Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit Verwaltungsvorschriften als Staats- und Verfassungsrechtlichem Problem. Der Streit um die Rechtssatzqualität von Verwaltungsvorschriften beruht weniger auf den einzelnen Vorschriften, ihren Ausformulierungen oder Ansatzpunkten selbst, als vielmehr auf einem unterschiedlichen Verständnis des Zusammenwirkens und Verhältnisses der drei Staatsgewalten Exekutive, Legislative und Judikative. Verwaltungsvorschriften sind laut Definition „Regelungen, die innerhalb der Verwaltungsorganisation von übergeordneten Verwaltungsträgern an nachgeordnete Verwaltungsträger ergehen und dazu dienen, Organisation und Handeln der Verwaltung näher zu bestimmen. Rechtstheoretisch ist die Verwaltungsvorschrift Rechtsnorm, hat aber nur bedingt Außenwirkung. Grundlage für ihren Erlass ist die Organisationsgewalt der Verwaltung“. Rechtsnorm, oder Rechtssatz, ist jedoch „die einzelne rechtliche Sollensanforderung. Sie besteht regelmäßig aus einem Tatbestand und einer Rechtsfolge.“
Aus diesen zwei einfachen Definitionen wird schon ein wesentliches Konfliktpotential ersichtlich: die Definition der Rechtsnorm spricht nicht von einer begrenzten Außenwirkung, sondern im Gegenteil: Eine Rechtsnorm stellt eine unbedingte Sollensanforderung dar, deren Nichtbeachtung geahndet wird. Die Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften ist nicht ohne weiteres zu ermitteln: handelt es sich um Dienstvorschriften, so haben diese in erster Linie natürlich eine Innenwirkung, handelt es sich um einen Erlass so ist es keinesfalls ausgeschlossen, dass dieser mehr Außen- als Innenwirkung erzielt. Ein weiterer Streit um die Verbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften oder um die Legitimation der Verwaltung, Vorschriften mit Außenwirkung zu erlassen, ist aufgrund unterschiedlicher Lesart und Auslegung des GG entbrannt: Befürworten die Einen die Eigenständigkeit und Legitimation der Verwaltung, Vorschriften in ihrem Wirkbereich zu erlassen, fordern die Anderen eine strikte Unterwerfung jeglichen Verwaltungshandelns unter Gesetz und Jurisdiktion mit der Konsequenz der Beschneidung des Entscheidungsfreiraums der Verwaltungsträger.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Literatur und Forschungsstand
3.1 Grenzen der Verwaltung durch Gerichts- und Gesetzesunterworfenheit
3.2 Eigenständigkeit der Verwaltung als eigene Staatsgewalt
4. Schluss
5. Zusammenfassung in Thesen
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit Verwaltungsvorschriften als Staats- und Verfassungsrechtlichem Problem. Der Streit um die Rechtssatzqualität von Verwaltungsvorschriften beruht weniger auf den einzelnen Vorschriften, ihren Ausformulierungen oder Ansatzpunkten selbst, als vielmehr auf einem unterschiedlichen Verständnis des Zusammenwirkens und Verhältnisses der drei Staatsgewalten Exekutive, Legislative und Judikative.
Verwaltungsvorschriften sind laut Definition „Regelungen, die innerhalb der Verwaltungsorganisation von übergeordneten Verwaltungsträgern an nachgeordnete Verwaltungsträger ergehen und dazu dienen, Organisation und Handeln der Verwaltung näher zu bestimmen. Rechtstheoretisch ist die Verwaltungsvorschrift Rechtsnorm, hat aber nur bedingt Außenwirkung. Grundlage für ihren Erlass ist die Organisationsgewalt der Verwaltung“[1]. Rechtsnorm, oder Rechtssatz, ist jedoch „die einzelne rechtliche Sollensanforderung. Sie besteht regelmäßig aus einem Tatbestand und einer Rechtsfolge.“[2]
Aus diesen zwei einfachen Definitionen wird schon ein wesentliches Konfliktpotential ersichtlich: die Definition der Rechtsnorm spricht nicht von einer begrenzten Außenwirkung, sondern im Gegenteil: eine Rechtsnorm stellt eine unbedingte Sollensanforderung dar, deren Nichtbeachtung geahndet wird. Die Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften ist nicht ohne weiteres zu ermitteln: handelt es sich um Dienstvorschriften, so haben diese in erster Linie natürlich eine Innenwirkung, handelt es sich um einen Erlass so ist es keinesfalls ausgeschlossen, dass dieser mehr Außen- als Innenwirkung erzielt.
Ein weiterer Streit um die Verbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften oder um die Legitimation der Verwaltung, Vorschriften mit Außenwirkung zu erlassen ist aufgrund unterschiedlicher Lesart und Auslegung des GG entbrannt: befürworten die Einen die Eigenständigkeit und Legitimation der Verwaltung, Vorschriften in ihrem Wirkbereich zu erlassen, fordern die anderen eine strikte Unterwerfung jeglichen Verwaltungshandelns unter Gesetz und Jurisdiktion mit der Konsequenz der Beschneidung des Entscheidungsfreiraums der Verwaltungsträger.
