Ziel dieser Arbeit ist es, auf betriebswirtschaftlicher Ebene eine systematische Übersicht der Ursachen und Motive für die Entstehung von Sonderwerbeformen zu erarbeiten und die bisherigen Forschungsergebnisse in diesem Bereich dahingehend zu überprüfen, ob die zur Verfügung gestellten Beurteilungskriterien bereits eine ausreichende Grundlage für unternehmerische Entscheidungen darstellen. Die bereits angeführte Tendenz bisher erprobter Formen der Evaluation, sich fast ausschließlich nach den wirtschaftlichen Gegebenheiten und Notwendigkeiten der jeweiligen Auftraggeber auszurichten erschwert hierbei die Filterung tatsächlich praxistauglicher Erkenntnisse im Sinne wissenschaftlicher Forschung aus den bestehenden Werbewirkungsstudien. Die Beurteilungskriterien, die den Unternehmen an die Hand gegeben werden, stellen dabei in keinem Fall Patentrezepte oder eine Anleitung für die optimale Implementierung von Sonderwerbeformen in den Media-Mix dar. Die Vielfalt und Individualität der Werbeziele und Produkte, die kommuniziert werden, machen allgemeine, seriöse Aussagen über den richtigen Einsatz der neuen Formate im Rahmen einer Werbekampagne unmöglich. Diese Arbeit konzentriert sich folglich auf die Evaluation der Effektivität von Sonderwerbeformen, in dem die Validität und Reliabilität der überwiegend positiven Ergebnisse analysiert wird, so wie auf eine Evaluation der Effizienz der alternativen Formate durch eine Quantifizierung der Beurteilungskriterien. Eine Gewichtung dieser Beurteilungskriterien kann nur im Rahmen der jeweiligen Kampagnenplanung stattfinden, um die Entscheidung über den Einsatz von Sonderwerbeformen nicht allein dem Bauchgefühl zu überlassen. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf folgende Themenkomplexe: Zu Anfang wird der Forschungsstand und damit die Grundlagen dieser Arbeit mit Hilfe kommunikationswissenschaftlicher Erkenntnisse betrachtet, um die Zielrichtungen dieser Arbeit herauszustellen. Daraufhin werden der Nutzen der Sonderwerbeformen für die Unternehmen aufgezeigt und die Entstehung von Sonderwerbeformen syste- matisiert, um damit gleichzeitig einen Gesamtüberblick über den Werbemarkt hinsicht- lich der neuen Formate zu liefern. Danach werden die Erkenntnismöglichkeiten und - grenzen der bisherigen Forschung und damit auch dieser Arbeit in drei Stufen einge- grenzt. [...]
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise der Untersuchung
1.3 Abgrenzung von Werbung und Sonderwerbeformen
2 Wissenschaftliche Grundlagen und Ausrichtung
2.1 Informationsgrundlage
2.2 Die Erkenntnisstagnation der Werbewirkungsforschung
2.3 Grundlagen kommerzieller Wirkungsforschung
2.4 Betriebswirtschaftliche Ausrichtung
3 Ziele für den Einsatz von Sonderwerbeformen
4 Entwicklung der Sonderwerbeformen
4.1 Ursachen und Motive für Sonderwerbeformen
4.1.1 Die wirtschaftliche Komponente
4.1.1.1 Wirtschaftskrise
4.1.1.2 Stakeholderprinzip
4.1.2 Die gesellschaftliche Komponente
4.1.2.1 Informationsüberlastung
4.1.2.2 Zapping
4.1.2.3 Zielgruppenspezialisierung
4.1.3 Die technische Komponente
4.1.3.1 Fortschritte der Bildbearbeitung
4.1.3.2 Digitalisierung
4.1.4 Die werberechtliche Komponente
4.1.4.1 Vierte Novellierung des RStV
4.1.4.2 Werberechtliche Restriktionen
4.2 Werberechtliche Umstrukturierungen
4.3 Entwicklung im internationalen Vergleich
5 Einfluss der großen TV-Vermarkter
5.1 Wirtschaftliche Relevanz der Sonderwerbeformen
5.2 Die neue Angebots-Systematik für Sonderwerbeformen
5.3 Einführung von Preiskategorien für Sonderwerbeformen
5.4 Einfluss auf die Meinungsbildung zu Sonderwerbeformen
6 Grundlagen des Methodenarsenals
6.1 Modellabgrenzung in bezug auf Sonderwerbeformen
6.2 Das Stimulus-Response-Modell
6.3 Erkenntnisgrenzen durch die wissenschaftlichen Grundlagen
7 Beurteilungskriterien für Sonderwerbeformen
7.1 Abgrenzung methodischer Grundlagen
7.1.1 Interne und externe Validität
7.1.2 Reliabilität
7.2 Abgrenzung der TV-Vermarkter-Studien
7.3 Evaluation der Beurteilungskriterien
7.3.1 Reichweite
7.3.2 Aktivierung und Aufmerksamkeit
7.3.3 Erinnerung
7.3.4 Detailerinnerung
7.3.5 Bewertung und Akzeptanz
7.3.6 Brutto Return on Investment
7.3.7 Imagetransfer
7.4 Ergebnis
7.4.1 Reliabilität und Validität
7.4.2 Die Beurteilungskriterien als Entscheidungsgrundlage
8 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Treiber der Sonderwerbeformen (Eigene Grafik)
Abbildung 2: Kreislauf der Werbewirtschaft (Vgl. IP Deutschland (2005) S. 17)
Abbildung 3: Entwicklung der Fernsehwerbung 2000-2015 (King (2005) S. 24)
Abbildung 4: Wachstumsraten der TV-Werbung 2005-2007 (Pawlenka (2005) S. 26).29 Abbildung 5: Anteile der Netto-Umsätze am Werbefernsehen 2004 (Vgl. ZAW (2005) S. 280)
Abbildung 6: Komponenten der Wirkungskette (Vgl. Moser (2002) S. 467)
Abbildung 7: Das Stimulus-Response-Modell (Vgl. Merten (1994) S. 295)
Abbildung 8: Ad Trend Special 5: Sponsoring und Splitscreen (Sponsoring und Splitscreen (2005) S. 27)
Abbildung 9: Zapping-Studien im Überblick (Schenk; Ottler (2005) S. 120)
Abbildung 10: Konstanter Reichweitenverlauf nach Blocklänge (Vgl. initiative (2004) S. 3)
Abbildung 11: Blickverlaufsmessungen bei Splitscreens (Werbewirkung Preminder (2004) S. 3)
Abbildung 12: Werbewirkungsunterschiede in verschiedenen Studien (eigene Grafik).56 Abbildung 13: Ungestützte Erinnerungsleistungen (Vgl. Blue Ads 2 (2005) S. 10) 57 Abbildung 14: Bewertung der alternativen Werbeformen (Vgl. Blue Ads 2 (2005) S. 16)
Abbildung 15: Profil der Werbeformen (Vgl. Blue Ads 2 (2005) S. 19)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Komponenten zur Entstehung von Sonderwerbeformen (eigene Tabelle)
Tabelle 2: Beurteilungskriterien der Einzelfallstudien (eigene Tabelle)
Tabelle 3: TV-Vermarkter-Studien zu Sonderwerbeformen (eigene Tabelle)
Tabelle 4: Abgrenzung der TV-Vermarkter-Studien (eigene Tabelle)
Tabelle 5: Auswertungsmöglichkeiten von Sonderwerbeformen (Vgl. Hegner (2005b) S. 50)
Tabelle 6: Ergebnisse im Vergleich zur klassischen Werbung (eigene Tabelle)
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Die Werbewirkung klassischer TV-Spots wird von den Unternehmen1 immer mehr in Frage gestellt. Das hat vor allem zwei Gründe: Auf der einen Seite lassen Informati- onsüberlastung und Reaktanzerscheinungen bei den Rezipienten an der Effektivität klassischer Werbung zweifeln. Auf der anderen Seite verlangen gekürzte Budgets in den Marketingkommunikationsabteilungen höhere Effizienz bei der Auswahl von Kommunikationsmaßnahmen.
