Selten haben wirtschaftspolitische Regulierungsmaßnahmen so viel öffentliche Aufmerksamkeit erregt wie die Auktionen zur Vergabe von Lizenzen für Mobilfunknetze der dritten Generation (Universal Mobile Telecommunications System - UMTS), die in vielen europäischen Ländern in den Jahren 2000 und 2001 stattfanden. Was einem solch spröden Verwaltungsakt so enorme Faszination verlieh, waren wohl in erster Linie die märchenhaften Erträge: So erreichten die Lizenzgebühren bei dem Vergabeverfahren in Deutschland mit über 20% des Volumens des Bundeshaushalts eine Größenordnung, die selbst noch die Verwendung der durch eingesparte Zinsen freigewordenen Mittel zum Politikum erster Ordnung machte. Beinahe ebenso spektakulär waren die Mißerfolge; so gaben die um das fünfzigfache unter den Erwartungen liegenden Einnahmen aus der Schweizer Lizenzauktion die Verantwortlichen in der Eidgenössischen Regierung geradezu der Lächerlichkeit preis. Diese enorm unterschiedlichen Ergebnisse führten aber auch zu einer lebhaften akademischen Debatte insbesondere über die Frage, welches Auktionsdesign die Erlöse des Fiskus zu maximieren geeignet sei; dabei ist eine gewisser patriotischer Stolz der Auktionstheoretiker auf die im jeweiligen Land erzielten Ergebnisse nicht zu übersehen.
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Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Historischer und analytischer Hintergrund der Lizenzvergabe
Ein Fall von Marktversagen: Das Frequenzspektrum als Allmendegut
Institutionelle Ausschliessbarkeit durch Frequenzregulierung
Die Entwicklung der Marktstrukturen im Mobilfunk
Die Vergabe der UMTS-Lizenzen: Auktion vs. Beauty Contest
Effizienz der Lizenzallokation
Distribution der Produzentenrenten
Auswirkungen auf Marktpreise und Outputmengen
Bedeutung des Auktions- bzw. Ausschreibungsdesigns
Vorläufige Bewertung
Zukunftsperspektive: Ein Markt für Frequenznutzungsrechte
Property Rights an Frequenzen
Mögliche Effizienzsteigerungen durch Frequenzhandel
Der Weg zu einem effizienten Frequenzmarkt
Trennung von Lizenz und Frequenz
Einführung von Frequenzhandel innerhalb der Frequenznutzungspläne
Aufgabe der administrierten Frequenznutzungspläne
Fazit
Literaturverzeichnis
DIE VERSTEIGERUNG VON MOBILFUNKLIZENZEN
EFFIZIENTER ALLOKATIONSMECHANISMUS ODER FISKALISCHER NEO-FEUDALISMUS?
Einleitung
Selten haben wirtschaftspolitische Regulierungsmaßnahmen so viel öffentliche Aufmerksamkeit erregt wie die Auktionen zur Vergabe von Lizenzen für Mobilfunknetze der dritten Generation (Universal Mobile Telecommunications System - UMTS), die in vielen europäischen Ländern in den Jahren 2000 und 2001 stattfanden. Was einem solch spröden Verwaltungsakt so enorme Faszination verlieh, waren wohl in erster Linie die märchenhaften Erträge: So erreichten die Lizenzgebühren bei dem Vergabeverfahren in Deutschland mit über 20% des Volumens des Bundeshaushalts eine Größenordnung, die selbst noch die Verwendung der durch eingesparte Zinsen freigewordenen Mittel zum Politikum erster Ordnung machte. Beinahe ebenso spektakulär waren die Mißerfolge; so gaben die um das fünfzigfache unter den Erwartungen liegenden Einnahmen aus der Schweizer Lizenzauktion die Verantwortlichen in der Eidgenössischen Regierung geradezu der Lächerlichkeit preis. Diese enorm unterschiedlichen Ergebnisse führten aber auch zu einer lebhaften akademischen Debatte insbesondere über die Frage, welches Auktionsdesign die Erlöse des Fiskus zu maximieren geeignet sei; dabei ist eine gewisser patriotischer Stolz der Auktionstheoretiker auf die im jeweiligen Land erzielten Ergebnisse nicht zu übersehen.[1]
Eine Frage, die in dieser Diskussion allenfalls am Rande berührt wird, ist die nach der Effizienz der durch die jeweiligen Auktionsdesigns erreichten Allokation der Frequenzen, deren Optimierung ja das eigentliche Ziel des Vergabeverfahrens ist. Aus Sicht der ökonomischen Standardtheorie ist dies auch durchaus gerechtfertigt, da für sie eine erfolgreiche Auktion einfach ein anreizkompatibles screening device ist: Ein hoher Auktionserlös ist nach dieser Sichtweise ein Indikator, daß der Wettbewerb zwischen den Bietern funktioniert hat und tatsächlich nur diejenigen eine Lizenz erhalten haben, die die knappe Ressource Frequenzspektrum am effizientesten bewirtschaften können. Gleichzeitig wird die Lizenzgebühr oft als Abschöpfung von Knappheitsrenten verstanden, die ohnehin der Allgemeinheit als Eigentümerin der Ressource billigerweise zustehen; mithin handelt es sich um einen angenehmen Nebeneffekt des effizientesten verfügbaren Allokationsmechanismus.
