ebene der Sprachwissenschaften, um Veränderungen und Entwicklungen greifbar zu machen. Das Traktat soll keine tautologische Nachahmung dessen darstellen, was bereits schon in unzähligen Werken ausgeführt wurde; vielmehr soll sie ein anschaulicher Versuch sein, die Geschichte zur Entwicklung von weiblichen Lebenswelten in einem modernen Rahmen nachzuvollziehen und anschaulich darzulegen.
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Einleitung
1 Analyse zur Veränderung der Frauenrolle im privaten und öffentlichen Bereich
1.1 Von der Vergangenheit bis zur Gegenwart – Frauen im Kampf gegen Gewalt und Unterdrückung
1.2 Angst, Selbstverwirklichung und Gewalt. Der Weg der Frauen in die verbotene Welt der Männer
2 Recht
2.1 Chronologische Darstellungen der Veränderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch und im Familienrecht
2.2 Kurzanalyse zum Familienrecht
3 Sozialarbeit
3.1 Anerkennung? Fehlanzeige!
3.2 Soziale Institutionen für Frauen
4 Bildung
4.1 Chancengleichheit und Bildungsexpansion im geschichtlichen Kontext der fünfziger und sechziger Jahre bis heute
4.2 Frauen im Management – eine interdisziplinäre Analyse
4.3 Flexible Arbeitszeitmodelle – eine notwendige Prämisse zur Ergänzung der Lebensbiografien von individualisierten Frauen und Männern
4.4 Mutter und Kind – ein bewusst lediges Zukunftsmodell? Individualisierungstendenzen von Frauen in Beruf und Bildung
5 Gleichberechtigung – eine illusionäre Vorstellung?
5.1 Frauen und Macht
5.2 Ungleiche Machtverhältnisse
6 Schlussbetrachtung
Abkürzungsverzeichnis
Glossar
Literaturverzeichnis
Erklärung
Tabellenverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Einleitung
Geleitet von persönlichen Motiven und Beobachtungen reifte die Idee, eine Abhandlung über die Veränderungen der Frauenrolle, im Speziellen über Individualisierungstendenzen und Veränderungen der Frauenrolle in Beruf und Familie zu schreiben. Mein Interesse an dieser besonderen und für den Großteil der Männer eher ungewöhnlichen Thematik- wurde durch ein Seminar an der Hochschule Niederrhein geweckt. Der Inhalt des Seminars deutete auf mannigfaltige Formen von Unterschieden im Umgang und in den Lebenswelten zwischen den Geschlechtern hin. Dabei musste ich erkennen - und dies war mir in diesem Umfang zuvor überhaupt nicht bekannt – dass Frauen in allen Gesellschaften nicht die gleichen Chancen haben wie Männer (vgl.Geißler, 1986 : 7, Pross 1984 : 12).
Dass Frauen und Männer nicht in gleicher Weise anerkannt und bewertet werden, war mir ebenfalls in diesem Umfang nicht geläufig. Sicherlich war mir bekannt, dass Frauen z.B. für dieselbe Arbeit oftmals geringer entlohnt werden als ihre männlichen Kollegen, doch dass Männer mehr Anerkennung erwarten und beziehen, während Frauen sich minderwertiger einschätzen und die Rolle des Mannes höher einschätzen, sowie dass Frauen ihre persönlichen Fähigkeiten deklassieren (vgl.Sullerot 1979, Kuhn 1980, Pross 1984 : 154) war mir ebenso wenig bekannt.
Jürgen Habermas verweist darauf, dass Selbstachtung und Selbstbewusstsein auf einem System des Austausches gegenseitiger Anerkennung beruhen. Erst im Austausch mit anderen wird Selbstachtung erworben (vgl. Habermas, 1968 :13). Doch da wo Anerkennung ausbleibt, setzen sich geringe Wertvorstellungen (vgl.Sullerot, 1979) und Ungerechtigkeiten durch. Auch wenn Frauen in den letzten Jahrzehnten selbstbewusster geworden sind (vgl. Pross, 1981: 15), so neigen sie schon in jungen Jahren dazu, ihre Fähigkeiten zu schmälern, während sie die der Männer anerkennen und bewundern. Studien zeigen, dass bereits junge Mädchen dazu tendieren, ihre Fähigkeiten zu unterschätzen und mit den Stereotypen über das Weibliche viel geringere Wertvorstellungen zu verbinden (vgl. Margritt Lettko in: Heidi Keller, 1979 : 39 ff.). Das geringe Selbstbewusstsein ist mit dafür verantwortlich, dass viele Frauen weiterhin eher weibliche Ausbildungsberufe[1], wie Friseurin und Arzthelferinnen erlernen (vgl.Schwarzer, 2000 : 14, Pross, 1981 : 12).