Die Werbewirtschaft versucht über Formvarianten die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit von Fernsehwerbung zu optimieren. Die Entwicklungen im Werbemarkt zeigen dabei die steigende Bedeutung einer integrativen Methode, bei der eine formale und inhaltliche Anbindung der Botschaften an die akzeptanzstärkeren redaktionellen Berichterstattungen stattfindet. (Vgl. Werner (1992) S. 3)
Bei diesen neuen Formaten handelt es sich um Sonderwerbeformen. Seit 1999 ist die Anzahl der ausgestrahlten alternativen Formate um 16 % auf 182.501 Schaltungen und die Werbeinvestitionen in diesem Bereich um 23 % auf fast 420 Millionen € gestiegen. (Vgl. TV-Special Ads (2006) S. 12) Die Sonderwerbeformen kreieren nicht aus sich heraus Werbewirkung, sondern versuchen sich durch die gezielte Nutzung von Platzierungs- und Gestaltungskriterien besser an das Mediennutzungsverhalten der Rezipienten anzupassen und so die Werbewirkung zu verstärken.
Die Werbung allgemein hat aber seit jeher das Problem, dass Werbewirksamkeit zwar stattfindet, jedoch in den meisten Fällen nicht valide und reliabel gemessen werden kann. Hier ist die wissenschaftliche Werbewirkungsforschung noch zu sehr mit ihrer Selbstfindung beschäftigt, als dass Sie zufrieden stellende Ergebnisse für die Wirk- samkeit des Einsatzes von Sonderwerbeformen liefern kann. Die wichtigsten Anhalts- punkte für diesen Themenbereich finden sich daher in der praxisorientierten Werbe- wirkungsforschung, die aber kritisch reflektiert werden muss, da sie in der Regel auf ökonomischen Verwertungsinteressen und nicht auf wissenschaftlichen Forschungsin- teressen basiert.
1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise der Untersuchung
Ziel dieser Arbeit ist es, auf betriebswirtschaftlicher Ebene eine systematische Übersicht der Ursachen und Motive für die Entstehung von Sonderwerbeformen zu erarbeiten und die bisherigen Forschungsergebnisse in diesem Bereich dahingehend zu ü- berprüfen, ob die zur Verfügung gestellten Beurteilungskriterien bereits eine ausreichende Grundlage für unternehmerische Entscheidungen darstellen.
Die bereits angeführte Tendenz bisher erprobter Formen der Evaluation, sich fast aus- schließlich nach den wirtschaftlichen Gegebenheiten und Notwendigkeiten der jeweili- gen Auftraggeber auszurichten erschwert hierbei die Filterung tatsächlich praxistaugli- cher Erkenntnisse im Sinne wissenschaftlicher Forschung aus den bestehenden Wer- bewirkungsstudien.
Die Beurteilungskriterien, die den Unternehmen an die Hand gegeben werden, stellen dabei in keinem Fall Patentrezepte oder eine Anleitung für die optimale Implementie- rung von Sonderwerbeformen in den Media-Mix dar. Die Vielfalt und Individualität der Werbeziele und Produkte, die kommuniziert werden, machen allgemeine, seriöse Aus- sagen über den richtigen Einsatz der neuen Formate im Rahmen einer Werbekam- pagne unmöglich. Diese Arbeit konzentriert sich folglich auf die Evaluation der Effekti- vität von Sonderwerbeformen, in dem die Validität und Reliabilität der überwiegend positiven Ergebnisse analysiert wird, so wie auf eine Evaluation der Effizienz der alter- nativen Formate durch eine Quantifizierung der Beurteilungskriterien. Eine Gewichtung dieser Beurteilungskriterien kann nur im Rahmen der jeweiligen Kampagnenplanung stattfinden, um die Entscheidung über den Einsatz von Sonderwerbeformen nicht al- lein dem Bauchgefühl zu überlassen.
Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf folgende Themenkomplexe:
Zu Anfang wird der Forschungsstand und damit die Grundlagen dieser Arbeit mit Hilfe kommunikationswissenschaftlicher Erkenntnisse betrachtet, um die Zielrichtungen dieser Arbeit herauszustellen. Daraufhin werden der Nutzen der Sonderwerbeformen für die Unternehmen aufgezeigt und die Entstehung von Sonderwerbeformen syste- matisiert, um damit gleichzeitig einen Gesamtüberblick über den Werbemarkt hinsicht- lich der neuen Formate zu liefern. Danach werden die Erkenntnismöglichkeiten und - grenzen der bisherigen Forschung und damit auch dieser Arbeit in drei Stufen einge- grenzt. Zunächst wird die Rolle der TV-Vermarkter und ihr Einfluss auf die Meinungs- bildung zum Thema Sonderwerbeformen dargestellt, da sie unter anderem Herausgeber der behandelten Studien sind. Daraufhin werden die wissenschaftlichen Grundlagen der praxisorientierten Werbewirkungsforschung und die oft nicht wissenschaftliche Implementierung der Methoden kritisch reflektiert, um schließlich den Erkenntnisgehalt der vorgegebenen Beurteilungskriterien evaluieren zu können.
Dabei verweist die Arbeit in den Grundlagen und der Entwicklung von Sonderwerbe- formen vorrangig auf wissenschaftliche Beiträge zur Werbewirkungsforschung im All- gemeinen und Sonderwerbeformen im Besonderen. Die Evaluation hingegen basiert aufgrund mangelnder Alternativen zum Großteil auf kommerziellen Studien und Bei- trägen in Fachzeitschriften der Kommunikationsbranche. Um einzelne Lücken des bisherigen Forschungsstands im Kontext dieser Arbeit zu schließen, wurden außer- dem Experteninterviews mit Entscheidungsträgern verschiedener Bereiche der Marke- tingkommunikation durchgeführt.
