Ambulante Pflege vollzieht sich im Kontext einer komplexen Gesundheits- und Sozialpolitik und unter Bedingungen fortlaufender Reformen der Rahmengesetzgebung. Pflegedienste als betriebswirtschaftliche Unternehmen stehen insofern unter stetigem Veränderungs- und Anpassungsdruck. Um wirtschaftlich überleben und dabei die Pflegequalität erhalten und verbessern zu können, ist es für die Pflegedienste heute entscheidend, spezifische Profile auszubilden und sich in diesem Sinne zu spezialisieren.
Zunehmende Bedeutung erlangt in den letzten Jahren die ambulante Pflege von heimbeatmeten Patienten. Im stationären Bereich sind Pflegekonzepte zur Versorgung respirationspflichtiger Patienten hinlänglich bekannt. Die Intensivfachweiterbildung vermittelt hierzu spezifische Kompetenzen. Die Tetraplegie als betreuungsaufwendigste Form der Querschnittlähmung stellt hier ambulante Pflegedienste vor größte Herausforderungen. Wenn ein ambulanter Pflegedienst vor der Entscheidung steht, beatmete hochquerschnittgelähmte Patienten zu betreuen, ist es für die betroffenen Tetraplegiker von existenzieller Bedeutung, dass die Voraussetzungen für eine adäquate Versorgung bereitgestellt werden können. Für die Pflegedienste besteht die wirtschaftliche Herausforderung darin, zukünftige Entwicklungen zu erkennen, um entsprechende Handlungsoptionen entwerfen zu können.
Diese Diplomarbeit will die Bedingungen, Probleme und Möglichkeiten der ambulanten Pflege von Tetraplegikern aufzeigen und analysieren. Dazu erfolgt eine Betrachtung aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit dem Focus auf das Management ambulanter Pflegedienste, die Tetraplegiker in ihrer Einrichtung betreuen oder zukünftig betreuen möchten.
Inhaltsverzeichnis
1 Die ambulante Pflege vor neuen Herausforderungen
1.1 Ausgangssituation
1.2 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
1.3 Methodisches Vorgehen
2 Begriffsklärungen
2.1 Management
2.2 Konzept
2.2.1 Definition
2.2.2 Probleme
2.3 Tetraplegie: Bedeutung aus verschiedenen Blickwinkeln
2.3.1 Medizinisch-funktionale und pflegerische Präsenz
2.3.2 Psychosoziale Perspektive
3 Organisatorische Voraussetzungen
3.1 Aufbauorganisation
3.1.1 Leitbild
3.1.2 Organigramm
3.1.3 Personalstruktur
3.1.4 Rechtsform des Betriebs
3.1.5 Arbeitsrechtliche Grundlagen
3.1.6 Finanzierung der Pflege
3.1.7 Räumliche Umgebung
3.1.8 Technische Ausstattung
3.2 Ablauforganisation
3.2.1 Pflegeprozess
3.2.2 Dienstplangestaltung
3.2.3 Kommunikation
4 Pflegerische Kompetenzen
4.1 Spezifische Bedingungen der häuslichen Versorgung von
Tetraplegikern
4.2 Handlungskompetenzen
4.2.1 Fachkompetenzen
4.2.2 Methodenkompetenzen
4.2.3 Personale Kompetenzen
4.2.4 Soziale Kompetenzen
5 Ebenen der Qualitätssicherung
5.1 Strukturqualität
5.2 Prozessqualität
5.3 Ergebnisqualität
6 Zwischenfazit
7 Empirische Datenerhebung
7.1 Begründung der Erhebung
7.2 Interviewpartner
7.3 Darstellung der Ergebnisse
7.4 Diskussion der Ergebnisse
8 Zwischenfazit
9 Vorstellung eines Management-Konzeptes
10 Fazit und Ausblick
11 Literaturverzeichnis
Anhang
- Interviewleitfaden
- Interviewtranskript I, Codename TET
- Interviewtranskript II, Codename PDL+GF
- Interviewtranskript III, Codename ÖSE
1 Die ambulante Pflege vor neuen Herausforderungen
1.1 Ausgangssituation
Die häusliche Pflege befindet sich heutzutage in einer Zeit ständigen Wandels. Unterschiedliche Entwicklungen können eine zunehmende Bedeutung der ambulanten Pflege und in diesem Zusammenhang auch den Zuwachs an ambulanter Intensivtherapie erklären:
- die Zunahme chronischer Erkrankungen, die mit einem gesteigerten häuslichen Pflegebedarf einhergehen,
- die Erfolge moderner Biomedizin, die durch ihre Methoden lebensverlängernd wirken kann und dabei einen höheren Aufwand an Intensivbetreuung zur Folge hätte,
- die zunehmende Technisierung im Gesundheitswesen, die Bedingungen für einen Zuwachs häuslicher Intensivpflege schafft,
- der anhaltende ökonomische Druck, der auf dem Gesundheitssystem lastet und somit eine kostenintensivere stationäre Versorgung zugunsten einer günstigeren ambulanten Versorgung verschiebt und
- der soziale und gesellschaftspolitische Einstellungswandel, der mit einer Individualisierung der Leistungen einerseits und der steigenden Berücksichtigung von Patienteninteressen andererseits einhergeht (vgl. EWERS 2003, 11 f.).
Ambulante Pflege vollzieht sich im Kontext einer komplexen Gesundheits- und Sozialpolitik und unter Bedingungen fortlaufender Reformen der Rahmengesetzgebung. Pflegedienste als betriebswirtschaftliche Unternehmen stehen insofern unter stetigem Veränderungs- und Anpassungsdruck. Um wirtschaftlich überleben und dabei die Pflegequalität erhalten und verbessern zu können, ist es für die Pflegedienste heute entscheidend, spezifische Profile auszubilden und sich in diesem Sinne zu spezialisieren.