2. Literatur und Forschungsstand
Als Einstieg in die Thematik bietet sich gerade für den nicht- Juristen die Rektoratsrede Hans Peters, „Die Verwaltung als Eigenständige Staatsgewalt“[3]an, weil es sich hier um die schriftliche Niederlegung einer Rede handelt, und diese deshalb naturgemäß allgemeiner ist als die speziellere Literatur, welche dann schon eine genauere Kenntnis der juristischen Termini erfordert. Weiterhin verschafft diese Rede einen guten Überblick über die zur Zeit geführte Diskussion, die vertretenen Positionen und deren stichhaltigste Begründungsansätze, wobei der Autor allerdings selber, schon im Titel, klar Position bezieht. Eine weitaus umfangreichere und die Thematik in größerer Detailliertheit beleuchtende Arbeit ist das „Lehrbuch des Verwaltungsrechts“ von Ernst Forsthoff[4]. Hier finden auch angrenzende Themenbereiche wie Gesetzes- und Gerichtsunterworfenheit der Verwaltung, Innen- und Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften oder das Organisationsrecht der Verwaltung Erwähnung, deren Kenntnis zur sachgerechten Diskussion der Thematik unerlässlich ist.
Eine recht spezielle Darstellung der Thematik bietet die Arbeit „Grenzen der Gerichtsbarkeit im sozialen Rechtsstaat“ von Gerhard Oettl[5], der hier durch das Aufzeigen der Grenzen der Rechtssprechung zugunsten einer eigenständigen Verwaltung argumentiert. Besondere Beachtung verdient diese Arbeit, da sie nicht allein aufgrund begrifflich- theoretischer Grundlagen argumentiert, sondern auch die faktischen Grenzen des Machbaren mitdenkt und so mehr durch bodenständige Vernunft als linguistische Spitzfindigkeit zu überzeugen sucht. Hinterfragt man die Berechtigung der Exekutive zur Gestaltung der Wirklichkeit inrechtsverbindlicherForm, aufgrund von zwar auf Gesetzen fußenden, aber doch selbst erlassenen Vorschriften, so „wird eine der Problemzonen betreten, die zu den umstrittensten der zeitgenössischen Staats- Verfassungs- und Verwaltungsrechtslehre gehört.“[6]
Mit dem Problem der Rechtsverbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften befasst sich der Absatz „Der Bereich exekutiver Entscheidungsverantwortung: Wirklichkeitsgestaltung ohne gesetzliche Ermächtigung- Verwaltungsvorschriften und exekutives Ermessen“ aus der Habilitationsschrift „Funktion – Kompetenz – Legitimation“.[7]
Mit einer angrenzenden Problematik, dem rechtsstaatlichen Gerichtsschutz, befasst sich Wilhelm Dütz.[8]
Die zwei hauptsächlich an die Thematik grenzenden Bereiche sind die Gesetzesunterworfenheit der Verwaltung sowie deren Gerichtsunterworfenheit. Die Rangfolge der Staatsgewalten ist keineswegs so unproblematisch, wie es die Unterordnung der Exekutive zuerst vermuten lässt. Da keine der Staatsgewalten für sich alleine existiert, hat ein Einschränken oder Ausdehnen einer Gewalt immer auch Auswirkungen auf eine oder beide Andere.[9]
Ohne auf die diversen Ausformungen von Verwaltungsvorschriften näher einzugehen[10], soll hier näher darauf eingegangen werden, wie die Verwaltungsvorschriften, als „Stein des Anstoßes“, eine Diskussion über die Verortung der Exekutive in der Trias der Staatsgewalten hervorrufen.
3.1 Grenzen der Verwaltung durch Gerichts- und Gesetzesunterworfenheit
Die Grenzen der Verwaltung im modernen Rechtsstaat sind historisch zu verstehen und äußern sich in Gerichts- und Gesetzesunterworfenheit der Exekutive. Die Verwaltung ist die deutlichste Äußerungsform staatlicher Gewalt gegenüber dem Bürger[11], und so verwundert es kaum, dass sie das Schicksal der Staatsgewalt teilte und zugunsten der Individual- und Freiheitsrechte im Laufe der Entwicklung vom „Nachtwächterstaat“ zum sozialen Wohlfahrtsstaat[12]mehr und mehr zurückgedrängt wurde. Die von Wilhelm von Humboldt entwickelte liberale Lehre, dass der Staat sich als Rechtsstaat auf die Sicherung seiner Glieder vor Ungerechtigkeit zu beschränken habe, erwies sich als nicht mehr zeitgemäß, da die Eingriffe in seine Privat- und Rechtssphäre dem Bürger im Laufe der Industrialisierung zunehmend mehr von privater als von staatlicher Seite drohten. War der Staat bisher seinen Bürgern durch Eingriffe gegenübergetreten, wie Steuern oder Polizeimaßnahmen, so begann er nun sich auch um Bedürfnisse des Bürgers zu kümmern, und es entwickelte sich neben der bisherigen Eingriffsverwaltung eine Leistungsverwaltung.