Um die komplexe Thematik im verkürzten Rahmen einer Diplomarbeit nachvollziehen zu können, sind vorhandene Grundkenntnisse aus dem Bereich Werbung und über das Mediensystem im Allgemeinen notwendige Voraussetzung. Diese Vorbedingung macht auch deshalb Sinn, weil es sich bei Interessenten zum Thema Sonderwerbe- formen auf Unternehmensseite in der Regel um Werbekundige handelt, welche durch die ausführliche Ausarbeitung von Selbstverständlichkeiten keinen Wissenszuwachs erfahren würden.
1.3 Abgrenzung von Werbung und Sonderwerbeformen
„(Fernseh-)Werbung ist der absichtliche Versuch der Beeinflussung durch systematische und strategische Anwendung von Gestaltungstechniken“
(Brosius; Fahr (1996) S.12)
Um dem Fokus auf Sonderwerbeformen gerecht zu werden eignet sich diese Definition des Begriffs Werbung von Brosius & Fahr am besten, da es sich bei den im Rahmen dieser Arbeit behandelten Sonderwerbeformen um eine formale Gestaltungstechnik handelt, die sich im Grunde nur durch ihre optische Gestaltung und Platzierung von klassischen TV-Spots unterscheidet.
Unter den Begriff Sonderwerbeformen im Fernsehen fallen alle Formen der werbe- und marketingtechnischen Zusammenarbeit zwischen einer Fernsehanstalt und einem
Unternehmen mit Ausnahme der klassischen TV-Spots. (Vgl. Spitzer (1996) S. 1) In der Literatur und Praxis werden auch häufig die Begriffe „SoWeFo´s“, „Special Ads“ oder „Blue Ads“ verwendet.
Im Fokus dieser Arbeit stehen weniger die Formate selbst, als ihre Entwicklung und die Beurteilungskriterien von Sonderwerbeformen durch die exklusive Platzierung und die nähere Anbindung zum Programm.
Bei der Untersuchung der Entwicklungen werden Sonderwerbeformen allgemein be- trachtet. Um in der Evaluation die Wirkungseffekte aber den Platzierungs- und Gestal- tungskriterien zurechnen zu können, müssen die Sonderwerbeformen analysiert wer- den, die sich nur durch solche Kriterien von den klassischen Spots unterscheiden. Das heißt die Arbeit beleuchtet nur solche Sonderwerbeformen, in denen der identische 30-Sekünder wie im klassischen Spot ausgestrahlt wird und die nicht eigens für das jeweilige Format produziert worden sind. Dabei handelt es sich um Splitscreenvarian- ten im mittelbaren und unmittelbaren Programmumfeld mit und ohne redaktionelle Bei- träge im Splitscreenrahmen sowie um Single Spots, also einen einzeln geschalteten klassischen Spot im Fullscreen.
Diese Werbeformen stehen auch im Vordergrund der meisten Studien, die sich auf die für Deutschland „neueren“ Sonderwerbeformen konzentrieren, welche auf Grund der rechtlichen Rahmenbedingungen erst durch die vierte Novellierung des Rundfunkstaatsvertrag am 1. April 2000 zugelassen wurden und daher weniger erforscht sind als „ältere“ Sonderwerbeformen wie Sponsoring oder Product Placement.
Werbeformen wie das „Branded Entertainment“, „Telepromotions“, „Promostories“ o- der „Crawls“ werden in den veröffentlichten Studien kaum behandelt, da sie regelmä- ßig zu speziell auf den jeweiligen Kunden hin zugeschnitten werden, als dass allge- meingültige Aussagen über die Formate im Vergleich zu klassischen Spots getroffen werden könnten.
Diese Einschränkung ist neben Vergleichbarkeitsgründen auch nötig, um den Umfang der Arbeit im Rahmen zu halten und damit ein Eingehen in Details zu gewährleisten. Außerdem erlaubt diese Abgrenzung aufgrund des relativ kurzen Zeitraums von knapp 6 Jahren seit Einführung der neuen Formate präzisere Aussagen über die Flexibilität und Schnelligkeit der wissenschaftlichen und praxisorientierten Forschung zu treffen.
2 Wissenschaftliche Grundlagen und Ausrichtung
2.1 Informationsgrundlage
Seit im April 2000 durch die vierte Novellierung des Rundfunkstaatsvertrags eine Rei- he neuer Sonderwerbeformen zugelassen wurde, waren es bisher nur die Juristen
(siehe Meyer-Harport (2000); Petersen (2002); Friedrichsen; Wysterski (2004); Flem- ming (2005)), die sich auf wissenschaftlicher Basis hinreichend mit diesem Thema beschäftigt haben. Im Bereich der Werbewirkungsforschung hat Angermann (2005) in seinem Buch Special Ads - je mehr desto besser? die einzige rein wissenschaftliche Studie zu den neuen Sonderwerbeformen veröffentlicht. Hierbei versucht er, die Effek- tivität eines vermehrten Einsatzes von Sonderwerbeformen anhand von Messungen der Werbewirkung zu überprüfen. Weiterhin erwähnenswert ist in diesem Zusammen- hang außerdem eine Aufsatzsammlung von Friedrichsen und Friedrichsen (2004), die sich in ihrem Buch Fernsehwerbung - Quo Vadis? mit der Entwicklung der Werbewelt im Allgemeinen und damit auch Sonderwerbeformen auseinandersetzen.
Außerhalb des wissenschaftlichen Bereichs sind es vor allem die Fachzeitschriften, Vorträge auf Kongressen und kommerzielle Werbewirkungsstudien, die sich näher mit den neuen Formaten auseinandersetzen. Die Fachzeitschriften behandeln das Gebiet der Sonderwerbeformen im Fernsehen zwar regelmäßig, weisen aber kaum wissen- schaftlich fundierten Tiefgang auf, da sie sich auf durchschnittlich zwei Seiten nur sehr allgemein mit dem Thema beschäftigen. Dadurch kommt es oft zu zahlreichen Redun- danzen in den Artikeln und selten zu einem Einblick ins Detail oder einer kritischen Reflexion der Erkenntnisse. Eine weitere Quelle stellt eine Reihe von Präsentations- charts dar, die Vorträgen von verschiedenen Kongressen im Medienbereich entstam- men und in der Regel auf den Veranstaltungshomepages frei zugänglich herunterge- laden werden können. Bei allen weiteren veröffentlichten Ausarbeitungen zu diesem Gebiet handelt es sich um Auftragsstudien zur Wirksamkeit von Sonderwerbeformen, die von den großen Vermarktungsunternehmen SevenOne Media und IP Deutschland herausgegeben werden. Sie entstammen einer praxisorientierten Forschung und sind vorwiegend aus ökonomischer Motivation heraus entstanden, ohne eine besondere wissenschaftliche Fertigungstiefe aufzuweisen. Die Studien sind zudem sehr auf ihr jeweiliges Teilgebiet beschränkt (Fallstudien) und lassen einen ganzheitlichen Über- blick auf das Thema Sonderwerbeformen, sowie eine kritische Reflexion der Erkennt- nisse regelmäßig vermissen.