Zunehmende Bedeutung erlangt in den letzten Jahren die ambulante Pflege von heimbeatmeten Patienten. Im stationären Bereich sind Pflegekonzepte zur Versorgung respirationspflichtiger Patienten hinlänglich bekannt. Die Intensivfachweiterbildung vermittelt hierzu spezifische Kompetenzen. Die Tetraplegie als betreuungsaufwendigste Form der Querschnittlähmung stellt hier ambulante Pflegedienste vor größte Herausforderungen. Wenn ein ambulanter Pflegedienst vor der Entscheidung steht, beatmete hochquerschnittgelähmte Patienten zu betreuen, ist es für die betroffenen Tetraplegiker von existenzieller Bedeutung, dass die Voraussetzungen für eine adäquate Versorgung bereitgestellt werden können. Für die Pflegedienste besteht die wirtschaftliche Herausforderung darin, zukünftige Entwicklungen zu erkennen, um entsprechende Handlungsoptionen entwerfen zu können.
1.2 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
Diese Diplomarbeit will die Bedingungen, Probleme und Möglichkeiten der ambulanten Pflege von Tetraplegikern aufzeigen und analysieren. Dazu erfolgt eine Betrachtung aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit dem Focus auf das Management ambulanter Pflegedienste, die Tetraplegiker in ihrer Einrichtung betreuen oder zukünftig betreuen möchten.
Ziel der Arbeit ist es, die Voraussetzungen, die ein ambulanter Pflegedienst zur Betreuung von Tetraplegikern erbringen muss, aufzuzeigen und in diesem Sinne ein Konzept für potenzielle Interessenten zur Verfügung zu stellen. Dieses Management-Konzept soll einerseits eine Entscheidungshilfe in organisatorischer Hinsicht bieten und andererseits auch die praxisrelevanten Fragen der Betreuung klären.
1.3 Methodisches Vorgehen
Nachdem Thema und Fragestellungen geklärt sind, erfolgt die Erläuterung der zentralen Begriffe der Untersuchung. Die Voraussetzungen, die ein ambulanter Pflegedienst in organisatorischer Hinsicht erfüllen muss, um Tetraplegiker in ihrer häuslichen Umgebung adäquat versorgen zu können, werden zunächst anhand einer Literaturanalyse geklärt. Insbesondere geraten dabei die spezifischen Anforderungen in Bezug auf die Notwendigkeit einer intensiven pflegerischen Betreuung in den Blick. In diesem Zusammenhang erhält das spezifische Profil pflegerischer Kompetenzen eine besondere Bedeutung (Fachkompetenz, Methodenkompetenz, Personalkompetenz, Sozialkompetenz).
Die Ergebnisse der Analyse werden dann vor dem Hintergrund der Ebenen der Qualitätssicherung nach DONABEDIAN diskutiert und auf ihre Bedeutung in Bezug auf die Erhaltung und Verbesserung der Pflegequalität bei Tetraplegikern befragt (vgl. GÖRRES/ROES 2003, 7).
Um offene Fragen mit Praxisrelevanz in diesem nur marginal beforschten Feld zu beleuchten, erfolgt im Anschluss eine explorative Interviewstudie. Befragt werden ein betroffener Tetraplegiker, ein Krankenpfleger mit mehrjähriger Leitungserfahrung in der stationären Versorgung von Hochquerschnittgelähmten und eine Pflegedienstleitung sowie die Geschäftsleitung eines ambulanten Pflegedienstes, die seit mehr als fünf Jahren die ambulante Versorgung von Tetraplegikern organisiert. Die Interviewpartner gelten in diesem Sinne jeweils als Experten für ihr jeweiliges Handlungsfeld.
Auf der Basis der anhand der Literaturanalyse und der qualitativen Datenerhebung gewonnenen Ergebnisse wird im Folgenden ein Konzeptentwurf für den Nischenbereich der häuslichen Betreuung von Tetraplegikern vorgestellt.
2 Begriffsklärungen
2.1 Management
Zunächst lässt sich der Begriff Management aus institutioneller Perspektive beschreiben und bezieht sich dabei auf die Unternehmensführung. Die Geschäftsführung eines ambulanten Pflegedienstes oder auch die Pflegedienstleitung erfüllen demnach Aufgaben zur zielgerichteten Koordination von informationellen, personellen und sachlichen Ressourcen (vgl. HOEFFERT 2001, 6).
In funktionaler Perspektive hingegen bezeichnet Management die zur Leistungserstellung notwendigen Prozesse wie Zielsetzung, Planung, Organisation, Steuerung und Kontrolle. Ein Manager führt Fachaufgaben nicht selbst aus. Sie oder er stellt vielmehr die Rahmenbedingungen zur Verfügung, damit Pflegekräfte Fachpflege leisten können (vgl. FALK 2002, 7).
Nach der traditionellen Sichtweise von Management in Organisationen werden Menschen oder Personen als Kernelemente von Organisationen betrachtet, die ihrerseits gegenüber anderen Systemen als offen angesehen werden. BORSI vertritt im Gegensatz dazu die systemtheoretisch-konstruktivistische Sichtweise von Organisationen, die nicht Personen, sondern Kommunikationen als Kernelemente sozialer Systeme auffassen. Die Systeme dieser Sichtweise gelten als autopoietisch geschlossen. Pflegemanagement bedeutet nach dieser Lesart zunächst Selbstmanagement von Pflegeorganisationen und die Herausbildung einer eigenen Pflegeidentität. Der Fokus des Managementhandelns ist somit nicht mehr exakte Planung oder zielgerichtete Beeinflussung, sondern das prozessorientierte Setzen entsprechender Rahmenbedingungen zur Ermöglichung einer Selbstorganisation (vgl. BORSI 2001, Studienbrief 1, 16 f.). Dieser Auffassung wird in den nachstehenden Ausführungen gefolgt.