Mein Entschluss, eine Diplomarbeit über die Veränderung der Frauenrolle zu verfassen, stärkte sich zudem durch vielerlei persönliche Erfahrungen aus dem privaten Bereich. Aufgewachsen als Scheidungskind beim mütterlichen Elternteil, lernte ich die traditionellen Geschlechterrollen (vgl. Koppetsch, 1999 : 2) im üblichen Sinne, so wie sie gleichsam von Vater und Mutter ausgehen, nicht kennen. Zahlreiche Ansätze zur Reproduktion von Geschlechterrollen lernte und übernahm ich somit aus meinem direkten sozialen Umfeld; also vorwiegend von meiner Mutter. Es ist offensichtlich, dass mich mein gesamtes soziales Umfeld, wie z. B. Geschwister, Freunde, Bekannte usw. geprägt haben; dennoch glaube ich behaupten zu dürfen, dass ich viele Ansätze von meiner Mutter angenommen habe. Im Vorfeld eröffnete ich der Erstprüferin, dass ich zudem eine sehr liberale Einstellung besitze, welche nicht zuletzt durch meinen speziellen Musikgeschmack (Amerikanischer Punkrock, zumeist sozialpolitisch gefärbt) geprägt wurde. Ich nahm viele Botschaften meiner „Helden“ – auch die, welche sich mit den Verhältnissen zwischen Mann und Frau auseinander setzten – in mein persönliches Konstruktionsschema von Geschlechterrollen mit auf. Es mag vielleicht ungewöhnlich sein, dass sich ein männlicher Interessent mit dem Thema zur Veränderung der Frauenrolle auseinander setzt, aber wir alle bilden einen Teil des gesellschaftlichen Umbruchs – einem langwierigen Wandlungsprozess, der sich just in diesem Augeblick auf allen Ebenen des menschlichen Handels vollzieht. Rita Süssmuth führte dazu einmal aus:
„[...] dieser Rollenwandel wird sich nicht innerhalb einer oder zweier Generationen durchsetzen. Er erweist sich als langsamer, keineswegs gradliniger verlaufender Prozess, der – wie die Geschichte insgesamt – von Kontinuität und Diskontinuität gekennzeichnet ist. Es gibt vorantreibende Entwicklungen, Stagnation und rückwärtsdrängende Tendenzen mit unvermeidbaren Reibungsverlusten [...]“. (Süssmuth in Geißler, 1986 : 38)
Diesem Wandel ordne ich mich zu und betrachte mich als „Objekt dieser Bewegung“ (Winter in Siegfried R. Dunde, 1987 : 12) und offeriere hiermit eine wissenschaftliche Ausarbeitung zum Thema Individualisierungstendenzen und Veränderungen der Frauenrollen. [O1]Vor Beginn meiner Arbeit begegnete mir die Frage, weshalb ich eine Arbeit über die Veränderung der Frauenrolle und nicht stattdessen eine Abhandlung über die Veränderung der Männerrolle schreiben wolle. Die Antwort hierzu ist schnell gefunden: Das Patriarchat formte vordergründig[2] die Geschichte, es behielt sich vor, alle Institutionen zu besetzen – angefangen von Kirche, Politik, Wirtschaft bis zur Rechtsprechung. Es diskriminiert(e) und grenzt(e) verschiedenste Gruppen bis heute aus und beherrscht und wirkt bis in beinahe jede Institution nach. Zu diesem als normal erachteten Zustand in unserer Gesellschaft möchte mit dieser Arbeit einen geringen Gegenwert bilden. Obwohl sich weltweit bereits zahlreiche männliche Autoren, wie Ulrich Beck, H.T. Wilson, Michael Lenz, Hartmuth Kasten – um hier nur einen geringen Ausschnitt zu benennen – direkt oder indirekt mit dem Thema zur Veränderung der Frauenrolle beschäftigt haben, so möchte ich mich diesen Autoren anschließen und einen Beitrag zur Entfesselung rigider und festgefahrener Strukturen bieten. In meiner Arbeit beziehe ich mich deshalb auf unterschiedlichste Themengebiete, die im ersten Augenblick ungewöhnlich erscheinen – betrachtet man sie jedoch als ein Ganzes, so werden die Entwicklungen im Individualisierungsprozess deutlich erkennbar. Dabei befasse ich mich mit Ausführungen zum Thema Recht, greife Forschungen zur sozialen Arbeit auf, stelle Arbeitszeitmodelle dar und begebe mich auf die Ebene der Sprachwissenschaften, um Veränderungen und Entwicklungen greifbar zu machen. Das Traktat soll keine tautologische Nachahmung dessen darstellen, was bereits schon in unzähligen Werken ausgeführt wurde; vielmehr soll sie ein anschaulicher Versuch sein, die Geschichte zur Entwicklung von weiblichen Lebenswelten in einem modernen Rahmen nachzuvollziehen und anschaulich darzulegen
1 Analyse zur Veränderung der Frauenrolle im privaten und öffentlichen Bereich
Die folgenden Kapitel widmen sich der Darstellung von Veränderungsprozessen der Frauenrolle im privaten und öffentlichen Bereich. Dabei zeige ich in chronologischer Abfolge die Versuche der Frauen auf, sich gegen den Machtvollzug des Patriarchats zur Wehr zu setzen. Im Verlauf des ersten Kapitels befasse ich mich mit dem Übergang von der vorindustriellen zur modernen Gesellschaft, die eine Verlagerung von sozial kontrollierten zu individuell kontrollierten Motiven nach sich zog (vgl.Beck-Gernsheim, 1988 : 19). Genauer: Ich zeige auf, wie sich die Frauen aus den Kontrollmechanismen der Familien lösten und selbstständig in Berufe hineinfanden. Um die Veränderungen der Frauenrolle deutlich herauszuarbeiten, verweise ich dann auf die Entwicklungen im bürgerlichen und proletarischen Milieu. Obwohl sich beide Milieus in ihren Ansprüchen voneinander unterschieden, so kämpften sie doch für dasselbe Ziel: Die Anerkennung der weiblichen Leistungen und Rechte. Anschließend benenne ich verschiedene Faktoren, die Frauen von ihren Individualisierungsintentionen fernhalten wollten, und leite fort vom Gedanken der naturgegebenen Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Nachfolgend beschäftige ich mich mit den Chancen von Individuen bei der Umsetzung ihres Potentials in neuen Berufsfeldern und richte dann den Fokus, mitten aus dem Kampf der Geschlechter, auf die Bildungsbestrebungen der Frauen. Erst mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten werden die Bildungsbestrebungen der Frauen wieder begrenzt. Kapitel 1.2 stellt heraus, dass sich Frau und Familie im Wandel befinden. Die Veränderung korreliert mit dem Erwerb von Bildung und dem erweiterten Angebot von Arbeit, wobei aufgezeigt wird, dass beide Faktoren die Frauen aus den soziokulturellen Mustern herausgelöst haben. Frauen finden neben der Mutterrolle eine neue Erfüllung im Beruf, demnach müssen auch die Machtansprüche zwischen den Geschlechtern neu definiert werden. Im Anschluss lenke ich dann auf Mechanismen, die im privaten und beruflichen Bereich Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern erschaffen.