2.2 Die Erkenntnisstagnation der Werbewirkungsforschung
Der niedrige Forschungsgrad beschränkt sich allerdings nicht nur auf Sonderwerbeformen. Brosius und Fahr schreiben, dass sich „die deutschsprachige Publizistik- und Kommunikationswissenschaft […] schwer mit dem Thema ´Werbung´ im allgemeinen und ´Werbewirkung´ im besonderen“ tut. (ebenda (1996) S. 11)
Bongards (2002) hat sich in seinem Buch Werbewirkungsforschung intensiv mit dem aktuellen Stand der Werbewirkungsforschung auseinandergesetzt. Seine Erkenntnisse sollen an dieser Stelle herangezogen werden, um den aktuellen Forschungsgrad in bezug auf Sonderwerbeformen kritisch zu reflektieren. Bongards zeigt zwei grundle- gende Probleme auf, die die Werbewirkungsforschung an ihrer Entwicklung behindern.
Auf der einen Seite leidet die Werbewirkungsforschung an allgemeinen Akzeptanzproblemen. Speziell in Deutschland wird der Werbung wegen ihrer offensichtlichen Beeinflussungsabsicht oft nur mit moralischem Widerstand begegnet. Sowohl von Seiten der Gesellschaft, als auch von Seiten der Wissenschaft wird ihr viel Kritik entgegengebracht, was nach Haase „eine akademische Etablierung der Werbewirkungsforschung wesentlich erschwert haben dürfte.“(Haase (1989) S. 218-219)
Auf der anderen Seite hinkt die Medienwirkungsforschung einer Werbepraxis hinterher, die in Anbetracht einer sich rasant entwickelnden Medienwelt, sowie einem sich immer wieder verändernden Mediennutzungsverhalten der Rezipienten, gezwungen ist, sich den dynamischen Gegebenheiten ständig neu anzupassen. Mit zunehmender wirtschaftlicher Bedeutung der Werbewirtschaft wuchs der Druck auf die Wirkungsforschung, einen Nachweis für die Effektivität von Werbung zu liefern. Allerdings trägt gerade eben diese Werbepraxis entscheidend dazu bei, dass die Werbewirkungsforschung sich in einem Zustand befindet, den Halff als „Erkenntnisstagnation“ umschreibt. (Vgl. Bongard (2002) S. 5 und vgl. Halff (1998) S. 246)
Nachdem die wissenschaftliche Werbewirkungsforschung für die Werbepraxis nur un- zureichende Erkenntnisse lieferte, hat sich in Deutschland eine kommerzielle Wir- kungsforschung gebildet, um diese Forschungslücke im Sinne der Werbetreibenden zu schließen. Die Aufklärungsarbeit dieser „sozialwissenschaftlichen Dienstleistungs- betriebe“ findet in der Regel aber weder im Eigeninteresse noch im wissenschaftlichen Forschungsinteresse statt. Vielmehr verfolgt sie die Verwertungsinteressen ihrer pri- vatwirtschaftlichen Auftraggeber und ist daher rein ökonomisch und nicht wissenschaftlich motiviert. (Vgl. Bongard (2002) S. 3)
Die Forschungspraxis orientiert sich an der medienfixierten Werbewirkungsforschung, der innerhalb der Wissenschaft ein rezipientenfixierter Ansatz gegenübersteht. Wäh- rend die medienfixierte Perspektive sich in Form des kausalen Wirkungsansatzes da- mit beschäftigt, was Werbung bewirkt, orientiert sich die rein rezipientenfixierte Per- spektive am funktionalen Nutzenansatz und ist somit daran interessiert, wie Werbung auf den Rezipienten wirkt. Die beiden Ansätze haben sich gegenseitig in eine Pattsitu- ation versetzt. (Vgl. Halff (1998) S. 9) Daraus hat sich innerhalb der Wissenschaft eine dritte, relationale Perspektive entwickelt, die versucht, durch integrative, transaktionale Modelle, den Wirkungsansatz und den Nutzenansatz miteinander zu verknüpfen und so die Werbewirkungsforschung aus ihrer Erkenntnisstagnation zu befreien. (Vgl. Halff (1998) S. 77ff. i.V.m. S. 196)
Doch die relationalen Modelle scheitern an der empirischen Überprüfbarkeit. (Vgl. Halff (1998) S. 219) Ob sich der auf Popper basierende kritische Rationalismus, der die empirische Überprüfbarkeit für die Gültigkeit eines Modells verlangt, noch als Grundla- ge der wissenschaftlichen Medienwirkungsforschung eignet, wie es Halff in Frage stellt, (Vgl. ebenda (1998) S. 246) bleibt aber vorerst eine Diskussion innerhalb der Wissenschaft.
Die empirische Überprüfbarkeit ist bislang aus Sicht der Werbepraxis unabdingbar, um eine Verwertbarkeit der Ergebnisse zu garantieren. Theoretisch anspruchsvolle Konzepte scheitern somit an einer pragmatischen Implementierung in eine praxisorientierte Wirkungsforschung. (Vgl. Bongard (2002) S. 1)
Der Grund für den niedrigen Forschungsgrad in bezug auf Sonderwerbeformen ist somit auf die Erkenntnisstagnation innerhalb der Werbewirkungsforschung zurückzu- führen.
2.3 Grundlagen kommerzieller Wirkungsforschung
Die Fokussierung der Studien auf das Verwertungsinteresse der Unternehmen grenzt die kommerzielle Werbewirkungsforschung in ihrem methodischen Vorgehen drastisch ein. Sie ist in ihrer Ausrichtung an die kontrollierbaren Input-Variablen der Werbetrei- benden gebunden.