2.2 Konzept
2.2.1 Definition
Der Begriff Konzept hat laut Lexikon zwei Bedeutungen:
- Entwurf, erste Fassung einer Rede oder Schrift
- Plan, Programm
Die Verwendung des Wortes Konzept in pflegewissenschaftlichen Schriften erfolgt ebenfalls in verschiedenen Zusammenhängen. So wird es beispielsweise als Bezeichnung der klassischen Denkgebäude der Pflege im Sinne von Pflegemodell oder Pflegetheorie benutzt. Auch die schriftliche Programmatik einer Pflegeeinrichtung wird als Konzept beschrieben (vgl. MEYER 2001, 14).
2.2.2 Probleme
Als problematisch erweist sich eine Definition des Wortes Konzept, die ein Synonym zu dem Wort Begriff darstellt. Diese Deutung geht bei pflegewissenschaftlichen Texten wahrscheinlich auf ein Übersetzungsproblem zurück, denn das englische Wort concept heißt auf Deutsch Begriff. Das deutsche Wort Konzept ist eher als blueprint ins Englische zu übersetzen. Somit sind Verwirrungen vorprogrammiert (vgl. MEYER 2001, 39).
Wenn in dieser Arbeit ein Management-Konzept für einen ambulanten Pflegedienst beschrieben wird, geht es dabei um die schriftliche Programmatik, die das pflegerische Angebot für das spezifische Krankheitsbild der Tetraplegie beschreibt. Darüber hinaus wird in dem Konzept die Organisation des Pflegedienstes unter Berücksichtigung aktueller pflegewissenschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Kenntnisse dargestellt und analysiert. Zu Grunde gelegt wird dabei auch ein modernes Verständnis von Management, welches Management als einen dynamisch verlaufenden Entwicklungsprozess versteht. Kontinuität und Wandel schließen sich demnach nicht aus, sondern existieren gleichberechtigt nebeneinander.
2.3 Tetraplegie: Bedeutung aus verschiedenen Blickwinkeln
2.3.1 Medizinisch-funktionale und pflegerische Präsenz
Die Tetraplegie ist eine Form der Querschnittlähmung des Rückenmarks, bei der die Höhe der Läsion oberhalb des fünften Halswirbels zu einer Funktionseinschränkung der Arme und Beine führt. Bei Paraplegikern hingegen sind nur die Beine betroffen. Befindet sich die Schädigung des Rückenmarkquerschnitts oberhalb des vierten Halswirbels, spricht man von einem so genannten „hohen Querschnitt“, der mit einem zumindest zeitweisen Ausfall der Atemmuskulatur einhergeht (vgl. ISERMANN/BONSE 2001, 328 und KLINGELHÖFER/SPRANGER 2001, 410).
Entscheidend zur Beurteilung und Qualität der Querschnittlähmung sind einerseits die Höhe der Läsion und andererseits das Ausmaß der Schädigung (komplett oder inkomplett). Als häufigste Ursachen vollständiger oder halbseitiger Rückenmarksläsionen gelten Traumata aller Art, Tumore, Hämatome, Abszesse, Muskelentzündungen (z.B. nach viralen Infekten bei Heroinsüchtigen oder nach Impfungen), Muskelschwund (z.B. Multiple Sklerose) oder Strahlenmyelopathien nach Röntgentherapie (vgl. MUMENTHALER 1997, 21).
Hier steht die Form der Tetraplegie im Vordergrund, die mit einem hohen Maß an Abhängigkeit der Betroffenen durch eine komplette Atemlähmung einhergeht. Bedingt durch den hohen Querschnitt kommt es zu unterschiedlichen pathologischen Begleiterscheinungen:
- Durch die Läsion des Zwerchfellnervs (Nervus phrenicus) im Rückenmark entsteht eine komplette Lähmung des Zwerchfells. Die dauerhafte Anlage eines Tracheostomas wird ebenso notwendig wie die lebenslange maschinelle Beatmung. Durch die Respirationstherapie und den fehlenden Hustenreflex erhöhen sich die Gefahren der Atemwegsverschleimung und der Pneumonie. Da die Trachealkanüle unterhalb der Stimmbänder geblockt ist, können die Patienten nicht laut sprechen. Die Anlage spezieller Sprechkanülen gelingt nicht in jedem Fall und ist dann nur zeitweise möglich.
- Die Motorik ist in allen vier Extremitäten und im Rumpf so betroffen, dass willentliche Bewegungen nicht möglich sind. Unwillkürlich auftretende Spastiken müssen medikamentös gedämpft werden. Der Kopf kann bewegt werden, die Gesichtsmuskulatur ist ebenfalls erhalten. Kauen und Schlucken ist möglich, so dass die Patienten die Nahrung oral verabreicht bekommen können, die sie vertragen.
- Von der Lähmung betroffen sind die Harnblase und Darm. Der intermittierende sterile Einmalkatheterismus hat sich als die Form der Blasenentleerung erwiesen, die mit den wenigsten Komplikationen hinsichtlich Infektionen behaftet ist. Die Darmperistaltik ist erhalten, muss aber durch Suppositorien und andere Weichmacher unterstützt werden.