1.1 Von der Vergangenheit bis zur Gegenwart – Frauen im Kampf gegen Gewalt und Unterdrückung
Seit den Anfängen der Frauenbewegung[3] Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts zeigt sich heute eine veränderte Frauenrolle: Frauen erreichen bessere Bildungsabschlüsse als Männer[4] und schließen ihr Studium[5] schneller ab, sie sitzen immer häufiger in Gremien von Politik und Wirtschaft[6] ; sie moderieren Sportsendungen (einst ein unantastbares männliches Domizil), sie leiten Diskussionsrunden, erlernen Handwerksberufe, erlangen die Selbständigkeit, üben männliche Sportarten aus, entscheiden frei über den Zeitpunkt der ersten Geburt oder ob sie überhaupt Kinder gebären möchten[7], sie verdienen ihren eigenen Lebensunterhalt und treffen ihre Entscheidungen immer freier, individualisierter und selbstbewusster – ja sie werden sogar mit dem Amt der Bundeskanzlerin betraut. Diese Liste ließe sich fortführen, wenn man das wollte. Alice Schwarzer nennt die Frauenbewegung zu Recht die gewaltfreieste und erfolgreichste Revolution des 20. Jahrhunderts (Schwarzer, 2000 : 12). Die Hintergründe und Historie dieser Bewegung sowie die bisher erreichten Zustände sollen im Rahmen dieser Arbeit – speziell in diesem Kapitel – beleuchtet werden. Ich werde aufgrund des gegebenen Rahmens dieser Arbeit nicht zu weit in den geschichtlichen Modus zurückgreifen und möchte auch nicht zu tief in die Entwicklung der Frauenbewegung eindringen; sondern ich werde auf die Situation der Frauen in Deutschland des 19 Jahrhunderts eingehen. Eine der bekanntesten Persönlichkeiten in der Geschichte der deutschen Frauenbewegung stellt Hedwig Dohm dar, die bereits 1872 mit ihrem Werk „Was die Pastoren über Frauen denken“ ein weitsichtiges Dokument geschaffen hat, in welchem sie Bezug auf Machtansprüche und Unterdrückungstheorien seitens des Patriarchats nimmt. Überhaupt stellt sie in ihrer Karriere als Schriftstellerin die von der Wissenschaft proklamierten naturgegebenen[8] Unterschiede zwischen Mann und Frau in Frage und hält fest, dass der weibliche Charakter auf erziehungsbedingte Einflüsse[9] zurückzuführen sei und nicht auf naturbedingte oder auf von Gott bestimmte Bahnen. In einer Epoche, in welcher die Frau lediglich auf ihr Wesen, ihre Naivität und ihren Sanftmut reduziert wurde, sprach sich Dohm bereits für das Wahlrecht für Frauen aus, forderte gleiche Bildungschancen für Mädchen und kämpfte für die Möglichkeit von Frauen einem Beruf nachzugehen. Eine sehr mutige und vorausschauende Forderung für die damalige Zeit. Im Kontext der vorangegangenen Informationen muss erwähnt werden, dass Männer in vergangenen Jahrhunderten über ihre Frauen bestimmen[10] konnten. Im Schutzmantel eines patriarchalisch geprägten Rechts- und Normensystems konnten Männer ihren Frauen z. B. Erziehungsaufgaben absprechen oder den Erwerb verbieten. Es wurde ihnen hingegen angeordnet zu arbeiten, wenn die Einkünfte des Mannes nicht reichten. Frauen besaßen erheblich weniger Rechte als Männer, und das im Jahre 1871 im Deutschen Reich eingeführte allgemeine, gleiche und geheime Wahlrecht beschränkte sich lediglich auf Männer (Pross, 1981 : 9). In dieser Epoche, in der Frauen vermehrt ihre persönliche Rechte[11] einforderten und über ihr eigenes Leben bestimmen wollten, meldeten sich Schriftführer wie Wilhelm Heinrich Riehl oder Philipp von Nathusius zu Wort, die erbittert das Patriarchat zu verteidigen suchten. Riehl beklagte bereits 1855 den extremen Individualismus von Frauen, während Nathusius die Stellung der Frau und ihre Unterordnung gegenüber dem Manne aus Bibeltexten ableitete, die er selbst als dogmatisch und somit als unanfechtbar ansah. Eine Bibelpassage soll an dieser Stelle verdeutlichen, worin Nathusius eines von vielen Beispielen für die Berechtigung der Unterordnung des weiblichen Geschlechts unter das männliche erkannte:
"Ich will dir viel Mühsal schaffen, wenn du schwanger wirst; unter Mühen sollst du Kinder gebären. Und dein Verlangen soll nach deinem Mann sein, aber er soll dein Herr sein. " (Erstes Buch Mose, Gen., 3, 16)
In der zeitgenössischen Literatur stießen solche Vergleiche in weiten Teilen von Wissenschaft, Politik und Bevölkerung auf Anklang, in der Frauenwelt hingegen lösten sie Proteste aus. Frauen woll(t)en sich emanzipieren, sich aus der Abhängigkeit lösen und freigelassen werden aus den engen Fesseln, die ihnen das Patriarchat angelegt hat. HelgePross fasst zusammen, in welchem Zusammenhang Emanzipation und Freiheit stehen:
„Emanzipation meint ‚Freilassung’ – Freilassung des Sohnes aus der väterlichen Gewalt, der Kinder aus der Vormundschaft der Eltern, der Erwachsenen aus der Sklaverei, die Freilassung der Menschen aus Abhängigkeit und Unmündigkeit. Emanzipation bezieht sich auf das Recht von Individuen und Gruppen in einer freien Gesellschaft als Gleiche unter Gleichen über gemeinsame Angelegenheiten zu bestimmen.“ (Pross, 1981 : 9)