Der beobachtbare Input wird dabei als unabhängige Variable und die beobachtbare Reaktion auf Seiten der Rezipienten als abhängige Variable des Kommunikationsprozesses genommen. Daraus lassen sich wiederum nur monokausale oder maximal kausale Ursache-Wirkungs-Beziehungen feststellen, die auf einem linearen Kommunikationsverständnis basieren. (Vgl. Bongard (2002) S. 2-3; 47-48)
Dieses vereinfachte Modellverständnis wurde spätestens durch die relationalen Ansät- ze widerlegt. Kritikpunkte liegen in der Vorstellung, dass immer eine bewusste Auf- merksamkeit seitens der Rezipienten vorhanden sein muss. Unbewusste Aktivierung und Emotionalisierung kann die Informationsaufnahme aber auch beeinflussen. Der Hauptkritikpunkt liegt allerdings in der Annahme, dass Werbekommunikation auf alle Menschen gleich wirkt, was eine völlige Missachtung von persönlichen Determinanten der Rezipienten bedeutet. (Vgl. Friedrichsen; Friedrichsen (2004) S. 17) Um dem ent- gegenzuwirken wird in der medienfixierten Wirkungsforschung zwar teilweise geprüft, ob intervenierende Variablen Einfluss auf das Ergebnis haben könnten, was der Kom- plexität von Kommunikation jedoch bei weitem nicht Rechnung trägt.
Die Kritik an der kommerziellen Marktforschung liegt jedoch nicht nur darin, dass die Grundannahmen dieser klassischen Forschung widerlegt worden sind, sondern dass auch ihre Wissenschaftlichkeit selbst in Frage gestellt werden kann. Die Aufklärungs- arbeiten bedienen sich zwar wissenschaftlicher Methoden, „ohne dass jedoch eine solche Forschung als Wissenschaft zu bezeichnen wäre.“(Bongard (2002) S. 2-3; 48) Es kommt erschwerend hinzu, dass vermutlich mehr als 90 Prozent der Werbewir- kungs-Studien Auftragsforschungen privatwirtschaftlicher Unternehmen sind, die nie veröffentlicht werden und somit nicht zum Erkenntnisstand der allgemeinen, wissen- schaftlichen Wirkungsforschung beitragen. (Vgl. Haase (1989) S. 217)
Die Kritik an der gegenwärtigen Forschungspraxis soll diese aber nicht pauschal schlecht reden, trägt sie doch durch Ihre Zweckgerichtetheit entscheidend zum Er- kenntnisstand der Werbewirtschaft bei und ist somit von einer hohen wirtschaftlichen Relevanz sowohl für Unternehmen als auch das Mediensystem. Vielmehr soll der Le- ser für die grundlegenden Voraussetzungen kommerzieller Marktforschung sensibili- siert werden, auf die in dieser Ausarbeitung zurückgegriffen wird. (Bongard (2002) S. 5)
2.4 Betriebswirtschaftliche Ausrichtung
Diese Arbeit beleuchtet Sonderwerbeformen aus einer betriebswirtschaftlichen Per- spektive heraus, deren allgemeines Ziel darin besteht, der wirtschaftlichen Praxis an- wendbares Wissen und anwendbare Methoden bereitzustellen. (Vgl. Bongard (2002) S. 45) Daher sollen, durch Betrachtung des aktuellen Forschungsstands, Möglichkei- ten herausgestellt werden, die Entscheidung über den Einsatz von Sonderwerbefor- men nicht allein dem auf Gutdünken, Common Sense, tradierten Erfahrungen oder auf bloßer Spekulation basierendem Bauchgefühl zu überlassen. (Vgl. Bongard (2002)S. 2)
In diesem Zusammenhang ist die kommerzielle Werbewirkungsforschung besonders geeignet, weil sie sich genau dies zum Ziel gesetzt hat. Sie dient der marketingstrategischen Analyse, die einen sinnvollen Einsatz von Sonderwerbeformen im Kommunikationsmix zu prüfen versucht. (Vgl. Gleich (2005) S. 33-35)
Außerdem wäre eine Evaluation über den Einsatz von Sonderwerbeformen ohne Fo- kussierung auf die kommerzielle Werbewirkungsforschung gar nicht möglich, da sie mit Ausnahme von Angermanns Ausarbeitung, die Einzige ist, die sich bisher mit den neuen Formaten überhaupt auseinandergesetzt hat.2 Deshalb kann schon allein auf- grund fehlender Alternativen diese Arbeit im Folgenden nicht dem Plädoyer Bongards für eine kommunikationswissenschaftliche Perspektive der Werbewirkungsforschung Folge leisten. (Vgl. Bongards (2002) S. 62-64) Die Erkenntnisse können nur mit Hilfe kommunikationswissenschaftlicher Erkenntnisse kritisch hinterfragt werden.
3 Ziele für den Einsatz von Sonderwerbeformen
Ziel der Unternehmen ist es mit dem Einsatz von Sonderwerbeformen die Effektivität der Kommunikationsmaßnahmen und somit auch die Effizienz der Werbeinvestitionen zu erhöhen. Die neuen Formate sollen, wie es bei der Einführung der Unterbrecher- werbung der Fall war, die Kontaktrate erhöhen und die Werbewirkung weiter steigern.
Bei Sonderwerbeformen handelt es sich um ein reines Platzierungs- und Gestaltungskriterium, das unabhängig von der Kreation betrachtet werden muss, um der Vergleichbarkeit mit klassischer Werbung Rechnung zu tragen. Sonderwerbeformen sind somit nur als ein Mittel anzusehen, Werbewirkung zu verstärken und nicht als Selbstzweck, Werbewirkung zu kreieren. Natürlich kann ein Splitscreen-Rahmen allein keinen Rezipienten zum Kauf eines Produktes bewegen.
Sonderwerbeformen zeichnen sich alle durch eine exklusive Platzierung und eine nähere Bindung bis hin zur Integration in das Programm aus. Die neuen Formate sind also nicht an die starren Strukturen in Form von Werbeblöcken zwischen Programmteilen gebunden. Sie können dadurch grundsätzliche Probleme klassischer Werbung aufheben. (Vgl. Gleich (2005) S. 34)
Durch die Alleinstellung soll sich das Unternehmen in der Informationsflut von der Konkurrenz abgrenzen. Die stärkere Integration in den Programmfluss soll dabei neben Kontext-Effekten schnell und effektiv hohe Netto-Reichweiten mit hohen Aufmerksamkeitswerten garantieren. Dies soll zu einer erheblichen Steigerung der Erinnerungsleistung führen. Außerdem argumentieren TV-Vermarkter mit einer höheren Akzeptanz für die alternativen Formate seitens der Rezipienten, weil die Neuartigkeit der Formate Wirkungsvorteile mit sich bringen soll. Allerdings sind diese Werbeformen häufig mit höheren Kosten verbunden. (Vgl. Gleich (2005) S. 34)
Zentrales Kriterium für den Einsatz von Sonderwerbeformen ist die Auswahl von zielgruppenaffinen Umfeldern. (Vgl. Malgara in Eschenbach (2002) S. 30) Je nach Zielgruppe und Budget können in der Intramediaselektion die neuen Formate in reich- weitenstarken Programmen der großen Sender oder bei kleineren Spartensendern geschaltet werden.