- Der Blutkreislauf ist bei den meisten Tetraplegikern beeinträchtigt: Aufgrund der verletzten Nervenbahnen im Rückenmark kann der Sympathikus-Nerv eine vom Gehirn bestimmte Vasokonstriktion nicht mehr weiterleiten. Die Folge ist eine Hypotonie und Bradycardie, die auch bei Anstrengung (z.B. Mobilisation) nicht gegenreguliert werden. Eine Mobilisation in den Rollstuhl ist dennoch bei den meisten Tetraplegikern über mehrere Stunden am Tag möglich.
- Temperaturregulationsstörungen gehören ebenfalls zu den pathologischen Begleiterscheinungen. Je nach der jeweiligen Umgebungstemperatur kühlt der Körper ab oder erwärmt sich, ohne dass er gegensteuern kann. Die zu den Schweißdrüsen verlaufenden Nervenbahnen sind unterbrochen. Dadurch wird das Schwitzen verhindert.
- Sensibilitätsstörungen haben Ultrahochgelähmte am ganzen Körper. Nur am Kopf ist das Gespür für Wärme und Kälte vorhanden. Schmerzen hingegen können am ganzen Körper vor allem als so genannte Phantomschmerzen wahrgenommen werden (vgl. TIEDEMANN 2004, 6-10).
Ein wichtiger Unterschied zwischen ärztlicher und pflegerischer Perspektive bei der Betreuung von Tetraplegikern besteht vor allem in der Zeit, die das jeweilige Personal mit den Patienten verbringt. Bei der ambulanten Pflege von Hochquerschnittgelähmten sind Pflegekräfte vierundzwanzig Stunden am Tag mit den Betroffenen zusammen in deren Wohnung oder Haus, während ein Hausarzt ein bis zweimal in der Woche für etwa fünf Minuten zur Visite kommt. Der Berufsgruppe der Pflege kommt also bei der Versorgung eine zentrale Rolle zu, da sie am intensivsten mit dem Patienten arbeitet und ihn daher am besten kennt. So übernehmen Pflegende eine koordinierende Funktion bei der Betreuung, weil sie entscheiden müssen, wann welche Form der Hilfe bei verschiedenen Problemen hinzugezogen werden muss. Gerade in der häuslichen Pflege geschieht dieses in enger Abstimmung mit den kommunikationsbehinderten Patienten, die schon allein zur Kontaktaufnahme mit ihrem Hausarzt auf Unterstützung angewiesen sind. Um eine bestmögliche Versorgung zu gewährleisten erscheint es also sinnvoll, wenn die „Rehabilitation als pflegerische Kernaufgabe“ (vgl. KRISTEL 1998) von Betroffenen und Betreuenden so wahrgenommen wird, dass die Bedeutung der Vermittlerfunktion des Pflegepersonals allen bewusst ist und akzeptiert wird. Auf der Basis gegenseitigen Vertrauens in die fachlichen Fertigkeiten und Fähigkeiten kann so eine hohe pflegerische und medizinische Qualität gesichert werden.
Aus pflegerischer Sicht ist ein ganzheitlicher Ansatz bei der häuslichen Versorgung von Tetraplegikern angebracht, der über eine rein medizinisch-funktionale Betrachtung hinausgeht und die Betroffenen in ihrem familiären und sozialen Umfeld in der Form mit einbezieht, dass für alle denkbaren pflegerischen und medizinischen Probleme individuelle Lösungen gefunden werden.
2.3.2 Psychosoziale Perspektive
Die Betrachtungsweise, die das Seelenleben beatmeter hochgelähmter Patienten in ihrer häuslichen und familiären Umgebung beleuchtet, ist zunächst durch die starke Abhängigkeit gegenüber ihrer Umwelt gekennzeichnet. Da die Tetraplegie in den meisten Fällen durch einen Unfall entsteht und einen akuten Schicksalsschlag im Leben der Betroffenen darstellt, ist es gut nachvollziehbar, dass die extreme Hilfebedürftigkeit sich auf die Beziehungen zu Familie und Freunden auswirkt. Ein bis dahin unabhängiger Mensch ist in seinen Handlungsoptionen so weit beeinträchtigt, dass er bei seinen Vorhaben nahezu durchgehend auf Fremdhilfe angewiesen ist. Diese Situation erfordert bei den Betroffenen die Bereitschaft zur Annahme von Unterstützung bei allen Verrichtungen des täglichen Lebens. Für die Umstellung auf die ungewohnte neue Lebenssituation ist eine optimistische, lebensbejahende Einstellung von Vorteil. Gerade zu Beginn der Rehabilitation können die Patienten Fortschritte erzielen, wenn sie sich schnell an neue Gegebenheiten anzupassen und die ihnen verbleibenden Handlungs- und Entscheidungsspielräume zu nutzen wissen. Einen Lebenssinn in dieser womöglich aussichtslos erscheinenden Situation zu finden, bedarf einer professionellen und individuell angepassten Unterstützung durch Psychologen, Pflegekräfte und andere beteiligte Berufsgruppen. Lebenspartner, Angehörige und Freunde können vor allem in der häuslichen Betreuung wichtige unterstützende Partner zur Wiederherstellung des seelischen Gleichgewichtes sein. Allerdings benötigen auch sie Unterstützung im Umgang mit dem intensiv zu pflegenden Tetraplegiker, von dem sie bisher physische und psychische Unabhängigkeit gewohnt waren.
Betroffene heimbeatmete Patienten erleben ihren Körper als verletzlich und stark von der dauerhaften Tracheotomie beeinträchtig. Daneben nehmen sie aber auch Gefühle innerer Stärke wahr, die zum Teil als Widerstandskraft gegen die vorherrschenden Bedingungen interpretiert werden (vgl. LINDAHL ET AL 2003). Die psychische Rehabilitation ist ein langwieriger Prozess, der möglicherweise nie abgeschlossen sein wird. Als übergeordnete Ziele bei der Betreuung von Tetraplegikern können das Erreichen einer größtmöglichen Selbstständigkeit und die soziale Wiedereingliederung betrachtet werden (vgl. BAUMGARTNER 2003, 649 f.).
