Der Karlspreis ist zu einer festen, weit über die Grenzen Deutschlands bekannten Institu-tion geworden, die aus dem heute immer stärker zusammenwachsenden Europa nicht mehr wegzudenken ist. Seit Beginn der 1950er Jahre wurde er meist alljährlich in Aachen an Personen aus In- und Ausland verliehen, die sich um die Einigung Europas verdient gemacht haben und diese vorantrieben. Innerhalb dieser mehr als 50 Jahre hat sich die politische Situation in Europa grundlegend verändert. Von der schweren Nachkriegszeit mit dem anfänglichen Misstrauen gegenüber Deutschland, über die immer stärker werdenden Annäherungsversuche untereinander bis hin zu dem Knüpfen freundschaftlicher Beziehungen, die in der EU mündeten, haben die europäischen Staaten vieles erlebt und mitgestaltet. Viele Politiker, die diese Entwicklung entscheidend geprägt hatten, haben den Karlspreis für ihre Verdienste erhalten.
In dieser Arbeit sollen nun die Reden der Preisträger untersucht werden. Oft haben die Redner in ihren Vorträgen versucht, den Bogen zu dem Namensgeber dieses Preises, Karl dem Großen, zu spannen. Doch wie sehen diese historischen Anklänge aus. Sind sie betont objektiv gehalten und konform mit der geltenden wissenschaftlichen Auffassung? Oder bemühen sich die Preisträger darum, ein Karlsbild zu zeichnen, das ihren Zwecken dient und legen historische Ereignisse und Taten Karls dahingehend aus? Was erwähnen sie von Karls Leben, was lassen sie weg und wie passt das in die jeweilige politische Situation? Oder verzichten die Redner gänzlich auf eine eigene Auslegung der Karlsvita, vielleicht sogar auf eine Erwähnung des Kaisers? Diese Fragen sollen im Folgenden erörtert und, so weit es möglich ist, geklärt werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Grundlegende Fragen
2. Entstehung und Sinn des Karlspreises
3. Die Darstellung von Leben und Taten Karls des Großen in Reden von Karlspreisträgern
3.1. 1950er Jahre: Graf Coudenhove-Kalergi, Konrad Adenauer und Winston Churchill
3.1.1. Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergi 1950
3.1.2. Konrad Adenauer 1954
3.1.3. Winston Churchill 1955
3.1.4. Analyse der Reden
3.2. 1960er Jahre: Joseph Bech, Edward Heath und Antonio Segni
3.2.1. Joseph Bech 1960
3.2.2. Edward Heath 1963
3.2.3. Antonio Segni 1964
3.2.4. Analyse der Reden
3.3. 1970er und frühe 1980er Jahre: Don Salvador de Madariaga und Emilio Colombo
3.3.1. Don Salvador de Madariaga 1973
3.3.2. Emilio Colombo 1979
3.3.3. Analyse der Reden und Gründe für die geringe Berücksichtigung Karls
3.4. Späte 1980er Jahre: Francois Mitterand und Helmut Kohl
3.4.1. Francois Mitterand 1988
3.4.2. Helmut Kohl 1988
3.4.3. Analyse der Reden
3.5. 1990er Jahre und Anfang des zweiten Jahrtausends: Königin Beatrix der Niederlande, Roman Herzog, und Valéry Giscard d’Estaing
3.5.1. Königin Beatrix der Niederlande 1996
3.5.2. Roman Herzog 1997
3.5.3. Valéry Giscard d’Estaing 2003
3.5.4. Analyse der Reden
3.6. Der Karlsbezug in den verschiedenen Zeiträumen
4. Zusammenfassung und Schlussreflexion
5. Literaturverzeichnis
1. Grundlegende Fragen
Der Karlspreis ist zu einer festen, weit über die Grenzen Deutschlands bekannten Institution geworden, die aus dem heute immer stärker zusammenwachsenden Europa nicht mehr wegzudenken ist. Seit Beginn der 1950er Jahre wurde er meist alljährlich in Aachen an Personen aus In- und Ausland verliehen, die sich um die Einigung Europas verdient gemacht haben und diese vorantrieben. Innerhalb dieser mehr als 50 Jahre hat sich die politische Situation in Europa grundlegend verändert. Von der schweren Nachkriegszeit mit dem anfänglichen Misstrauen gegenüber Deutschland, über die immer stärker werdenden Annäherungsversuche untereinander bis hin zu dem Knüpfen freundschaftlicher Beziehungen, die in der EU mündeten, haben die europäischen Staaten vieles erlebt und mitgestaltet. Viele Politiker, die diese Entwicklung entscheidend geprägt hatten, haben den Karlspreis für ihre Verdienste erhalten.
