Die vorliegende Examensarbeit befasst sich mit dem aktuellen Thema Sprachförderung von Kindergartenkindern im Alter von drei bis sechs Jahren mit Deutsch als Erst- und Deutsch als Zweitsprache (DaZ).
Dabei werden gleich einem ökonomischen Marktmodell die Kinder als Konsumenten von Sprachförderung und die Wissenschaft (Psychologen, Pädagogen und Linguisten) als ihr Produzent aufgefasst. Es wird von der Annahme ausgegangen, dass der optimale Abgleich der Sprachförderung (Angebot) mit der Bedürfnisstruktur (Nachfrage) zentral für eine bestmögliche Sprachförderung aller Kinder ist. Mit Hilfe von Sprachstandserfassungsverfahren (SEV) soll die Nachfrage sondiert werden, um ein möglichst genaues Bild von den Bedürfnissen der Kinder/ der Konsumenten zu erhalten. Spezielle Förderprogramme unterschiedlicher Ausrichtung und Prägung sollen den Bedürfnissen nach Sprachförderung Rechnung tragen. Dabei greifen sie auf Daten zurück, die mit Hilfe jener Screeningverfahren oder mit einer programmeigenen Diagnostik erhoben werden. Die Arbeit stellt exemplarisch SEV vor und analysiert, was genau mit ihnen getestet wird (Pragmatik, Lexik, Grammatik usw.). Dabei steht im Mittelpunkt die Frage: Bilden die Screenings die Bedürfnisse tatsächlich genau genug ab, um eine gezielte Förderung gewährleisten zu können? Anders herum gefragt: Handelt es sich bei den Förderprogrammen um eine Arbeit nach dem ‚Gießkannenprinzip’ oder um gezielte Förderung zur Bedürfnisbefriedigung aller ‚Konsumenten’: jener von Kindern mit Deutsch als Erst- und der von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache? Es kommt in dieser Arbeit zwar dabei einerseits in den Blick, welche Inhalte die Förderprogramme vermitteln, andererseits geht es aber noch mehr darum, ob die Inhalte optimal auf die durch die SEV ermittelten Sprachentwicklungsstände abgestimmt werden können, was in diesem Kontext unter dem Ausdruck ‚gezielte Förderung’ verstanden werden will, oder ob die SEV unspezifisch testen und dies nicht geschehen kann, sodass ein bestimmt gestaltetes Förderprogramm ohne Rücksicht auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kinder für alle gleichermaßen Anwendung findet. Dies soll mit dem Wort ‚Gießkannenprinzip’ bezeichnet werden. Der exemplarische Blick nach Niedersachsen geht dieser Frage – eingedenk der Möglichkeiten und des Umfangs dieser Arbeit - zumindest im Ansatz nach.
Inhaltsverzeichnis
- Teil I
- Einleitungsteil
- 1. Motivation und Problemstellung
- 2. Inhalt und Ziel
- 3. Zusammenfassend einige zentrale Fragen der Arbeit
- Teil II
- Die Hintergründe
- 1. Bildungspolitische Hintergründe: bildungs- und sozialpolitische Ziele
- 2. Erziehungswissenschaftliche Grundlagen und Aspekte der pädagogischen Psychologie - Was sollen Kinder, leisten können und warum schon so früh?