3 Organisatorische Voraussetzungen
3.1 Aufbauorganisation
3.1.1 Leitbild
Nach BORSI dienen „Leitbilder… als Interpretationsmuster für Entscheidungen, Motivations- und Identifikationsprozesse sowie für Handlungen“ (BORSI 2001, Studienbrief 3, 38). Sie sollen Orientierung und Halt bieten und bei hohem Tempo von Veränderungen eine Kontinuität im Wandel erhalten.
Um ein Leitbild in ein Unternehmen zu übertragen, bedarf es der Klärung der Mission („Wir verstehen uns als…“) und der Vision („Wir streben an…“). Verschiedene Analyseinstrumente können im Vorfeld der Leitbildentwicklung die Rolle des Betriebes zu sich selbst und zur Umwelt klären: Umweltanalyse, Unternehmensanalyse, Stakeholder-Analyse und die Analyse der Wertvorstellungen (vgl. THIELE/GREULICH 2003, 18-22). In der aktuellen Literatur herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass bei der Entwicklung eines Leitbildes die Mitarbeiter zu beteiligen sind. Der Anstoß hingegen sollte durch die Geschäftsleitung erfolgen.
Für einen ambulanten Pflegedienst, der Tetraplegiker in seiner Einrichtung betreut, ist ein bereits vorhandenes Leitbild zu überarbeiten, so dass sich die spezielle Situation der Intensivbetreuung der
Hochquerschnittgelähmten im Leitbild wieder findet. Wünschenswert ist es dabei, wenn aus dem Leitbild konkrete Handlungsweisen abgeleitet werden. Die Entwicklung oder Überarbeitung des Leitbildes in einem Projekt, das die Mitarbeiter als Mitgestalter einbezieht, bietet die besten Voraussetzungen zu einer vertieften Auseinandersetzung mit dem Anspruch an sich selbst und den Anspruch an den Betrieb als Pflegeorganisation. Damit das Leitbild im Anschluss an die Entwicklung reflektiert und gelebt wird, erscheint eine regelmäßige Überarbeitung in halbjährlichem bis jährlichem Abstand sinnvoll.
3.1.2 Organigramm
Ein Organigramm ist ein strukturelles Instrument zur übersichtlichen Darstellung der Entscheidungswege in einem ambulanten Pflegedienst. Die Pflegedienstleitung (PDL) sollte von der Pflege freigestellt sein und befindet sich je nach Größe des Pflegedienstes in der Geschäftsführung (GF). Wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse es zulassen und die Organisation der Betreuung der Tetraplegiker es in ihrem Ausmaß erfordert, kann eine stellvertretende Pflegedienstleitung als Abwesenheitsvertretung mit gleichen Fähigkeiten und Qualifikationen erforderlich sein. Eine Verwaltungsfachkraft rechnet die Leistungen ab, ist der PDL direkt unterstellt und hat keine Weisungsfunktion (vgl. SIEßEGGER 2002, Studienbrief 12, 23-25).
Zur Pflege der Tetraplegiker sind Teams aus mehreren Pflegekräften zu bilden, die jeweils für einen Patienten zuständig sind. Eine Teamleitung aus ihrer Mitte trägt die Verantwortung für die Dienstplanung und die Umsetzung der individuellen Pflege (s. Abb.1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Organigramm eines Pflegedienstes mit Pflegeteams für
Heimbeatmete (eigene Darstellung)
3.1.3 Personalstruktur
Ein Tetraplegiker benötigt aufgrund seiner Beatmungspflicht eine 24-Stunden-Pflege. Da der Schleim in den Atemwegen nicht selbstständig abgehustet werden kann, ist die Anwesenheit von fachlich kompetentem Pflegepersonal jederzeit erforderlich. Die ständige Bereitschaft der trachealen Absaugung zur Verhinderung des Erstickens stellt somit die wichtigste Begründung zur Vollzeitpflege dar, aber nicht die einzige.
Das Arbeitszeitgesetz lässt während 24 Stunden eine 3-Schichten-Pflege zu. Wenn man sich an der 38,5-Stunden-Woche orientiert, sind zur Abdeckung der Pflege unter Berücksichtigung des Jahresurlaubes und beispielsweise krankheitsbedingter Ausfälle 5,5 Stellen notwendig. Bei der Verteilung der Stellen nach dem Umfang der einzelnen Beschäftigungsverhältnisse ist zu berücksichtigen, dass einerseits durch die Vergabe von mehreren Teilzeitverträgen die Flexibilität bei der Dienstplangestaltung gesteigert werden kann, durch die sich andererseits aber der Verwaltungsaufwand und die Personalkosten erhöhen (vgl. SIEßEGGER 2002, Studienbrief 13, 30). Zur Gewährleistung einer Kontinuität der Betreuung und Pflege ist es sinnvoll, mindestens drei Vollzeitkräfte im Pflegeteam zu beschäftigen. Der durch einen mehrmonatigen Krankenhausaufenthalt hospitalisierte Patient wünscht sich verständlicherweise eine beständige, vertrauensbildende Pflegesituation zu Hause. Vollzeitkräfte kennen durch ihre Anwesenheit an 20-23 Tagen im Monat die pflegerisch relevanten Gesundheitsrisiken am besten.
3.1.4 Rechtsform des Betriebs
Als Rechtsform wird der rechtliche Rahmen bezeichnet, in dem sich der Betrieb bewegt. Rechtsgrundlagen sind das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), das Handelsgesetzbuch (HGB) und Sondergesetze für Kapitalgesellschaften (vgl. GONSCHOREK/SOMMERER 2000, 49).