In dieser Arbeit sollen nun die Reden der Preisträger untersucht werden. Oft haben die Redner in ihren Vorträgen versucht, den Bogen zu dem Namensgeber dieses Preises, Karl dem Großen, zu spannen. Doch wie sehen diese historischen Anklänge aus. Sind sie betont objektiv gehalten und konform mit der geltenden wissenschaftlichen Auffassung? Oder bemühen sich die Preisträger darum, ein Karlsbild zu zeichnen, das ihren Zwecken dient und legen historische Ereignisse und Taten Karls dahingehend aus? Was erwähnen sie von Karls Leben, was lassen sie weg und wie passt das in die jeweilige politische Situation? Oder verzichten die Redner gänzlich auf eine eigene Auslegung der Karlsvita, vielleicht sogar auf eine Erwähnung des Kaisers? Diese Fragen sollen im Folgenden erörtert und, so weit es möglich ist, geklärt werden.
Da eine derartige Untersuchung bisher noch nicht durchgeführt wurde, musste sich die Arbeit einzig auf die Karlspreisreden als Quellen stützen. Es versteht sich von selbst, dass nicht jede der mittlerweile über 40 Reden explizit besprochen werden kann, da es den Rahmen der Seminararbeit sprengen würde. Auch gibt es einige, die inhaltlich für das Thema der Seminararbeit nicht in Frage kommen. Deshalb wurden die markantesten und ergiebigsten Reden herangezogen und näher auf die oben gestellten Fragen hin untersucht. Als Literatur wurden wissenschaftliche Arbeiten herangezogen, die Hintergrundinformationen zu Leben und Taten Karls des Großen und zu der politischen Lage der Zeit nach dem 2. Weltkrieg geben konnten. Zunächst sollen die Entstehung des Karlspreises und seine Absichten erläutert werden. Danach folgt eine Besprechung einzelner Karlspreisreden mit abschließender Schlussreflexion.
2. Entstehung und Sinn des Karlspreises
Die politische Situation der Jahre 1946 bis 1949 stellte alle Länder vor große Schwierigkeiten. Der immer stärker werdende Ost-West-Konflikt und der Beginn des „Kalten Krieges“, die daraus resultierende Spaltung Deutschlands und die zwischenstaatlichen Einigungsbemühungen wie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC), der Europarat, der Brüsseler Pakt oder die NATO, sind nur einige markante Ereignisse und Erscheinungen dieser Zeit. Deutschland sollte und wollte in das westliche Europa eingegliedert werden, in welchem Rahmen dies jedoch geschehen soll, blieb ungewiss.
In dieser kritischen Phase wurde auf Initiative von Dr. Kurt Pfeiffer der Karlspreis ins Leben gerufen. Die Idee dafür entstand aus einem 1946 gegründeten Lesekreis mit dem Namen „Corona Legentium Aquensis“, in dessen Rahmen fortan Ausstellungen und Vortragsreihen mit Politikern, Wissenschaftlern und Kulturschaffenden aus ganz Europa durchgeführt wurden. Der Preis wollte einen Beitrag zu Verständigung der europäischen Staaten untereinander leisten und ins Stocken geratene Einigungsbewegungen vorantreiben.[1] Die Ziele wurden in der pathetischen Proklamation zur Einführung des Karlspreises 1949 hervorgehoben:
„Nach zwei Weltkriegen, in denen die Grenzlage unserer Stadt sich besonders nachteilig auswirkte und in denen das redliche Bemühen mehrerer Generationen um Überwindung imaginärer nationaler Gegensätze sich als vergeblich erwies, müht sich unsere in Trümmer gesunkene Stadt um ihr Lebensrecht. Aber sie ist, durch furchtbare Erfahrungen bereichert, mehr als je bereit, für die abendländische Einigung und als unerläßliche Vorstufe dazu, für wirtschaftliche Einheit sich einzusetzen. Da die Fortschritte der Menschheit immer von einzelnen genialen Persönlichkeiten ausgegangen sind, die sich trotz aller Widerstände ganz ihrer Idee hingegeben haben, muß es nützlich und förderlich sein, auf diese Männer als Vorbilder hinzuweisen, zur Nachahmung und zur Verwirklichung ihrer Ideen aufzufordern.“[2]
Erstmals wurde der Karlspreis dann im Jahr 1950 an Richard Graf Coudenhove-Kalergi verliehen, der sich als Begründer der Paneuropabewegung um die zwischenstaatliche Verständigung verdient gemacht hat. Inzwischen sind über 50 Jahre vergangen und die politische Situation Europas stellt sich völlig anders da als zur damaligen Zeit. In den Karlspreisreden war immer wieder Raum für Visionen, die abseits des politischen Tagesgeschäfts geäußert werden konnten. Betrachtet man diese heutzutage im Spiegel der Zeit, kann man feststellen, dass einiges davon in späteren Jahren auf politischer Ebene umgesetzt werden konnte.