Ende des 19. Jahrhunderts entsteht im wirtschaftlich erstarkten Bürgertum ein neues Leitbild des Frauenlebens, das allmählich auch in die unteren Schichten durchdringt (vgl. Beck-Gernsheim, 1988 : 20). Unter diesem neuem Leitbild strebten Frauen nach Freiheit, Gleichheit und Anerkennung ihrer Leistungen. Insbesondere die so schmerzlich vermisste Anerkennung, die das Patriarchat seit Jahrtausenden so selbstverständlich versagte, suchten die ersten Frauen zu Anfang des 19. Jahrhunderts in schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen, die weder soziale Absicherung noch leistungsgerechte Entlohnung versprachen, zu erhalten, um damit eine Aufwertung ihrer Lage als auch ihrer Person zu erfahren. Auch wenn weibliche Berufsarbeit zu Beginn der Industrialisierung lange mit unqualifizierter, unterbezahlter, monotoner Lohnarbeit ohne Entwicklungs- und Aufstiegschancen verbunden war (vgl. Geißler, 1986 : 67), so zog es die Frauen aus ihren beengten Verhältnissen, um sich aus der Kontrolle der Familie und des sozialen Umfeldes zu entziehen und somit die persönliche Lebenswelt für sich ein Stück weit selbst gestalten zu können. Viel Spielraum war ihnen dabei nicht vergönnt, da die meisten Mädchen und Frauen den kargen Lohn, den sie verdient hatten, aufwenden mussten, um ihre Familien zu unterstützen. Das Lösen der Individuen aus traditionellen Bindungen ermöglichte es, vorher ungekannte Wahlmöglichkeiten und Bahnen der Mobilität (vgl. Beck-Gernsheim, 1988 : 12) wahrzunehmen, wie sie zuvor noch nie zur Option gestanden hatten. Für die Frauen aus der Unterschicht, die überwiegend aus Handwerker- und Bauernfamilien stammten, galten in der vorindustriellen Epoche durchaus härtere Konditionen als für die aus der (bürgerlichen) Oberschicht, denn ihre Arbeits- und Lebensform wurde durch das Wirken im „Ganzen Haus“ (E.Beck-Gernsheim, 1988 : 15) bestimmt. Für diese vom Pauperismus gezeichneten Familien galt das erste Gebot der täglichen Existenzsicherung und dem Erhalt der Generationsabfolge. Alle Mitglieder des Hauses – auch die Kinder, die zumeist aus ökonomischen Gründen gezeugt wurden und zur Sicherung der Nachfolge bestimmt waren –, mussten zur täglichen Existenzsicherung beitragen. Nach dem individuellen Zusammenpassen von Partnern wurde nicht gefragt, da Heirat und Kinderfolge oftmals von finanziellen Motiven bestimmt wurden und etwaige Gedanken wie Heirat aus Liebe keinen Zuspruch fanden. Kinder wurden als „nicht ganz vollständige Erwachsene“ (Beck-Gernsheim, 1988 : 17) angesehen, die somit die gleiche Arbeit wie ihre Eltern zu verrichten hatten. Während die Mutter für die physische Versorgung zuständig war, übernahm der Vater die moralische Anleitung, welche in der Ausübung von Gehorsam und Gottesfurcht ihren Ausdruck fand. Beim Verstoß gegen geltende Normen wurde den Kindern viel körperliche Zurechtweisung zuteil (vgl. Beck-Gernsheim 1988 : 17). Kinder galten zwar als erwünscht und hatten auch ihren Wert, allerdings muss hierzu erläutert werden, dass insbesondere Erstgeborene und Söhne sehnsüchtig erhofft wurden, denn diese eigneten sich vorwiegend als Arbeitskräfte und zur Alterssicherung (vgl.Mitterauer/Sieder, 1977 : 125). Zudem trugen sie den Namen und die Tradition der Familie weiter fort. Töchter hingegen forderten die Mitgift der Familie ein, was durchaus eine ökonomische Belastung[12] für die Familie darstellen konnte. An diesem Beispiel lässt sich bereits ableiten, welche Stellung das weibliche Geschlecht im Gegensatz zum männlichen zu dieser Zeit einnahm. Dass Frauen weder in Schrift noch Mathematik ausreichend gelehrt[13] wurden (vgl. Beck-Gernsheim, 1988 :37), war ein weiteres Indiz dafür, wie viel Teilnahme und (Be-)Achtung man der weiblichen Lebenswelt entgegenbrachte. Frauen galten als minderwertiger und weniger bedeutsam als Männer. Und so unterschieden sich beide Geschlechter nicht nur im Ansehen und Sozialverhalten, sondern auch in der (männlichen) Erwartung an das Arbeitsverhalten, wie folgendes Zitat veranschaulicht. Im Diskurs mit Herrn Nathusius bezieht sich Hedwig Dohm auf die Thematik der Arbeitsteilung[14] während und nach der Feldarbeit. Dazu schreibt sie:
„Dort habe ich die Frauen den ganzen Sommer über in glühender Hitze und in strömendem Regen gemeinschaftlich mit den Männern angestrengt arbeiten sehen. Dennoch aber bestand ein großer Unterschied zwischen ihnen. Wenn der Mann abends über die Schwelle seiner Hütte trat, war Feierabend für ihn. Er zündete sich seine Pfeife an, legte sich auf die Bank und sah ruhig der Frau zu, die jetzt erst begann, ihre Wirtschaft zu besorgen. Sie wusch und kämmte die Kinder, sie reinigte das Stübchen, fütterte die Ziege und das Schwein (wenn ein solches vorhanden war) und kochte das Abendbrot. Ich habe niemals gesehen, dass der Mann ihr bei diesen Verrichtungen hilfreich zur Hand gegangen wäre. Und damit das gequälte Tier auch nicht einen Augenblick zur Ruhe käme, wusch sie sonntags die Wäsche für die Familie.“ (Dohm, 1872 : 79)
Das angeführte Zitat verdeutlicht die „doppelte Vergesellschaftung“ der Frau[15] (Bertrams, 1996 : 17; Kuhn, 1980 : 18 f.), die durch ihr Wirken in Familie und Beruf zweifach gefordert wird. Dieses Beispiel aus der vorangegangenen Epoche lässt sich zudem problemlos auf die heutige Frauengeneration projizieren, denn die Arbeitsteilung im Haushalt verläuft auch hier nach wie vor in „bewährten Bahnen“ (Koppetsch,1999: 197). Männer schreck(t)en davor zurück sich im Haushalt zu beteiligen und diejenigen, die sich der Hilfe nicht entziehen können, stellen sich besonders unbeholfen an, um somit einen Verweis von der Hausarbeit zu erhalten.