Unterschiedliche Rechtsformen haben verschiedene Vor- und Nachteile für das Unternehmen „ambulanter Pflegedienst“. Zunächst muss entschieden werden, ob der Betrieb als Einzel- oder Mehrpersonenunternehmen geführt werden soll. Für eine Mehrpersonengründung sprechen die finanzielle Risikominimierung, die Erhöhung des Eigenkapitals und die Verteilung des Arbeitsaufkommens. Als eigenverantwortlicher Einzelunternehmer hingegen können alle Entscheidungen nach innen und außen hin selbstständig gefällt werden und der Gewinn muss nicht geteilt werden. Nach haftungs- und steuerrechtlichen Kriterien muss zwischen einer Personengesellschaft oder einer Kapitalgesellschaft gewählt werden. Die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) ist eine Personengesellschaft, die relativ einfach und kostengünstig gegründet werden kann. Die Haftung des oder der Eigentümer erfolgt unbeschränkt inklusive des Privatvermögens bei einem Konkurs. Der gesamte Gewinn unterliegt der Einkommenssteuer. In der Anfangsphase können Steuerverluste durch gemeinsame Veranlagung mit einem lohnabhängig tätigen Ehepartner und durch Kapital- oder Mieteinkünfte gemindert werden. Als Kapitalgesellschaft ist bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) von Beginn an eine Körperschaftssteuer von 25% auf den erwirtschafteten Gewinn zu zahlen. Zur Gründung ist ein Haftungskapital von 25.000 € nachzuweisen, von denen 12.500 € einzuzahlen sind. Die Haftung bei einem Bankrott ist auf diese Kapitaleinlage beschränkt. Die Banken verlangen jedoch zumeist eine persönliche Bürgschaft der Eigentümer zur Kreditvergabe, was die so genannte „beschränkte Haftung“ relativiert. Für einen ambulanten Pflegedienst ergeben sich Vorteile einer GmbH dadurch, dass die Gesellschaft die Verträge mit den Krankenkassen, Pflegekassen und Berufsgenossenschaften abschließt. Bei einem Wechsel der Geschäftsführung oder der Eigentümer behalten diese Verträge ihre Gültigkeit. Die zuvor erwähnten steuerlichen Gründe sprechen allerdings dafür, dass eine GmbH erst dann gegründet wird, wenn größere Gewinne im Pflegedienst erwirtschaftet werden (vgl. HALLENSLEBEN 2003, 12-17). Die Nischenstrategie der Pflege von Tetraplegikern kann diesen Schritt schon bei zwei bis drei Patienten sinnvoll machen.
Andere Rechtsformen wie beispielsweise die Partnergesellschaft, die offene Handelsgesellschaft (OHG) oder die Kommanditgesellschaft (KG) kommen bei ambulanten Pflegediensten selten vor, weil die gesetzlichen Bestimmungen für kleinere bis mittlere Pflegebetriebe starke Einschränkungen bieten.
3.1.5 Arbeitsrechtliche Grundlagen
Wie bereits im vorangegangenen Kapitel ersichtlich, sind diverse rechtliche Bestimmungen zur Gründung und zum Betrieb eines ambulanten Pflegedienstes wichtig. An dieser Stelle können nur wesentliche Grundlagen des Arbeitsrechts behandelt werden. Zu einer vertieften Auseinandersetzung mit diesem komplexen Thema sei auf die einschlägige Literatur verwiesen.
Wenn lohnabhängige Arbeitnehmer zur Betreuung von Tetraplegikern im Betrieb beschäftigt werden, entsteht ein Arbeitsverhältnis, welches Rechte und Pflichten für beide Parteien mit sich bringt. Der Arbeitnehmer ist zunächst einmal zur Erbringung der durch den Arbeitsvertrag versprochenen Dienste verpflichtet. Regelungen zum Inhalt der Arbeitspflicht, zum Arbeitsort und zum zeitlichen Umfang der Arbeit werden im Arbeitsvertrag niedergeschrieben. Oftmals gehören zum Umfang der Betreuung von Tetraplegikern Ausflüge und Urlaube mit einem eigenen behindertengerechten Kleinbus, so dass der Arbeitsvertrag an eine Fahrerlaubnis für PKW gebunden sein sollte. Einige Nebenpflichten verpflichten Arbeitnehmer zur Mitteilung bei einem drohenden Schaden, zur Verschwiegenheit hinsichtlich der Betriebsgeheimnisse, zum Verbot kreditschädigender Mitteilungen an Dritte, zum Verbot der Bestechungsgeldannahme, zur Mäßigung bei politischen Äußerungen im Betrieb und zur Unterlassung von Wettbewerb.
Die Hauptpflicht des Arbeitgebers ist die Zahlung des Entgelts. Dabei gilt der Grundsatz: „Zuerst die Arbeit, dann der Lohn.“ Sonderzuwendungen in Form von Weihnachtsgeldgratifikationen oder Urlaubsgeld erfolgen freiwillig durch den Arbeitgeber, wenn sie nicht durch den Arbeitsvertrag festgeschrieben worden sind. Wenn drei Jahre hintereinander vorbehaltlos gezahlt wird, entsteht ein Anspruch für die Zukunft durch betriebliche Übung. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt verhindert bei ausdrücklicher Erklärung das Entstehen der betrieblichen Übung. Als Nebenpflichten des Arbeitgebers gelten einerseits die Beschäftigungspflicht und andererseits allgemeine Fürsorgepflichten in Form von Schutz-, Sorgfalts- und Auskunftspflichten (vgl. MAURER 2001, Studienbrief 5, 39-49).