4 Entwicklung der Sonderwerbeformen
Bereits Anfang der 80er Jahre, noch vor Einführung der privaten Sender, wurden die ersten Formatvariationen im ZDF getestet. Pionier der ersten Sonderwerbeformen, wie der deutschen Fernsehwerbung insgesamt,3 war der Konzern Procter & Gamble, der damals einen vollen Werbeblock buchte und erstmalig einen Verlosungswettbewerb mit redaktionellem Charakter ausstrahlen ließ. (Interview: Reuff (2006)) In der weiteren Entwicklung der Sonderwerbeformen hat mit dem Sportbereich kein Hersteller, son- dern die Werbung innerhalb einer speziellen Programmsparte die Vorreiterrolle über- nommen. Im Sport wurden die ersten werblichen Logopräsentationen im laufenden Programm in Form von Trikot- und Bandenwerbung eingeblendet und die Einführung des Programmsponsorings Anfang der 90er Jahre ist in ihrem Ursprung auf das Sport- sponsoring zurückzuführen. (Vgl. Brosius; Fahr (1996) S. 137-139) Auch der Split- screen und die virtuelle Werbung nahmen im Rahmen von Sportberichtübertragungen (Boxen und Fußball) ihren Anfang. (Vgl. Petersen (2002) S. 33-36 und vgl. Friedrich- sen; Wysterski (2004) S. 240)
Die besondere Bedeutung der Sportberichterstattung für Sonderwerbeformen erklärt Petersen durch das hohe Involvement, das Zuschauer diesen Sendungen entgegen- bringen und den vielen Möglichkeiten, die sich der Werbung gerade bei Sportveran- staltungen bieten. (Vgl. ebenda (2002) S. 21) Zum Beispiel erreicht man mit vielen Sportberichterstattungen überdurchschnittlich hohe Einschaltquoten und es besteht eine optimale Planbarkeit der Kommunikationsmaßnahmen durch die langfristig fest- stehenden Termine. Vor allem aber ist davon auszugehen, dass die Platzierung von Werbemaßnahmen im unmittelbaren Umfeld der Sportberichterstattung (ohne Unter- brechung) vom Zuschauer stärker akzeptiert wird, da sie als wesensimmanenter Teil der Finanzierung des Sports angesehen wird und weniger als Finanzierungsinstrument der Sender.
Betrachtet man die Entwicklung der Fernsehwerbung bis hin zur Einführung von Son- derwerbeformen aus einer rein technischen Perspektive4, dann sind die neuen Forma- te eine logische Konsequenz in der Evolution von Platzierung und Länge der TV- Spots.
Der Ursprung der Fernsehwerbung liegt in der Scharnierwerbung. Hierbei handelt es sich um die klassische Form der Werbung, die zwischen verschiedenen Sendungen ausgestrahlt wird. Mittlerweile hat sich aber die Unterbrecherwerbung trotz des Schar- nierwerbegebots nach § 15 Abs. 2 S. 1 und 44 Abs. 2 S. 1 RStV. zur etabliertesten Form der Werbeblockplatzierung entwickelt.5 Die Sonderwerbeformen setzen den Trend hin zu einer näheren Anbindung an das redaktionelle Programm weiter fort.
(Vgl. Flemming (2005) S. 17-20)
Die Entwicklung der Länge der Spots passt ebenfalls in das Gesamtbild. Seit Ende der Fünfziger Jahre wurden die klassischen Spots nicht zuletzt aus preislichen Gründen auf ein Zehntel (zwischen 15 und 30 Sekunden) gekürzt. Einige Variationen der Son- derwerbeform haben gerade einmal eine Spotlänge von 5, 7 oder 10 Sekunden und passen somit perfekt zum Trend hin zu immer kürzeren Spots. (Vgl. Flemming (2005) S. 17)
4.1 Ursachen und Motive für Sonderwerbeformen
In einer Fundamentalanalyse sollen hier aber die Ursachen und Motive für die Entstehung von Sonderwerbeformen anhand der Zusammenhänge im Mediensystem systematisiert werden, die sich auf vier Komponenten zurückführen lassen:
- Wirtschaftliche Komponente
- Gesellschaftliche Komponente
- Technische Komponente
- Werberechtliche Komponente
Der aktuelle Forschungsstand lässt bislang einen ganzheitlichen Überblick der Entste- hung von Sonderformen vermissen. Diese Komponenten können aber aus den ver- schiedenen wissenschaftlichen Werken zu neuen Sonderwerbeformen abgeleitet wer- den:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Komponenten zur Entstehung von Sonderwerbeformen (eigene Tabelle).
Anhand der Seitenzahlen lässt sich bereits erkennen, dass die Entstehungsgründe der neuen Formate bislang vorwiegend nur im Bereich der Einleitung behandelt wurden. Dabei haben sich die Autoren nicht immer auf die Komponenten selbst, sondern häufig auf einzelne Treiber der Sonderwerbeformen innerhalb dieser Komponenten bezogen. Es fehlt bislang an einem Gesamtüberblick, der die Treiber für die Entwicklung der neuen Formate allesamt herausstellt und systematisiert. Es liegt natürlich nahe, dass es sich bei den Treibern um die Probleme der klassischen Werbung handeln muss. Diese Pauschalierung ist jedoch nur teilweise möglich, wie die folgende Übersicht zeigt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Treiber der Sonderwerbeformen (Eigene Grafik).