Deren deutlichste Äußerungen finden wir heute in der Sozial- und Arbeitslosenhilfe. Der parallel verlaufende Mentalitätswandel ist bis heute soweit fortgeschritten, dass unter der Verweigerung einer Leistung schon ein Eingriff zu sehen ist.[13]Da der Bürger, größtenteils zu Recht, im 19. Jh. der Obrigkeit in Form der teilweise von Polizei und Behörden ausgehenden Willkür misstraute, wurde es eine rechtsstaatliche Forderung, die Freiheiten des Staates und der Behörden gegenüber dem Einzelnen einzuschränken. Für die Verwaltung hatte dies eine doppelte Bindung und Unterworfenheit zur Folge: Jedes handeln der Verwaltung hatte aufgrund von Gesetz stattzufinden, und diese Gesetzesunterworfenheit musste nachprüfbar sein. Die einzige Möglichkeit, dies zu garantieren war, die Verwaltung, ihre Entscheidungen und Eingriffe in die Rechtssphäre des Einzelnen, der Rechtssprechung zu unterwerfen. In modernen Staaten äußert sich dies in der Gesetzes- und Gerichtsunterworfenheit der Verwaltung.
Für die Ebene der praktischen Verwaltung bedeutete dies eine große Einschränkung des vorher recht weiten Ermessensspielraums.
Dies Zurückdrängen der Ermessensbetätigung der Verwaltung äußert sich heute hauptsächlich in der Auslegung des Art. 19 lV des GG. Dieser Artikel garantiert den Rechtsweg jedem, dessen Rechte durch die öffentliche Gewalt in irgendeiner Form verletzt wurden. Hiermit kann gegen jede Form des Verwaltungshandelns vorgegangen werden, seit Entstehen der Leistungsverwaltung sogar gegen das Versagen einer Leistung.[14]Es ist als eine wesentliche Funktion des Art. 19 lV zu verstehen, dem Bürger das Gefühl der schutzlosen Auslieferung an den übermächtigen, modernen Staat zu nehmen.[15]
Betrachtet man die Geschichte der Verwaltung und das Entstehen der völlig neuen Leistungsverwaltung, so liegt die Vermutung nahe, die Verwaltung hätte im Lauf ihrer Entwicklung in der Trias der Gewaltenteilung an Bedeutung und Gewicht gewonnen.[16]Dem ist bei weitem nicht so, ganz im Gegenteil: Durch Maßnahmegesetze, normative Ausgriffe in das Verwaltungshandeln, und die Budgetpraxis hat die gesetzgebende Gewalt ihre Zuständigkeit mehr und mehr ausgedehnt.[17]Da in einer Trias der Gewaltenteilung nicht ein Pol geschwächt werden kann, ohne dass es sich auf die beiden anderen auswirkt, profitierte auch die Rechtssprechung von der Einschränkung der Verwaltung, da sie den durch Substanzverlust und Zurückdrängung der Verwaltung entstandenen Leerraum zu füllen begann.[18]
[...]
[1]Köbler, G.: Juristisches Wörterbuch. Für Studium und Ausbildung. Studienreihe Jura, München 1979 siehe Verwaltungsvorschrift.
[2]Ebd., Siehe Rechtsnorm.
[3]Peters, H.: Die Verwaltung als Eigenständige Staatsgewalt. Rektoratsrede. Kölner Universitätsreden Bd. 33, Krefeld 1965.
[4]Forsthoff, E.: Lehrbuch des Verwaltungsrechts. Bd. 1, 10. Aufl. München 1973.
[5]Oettl, G.: Grenzen der Gerichtsbarkeit im sozialen Rechtstaat. Berlin 1971.
[6]Zimmer, G.: Funktion – Kompetenz – Legitimation. Gewaltenteilung in der Ordnung des Grundgesetzes. Schriften zum Öffentlichen Recht Bd. 365, zugl. Habilitationsschrift. Berlin 1979.
[7]Zimmer, G.: Funktion – Kompetenz – Legitimation. Gewaltenteilung in der Ordnung des Grundgesetzes. Schriften zum Öffentlichen Recht Bd. 365, zugl. Habilitationsschrift. Berlin 1979.
[8]Dütz, W.: Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz im Privatrecht. Habilitationsschrift, Berlin 1970.
[9]Ebd. S. 342f.
[10]Hier wäre ein längerer Diskurs über Unterschiede zwischen Verwaltungsvorschriften, Dienstvorschriften, Vereinssatzungen e.t.c. möglich, auf den aber zugunsten einer, meiner Ansicht nach der Diskussion zugrundeliegenden, Problemskizze verzichtet werden soll.
[11]Forsthoff, wie Anm. 4, S. 80.
[12]Oettl, wie Anm. 5, S. 45.
[13]Forsthoff, wie Anm. 4, S. 81.
[14]Oettl, wie Anm. 5, S. 49.
[15]Bachoff, O.: Reflexwirkungen und subjektive Rechte im öffentlichen Recht, in: Forschungen und Berichte aus dem öffentlichen Recht, Gedächtnisschrift für Walter Jellinek, München 1955, S. 287.
[16]Forsthoff, wie Anm. 4, S. 78.
[17]Ebd. S. 79.
[18]Ebd. S. 79.
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