Der Arbeitsvertrag eines abhängig Beschäftigten kann befristet sein. Die Befristung ist jedoch an Bedingungen geknüpft. Dabei muss ein sachlicher Grund für die Befristung vorhanden sein. Die Typologie der Befristungsgründe ist in §14 Abs.1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) durch einen nicht abschließenden Katalog von Regelbeispielen niedergeschrieben. Das Problem, das sich hier an der Arbeitszeitbefristung darstellt, besteht für Arbeitnehmer in der Gefahr der Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes. Wenn jedoch der Arbeitnehmerschutz eine zu starke Gewichtung erfährt, würde sich die Einstellungspolitik unflexibler gestalten, was wiederum den Interessen der Arbeitssuchenden zuwiderläuft (vgl. KERRES 2003, 113).
Das Mutterschutzgesetz (MuSchG) enthält diverse Bestimmungen zum Schutz des ungeborenen Lebens. Relevant sind Verbote von Mehr-, Nacht- und Sonntagsarbeit sowie die Beschäftigungsverbote sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Entbindung. Die Vorschriften über die sozialversicherungsrechtlichen Lohnersatzleistungen wie das Mutterschaftsgeld während der Beschäftigungsverbote sind zu beachten. Wenn eine Schwangere während ihrer gesamten Schwangerschaft aufgrund einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit des Kindes oder ihrer selbst nicht arbeiten kann, kann dies dazu führen, dass der Arbeitgeber während der gesamten Zeit vollen Lohn zahlen muss (vgl. MAURER 2001, Studienbrief 6, 49). Eine Versicherung kann einen ambulanten Pflegedienst vor diesem für ihn ungünstigen Fall schützen.
Auch bei Krankheit besteht ein Anspruch auf Lohnfortzahlung in voller Höhe für die Dauer von sechs Wochen. Der Arbeitnehmer ist zur Anzeige und zum Nachweis der Krankheit durch eine ärztliche Bescheinigung verpflichtet. Voraussetzungen für den Entgeltanspruch sind die ununterbrochene Beschäftigung von mindestens vier Wochen im Betrieb und ein fehlendes Verschulden des Arbeitnehmers hinsichtlich seiner Erkrankung. Dieser Punkt ist Anlass etlicher gerichtlicher Auseinandersetzungen (vgl. MAURER 2001, Studienbrief 6, 13f.).
Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) regelt die Arbeitszeit zur Sicherung des Schutzes der Arbeitnehmer vor Überforderung. Zulässig sind tägliche Arbeitszeiten bis zu acht Stunden, in Ausnahmefällen bis zu zehn Stunden. Für Pflegepersonal gibt es Sonderregelungen, die die Schichtarbeit und Nachtarbeit regeln. Für die 24-Stunden-Versorgung eines Tetraplegikers ergibt sich die Notwendigkeit eines 3-Schichten-Systems, wenn dabei das ArbZG eingehalten werden soll. Einige Pflegedienste haben sich einem Tarifvertrag angeschlossen, der tarifliche Bestimmungen und Details wie beispielsweise Samstagsarbeit, Arbeit an Vorfesttagen, Überstunden und Abgeltung von geleisteten Überstunden und Urlaub regelt. Auch Betriebsvereinbarungen können in die Arbeitszeitgestaltung eingreifen, wenn sie dabei gesetzliche Bestimmungen nicht überschreiten (vgl. KÄMMER/SCHRÖDER 2000, 166).
Eine Entscheidung, vor der ein ambulanter Pflegedienst einmal stehen könnte, ist die Kündigung eines Mitarbeiters. Abgesehen von der außerordentlichen Kündigung, die sich auf strafbare Handlungen, wie beispielsweise Körperverletzungen oder sexuelle Belästigungen, bezieht, gibt es drei Formen der ordentlichen Kündigung: Die personenbedingte Kündigung, die verhaltensbedingte Kündigung und die betriebsbedingte Kündigung. Die Kündigung aus betrieblichen Gründen kann notwendig werden, wenn ein Tetraplegiker, mit dem ein Versorgungsvertrag besteht, diesen Vertrag kündigt oder wenn er stirbt. Die betroffenen Mitarbeiter können vom Inhaber des Pflegedienstes eine Begründung verlangen, die Aufschluss darüber gibt, warum gerade sie von der Kündigung betroffen sind (vgl. HAUBROCK 1996, 119).
3.1.6 Finanzierung der Pflege
Die Finanzierung der Pflege von Tetraplegikern in ambulanter Betreuung ist einzelfallabhängig. Wenn die Tetraplegie auf einer Krankheit beruht, sind die Betroffenen durch ihre Krankenversicherung, die Pflegeversicherung, ihr Privatvermögen und Sozialämter abgesichert. Der Pflegedienst handelt Verträge zur pflegerischen Versorgung mit den Sozialversicherungsträgern aus, wenn er dazu vom Tetraplegiker den Auftrag erhält (vgl. SIEßEGGER 2002, Studienbrief 13, 6-9). Aus Sicht der Pflegeversicherung ist ein Tetraplegiker immer nach Pflegestufe III als Härtefall einzustufen. Dennoch wird die für diesen höchsten Pflegesatz vorgesehene Vergütung nicht ausreichen, um die Bruttoarbeitslöhne und die Lohnnebenkosten für die 5,5 Mitarbeiterstellen rund um die Uhr abzudecken. Weitere Kosten entstehen, wenn ein Hochgelähmter zu Hause versorgt wird, durch die Einrichtung und den Betrieb von Diensträumen wie Aufenthaltsraum und Personaltoilette. Energie- und Telefonkosten müssen dabei ebenso berücksichtigt werden. Die Sozialversicherungsträger werden bei den Verhandlungen zur Ermittlung der Pflegekosten versuchen, die Kosten zu drücken. Kriterien, die die Verhandlungen beeinflussen können, sind die Größe und der finanzielle Umsatz der Kasse, die Häufigkeit der Leistungserbringung für Tetraplegiker und nicht zuletzt der persönliche Kontakt zu den Entscheidungsträgern.