- 3. Linguistische Hintergründe
- 3.1 Grundlegendes zu geschriebener und gesprochener Sprache
- 3.2 Spracherwerb
- 3.2.1 Ungelenkter monolingualer Erstspracherwerb
- 3.2.2 Bilingualer ungelenkter Erstspracherwerb/ Zweitspracherwerb
- 3.3 Schriftspracherwerb und Phonologische Bewusstheit
- Teil III
- Nähere Problembeschreibung
- Wer hat die Probleme und wie sehen die Probleme aus? – Die Nachfrageseite der frühen Sprachförderung
- 1. Hintergründe zu Spracherwerbsproblemen bei DaE – Kindern
- 1.1 Soziale Herkunft
- 1.2 Dysgrammatismus
- 2. Migrantenkinder
- 2.1 Einflüsse der Lernerhistorie auf den Zweitspracherwerb
- 2.2 Umwelt (hier: Input) und Anlage (hier: Motivation/ Antrieb)
- 2.3 Normativität vs. Lernervarietät
- 2.4 Mangelnde Sprachkompetenz tangiert andere Lernbereiche
- 2.5 Soziologische und Soziolinguistische Aspekte
- 3. Exemplarische Sprachvergleichsanalyse - Sprachstruktur des Türkischen und Russischen im Vergleich zum Deutschen
- 4. Wer oder was soll die Probleme lösen? - Die Angebotsseite der frühen Sprachförderung
- 4.1 Einleitung: Spracherfassung und Sprachförderung - Zwei notwendige Instrumente zur Herstellung von Chancengleichheit auf dem Bildungssektor
- 4.2 Grundlegendes zur Spracherfassung
- 4.2.1 (Sprach-) Beobachtung
- 4.2.2 (Sprach-) Tests
- 4.3 Exemplarischer Blick auf Sprachförderprogramme in Deutschland
- 4.3.1 Kon-Lab
- 4.3.2 Osnabrücker Materialien
- 4.3.3 Würzburger Sprachtrainingsprogramm
- Nähere Problembeschreibung
- Teil IV
- Ausgewählte Sprachstandserfassungsverfahren auf dem Prüfstand
- Ausrichtung, methodische Umsetzung sowie ihre Anknüpfungspunkte mit Sprachförderprogrammen
- 1. Sprachstandserhebungsverfahren – Beispiele im deutschsprachigen Raum
- 2. Messmethodische Standards für SEV
- 3. Darstellung der Verfahren
- 3.1 Niedersächsisches Kultusministerium (2003): Fit in Deutsch – Feststellung des Sprachstandes 10 Monate vor der Einschulung. Hannover: Autor
- 3.2 CITO (2004): Test Zweisprachigkeit, Arnheim/ NL: National Institute for Educational Measurement
- 3.3 Hobusch, A./Lutz, N./Wiest, U. (2002): Sprachstandsüberprüfung und Förderdiagnostik für Ausländer- und Aussiedlerkinder (SFD), Horneburg: Persen
- 3.4 Reich, H./Roth, H.-J. (2004): Hamburger Verfahren zur Analyse des Sprachstandes bei Fünfjährigen (HAVAS 5), Hamburg: Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung
- 3.5 Ulich, M./Mayr, T. (2003): SISMIK. Sprachverhalten und Interesse an Sprache bei Migrantenkindern in Kindertageseinrichtungen. Freiburg/Br.: Herder
- 4. Zusammenfassung und Zwischenfazit
- 4.1 Was bedeutet es, über ein Sprachvermögen zu verfügen, das für die Schule relevant ist?
- 4.2 Sprache selbst als schulischer Gegenstand (Mannhaupt 2001)
- Ausgewählte Sprachstandserfassungsverfahren auf dem Prüfstand
- Teil V
- Sprachstandsdiagnostik und Sprachförderung am Beispiel Niedersachsen: Fit in Deutsch, OM und Kon-lab
- 1. Darstellungsteil
- 1.1 Einleitung
- 1.2 Zum Aufbau des Darstellungsteils
- 1.3 Rechtliche Rahmenbedingungen
- 1.3.1 Niedersächsisches Schulgesetz
- 1.3.2 Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder (KiTaG)
- 1.4 Doppelter Förderansatz
- 1.4.1 Förderung durch KITA-Personal
- 1.4.1.1 Ideen und Ziele
- 1.4.1.2 Art und Umfang der Förderung
- 1.4.1.3 Eingesetzte Mittel
- 1.4.1.3.1 Kon-Lab
- 1.4.1.3.2 Osnabrücker Materialien
- 1.4.1.4 Anforderungen an das Personal
- 1.4.2 Förderung durch Personal der Grundschulen
- 1.4.2.1 Ideen und Ziele
- 1.4.2.2 Art und Umfang der Förderung
- 1.4.2.3 Eingesetztes Mittel: Individuelle Förderung anhand didaktisch-methodischer Empfehlungen des Kultusministeriums
- 1.4.2.4 Anforderungen an das Personal
- 1.4.1 Förderung durch KITA-Personal
- 2. Problematisierungsteil
- 2.1 Die niedersächsische Förderpraxis unter der Lupe: Pro und Contra
- 2.2 Abschließende Betrachtung
- 2.2.1 Bielefelder Sprachscreening (Jansen/ Mannhaupt/ Skowronek/ Marx 22002)
- 1. Darstellungsteil
- Sprachstandsdiagnostik und Sprachförderung am Beispiel Niedersachsen: Fit in Deutsch, OM und Kon-lab
- Teil VI
- Fazit und Ausblick
- 1. Was diese Arbeit zeigen konnte
- 2. Was in dieser Arbeit nicht oder nicht ausführlich gezeigt werden konnte
- Fazit und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit der frühen Sprachförderung im Vorschulbereich und untersucht die gegenseitige Abstimmung von Sprachstandserhebungen und Sprachförderung. Der Fokus liegt dabei auf der kritischen Analyse ausgewählter Verfahren und Programme, insbesondere im Kontext der Schul- und Schriftvorbereitung im Land Niedersachsen.