Die Treiber werden in diesem Kapitel als Ursachen und Motive für die Entwicklung von Sonderwerbeformen aufgezeigt. Dafür werden nicht nur die aussagekräftigsten Schlussfolgerungen der in Tabelle 1 genannten Autoren berücksichtigt. Es lassen sich auch weitere Erkenntnisse aus früheren Werken ableiten, die sich mit Werbung im
Allgemeinen oder den frühen Entwicklungen der Sonderwerbeformen wie Sponsoring oder Product Placement im Speziellen befassen.6
4.1.1 Die wirtschaftliche Komponente
4.1.1.1 Wirtschaftskrise
Nach Jahrzehnten stetigen Wachstums der Werbebranche, hat die schwache Kon- junktur der letzten fünf Jahre auch in den Werbebudgets zu massiven Einsparungen geführt. Die Werbeerlöse der Sender sind zwischen 2000 und 2003 um ein Fünftel zurückgegangen. Es hat sich seit 2004 zwar mit 1,3 % wieder ein kleines Werbe- wachstum im Fernsehsektor eingestellt, aber der deutsche Werbemarkt erholt sich nur langsam. (Vgl. ZAW (2005) S. 9-13; S. 280) Die Marketingbudgets sind nach wie vor stark zurückgeschraubt. Gleich sieht die Ursachen dafür in der Verzögerung des wirt- schaftlichen Aufschwungs und der Verunsicherung der Konsumenten, sowie der dar- aus resultierenden hohen Sparquote. (Vgl. ebenda (2005) S. 33-35)
Dieser Kostendruck ist speziell in der Mediaplanung zu spüren. Im Jahre 2004 wurden 29,22 Mrd. € in Deutschland für Werbung ausgegeben. (Vgl. ZAW (2005) S. 9-13) Nach Grauel lassen sich ca. zwei Drittel dieser Kosten auf Media-Ausgaben zurück- führen. Damit ist Media der mit Abstand größte Einzelposten im Marketing. (Vgl. Grau- el (2004) S. 10-11)
Auf den ersten Blick mag die Experimentierfreudigkeit mit neuen Werbeformen in Re- zessionszeiten verwundern. Doch gerade in Zeiten starker Rezession achten Unter- nehmen verstärkt auf eine höhere Effizienz ihrer eingesetzten Etats. (Vgl. Malgara in Brechtel (2002) S. 58 und vgl. Konrad in Eschenbach (2002) S. 30) Das wirkt sich ent- sprechend auf die Marketingkommunikationsabteilungen aus, die ihre bisherigen Wer- bemaßnahmen stärker hinterfragen. Die Wirtschaftlichkeit der Kosten-Wirkungsrelation von klassischer Fernsehwerbung wird immer mehr in Frage gestellt. (Vgl. Friedrichsen; Lindner (2004) S. 308)
Den Rückgang der Werbeeinnahmen spüren selbstverständlich auch die Agenturen und dies gefährdet wiederum die Finanzierung der Sender, da im Gegenzug die Li- zenz- und Produktionsgebühren immer weiter ansteigen. Die durchschnittlichen TKP´s7 der TV-Vermarkter sind zwischen 2001 und 2004 um über 12 % gesunken.
Die Situation ist für alle beteiligten Parteien unbefriedigend, was die Suche nach ei- nem Ausweg immer weiter vorantreibt, der in neuen Werbemöglichkeiten liegen könn- te. (Vgl. Friedrichsen; Friedrichsen (2004) S. 7) Die verstärkte Beachtung der Effizienz von Werbemaßnahmen wurde durch die Werbekrise wesentlich intensiviert und ist damit als Treiber der Sonderwerbeformen anzusehen. Doch wie stehen die Parteien im Verhältnis zueinander? Behindert oder fördert ihre Zusammenarbeit die Entwick- lung neuer Formate?
4.1.1.2 Stakeholderprinzip
„Innovation ist eine gemeinsame Verpflichtung für Kunden, Agenturen, Sender und Vermarkter.“
(Neuhauser in Hammer (2001) S. 9)
Die Einführung der Werbung im deutschen Fernsehen fand 1956 statt, als Unterneh- men erkannten, dass Fernsehen ein effektives Massenmedium zur Kommunikation werblicher Botschaften in Bild und Ton ist. Auf der anderen Seite benötigen die Sender das Werbefernsehen immer mehr für die Finanzierung des Programms. (Vgl. Flem- ming (2005) S. 17-20)
Mit der Einführung der Privatsender im Jahr 1984 und dem damit verbunden Wachs- tum an Sendern und der Programmvielfalt, wurden die Strukturen der Mediengesell- schaft immer dichter. Als Reaktion des Mediensystems entstanden Institutionen, wie Werbevermarkter, Media- und Werbeagenturen. (Vgl. Altmeppen (1996) S. 189-190)
Im Kreislauf der Werbewirtschaft (siehe Abbildung 2) ist eine gegenseitige Abhängig- keit der Unternehmen, der Sender und deren Dienstleister entstanden. Den daraus resultierenden gegenseitigen Nutzen nennt Beyer das Stakeholderkonzept. (Vgl. e- benda (2004) S. 19)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Kreislauf der Werbewirtschaft (Vgl. IP Deutschland (2005) S. 17).
Bei Betrachtung der verschiedenen Stakeholder im Kreislauf der Werbewirtschaft können verschiedene Perspektiven herausgestellt werden. Die Entscheidung über das Schalten von Sonderwerbeformen trifft jedoch das Unternehmen. Dabei orientiert sich das Unternehmen nach Friedrichsen und Lindner aber wiederum am Rezipienten. Sie stellen den Zuschauer als Mittelpunkt der Werbewirtschaft dar, an dem sich alle Stakeholder ausrichten müssen: Er ist gleichzeitig Zielgruppe des redaktionellen Programms der Sender, Währung der TV-Vermarkter in Form von Einschaltquoten gegenüber den Unternehmen und Zielgruppe dieser Unternehmen als potentieller Käufer von Waren der Unternehmen. (Vgl. ebenda (2004) S. 289)
Es liegt im Interesse aller Beteiligten mit den neuen Werbeformaten die Zielgruppe effektiver zu erreichen. Die immer stärkere Anbindung an das Programm in Form von Unterbrecherwerbung und Sonderwerbeformen soll die Kontaktrate erhöhen und die Werbewirkung steigern. (Vgl. Flemming (2005) S. 17-20) Die Mediaplanung ist somit zu einem Prozess geworden, der darauf ausgerichtet ist, sich immer weiter an das Mediennutzungsverhalten der Rezipienten anzupassen. (Vgl. Krapf in o.V. (2005) S. 90)
Das Stakeholderprinzip ist ein Treiber der Sonderwerbeformen, da hier alle Beteiligten an einem Strang ziehen und sich vielmehr gegenseitig unterstützen als zu behindern.
4.1.2 Die gesellschaftliche Komponente
4.1.2.1 Informationsüberlastung
Im Zeitalter der Informationsgesellschaft wird es immer schwieriger für die Unterneh- men, ihre Werbebotschaft erfolgreich über klassische TV-Spots zu kommunizieren. Das Werbevolumen wächst deutlich überproportional zur durchschnittlichen Sehdauer pro Tag.8 Das Überangebot der Medien zwingt zur Auswahl und damit gleichzeitig zum Verpassen. Die medienvermittelte Kommunikation schafft also Aufmerksamkeit und verbraucht sie zugleich, so dass diese zu einem knappen Gut wird. Aufmerksam- keit ist somit zur Währung des Mediensystems geworden. (Vgl. Schmidt; Zurstiege (2000), S. 84)
Die von Schmidt und Zurstiege dargestellte Informationsüberlastung wird unter anderem durch den ZAW in Form einer Messung des Werbespot-Aufkommens im Fernsehen in Kooperation mit Nielsen Media Research bestätigt. Seit 2004 wurden erstmals kumuliert mehr als doppelt so viele Werbeminuten im Fernsehen gebucht, als ein Jahr Minuten hat. (Vgl. ebenda (2005) S. 281)
Grauel verdeutlicht dieses Missverhältnis, in dem er aufzeigt, dass zurzeit 60.000 Mar- ken9 um die Gunst der Zuschauer werben, wovon dem Durchschnittsverbraucher ge- rade mal 200 bekannt sind (Vgl. ebenda (2004) S. 10-11) Die Gesellschaft befindet sich in einem Zustand der zunehmenden Informationsüberlastung. Im Bereich Fernse- hen liegt diese bereits bei über 97 Prozent. (Vgl. Kroeber-Riel; Esch (2000) S. 9-12)
Für Schmidt und Zurstiege wird im Zuge des Wachstums des Medienangebots die Wahrnehmung des einzelnen Angebots immer unwahrscheinlicher. Dies zwingt die Werbewirtschaft zum Immer-Neuen & Immer-Auffälligeren (Vgl. ebenda (2000) S.84) wie etwa Sonderwerbeformen, was die Informationsüberlastung als Treiber bestätigt.