Vertreter einer heterodoxen Sichtweise haben jedoch verschiedene Zweifel an der positiven Beurteilung der hohen Auktionserlöse angemeldet: Sie befürchten eine Umwälzung der hohen Lizenzkosten auf die Endverbraucher und somit eine exzessive Besteuerung eines technologischen Schlüsselsektors, der dadurch in seiner Entwicklung behindert werde. Einige sind der Ansicht, daß die Knappheit der verfügbaren Frequenzen durch konsequentere Marktorientierung der Zuteilungsverfahren ganz hinfällig werden könnte, daß diese Knappheit also durch eine verfehlte Politik künstlich geschaffen werde. Eine Betrachtung der Anreize, der die Regierungen ausgesetzt sind, führt unter diesen Prämissen zu einer noch pessimistischeren Sichtweise, nach der sowohl die künstliche Verknappung des Frequenzspektrums als auch die Optimierung der Auktionsverfahren hinsichtlich des Erlöses anstatt der Allokationseffizienz dem Kalkül eines einkommenmaximierenden Staates entsprechen (vgl. Etwa Noam 1998: 772 ff). Aus dieser Perspektive ergibt sich eine gänzlich andere Bewertung der Auktionserlöse: Sie erscheinen als künstliche Lizenzrenten, vergleichbar den Pfründen etwa aus dem Salzmonopol, dessen Verpachtung in feudalen Systemen eine wichtige Einnahmequelle des Herrscherhauses darstellte; diese Methode zur Finanzierung öffentlicher Ausgaben ist allerdings seit dem Aufkommen moderner Nationalstaaten, die über die Legitimität verfügen, gewaltige Steuervolumina einzutreiben, unüblich geworden. Sind angesichts der Schwierigkeiten, die dem Nationalstaat aus den zunehmenden Möglichkeiten zur globalisierten Steuerflucht erwachsen, die Lizenzauktionen im Mobilfunk Anzeichen eines fiskalischen Neo-Feudalismus?
Um diese Frage zu beantworten und zu einer Bewertung des Auktionssystems zur Vergabe von Mobilfunklizenzen zu gelangen, wird in dieser Arbeit zunächst der analytische und historische Hintergrund dargestellt, vor dem die UMTS-Lizenzauktionen geplant und durchgeführt wurden. Anschließend werden die beiden grundlegenden Verfahrensalternativen verglichen, die angesichts der technologischen und institutionellen Gegebenheiten für die Vergabe der UMTS-Lizenzen in Betracht gezogen wurden, nämlich die Versteigerung und das Ausschreibungsverfahren (sog. beauty contest). In einem dritten Abschnitt sollen schließlich Perspektiven für eine zukünftige, stärker marktorienierte Frequenzpolitik aufgezeigt werden, um als Maßstab zur Beurteilung der neuesten politischen Entwicklungen zu dienen und vorsichtige Schlüsse darüber zu erlauben, ob die europäischen Regierungen das Wohl der Verbraucher zu mehren suchen oder doch ein neo-feudales Kalkül verfolgen.
Historischer und analytischer Hintergrund der Lizenzvergabe
Ein Fall von Marktversagen: Das Frequenzspektrum als Allmendegut
Die ökonomische Grundlage für die staatliche Intervention im Mobilfunkmarkt muß in der Tatsache gesucht werden, daß Mobilfunkdienstleister für die Produktion des Gutes „Telefonverbindung“ einen Input mit ungewöhnlichen Eigenschaften benötigen, nämlich Übertragungsfrequenzen im elektromagnetischen Spektrum. Das Frequenzspektrum weist eine gewisse Rivalität im Konsum auf: In einem gegebenen geographischen Gebiet kann über ein gegebenes Frequenzband je nach verwendeter Technologie nur eine beschränkte Menge an Daten übertragen werden. Gleichzeitig ist keine technologische Exkludierbarkeit gegeben: niemand, der über die notwendigen Sendeanlagen verfügt, kann physisch daran gehindert werden, ein bestimmtes Frequenzband zu nutzen. Die Kombination aus Nicht-Exkludierbarkeit und Konsumrivalität weist das Frequenzspektrum gemäß der gängigen Taxonomie als Allmendegut aus.