- Die Bedeutung der Sprachförderung im Hinblick auf Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit.
- Die Herausforderungen des Spracherwerbs bei Kindern mit Migrationshintergrund.
- Die methodische Qualität und Anwendbarkeit von Sprachstandserhebungsverfahren.
- Die Abstimmung von Sprachstandserhebungen mit konkreten Sprachförderprogrammen.
- Die Rolle von Sprachförderung in der Bildungspraxis in Niedersachsen.
Zusammenfassung der Kapitel
- Der Einleitungsteil stellt die Motivation und Problemstellung der Arbeit vor, definiert den Inhalt und die Ziele sowie einige zentrale Fragen, die im Laufe der Arbeit behandelt werden.
- Teil II beleuchtet die bildungspolitischen, erziehungswissenschaftlichen und linguistischen Hintergründe der frühen Sprachförderung. Hier werden wichtige Aspekte des Spracherwerbs, wie der ungelenkte monolinguale und bilinguale Erstspracherwerb sowie der Schriftspracherwerb, diskutiert.
- Teil III befasst sich mit den Herausforderungen des Spracherwerbs bei Kindern mit DaE (Deutsch als Erstsprache) und beleuchtet insbesondere die Situation von Migrantenkinder. Der Einfluss der Lernerhistorie, die Rolle von Umwelt und Anlage sowie soziologische und soziolinguistische Aspekte werden genauer betrachtet. Zudem wird eine exemplarische Sprachvergleichsanalyse zwischen Türkisch, Russisch und Deutsch durchgeführt.
- Teil IV analysiert ausgewählte Sprachstandserhebungsverfahren im deutschsprachigen Raum und beleuchtet deren methodische Standards, Ausrichtung und Anknüpfungspunkte mit Sprachförderprogrammen. Verschiedene Verfahren, wie das Niedersächsische Kultusministeriums „Fit in Deutsch“, der „Test Zweisprachigkeit“ von CITO, das „SFD-Verfahren“ von Hobusch, Lutz und Wiest, das „HAVAS 5“ von Reich und Roth sowie das „SISMIK“ von Ulich und Mayr werden vorgestellt.
- Teil V widmet sich der Sprachstandsdiagnostik und Sprachförderung am Beispiel Niedersachsens, wobei der Fokus auf „Fit in Deutsch“, OM und Kon-lab liegt. Die rechtlichen Rahmenbedingungen, die Förderansätze und die eingesetzten Mittel werden im Detail erläutert.
Schlüsselwörter
Frühkindliche Sprachförderung, Sprachstandserhebung, Sprachförderprogramme, Migrantenkinder, Zweitspracherwerb, Bildungsgerechtigkeit, Chancengleichheit, Schulvorbereitung, Sprachdiagnostik, Niedersachsen, Kon-Lab, Osnabrücker Materialien, Fit in Deutsch, CITO, SFD, HAVAS 5, SISMIK.
- Quote paper
- Simon Emmerling (Author), 2005, Die gegenseitige Abstimmung von Sprachstandserhebungen und Sprachförderung im Vorschulbereich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60465