Der Baron von Münchhausen ist fast jedem Kind bekannt. Man kennt ihn als einen Märchen- und Lügenerzähler, der durch die Weltgeschichte reist und mit seinen phantastischen Erzählungen das Publikum unterhält. Er ist ein fröhlicher, lebenslustiger Mann, der durch seinen Humor das Volk zum Lachen bringt.
Beim Lesen der vielen Münchhausiaden bestätigt sich nochmals das Bild des reiselustigen Lügenerzählers. Wenn man aber auf das 1900 erschienene Werk Münchhausen von dem Dichter Herbert Eulenberg stößt, wird man als Zuschauer und Leser sehr überrascht. Hier ist nichts mehr von dem lebenslustigen Geschichtenerzähler zu erkennen. Stattdessen bekommt man einen melancholischen und empfindsamen Träumer zu Gesicht, der sich seiner Vergangenheit schämt. Er möchte der Liebe wegen das Lügen aufgeben und zur Ruhe kommen. Die Melancholie schlägt sogar bis zur Lebensmüdigkeit um. Herbert Eulenberg stellt uns also einen ganz anderen, ungewöhnlichen Münchhausen vor. Einen Träumer und Phantast, der aber nicht durch seine Lebensfreude das Publikum verzaubert, sondern bei jeder Berührung mit der Realität ins Wanken gerät. Die, für den Baron von Münchhausen so typischen Lügengeschichten, sind bei Herbert Eulenberg auf ein Minimum reduziert. Das einzige, was der Münchhausen von Herbert Eulenberg noch mit dem allseits bekannten Lügenbaron gemeinsam hat, ist der Namen.
Da stellt sich natürlich die Frage, aus welchem Grund Herbert Eulenberg einen so untypischen Münchhausen erschaffen hat. Warum macht Eulenberg aus einem lebenslustigen Lügenerzähler einen empfindsamen Träumer, der nicht mehr durch seine phantastischen Erzählungen auffällt, sondern vielmehr durch seine Melancholie? Und vor allem warum schreibt Herbert Eulenberg solch ein gefühlvolles Stück in einer Zeit, wo dies sehr unüblich ist? In den folgenden Seiten soll nun geklärt werden, welchen Standpunkt der Dichter Herbert Eulenberg in der Literaturgeschichte einnimmt, was ihn dazu bewegte den Charakter des Barons von Münchhausen so stark zu verändern und vor allem, ob man sein Drama, so wie er es vorweg angekündigt hat, in die Zeit der Empfindsamkeit heben kann.
Gliederung
1. Herbert Eulenbergs Münchhausen – ein ganz untypischer Münchhausen:
2. Die Literatur um 1900:
2.1. Die Literaturströmungen um die Jahrhundertwende:
2.2. Die Einschätzung Herbert Eulenbergs in der Literaturgeschichte:
3. Das Drama Münchhausen von Herbert Eulenberg:
3.1. Empfindsame Elemente in Herbert Eulenbergs Münchhausen:
3.2. Vorbilder für die Münchhausen-Figur bei Eulenberg:
3.3. Eulenbergs Münchhausen – ein empfindsames Drama?:
4. Warum schrieb Herbert Eulenberg solch einen untypischen Münchhausen ?:
5. Literaturverzeichnis:
1. Herbert Eulenbergs Münchhausen – ein ganz untypischer Münchhausen
Der Baron von Münchhausen ist fast jedem Kind bekannt. Man kennt ihn als einen Märchen- und Lügenerzähler, der durch die Weltgeschichte reist und mit seinen phantastischen Erzählungen das Publikum unterhält. Er ist ein fröhlicher, lebenslustiger Mann, der durch seinen Humor das Volk zum Lachen bringt.
Beim Lesen der vielen Münchhausiaden bestätigt sich nochmals das Bild des reiselustigen Lügenerzählers. Wenn man aber auf das 1900 erschienene Werk Münchhausen von dem Dichter Herbert Eulenberg stößt, wird man als Zuschauer und Leser sehr überrascht.