Damals wurde die Frau nicht als Einzelperson angesehen sondern im Sinne der Familie als Teil eines Wirtschaftssystems, in welchem jeder Person klare Kompetenzbereiche zugewiesen wurden. Ihre Aufgaben wurden neben der normalen Arbeit auf dem Felde auf das Wirken im häuslichen Milieu, der physischen Zuwendung, sowie auf die häusliche Reproduktionsarbeit[16] reduziert. Diese Bereiche stellten für den Mann einen genuin weiblichen Aufgabenbereich dar, in welchen er nicht einzugreifen vermochte. Hausarbeit stellte damals (und stellt immer noch) für den überwiegenden Teil der Männer einen intimen Bereich, sogar eine Art verbotene Zone dar. Helge Pross formuliert hierzu:
„Männer haben zwar die Fähigkeit dazu und trauen es sich auch zu, alle Arbeiten, die in einem Haushalt anfallen zu erledigen [...]. Sie wären damit aber so unterfordert wie durch die Tätigkeit als Schreibkraft oder Putzhilfe. Hausarbeit ist unter ihrer Würde. Die Würde bleibt nur gewahrt, wenn sich die Beteiligung auf Kavaliersdienste beschränkt“. (Pross, 1984 : 34)
Das angeführte Zitat von Helge Pross hat in diesem Kontext an Relevanz nicht verloren: somit nimmt es im historischen Kontext zur Ungleichheit der Geschlechter eine bedeutende Position ein, denn es lässt sich universell auf die Vergangenheit, Gegenwart und voraussichtlich auch auf die Zukunft anwenden. Weibliche Arbeit besitzt einen geringen Tauschwert in der hegemonialen Weltordnung. Dabei besitzt insbesondere die Hausarbeit, als ein separater Aspekt von vielen, eine besonders geringe Wertigkeit (vgl. Koppetsch 1999 : 167, Wendt1995:167). Christiane Gern zieht aus den vorangegangenen Thesen die Schlussfolgerung, dass die ungleichen geschlechtsspezifischen Ressourcen im Kontext der traditionellen Geschlechterrollen die Frauen strukturell benachteiligt haben, indem sie einen geringeren Status für die weibliche Lebenswelt herbeigeführt haben (vgl. Gern, 1992 : 19).
Im folgenden werde ich nun auf die Loslösung der Individuen aus den Kontrollsystemen der Familie überleiten: Durch den aufkeimenden Strukturwandel, bedingt durch den industriellen[17] Faktor, den Ausbau der Verkehrsnetze und des Nachrichtenwesens gegen Ende des 19. Jahrhunderts, entstanden völlig neue Möglichkeiten und Wege der geografischen Mobilität. Somit gründeten sich neue Berufsfelder auch für Frauen, die von nun an schlecht bezahlte Erwerbsmöglichkeiten, zumeist in Dienstleistungsbereichen, z. B. als Wäscherin und Gouvernanten[18] annahmen oder im sozialen Bereich[19] wirkten. Sorgearbeit wurde mit natürlicher Mütterlichkeit in Verbindung gebracht und wurde damals wie heute keiner ausreichenden Würdigung und Entlohnung unterzogen. Der Wandel von der Groß- zur Kleinfamilie, bedingt durch den Säkularisierungsprozess der Mitglieder aus dem Sicherheitssystem der Familie, trug ebenfalls zum Wandel der Familienfunktion bei (vgl.Mitterauer/Sieder, 1977 : 12). Das Herauslösen des Individuums aus dem vertrauten Umfeld, sowie der Verlust von Kontrollmechanismen seitens der Familie bot Vor- und Nachteile: Die Sicherheit und der soziale Rückhalt innerhalb von Familien, Gemeinschaften und Dorfgemeinschaften war nur noch bedingt gegeben. Stattdessen wurden die Individuen im Kontext der industriellen und gesellschaftlichen Modernisierungsprozesse in das anonymisierte, atomisierte und anomische Großstadtleben entlassen (vgl. Nunner-Winkler in Heitmeyer, 1997 : 360), wobei sie als Arbeitskräfte in abhängige Arbeitsverhältnisse hineinfanden und sich fortan autark versorgen mussten (vgl. Beck-Gernsheim, 1990 : 40). Der Wandel von der ständischen bzw. von der Agrar- zur Industriegesellschaft zwang ihren Protagonisten ein Lebensmodell auf, in welchem der Mann seine Arbeitskraft verkaufen musste und die Frau die häuslichen Reproduktionsarbeiten sowie die Erziehung und Pflege der Kinder übernehmen musste (Kuhn, 1980:18f.). Die daraus hervorgegangene dichotome Einteilung[20] der Geschlechter findet bis heute ihre Legitimation in unserer Gesellschaft und ordnet Individuen in Kompetenzbereiche ein. Für die Frau bedeutete die Hausfrauenexistenz die Abhängigkeit von ihrem Partner und dessen ökonomischen Ressourcen. Ein Entfliehen aus der ehelichen Existenz war aufgrund der ungesicherten sozialen Verhältnisse nicht möglich und hielt somit die Ehe als Bindeglied zur Selbstversorgung als einzige Alternative bereit (Beck-Gernsheim, 1990 : 40).
Um von den Lebensbedingungen der Individuen auf die Ansprüche der Frauen auf Bildung hinüberzuleiten, begebe ich mich in die Zeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts. In dieser Phase proklamierten Frauen den Wunsch nach mehr Allgemeinbildung, welcher von Medizinern, Pädagogen und politischen Institutionen befürwortet wurde, die nämlich der Meinung waren, dass Frauen mehr Handlungskompetenzen bei der Erziehung ihrer Kinder benötigten (vgl. Beck Gernsheim, 1988 : 37 f.). Die Vorstellung, dass Kinder nur aufgrund von ökonomischen Konditionen gezeugt werden sollten, schwand allmählich, stattdessen löste ein neuer Typus vom Lebensinhalt des weiblichen Lebensraumes die alten Vorstellungen ab: Mütterlichkeit und Erziehung erhielten ganz neue Maximen und der Sinn des weiblichen Lebens wurde im häuslichen Dasein der Mutter für die Kinder verortet. Das Patriarchat hatte den Frauen bisher noch nie zuvor soviel Anerkennung entgegen gebracht. Vera van Aaken ergänzt an dieser Stelle:
„Weibliche Anerkennung für Männer war selbstverständlich; sie galt dem Mann als dem Bild des Menschen. Anerkennung von Männern gegenüber Frauen fehlte. Achtung vor Frauen meinte - wo sie vorhanden war - nicht die Frau als weiblichen Menschen; sie galt immer einer besonderen Funktion des Frau-Seins, z. B. der Frau als Mutter“. (van Aaken, 2000 :13)
Es wäre vermessen zu behaupten, dass die breite Masse der Frauen sich der neuen Situation verweigert hätten; aus zweierlei Gründen: Bisher behauptete das Patriarchat der weiblichen Anerkennung nicht zu bedürfen oder verachtete sie sogar (vgl. van Aaken, 2000 :14). Außerdem waren Arbeits- und Lohnbedingungen dermaßen unsicher, dass viele Frauen wieder in die Rolle der Mutter zurückfanden. Neben dem Prädikat, dass Frauen besonders gut zur Kindererziehung geeignet seien, erschienen nun Handbücher, die sich speziell mit den Fragen der Erziehung auseinander setzten und den Frauen aller Schichten als Richtschnur gelten sollten. Plötzlich erfuhren Frauen eine Aufwertung ihrer Person und in der Autorität ihrer Mutterrolle. Elisabeth Beck-Gernsheim führt dazu an:
„Zu dieser Zeit kann man nicht annehmen, dass Frauen sich als Opfer des Mutterschaftsideals erfuhren. Nein, zuerst muss man sehen, dass der weibliche Lebenszyklus damals kaum eine andere Möglichkeit bot und dass schon dem jüngsten Mädchen kaum die Entwicklung eigener Gedanken, Wünsche, Ansprüche zugestanden wurden. Es wird ersichtlich warum viele Frauen hier Zufriedenheit und Erfüllung fanden.“ (Beck-Gernsheim, 1988 : 39)
Zeitgleich entstanden in der wechselseitigen Wahrnehmung von Männern und Frauen neue dichotome Muster, die dem Mann Aktivität, Durchsetzungsvermögen, Kraft und Verstand quittierten, der Frau hingegen Fügsamkeit, Bescheidenheit, Herz und Gemüt. Genauer: Den Männern wurde Vernunft, Stärke und Ratio zugeteilt, während Frauen auf ihr Wesen reduziert wurden und für den Selbstwert ungünstige Attributionen wie Emotionalität erhielten. Die soeben erworbene Aufwertung der mütterlichen Rolle reklamierte der Mann postwendend mit dem Anspruch auf stringente Rollenteilung, die es ihm erlaubte, seine Interessen durchzusetzen und die Frau zu seiner persönlichen Gehilfin zu machen (Beck-Gernsheim, 1988 : 22). Dieses Ungleichgewicht spiegelte sich im Gemüt[21] der Frauen wider, denn sie wollten dem zugewiesenen Schicksal entfliehen und sich selbst verwirklichen. Also zwangen die krassen Gegensätze in den Lebenswelten der Geschlechter die Frauen förmlich zur Revolte gegen das Patriarchat. Sie traten hervor mit dem Wunsch nach Individualisierung und versuchten ihre eigenen Interessen zu benennen und in der Öffentlichkeit zu deklarieren. Dennoch wehrte sich das Patriarchat energisch gegen das Aufbegehren der Frauen nach Freiheit und ihren Bestrebungen nach Wissen. Das Patriarchat zwang dem Lebenssinn der Frau die Mutterrolle[22] auf. Die vorherrschende Konnotation von Mutterschaft setzte diese mit Abhängigkeit, Hingabe und Verzicht gleich (vgl. Schön, 1989 : 7). Ulrich Beck ergänzt hierzu:
„Von der Gebärfähigkeit der Frau wird auf die Zuständigkeit für Kind, Hausarbeit, Familie und daraus auf Berufsverzicht [...] geschlossen. Dabei treffen die aufbrechenden Konflikte die Männer besonders empfindlich“ (Beck, 1990 : 35)
Die verkrusteten Strukturen des Patriarchats mussten dem stärker werdenden Drang nach Bildung und dem Begehren nach Veränderung der Frauenrolle in der Familie allmählich nachgeben. Die folgende Passage zeigt dazu einige signifikante Veränderungsprozesse im Bildungsverlauf an:
- Ende des 19. Jahrhunderts wurden die ersten Frauen zum Abitur zugelassen[23].
- 1895/96 nahmen die Universitäten Göttingen und Berlin Frauen als Gasthörerinnen auf[24].
- Am 28.02.1900 immatrikulierte die erste Studentin[25].
- 1908 regelte ein Schulerlass die Reform des Rechenunterrichts für Mädchen sowie die Einführung des Mathematikunterrichts an höheren Mädchenschulen[26].
- Die Richertsche Schulreform von 1924 reformierte das Jungen- und Mädchenschulwesen neu. Der Fächerkanon für Mädchen enthielt nun die gleichen Kriterien wie für Jungen
Mit dem Beginn des Nationalsozialismus in Deutschland wurde den Individualisierungs- und Bildungstendenzen von Frauen Einhalt geboten. Die Wiederbelebung alter Normen und Werten verurteilte Frauen dazu, ihre alteingesessenen Positionen erneut einzunehmen. Während Feministinnen ins Exil gejagt wurden und Berufsverbote ausgesprochen wurden (Schwarzer, 2000 : 14 f.), traten die Nationalsozialisten dem Wunsch der Frauen nach Bildung mit drastischen Einschränkungen entgegen. Elisabeth Beck ergänzt dazu:
„[...] die zaghafte Ausweitung der Bildungschancen wurden in Deutschland schnell wieder abgeblockt. Sofort nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurden Maßnahmen gegen das Frauenstudium erlassen.“ (Beck-Gernsheim, 1990 : 37)
Die Bildungssituation nach dem Zweiten Weltkrieg stagnierte, denn junge Mädchen und Frauen wurden immer mit den noch verbleibenden Leitgedanken[27] der Nazis konfrontiert. Dabei kamen der Hausfrauen- und Mutterrolle besondere Beachtung zu, wobei die jungen Frauen wiederum mit traditionalen Rollenmustern und mit der Unterordnung unter männliche Werte konfrontiert wurden. Der Forderung der Frauen nach rechtlicher und politischer Gleichstellung wurde einige Jahre zuvor von den Nationalsozialisten[28] elegant übergangen, denn sie verorteten, wie viele andere zuvor, die Berechtigung für das Dasein der Frau in der Mutterrolle. Damit nahm das Regime konservative Strömungen aus vergegangenen Epochen in sein Programm auf und zwang seine Intentionen den Frauen auf. Die Nachkriegsjahre bedürfen des besonderen Interesses, denn diese wurden durch gesellschaftliche Umbrüche und politische Wandlungsprozesse geprägt. Die heranwachsende Mädchengeneration unterschied sich zu dieser Zeit immens von den Erwartungshaltungen und dem Wissenstand ihrer Eltern, denn mit dem Besitz von Bildung traten auch andere Vorstellungen und Wünsche in den Vordergrund, die ein Abweichen von der mütterlichen Lebensbiografie voraussahen. Da viele männliche Stammhalter während der Kriegswirren zu Tode kamen, herrschte nach dem Krieg ein Überangebot an Arbeitsplätzen. Dadurch wurden mehr Berufsfelder als früher den Frauen zugänglich gemacht (vgl. Beck-Gernsheim, 1988 : 78), wenngleich die meisten Mädchen über die Nachkriegsjahre hinaus in Frauengettos[29] tätig waren (vgl. Pross, 1981 : 12), die mit schlechter Bezahlung und geringen Aufstiegsmöglichkeiten verbunden waren. Dass 1950 noch 38% der Frauen in der Landwirtschaft tätig waren und 1980 nicht mal mehr 7% zeigt, dass tatsächlich mehr Berufsfelder für Frauen zugänglich gemacht wurden. Aber erst die wirtschaftliche Erstarkung der BRD in der Nachkriegzeit sowie die Bildungsexpansion der sechziger Jahre lieferten den entscheidenden Anstoß für den Wandel der Frauenrolle, welcher im folgenden Kapitel näher untersucht wird. Individualisierung ist kein neues Phänomen; neu ist ihr massenhafter Charakter (Beck-Gernsheim, 1990 : 16).