3. Die Darstellung von Leben und Taten Karls des Großen in Reden von Karlspreisträgern
Im Folgenden werden nun verschiedene Karlspreisreden näher untersucht. Vorab soll angemerkt werden, dass nicht in jedem Jahr geschichtliche Anklänge an die Kaiserzeit Karls des Großen in den Reden der Preisträger zu finden sind. Es wurde festgestellt, dass in den 1950er Jahren sieben von acht Reden den historischen Bezug auf den Namensgeber hergestellt und erläutert haben, in den 1960er fünf von sechs, in den 1970er drei von sieben, in den 1980er zwei von sechs, in den 1990er vier von zehn und in den 2000er bisher zwei von vier. Es sollen nun die markantesten und für die Arbeit ergiebigsten Reden nach dem jeweiligen Jahrzehnt geordnet und danach eingehend betrachtet werden. Zu jedem Preisträger werden einleitend kurz einige biographische Lebensdaten angeführt, die zum besseren Verständnis der Intentionen der Rede oft von großem Nutzen sind.
3.1. 1950er Jahre: Graf Coudenhove-Kalergi, Konrad Adenauer und Winston Churchill
3.1.1. Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergi 1950
Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergi (1894-1972) veröffentlichte 1923 die Schrift „Paneuropa“, in der er einen Staatenbund der europäischen Länder forderte. In den folgenden 15 Jahren setzte er sich immer wieder in Zeitungsartikeln und Reden dafür ein, dass ein derartiger Bund entstehen solle. 1947 wurde er Generalsekretär der europäischen Parlamentarier-Union und bekam 1950 als erster den Karlspreis verliehen. In seiner Dankrede bekundete er seine Hoffnung auf ein Entstehen der „Vereinigten Staaten von Europa“, die wie einst das Frankenreich Karls die unterschiedlichen Länder vereinen sollten. Er rief auf zu einer „Charlemagne-Bewegung“, an deren Ende die Erneuerung des Karlsreiches als Bund freier Völker stehen sollte. Für ihn war Karl derjenige, der Europa als erstes in Frieden geeint und zu seiner frühesten Blüte geführt hat.[3]
3.1.2. Konrad Adenauer 1954
1954 bekam Bundeskanzler Konrad Adenauer (1876-1967) den Karlspreis verliehen. Nach dem zweiten Weltkrieg war er Vorsitzender der CDU und 1948 Präsident des Parlamentarischen Rates, auf den das Deutsche Grundgesetz zurückgeht. 1949 wurde er erster Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Konrad Adenauer setzte sich in dieser Position entschieden für die Westintegration seines Landes, für die Einigung Europas und für die Aussöhnung mit Frankreich ein. Für ihn war die Herrschaft Karls des Großen die Zeit, in der Europa eine einheitliche Ordnung hatte. Diese Kaiserzeit war für Adenauer sozusagen das Idealbild eines vereinigten Europas: „In den Zeiten des Mannes, der dem Karlspreis seinen Namen und seine Idee gab, herrschte ein Austausch der materiellen und der geistigen Güter in Europa ohne alle Grenzen.“[4] Er wünschte sich, dass auf den geistigen Wurzeln dieses Reichs eine intensive Kooperation der europäischen Staaten untereinander aufgebaut wird, die schließlich in einen gemeinsamen Staatenbund münden sollte.[5]
3.1.3. Winston Churchill 1955
Ein Jahr nach Adenauer erhielt Winston Churchill (1874-1965) den Karlspreis, der von 1940-1945 und von 1951-1955 Premierminister Englands war. Er führte sein Land durch den 2. Weltkrieg und leitete entschieden europäische Einigungsprozesse ein. Er war aktiv an der Gründung des Nordatlantikpaktes und der Einführung des Europarates beteiligt. 1946 forderte er ein europäisches Friedensprojekt, dass durch die Gründung der Vereinigten Staaten von Europa vollbracht werden sollte. In seinen Dankworten verglich er die Situation nach dem 2. Weltkrieg mit der vor der Kaiserkrönung Karls des Großen. Für ihn gab es vor dem Jahr 800 unter den europäischen Stämmen große Zwietracht und Feindschaft, die sich in vielen Kriegen äußerte. Laut dem Premier waren alle Völker nach der Kaiserkrönung Karls im Jahr 800 erleichtert, dass es nun eine einheitliche Ordnung gab, die Frieden und Wohlstand für die lange zerstrittenen Stämme versprach. Für Churchill befand sich Europa nach dem 2. Weltkrieg an einem ähnlichen Punkt, an dem die Menschen sich danach sehnten, dass endlich Frieden und Sicherheit in Europa einkehren und eine große Gemeinschaft entsteht.[6]
[...]
[1] Vgl. Zur Entstehungsgeschichte des Preises, http://www.karlspreis.de/html/frame.html, 11.08.2005.
[2] Die Proklamation von 1949, http://www.karlspreis.de/html/frame.html, 11.08.2005.
.
[3] Vgl. Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergi, Bisherige Preisträger, http://www.karlspreis.de/html/frame.html, 11.08.2005.
[4] Konrad Adenauer, Bisherige Preisträger, http://www.karlspreis.de/html/frame.html, 11.08.2005.
[5] Vgl. Konrad Adenauer, Bisherige Preisträger, http://www.karlspreis.de/html/frame.html, 11.08.2005.
[6] Vgl. Winston Churchill, Bisherige Preisträger, http://www.karlspreis.de/html/frame.html, 11.08.2005.
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