Hier ist nichts mehr von dem lebenslustigen Geschichtenerzähler zu erkennen. Stattdessen bekommt man einen melancholischen und empfindsamen Träumer zu Gesicht, der sich seiner Vergangenheit schämt. Er möchte der Liebe wegen das Lügen aufgeben und zur Ruhe kommen. Die Melancholie schlägt sogar bis zur Lebensmüdigkeit um. Herbert Eulenberg stellt uns also einen ganz anderen, ungewöhnlichen Münchhausen vor. Einen Träumer und Phantast, der aber nicht durch seine Lebensfreude das Publikum verzaubert, sondern bei jeder Berührung mit der Realität ins Wanken gerät. Die, für den Baron von Münchhausen so typischen Lügengeschichten, sind bei Herbert Eulenberg auf ein Minimum reduziert. Das einzige, was der Münchhausen von Herbert Eulenberg noch mit dem allseits bekannten Lügenbaron gemeinsam hat, ist der Namen.
Da stellt sich natürlich die Frage, aus welchem Grund Herbert Eulenberg einen so untypischen Münchhausen erschaffen hat. Warum macht Eulenberg aus einem lebenslustigen Lügenerzähler einen empfindsamen Träumer, der nicht mehr durch seine phantastischen Erzählungen auffällt, sondern vielmehr durch seine Melancholie? Und vor allem warum schreibt Herbert Eulenberg solch ein gefühlvolles Stück in einer Zeit, wo dies sehr unüblich ist?
Im Folgenden soll nun geklärt werden, welchen Standpunkt der Dichter Herbert Eulenberg in der Literaturgeschichte einnimmt, was ihn dazu bewegte den Charakter des Barons von Münchhausen so stark zu verändern und vor allem, ob man sein Drama, so wie er es vorweg angekündigt hat, in die Zeit der Empfindsamkeit heben kann.
2. Die Literatur um 1900
2.1. Die Literaturströmungen um die Jahrhundertwende:
Um die Jahrhundertwende entstanden zahlreiche Kunst-Strömungen. Da es so eine Vielzahl von Stilrichtungen in der Kunst und vor allem in der Literatur um 1900 gibt, ist es schwierig ihnen allen gerecht zu werden und ihnen allen denselben Stellenwert zuzuordnen. So haben mehr und mehr die sogenannten Hauptströmungen die anderen Richtungen aus der Literaturgeschichte verdrängt.
So ist es in manchen Wissenschaften üblich geworden, die zeitliche Gliederung einer sogenannten Epoche nach Stilen vorzunehmen. So spricht die Kunstgeschichte von einer Entwicklung vom Barock zum Rokoko, zum Empire, zum Biedermeier, zum Jugendstil, zum Impressionismus bis hin zum Expressionismus. Die Literaturwissenschaft dagegen befindet sich in einer Klemme. Solange sie sich als Geschichte der Dichtung fühlte, konnte sie sich mit den von den Dichtern selbst entworfenen Schlagworten begnügen. Sie konnte etwa von Sturm und Drang, Klassik und von Romantik sprechen. In dem Augenblick aber, als sie sich zur allgemeinen Geistesgeschichte erweiterte, als also jedes bedruckte Stück Papier von ihr als geistiges Erzeugnis geprüft werden musste, in diesem Augenblick musste sie sich auch mit den Werken der Philosophen und Kunstgeschichtler befassen und somit wurde einer einströmenden Unklarheit das Tor geöffnet. Und so kommt es dann auch, dass in der Literaturgeschichte immer mehr Begriffe herumgeistern, die prüfungslos von der Bildenden Kunst übernommen wurden.