Aufgrund dieser Eigenschaften ereignete sich nach einer kurzen idyllischen Phase des freien Zugangs zum Frequenzspektrum zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts eine Art „Tragödie der Allmende“: Die Anzahl und Reichweite der Sender nahm schneller zu als die Frequenzeffizienz und Trennschärfe, und bald war das schmale Frequenzband, das technologisch nutzbar war, überfüllt: Die verschiedenen Nutzer beeinträchtigten sich gegenseitig bei der Übertragung, und es bestand für niemanden ein Anreiz, seine Frequenznutzung auf ein sozial verträgliches Maß einzuschränken. (Vgl. Noam 1998: 766)
Dies soll in einem kleinen Modell veranschaulicht werden: Wir nehmen an, in einem gegebenen Frequenzband können bei gegebener Technologie maximal K bit/s an Informationen übertragen werden; jeder der n identischen Teilnehmer wählt eine Sendeleistung (dargestellt als Menge der abgestrahlten Informationen qi). Die Gesamtmenge der effektiv übertragenen Informationen ist gegeben durch Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, kann also die Kapazität des Frequenzbandes nicht überschreiten. Werden mehr Informationen gesendet als das Frequenzband übertragen kann, so geht ein entsprechender Teil davon durch Interferenzen verloren, wobei die Verluste sich zufällig auf die gesamte ausgesendete Informationsmenge verteilen, so daß die effektiv übertragene Informationsmenge des Teilnehmer i im Erwartungswert
[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] beträgt.
Der erwartete Nutzen des Teilnehmers i ist dann gegeben durch Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, wobei v(.) den Bruttonutzen aus effektiv übertragenen Informationen und C(.) die Gesamtkosten der Abstrahlung darstellt.
Nehmen wir der Einfachheit halber zunächst an, es sei für alle Teilnehmer Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten und Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenmit 0<c<1; dann beträgt der Nutzen eines Teilnehmers
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das sozial optimale Niveau der Sendeaktivität, und gleichzeitig das einzige Pareto-Optimum liegt offensichtlich genau dann vor, wenn Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten. Dies muß aber kein Gleichgewicht sein, da unter Umständen jeder Teilnehmer seinen Nutzen durch einseitige Erhöhung der Abstrahlung verbessern kann (und zwar vollständig zu Lasten der anderen Teilnehmer): Nehmen wir aus Gründen der Symmetrie an, alle Teilnehmer wählten dasselbe Abstrahlungsniveau Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten. Dann gilt für alle Teilnehmer i:
[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] für alle Werte von n und c, die Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten erfüllen. Jeder Teilnehmer hat demnach einen Anreiz, einseitig sein Abstrahlungsniveau zu erhöhen, und zwar so lange, bis die Grenzkosten der Abstrahlung gerade dem Nutzengewinn durch die Erhöhung seines Anteils am gleichbleibenden Kuchen der effizient übertragenen Informationen gleich sind.
Der (symmetrische) Gleichgewichtswert von qi ergibt sich dann aus der Bedingung erster Ordnung für die Nutzenmaximierung des einzelnen Teilnehmers als Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, wobei ein sozialer Wohlfahrtsverlust gegenüber dem Pareto-Optimum in Höhe von Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalteneintritt.
Unterstellen wir hingegen etwa c=0.9 und n=9, so besteht unter symmetrischen Bedingungen keine Allmendeproblematik: Jeder Teilnehmer wird freiwillig das sozial optimale Abstrahlungsniveau qi* wählen, da oberhalb von Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten seine privaten Kosten einer Erhöhung von qi höher sind als der zu erwartende Bruttonutzenzuwachs. Der Grund dafür ist, daß jede Erhöhung von qi über qi* hinaus auch die Übertragung der eigenen „inframarginalen“ Informationen beeinträchtigt. Steigt jedoch die Zahl der Teilnehmer über 10, so verliert dieser Effekt an Gewicht gegenüber dem auf Kosten dritter erreichten Nutzenzuwachs, und das soziale Optimum ist kein Gleichgewicht mehr- es kommt zum Allmendedilemma.
[...]
[1] Diese sportliche Rivalität wird etwa in der Kontroverse zwischen Paul Klemperer und dem Team um Elmar Wolfstetter über die Frage deutlich, welches die aussagekräftigste Maßzahl für den Erfolg der Auktion sei: So führt nach der von Klemperer (2002) verwendeten Kennzahl „Erlös/Bevölkerung“ Großbritannien mit
630 €/Kopf vor Deutschland mit 615 €/Kopf. Nach der von Grimm et al. (2001) favorisierten Formel „Erlös/(Bevölkerung/Lizenz)“ hingegen liegt Deutschland mit 3.690 zu 3.150 vorne.
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