Gleichzeitig warnen Schmidt und Zurstiege jedoch auch, dass das Werbesystem damit vor dem Problem steht, dass „jede geglückte Innovation durch Wiederholung und imitative Normalisierung im System immer rascher entschärft und dadurch entfunktionalisiert wird.“ Das Ziel der Aufmerksamkeit für ein Produkt, eine Dienstleistung oder eine Botschaft wird verfehlt. (Vgl. ebenda (2000) S. 84)
Aber das mediale Angebot wächst nicht nur deutlich überproportional zur Sehdauer, sondern es sinkt gleichzeitig auch die Bereitschaft der Rezipienten sich der Fernsehwerbung auszusetzen. (Vgl. Petersen (2002) S. 28)
4.1.2.2 Zapping
Die Sensibilität der Rezipienten gegenüber werblicher Beeinflussung ist in den letzten Jahrzehnten speziell vor dem Hintergrund der zunehmenden Informationsüberflutung gestiegen. Schenk und Petersen konkretisieren das grundsätzliche Problem am deut- lichsten: Sender und Werbetreibende stehen zwar in gegenseitiger Abhängigkeit zu- einander, doch von Zuschauerseite wird die Werbung in Deutschland nicht als we- sensimmanenter Teil des Programms angesehen. Vielmehr nimmt der Rezipient die Fernsehwerbung als Fremdkörper im Gesamtprogramm wahr. (Vgl. Schenk (2002) S. 693 und vgl. Petersen (2002) S. 19)
Daher neigen Rezipienten schnell zu Werbefrust und damit zu Reaktanzerscheinun- gen10, die entweder bei Rezeption zu innerlichen Ablehnungsreaktionen führen kön- nen oder zur radikalen Ausblendung der nicht als relevant betrachteten Informationen. Innerliche Ablehnungsreaktionen bei der Rezeption können sowohl bei klassischer Werbung als auch bei Sonderwerbeformen auftreten.11 Der Zuschauer kann aber auch mit Werbevermeidungsstrategien reagieren, um seine Reaktanzmotivation zu befriedi- gen.
Rossmann fasst die verschiedenen Formen der Ausblendung im Fernsehen durch das mechanische, das psychische und das physische Zapping zusammen. (Vgl. ebenda (2004) S. 99) Während beim mechanischen Zapping, der Sender auf der Fernbedie- nung gewechselt wird, richtet sich beim psychischen Zapping einfach die Aufmerk- samkeit nicht mehr auf den Fernseher, sondern auf etwas anderes wie zum Beispiel eine Zeitschrift. Das physische Zapping hingegen bedeutet das Verlassen der Rezep- tionssituation. Der Zuschauer nutzt die Pause im laufenden Programm, um Richtung Toilette zu gehen oder für die von Melchers so genannte „Bierhol-Rache“ am Werbe- fernsehen. (ebenda (06.2001))
1 Als Unternehmen sind in dieser Arbeit die Werbetreibenden zu verstehen. Die in der Literatur verwen- dete Bezeichnung „werbetreibende Unternehmen“ ist eine Tautologie, da jedes Unternehmen in ge- wisser Weise wirbt. (Auch die meist beabsichtigte Abgrenzung zwischen Fernsehanstalten und allen anderen Unternehmen ist nicht eindeutig, weil auch Sender für ihr Programm werben.)
2 In diesem Zusammenhang werden wissenschaftliche Ausarbeitungen, die in Kooperation mit TV- Vermarktern entstanden sind, ebenfalls als kommerzielle Werbewirkungsforschung verstanden, da sie nicht als gesamtes wissenschaftliches Werk, sondern zusammengefasst in Form einer Studie durch die TV-Vermarkter veröffentlicht wurden, die dem Zweck dienen, Unternehmen von der Wirksamkeit von Sonderwerbeformen zu überzeugen.
3In der Geburtsstunde des deutschen Werbefernsehens am 3. November 1956 präsentierte sich Hen- kel mit Persil, Procter & Gamble mit Blendax und Dr. Oetker mit einem Backmittel. (Vgl. IP Deutsch- land (2005) S. 6).
4Rein technische Analysen in der Betriebswirtschaftslehre zeichnen sich dadurch aus, dass sie nur die Gegebenheiten widerspiegeln ohne die fundamentalen Voraussetzungen zu betrachten.
5 Unterbrecherwerbung macht mittlerweile 80 % der Werbung aus. (Vgl. initiative (2004) S. 2)
6 Einige Abschnitte, wie die zur Informationsüberlastung, der Digitalisierung oder dem Rundfunkstaatsvertrag gehen in diesem Zusammenhang stärker ins Detail ein, als es für reine Strukturierung der Ursachen und Motive von Sonderwerbeformen nötig ist. Damit soll gleichzeitig ein Gesamtüberblick über den Werbemarkt und seine Entwicklungen hinsichtlich der neuen Formate ge- liefert werden.
7 Hier: Tausender-Kontakt-Preis = Preis der Schaltung / Reichweite einer Schaltung x 1000.
8Zwischen 2001 und 2004 ist das Werbevolumen um 15,7 % gestiegen; die durchschnittliche Sehdauer hingegen gerade mal um 9,3 %. (Vgl. AGF (2005) i.V.m. vgl. ZAW (2005) S.281)
9Über 5.000 dieser Marken werben im deutschen Fernsehen. (Vgl. IP Deutschland (2005) S. 6)
10Reaktanz ist die Motivation eines Rezipienten sich gegen eine wahrgenommene Beeinflussung zu widersetzen, die er als Einschränkung seiner Entscheidungsfreiheit empfindet. (Vgl. Kroeber-Riel; Weinberg (1999) S. 206)
11 Mögliche negative Effekte in bezug auf Sonderwerbeformen werden in Abschnitt 7.3.5 näher beleuch- tet.
- Arbeit zitieren
- Arne Bruncken (Autor:in), 2006, Entwicklung und Evaluation von Sonderwerbeformen im deutschen Fernsehen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61217
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