[...]
[1] Vgl. Abb.1, Auszubildende in den 20 am stärksten besetzten Ausbildungsberufen, 2004, Weibliche Auszubildende, siehe Kapitel 5.1
[2] Das Patriarchat verdrängte bewusst die Geschichte von Frauen. Vera Van Aaken ergänzt, dass der weibliche Anteil an der menschlichen Geschichte verdrängt oder angeeignet sei (Vgl. Vera Van Aaken, 2000 : 50) Die Verdrängung der weiblichen Geschichte sicherte zudem die Machtstellung des Pariacharts über Jahrtausende.
[3] Definition von Frauenbewegung: Frauenbewegung ist ein Teil des großen Individualisierungsprozesses, der mit der Renaissance und der Reformation begann und seit dem 18. Jahrhundert vom Gedankengut der Aufklärung der französischen Revolution (Menschenrechtserklärung) sowie von wissenschaftlichen und ökonomischen Veränderungen (Technisierung und Industrialisierung) beeinflusst wurde [...] (Frauenlexikon, 327 f.). Die Frauenbewegung lässt sich in zwei Chargen unterteilen: die erste Frauenbewegung kämpfte um formale Gleichberechtigung, Wahlrecht, Recht auf Bildung, Recht auf Berufstätigkeit, Teilhabe am politischen und kulturellen Leben (vgl. Gitta Mühlen-Achs 2003 :13, Frauenlexikon 327 f.) die zweite erkämpfte die Gleichberechtigung im privaten Raum. Sie forderten die Abschaffung des § 218 BGB, die Befreiung von sexueller Repression und ökonomischer Abhängigkeit vom Mann (vgl. Frauenlexikon, 327 f.)
[4] Vgl. Zweite Bilanz der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der Deutschen Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft (2006 : 12)
[5] Vgl. Stödter in Geißler, 1986 : 113
[6] Vgl. WSI Frauendatenreport, CD ROM, Kapitel 7, Folie: 7.A1
[7] „Besonders für Frauen, die studiert und mit einer hochqualifizierten Berufslaufbahn begonnen haben, stellt sich irgendwann die Frage, ob sie noch eine richtige Familie mit Kindern gründen wollen. Immer mehr Frauen schieben die Beantwortung dieser Frage immer weiter hinaus: In Deutschland ist ungefähr jede 5. Frau zwischen 30 und 35 unverheiratet und Kinderlos [...]. Immer mehr Frauen heiraten immer später und bekommen immer später immer weniger Kinder (mittlerweile ist die durchschnittliche Kinderzahl pro Familie auf 1,5 gesunken). Immer mehr Frauen bleiben „Single“ , leben in Ein-Personen-Haushalten und bekommen gar keine Kinder.“ (Kasten, 2003 : 137).
[8] „Die liberal-bürgerlichen Frauen der ersten Frauenbewegung dechiffrierten den Mythos vom natürlichen Mutterinstinkt und begriffen, dass das „natürliche Wesen“ der Frau und ihre Verortung im Haus ein historisches Ergebnis patriarchaler Herrschaft und entsprechender Herrschafts- und Erziehungspraktiken war – nicht ihrer Natur“. (Schmidt-Waldherr in Schaeffer-Hegel, 1984 : 23)
[9] Vgl. hierzu De Beauvoir, 2005: „ Man wird nicht als Frau geboren, man wird es“ (Kernsatz aus ihrem Werk „Das andere Geschlecht“)
[10] Vgl. Kapitel 2.1 f. in dieser Arbeit.
[11] „Louise Otto-Peters (1819-1895), überhaupt die erste Generation der Frauenbewegung, so auch Alice Schmidt (1833-1903), Henriette Goldschmidt (1825-1920) und andere, glaubten, ihr Ziel, den Frauen Selbstständigkeit und Mündigkeit zu erkämpfen, nur über das Recht auf Bildung und Arbeit zu erreichen. Die Befreiung der Frau sollte jedoch nicht Selbstzweck sein, sondern „der Gesellschaft nutzen“ und „dem Fortschritt der Menschheit“ bis hin zur Verringerung des sozialen Elends und dem Abbaus der sozialen Klassengegensätze [..]. Doch die Forderung nach Recht auf Bildung sollte nicht nur der Korrektur bzw. Ergänzung des kulturellen Lebens, sondern auch der beruflichen Qualifikation dienen und damit den Frauen gleichzeitig eine selbstständige, materielle Existenzmöglichkeit bieten. Aber sogar dieses „Recht auf Arbeit“ musste erst erkämpft werden. So forderte Auguste Schmidt: „Wir verlangen, dass die Arena der Arbeit auch für uns und unsere Schwestern geöffnet wird“ (Nave-Herz, 1997 : 12 f.)