Gerade in den Jahren um 1900 wird diese Problematik besonders deutlich. Der zeitlichen Epoche um die Jahrhundertwende kann kein eindeutiger Stil zugeordnet werden. Vielmehr existieren die unterschiedlichsten Strömungen nebeneinander. So begegnen uns Schlagwörter wie Naturalismus, Symbolismus, Impressionismus, Heimatkunst, Neoromantik, Jugendstil, sowie Décadence. Die Liste könnte noch weiter fortgesetzt werden, ich möchte jedoch im Folgenden nur die bekanntesten Ströme näher erläutern.
Unter dem Schlagwort des Naturalismus versteckt sich die breiteste Strömung der Literaturgeschichte der Jahrhundertwende. Als historischer und geistesgeschichtlicher Hintergrund ist hier vor allem die Blütezeit des politischen und wirtschaftlichen Imperialismus zu nennen. Im Gegensatz zueinander stehen hier die repräsentative Kultur des Wilhelminismus einerseits, wie beispielsweise die Siegesallee oder der Reichstag in Berlin und andererseits die Mietskasernen mit lichtlosen Hinterhöfen, die für ein verelendetes Proletariat stehen. Der Positivismus gilt im Naturalismus als Weltanschauung. Er verkörpert die Lehre von der Gesetzmäßigkeit aller Dinge ohne eine metaphysische Voraussetzung.[1] Der Mensch ist wie die Natur wissenschaftlich erklärbar und wird als Produkt von Erbgut, Milieu und der geschichtlichen Situation angesehen. Vor allem wurde die Strömung von den Literaturtheorien von Émile Zola, Leo Tolstoj und Fjodor Dostojewski beeinflusst. Dargestellt wird hauptsächlich die naturgetreue Abbildung der Wirklichkeit ohne Stilisierung, subjektive Beimischung oder metaphysische Überhöhung. Es werden vor allem die Themen, wie das moralische und wirtschaftliche Elend aufgrund der Industrialisierung, des Imperialismus und der Verstädterung behandelt. Das Augenmerk liegt hier auf dem Kleinbürgertum und dem Proletariat. Eine Kritik am Bürgertum und dessen Optimismus und die Gleichgültigkeit gegenüber den ungelösten zivilisatorischen Problemen der entstehenden Industriegesellschaft ist häufig anzutreffen. Das naturalistische Drama zeichnet sich vor allem durch die Darstellung eines Stücks Wirklichkeit aus. Es werden bewusst durchschnittliche Charaktere gewählt. Auch die geschlossene Dramenform wird vollständig aufgelöst. Es wird lediglich eine Momentaufnahme gespielt. Die Dramenzeit entspricht der dramatisierten Zeit. Auch die Sprache wird gekürzt. Monologe werden abgeschafft und durch den sogenannten Sekundenstil ersetzt. Insgesamt kann zum Naturalismus gesagt werden, dass ein Verzicht auf alles Theatralische stattfindet. Der Zuschauer und Leser soll sich kritisch seine eigene Meinung bilden.
Neben dem Naturalismus entstanden aber um 1900 auch zahlreiche Gegenpositionen. In diesem Zusammenhang müssen die Schlagwörter Impressionismus, Symbolismus, Jugendstil und Neoromantik genannt werden. Auch wenn diese Strömungen anfangs wenig gemeinsames haben, stehen sie gemeinsam dem Naturalismus gegenüber. Denn im Gegensatz zum Naturalismus wird bei jenen Strömungen die Möglichkeit einer objektiven Erkenntnis und Darstellung der Tatsachenwirklichkeit bestritten und statt dessen versucht, die subjektive Wahrheit kunstvoll zu gestalten.[2]
Der Ausdruck Impressionismus wird von dem lateinischen Wort impressio hergeleitet, das soviel wie Eindruck bedeutet. Es wurde vor allem als Schlagwort der französischen Malerei bekannt. Der Impressionismus ist eine Kunst der Stimmung. Der Impressionist will den vergänglichen Augenblick festhalten. Deshalb ist den französischen Malern, die um die Jahrhundertwende lebten, der Farbreiz wichtiger als die Komposition ihrer Bilder. Die reale Struktur der Dinge schwindet vor ihrer Beleuchtung und löst sich in Farb- und Lichtreflexe auf. Ähnlich lässt sich auch der literarische Impressionismus als Kunst der persönlichen Augenblicksempfindung bezeichnen. Aus der Erfahrung, dass die Dinge, wie sie wirklich sind, künstlerisch nicht reproduziert werden können, greift der Impressionist subjektive Eindrücke von Weltausschnitten auf und gestaltet sie.[3] Es werden beim Impressionismus also vor allem subjektiv-sinnliche Eindrücke und Stimmungen wiedergegeben. Das Naturobjekt wird hier Anreiz und Auslöser für seelische Regungen.