Wenn die Tetraplegie hingegen auf einem Arbeitsunfall beruht, sind die Berufsgenossenschaften für die Folgen des Unfalls schadensersatzpflichtig. Obwohl es auch dabei zu Auseinandersetzungen zwischen Anspruchberechtigten und Anspruchpflichtigen kommt, ist die Finanzierung durch die Berufsgenossenschaften im Regelfall weniger problematisch.
3.1.7 Räumliche Umgebung
Querschnittgelähmte sind aufgrund ihrer Erkrankung an den Rollstuhl gebunden. Dieser Umstand erfordert bei der Gestaltung der Wohnung oder des Hauses die Berücksichtigung größtmöglicher Bewegungsfreiräume. Für Tetraplegiker ist ein spezieller Rollstuhl erforderlich, der in einem Blechkasten hinter der Stuhllehne im unteren Bereich ein Beatmungsgerät aufnimmt. Eine Batterie unter der Sitzfläche versorgt einerseits das Beatmungsgerät und andererseits einen Elektromotor mit Strom. Das Leergewicht des Rollstuhls beläuft sich dadurch auf über 100 Kilogramm, was bei der Bodenbelastung berücksichtigt werden muss. Der Fußbodenbelag sollte aus einem Material bestehen, dass den Rollwiderstand der Reifen nicht übermäßig erhöht. Die Ausmaße des Rollstuhls sind in Länge und Breite größer im Vergleich zu den leichteren Pendants der Paraplegiker. Der Fußboden der Wohnung muss also nicht nur überall planeben, sondern die Türöffnungen müssen breit genug für den Rollstuhl sein. Zudem sollte die Wohnung ausreichend Platz für ausladende Wendemanöver bieten. Geringe Steigungen können mittels speziell angefertigter Rampen überwunden werden. Das Spezialbett eines Tetraplegikers sollte zur Erleichterung der Pflege von allen Seiten begehbar sein. Wenn für das Duschen eine Duschtrage benutzt wird, muss das Badezimmer einerseits groß genug sein und andererseits über einen Wasserablauf im Fußboden verfügen. Eine befahrbare Terrasse oder ein Garten geben dem erheblichen Bewegungseingeschränkten die Möglichkeit, sich im Freien aufzuhalten.
Ein Dienstzimmer mit Rufanlage für das Pflegepersonal schafft etwas Privatsphäre für die Betroffenen und ist zudem bei 24-Stunden-Pflege für die Pflegenden als Aufenthaltsraum notwendig. Zur Aufbewahrung von diversen Pflegematerialien und Hilfsmitteln ist ein zusätzlicher Raum nötig (vgl. BAUMGARNTNER 2003, 540).
3.1.8 Technische Ausstattung
Die technische Ausrüstung, die ein Ultrahochgelähmter zur Erfüllung seiner Bedürfnisse benötigt, ist umfangreich, teuer und wird ständig weiterentwickelt. Lebensnotwendig ist ein Beatmungsgerät mit der Möglichkeit der Atemgasanfeuchtung. Es muss transportabel sein und robust gegen Witterungseinflüsse, wenn Ausflüge und Urlaube damit gemacht werden sollen. In der Praxis hat sich der Betrieb zweier identischer Geräte bewährt, eines am Bett und eines im Rollstuhl. Bei Ausfall eines Respirators kann auf das Zweitgerät zurückgegriffen werden. Da das Atemzentrum der Patienten komplett gelähmt ist, müsste die Pflegekraft ohne Ersatzgerät manuell mit dem so genannten „Ambubeutel“ beatmen und könnte nur sehr umständlich Hilfe organisieren. Zwingend erforderlich ist ein Absauggerät zum Absaugen des Trachealsekrets. Ein zweites mobiles Gerät ermöglicht das Absaugen während der Ausflüge. Zur Überwachung der Sauerstoffsättigung im Blut ist ein Pulsoximeter notwendig und zur Kontrolle des Kohlendioxidgehalts in der Ausatemluft ein Kapnograph. Für den Notfall muss eine Sauerstoffflasche bereitstehen, um bei Luftnot bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes die O2-Versorgung gewährleisten zu können (vgl. BAUMGARTNER 2003, 539 f.).
Ein höhenverstellbares Pflegebett sollte über eine Hydraulik zur Verstellung des Kopfteiles und der Längsachse verfügen, um Kreislaufdepressionen durch die so genannte Trendelenburg-Lage abfangen zu können. Eine Wechseldruckmatratze kann die Entstehung von Druckgeschwüren bei den dekubitusgefährdeten Patienten verhindern. Verschiedene Lagerungshilfen unterstützen dies und vermindern die Gefahr von Kontrakturen.
Mobilität entsteht für Tetraplegiker erst, wenn sie einen speziellen Elektrorollstuhl über eine Kinnsteuerung selbstständig fortbewegen können. Eine Rufanlage muss an dem Rollstuhl installiert sein, um jederzeit die Hilfe des Pflegepersonals anfordern zu können. Ein behindertengerechter Kleinbus mit einer Laderampe sollte über eine Klimaanlage und eine Standheizung verfügen, da die körpereigene Temperaturregulierung der Tetraplegiker nicht wie bei Gesunden arbeitet.
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- Dipl. Pflegewirt Dirk Meifort (Author), 2006, Tetraplegie in der Ambulanten Pflege. Ein Management-Konzept für Pflegedienste, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60120
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