[12] Doppelte Belastung aufgrund des biologischen Geschlechts und aufgrund des Risikofalls, falls sie nicht verheiratet wurden: „Eheschließung sollte zwar einzig die „liebevolle Zuwendung“ der Ehepartner sein, de facto musste aber an eine ökonomische Versorgung der Töchter gedacht werden. Die „Wartezeit“ war deshalb keineswegs für alle jungen Frauen eine frohe, unbeschwerte Phase, sondern Enttäuschung sowie Angst und Sorge, keinen Heiratsantrag zu erhalten, bestimmten den Alltag mancher Mädchen. Denn die Frauen, die unverheiratet blieben, hatten ein doppelt schweres Los: Sie galten vom „eigentlichen“ Frau-Sein ausgeschlossen und fielen außerdem ihrer Familie zumeist ökonomisch und auch sonst „zur Last“. Für sie bot sich allerhöchstens die Möglichkeit, Gouvernante oder Gesellschafterin zu werden- beide Positionen waren schlecht bezahlt und bedeuteten eine allgemein bemitleidete Zwitterstellung zwischen Familienangehörigkeit und Dienstboten-Dasein“. (Nave-Herz, 1997 : 13)
[13] Elisabeth Beck-Gernsheim führt aus, dass Frauen der Unterschicht ein dürftiges Minimalwissen im Lesen, Schreiben und Rechnen erhalten haben, während die Töchter des Bürgertums vornehmlich in schöngeistigen Inhalten unterrichtet wurden (vgl. Beck-Gernsheim, 1988 : 37)
[14] Edith Glaser über Dohm: Hedwig Dohm postuliert 1872, dass es eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung gibt: „Die geistige und einträgliche für die Männer, die mechanische und schlecht bezahlte für die Frauen“. Dohm kommt zu dem Schluss, dass die Arbeitsteilung auf Konkurrenzfurcht basiere (vgl. Glaser in Löw u. Mathes, 2004 : 17)
[15] „In den Diskussionen um die Berufstätigkeit der Frau taucht immer wieder das Schlagwort von der „Doppelrolle der Frau“ als Berufsfrau einerseits und Familien- und Hausfrau anderseits auf: Die erwerbstätige Frau muss nicht nur den Leistungsanforderungen im Beruf, sondern auch ihren Aufgaben im häuslichen Bereich nachkommen. (Schriftreihe des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit, 1976 : 41)
[16] Häusliche Reproduktionsarbeit: Soziologische Umschreibung für Hausarbeit (vgl. Koppetsch, 1999).
[17] „Die Industrialisierung setzte die Arbeit der Frau frei. In der alten Haus-, Handwerker- und Bauernwirtschaft waren Mann und Frau nebeneinander beschäftigt“. (Wendt, 1995 : 166).
„Die Rationalisierung der Wirtschaft verlangte nach einem neuen Typ von Mensch, geschaffen für die neue Art der Arbeit und des Produktionsprozesses“. (Grossmann in Schaeffer-Hegel, 1984 : 45)
[18] Vgl. dazu Fußnote Nr.8 nach Rosemarie Nave-Herz
[19] Frauen brachen aus der häuslichen Isolation aus wurden abhängig vom Arbeitsmarkt. Ende des 19. Jahrhunderts waren sie allerdings noch nicht wahlberechtigt. Somit besaßen Frauen keine Möglichkeit in öffentlichen Berufen zu wirken. Fürsorgeberufe waren bis dato Männerberufe. Erst durch diverse Organisationen, die der gemäßigten Frauenbewegung angehörten, wurde es für Frauen möglich in der Sozialarbeit zu wirken. Im Januar 1901 befürwortete der preußische Städtetag die Mitwirkung von Frauen in der Armenpflege (vgl. Zeller, 1994 : 19)
[20] Vgl. Stefan Hirschauer in Eifert, 1996 : 240 ff.
[21] Gemüt = Gesundheitszustand. Viele Frauen litten z. B. an Unterleibsschmerzen, die Ausdruck der beengten Lebensführung waren. (vgl. Dohm, 1872)
[22] Zur Vergesellschaftung der Frau zur Mutter: „Eine der Vorraussetzungen für die Domestizierung der Frauen zu Müttern seit Ende des 18. Jahrhunderts war die Enteignung von ihren Produktionsmitteln, von ihren Lebensmitteln und von ihrem Wissen sowie ihre Enteignung von der Verfügungsgewalt über ihren Körper. Insoweit weibliche Produktivität, wie z.B. die Gebärfähigkeit, nicht technisch ersetzt werden konnte, wurde sie der Kontrolle des Staates unterworfen und damit unfrei“. (Schmidt-Waldherr in Schaeffer-Hegel, 1984 : 21)
[23] „1896 bestanden zwar die ersten sechs Abiturientinnen in Berlin als Externe die Reifeprüfung, ein anschließendes Studium mit Abschlussexamen war jedoch nur im Ausland möglich“ (Nave-Herz 1997 : 32)
[24] Die Zulassung von Frauen als Gasthörer war von der Erlaubnis des jeweiligen Dozenten und von der Genehmigung des Unterrichtsministers abhängig (Nave-Herz, 1997 : 32)
[25] Deutschland am 28.02.1900: Mathilde Wagner wird zum Studium der Medizin an der renommierten Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg im Breisgau zugelassen. Quelle: http://www.freiburg-kultour.com. Vgl. additional: Beck-Gernsheim, 1988 : 37.
[26] Quelle: http://www2.uni-uenchen.de/frauenbeauftragte/content/literatur/archiv/archiv15.htm
[27] „Alle Frauen, also die Großbürgerinnen, Arbeiterinnen und Dienstbotinnen wurden Anfang dieses Jahrhunderts gesellschaftlich als potentielle Mütter bzw. als De-facto-Mütter bestimmt“. (Schmidt-Waldherr in Schaeffer-Hegel, 1984 : 22)
[28] „Die bürgerlich-patriarchale Gesellschaft entdeckte Mütterlichkeit als Verhaltensnormierung für Frauen und setzte sie im Laufe der Geschichte als sozialen Hebel zur Ausgrenzung von Frauen aus den Lebens- und Erwerbssphären von Männern durch. Die Nationalsozialisten knüpften an dieses Erbe an und erweiterten den bürgerlichen antifeministischen „Naturmythos von der Frau“ um die NS-Art- und Rassenideologie zum NS-Art und Rassenmythos der Frau als Mutter und Hausfrau“. (Schmidt-Waldherr in Schaeffer-Hegel, l984 : 10)
[29] Frauengetto: Begriff nach Helge Pross der einen Arbeitsplatz beschreibt an welchem nur Frauen arbeiten, z.B. Großwäschereien oder Nähereien. (Pross, 1981 :12)
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.