Das Wort Symbolismus ist der französischen Lyrik entlehnt. Der Symbolismus richtet sich gegen die vom naturwissenschaftlichen Positivismus des 19. Jahrhunderts inspirierten Bemühungen der Realisten und Naturalisten, die Welt in ihrer biologischen und sozialen Tatsächlichkeit darzustellen. Er sucht das den Dingen zugrundeliegende Geheimnis und spricht es weniger aus, als dass er es vor allem durch ästhetisch-suggestive Darstellungsmittel beruft. Klangmalerei, Assonanzen, Metrum und Reime werden bewusst in die Aussagestruktur integriert. Im Gegensatz zum Impressionismus, der zur Auflösung traditioneller Formen tendiert, erstrebt der Symbolismus eine in sich geschlossene, nach eigenen Prinzipien konsequent durchstrukturierte Sprache. Aber auch beim Symbolismus handelt es sich um keine eigene Epoche und so wird er auch gerne zu der Neoromantik hinzugenommen.
Ein populärer Begriff mit dem die Literatur um die Jahrhundertwende bezeichnet wurde ist die Vokabel Jugendstil. Das Wort leitet sich von der Münchner Zeitschrift Jugend her, die seit dem 1.Januar 1896 von Georg Hirth herausgegeben wurde und bis 1940 bestand.[4] Wie sich der Symbolismus gegen Realismus und Naturalismus wendet, so der Jugendstil gegen die in der Kunst herrschende Anlehnung an historische Stile.
In der Neoromantik finden wir vor allem Stilisierung und romantischen Schönheitskult, fern von gesellschaftlichem Bezug. Im Gegensatz zur historischen Romantik um 1800 hatten die Autoren der Neoromantik häufig kein Programm. Die Gemeinsamkeit liegt aber im Interesse am Übersinnlichen, Traumhaften, Geheimnisvollen und Unbegreiflichen, das im Gegensatz zum banal-wirklichen Alltagsleben der bürgerlichen wilhelminischen Gesellschaft gesucht wurde. Die Autoren wenden sich erneut Themen und Gestalten aus der Vergangenheit zu, der vorchristlichen Antike, dem Mittelalter und der Renaissance. Sie beschäftigen sich mit Sagen, Märchen und Mythen.[5] Die Welt der Phantasie nimmt hier eine bestimmende Rolle ein und steht über der Realität.
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[1] Vgl.: Eva-Maria Kabisch: Literaturgeschichte. Stuttgart 1997, S. 28.
[2] Vgl.: Ebd., S.29.
[3] Vgl.: Ulrich Karthaus (Hrsg.): Impressionismus, Symbolismus und Jugendstil. In: Otto F. Best/ Hans- Jürgen Schmitt (Hrsg.): Die deutsche Literatur. Ein Abriß in Text und Darstellung. Stuttgart 1977, S.10.
[4] Vgl.: Ebd., S.13.
[5] Vgl.: Frank Thissen: Edle Arznei für den Alltag. Herbert Eulenbergs Düsseldorfer Morgenfeiern und die Romantikrezeption um 1900. Köln 1992, S.94.
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