Der „Wilde“ (S. 66) habe keinerlei sozialen Bedürfnisse, er genüge sich selber in seiner Unabhängigkeit und Freiheit (S. 66 f.). In der zivilisierten Welt jedoch wird der Mensch durch gesellschaftliche Meinungen und Vorbilder verdorben und er entfernt sich immer weiter von seinem ursprünglichen und gutartigen Ich. Der „Weltmensch“ (S. 64) sucht in ständiger Betriebsamkeit nach Ablenkung und sozialem Prestige, da er sich mit sich selbst unwohl und fremd fühlt. Der Einzelne sieht sich nicht mehr mit den eigenen Augen sondern mit denen der Anderen. An Stelle der Selbstliebe tritt die Selbstsucht, die Moral des Menschen verkommt (S. 64 ff.). Der Autor erklärt, dass die Fehlentwicklung der Gesellschaft in der falschen Erziehung der Kinder liege. Über einen Zeitraum von 20 Jahren entwirft der ehemalige Hauslehrer das Modell einer „natürlichen Erziehung“ (S. 52) und fasst sie dann in den Jahren 1757 bis 1760 in dem Werk „Emile oder Über die Erziehung“ zusammen (S. 42 f.).
In der fiktiven Erziehung eines Zöglings namens Emile beschreibt Rousseau eine für diese Zeit revolutionäre Herangehensweise: Nicht die autoritäre Durchsetzung eines Erwachsenenwillens bestimme die Entwicklung des Kindes, sondern die Entfaltung seiner Mündigkeit, Selbstständigkeit und Emanzipation. Der Erzieher bleibt eher beobachtend im Hintergrund und begleitet das Kind während seines natürlichen Heranwachsens zurückhaltend. Schädliche gesellschaftliche Einflüsse sollen von ihm ferngehalten werden Deshalb geschieht seine Erziehung fernab der großen Städte in der abgeschiedenen Idylle eines kleinen Dorfes. Rousseau ist es wichtig, dass Emile sich zuerst mit den natürlichen Dingen und sich selber beschäftigt, bevor er in die Gesellschaft eintritt (S. 83 f.). Nichts soll der Erzieher dem Zögling in der Erforschung der Dinge vorwegnehmen, das Kind würde sonst falsche Vorstellungen von den Dingen bekommen (S. 218 f.).
Inhaltsverzeichnis
- Rousseaus Grundthese
- Die fünf Bücher des „Emile“
- Das erste Buch
- Das zweite Buch
- Das dritte Buch
- Das vierte Buch
- Das fünfte Buch
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Jean-Jacques Rousseaus „Emile oder Über die Erziehung“ ist ein Erziehungsroman, der eine revolutionäre pädagogische Theorie entwickelt. Das Werk beleuchtet die natürliche Entwicklung des Menschen und die negativen Auswirkungen der gesellschaftlichen Einflüsse auf seine Gutartigkeit. Rousseau plädiert für eine „natürliche Erziehung“, die die Selbstentfaltung und Mündigkeit des Kindes in den Vordergrund stellt.
- Die Kritik an der gesellschaftlichen Verdorbenheit des Menschen
- Die Bedeutung der Selbstliebe und des Mitleids in der menschlichen Natur
- Die Entwicklung eines „natürlichen“ Erziehungsmodells
- Die Bedeutung der Freiheit und Selbstständigkeit in der Erziehung
- Die Rolle der Vernunft und der Leidenschaften in der menschlichen Entwicklung
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Buch
Rousseau beschreibt Emiles Entwicklung in den ersten zwei Lebensjahren. Das Kind soll die Liebe seiner Mutter oder Amme erfahren und möglichst viel Freiheit genießen. Der Erzieher greift nur minimal ein und ermöglicht dem Kind, durch natürliche Einflüsse abgehärtet zu werden.
Das zweite Buch
Emile wird im Alter von zwei bis zwölf Jahren beobachtet. Er lernt, sich selbst zu genügen und seine natürliche Umgebung mit seinen Sinnen zu erforschen. Der Erzieher hält sich bei der Vermittlung von Vernunft und Moral zurück, um dem Kind eigene Erfahrungen und Erkenntnisse zu ermöglichen.
Das dritte Buch
Emile wird im Alter von zwölf bis fünfzehn Jahren beschrieben. Er soll nun sein Wissen durch den Unterricht in verschiedenen Fächern erweitern, wobei der Fokus auf praktischen Dingen liegt. Der Erzieher lehrt ihn die Bedeutung der Arbeit und die Beurteilung von Dingen.
Das vierte Buch
Rousseau beleuchtet Emiles Entwicklung im Alter von fünfzehn bis fünfundzwanzig Jahren. Die erwachenden Leidenschaften werden durch die Einbildungskraft des Erziehers in ein Bedürfnis nach wahrer Liebe umgewandelt. Der Erzieher bereitet Emile auf die Begegnung mit Sophie vor, die später seine Gefährtin wird.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter des Werkes sind: Natur, Erziehung, Selbstliebe, Mitleid, Gesellschaft, Freiheit, Selbstständigkeit, Vernunft, Leidenschaften, „Emile“, „Sophie“, natürliche Erziehung.
- Quote paper
- Sebastian Förster (Author), 2006, Zu: "Emile oder über die Erziehung" von Jean-Jacques Rousseau, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59579