Wir erleben in unserer gegenwärtigen „Großstadtgesellschaft“ einen geradezu eruptiven Einbruch des christlichen Glaubens und darüber hinaus, und zwar in dessen Schlepptau, einen zunehmenden Verlust des spezifisch Menschlichen, ein Verlust, der unser tägliches Miteinander zusehends belastet. Was aber sind die Gründe für diese negative Entwicklung, welche Angst vor der Zukunft schürt und Unsicherheit bei den Zeitgenossen hervorruft? Gewiss belastet uns unsere Vergangenheit – die unbewältigten Gräueltaten und Kriege der jüngsten Weltgeschichte, aber auch die unserer Gegenwart, die zahlreichen Wunden und Ängste, die sie verursachten und die uns immerzu berühren.
Das, was uns nottut, ist ein Umdenken und eine Rückbesinnung auf das spezifisch Christliche, das zugleich das spezifisch Menschliche ist. Der heutige Mensch, wenn er als „Mensch“ überhaupt noch eine Zukunft haben will, muss aus der Verabsolutierung seines „Nur-Ichs“ (des Egoismus) wieder zum „Du des Mitmenschen“ zurückfinden, um in der Begegnung mit ihm erst „er selbst“ zu werden.
Der Weg Jesu Christi, der freiwillig sein Leben für das Heil der Welt aufopferte, weil er im Nächsten seinen Bruder und seine Schwester sah, könnte für uns zum Wegweiser in eine neue Zukunft werden, in der wieder der Mensch als das geliebte Geschöpf Gottes in den Mittelpunkt rückt. Ohne dieses Bewusstsein, dass die Würde des Menschen aus seiner Ebenbildlichkeit mit Gott resultiert, bleibt die Rede über die Würde des Menschen nur Makulatur. Ohne gelebten Gottesglauben kann es keine Zukunft für den Menschen geben, weil er ohne diesen Gottesglauben sich geradezu notwendig zum „Selbstzweck“ erklärt, der des Anderen und auch Gottes nicht mehr bedarf, um allererst er selbst zu sein.
In dem vorliegenden Buch wird darum der Versuch unternommen, unter dem Aspekt der Liebe, die sowohl Gott als Gott charakterisiert (…denn Gott ist die Liebe) als auch den Menschen, der ja doch von Gott aus Liebe, in Liebe und zu Liebe erschaffen wurde, das Christentum zu reflektieren. Dieser Reflexionsversuch versteht sich aber nun – ohne jedweden fachwissenschaftlichen Anspruch – als ein bescheidener Beitrag, dem heutigen Menschen anhand einer Auseinandersetzung mit der Heiligen Schrift und spekulativer Reflexionen und Schriftbetrachtungen eine Perspektive zu öffnen, sich erneut und tiefer mit dem christlichen Glauben auseinanderzusetzen, um von diesem Glauben her Würde und Wert menschlichen Leben wieder besser in den Blick zu bekommen.
INHALT
Einführende Reflexionen
I. Konzeption und Zielsetzung
II „Selbstmitteilung“ als innerster Kern der Liebe
III. Gottes Wort im Menschenwort
IV. Inspiration der Heiligen Schrift durch den Heiligen Geist
ERSTER HAUPTTEIL SELBSTMITTEILUNG GOTTES IM ALTEN TESTAMENT ERSTES KAPITEL
DER ERSTE SCHÖPFUNG-BERICHT UNTER DEM ASPEKT DER LIEBE
I. Ist dieser Schöpfungsbericht überhaupt ein „Bericht“?
II. Versuch einer Gliederung und ersten inhaltlichen Bestimmung des Textes
III. Reflexionen über Gen 1,1-2,4a unter dem Aspekt der Liebe
1. Vorüberlegungen
2. Erschaffung der Welt: „in, durch und auf Christus hin“
3. „Und Gott sprach“
3.1. Ein mehr traditioneller Deutungsversuch des „Gott sprach“
3.2. Ein Alternativer Deutungsversuch des „Gott sprach“
3.3. Wie präsentiert sich der Johannes-Prolog unter dieser Zielsetzung?
Fazit der Reflexionen
ZWEITES KAPITEL DER ZWEITE SCHÖPFUNGSBERICHT UNTER DEM ASPEKT DER LIEBE
I. Einführung in die Thematik
1. Versuch einer Gliederung von Gen 2,4b-25
2. Vergleich von Gen 1,1-2,4a mit Gen 2,4b-25
II Auseinandersetzung mit Gen 2,4b-25
1. Auseinandersetzung mit Gen 2,7 Fazit und konkrete Schlussfolgerungen
2. „Der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse“ (Gen 2,9b) Fazit der bisherigen Reflexionen
DRITTES KAPITEL DIE URSÜNDE UND IHRE FOLGEN UNTER DEM ASPEKT DER LIEBE
I. Einführung in die Thematik von Gen 3,1-24
II Auseinandersetzung mit Gen 3,1-24
1. Die Sünde des Menschen: ihr Anlass, ihr Vollzug und ihre Wirkung
2. Gen 3,9-19: Gerichtsverhandlung: Urteilsspruch und Verheißung
3. Gen 3,16-24 Urteilsvollstreckung und Folgen der Sünde
3.1. Versuch einer theologischen Bestimmung des Todes
3.2. Schlussfolgerungen:
III.. Die Erbsünde und ihre Folgen unter dem Aspekt der Liebe
1. Auseinandersetzung mit der Erbsünde
2. Problematik der Erbsündenlehre
3. Versuch einer Reflexion über die Erbsünde unter dem Aspekt der Liebe
Exkurs: Engel und Teufel im Heilsplan Gottes
I. Unterschiedliche Stellungnahmen einiger Theologen
II Stellungnahme zur Engel/Teufel-Problematik
VIERTES KAPITEL
EXODUS: GOTTES BUND MIT SEINEM VOLK UNTER DEM ASPEKT DER LIEBE
I. Die Berufung des Mose
1. Vorgeschichte
2. Begegnung Mose mit dem im brennenden Dornbusch gegenwärtigen Gott
3. Dialog zwischen Gott und dem Menschen Mose
II Reflexion über die Zehn Gebote unter dem Aspekt der Liebe
1. Vorüberlegungen
2. Die Zehn Gebote in ihrer Einzeldarstellung
2.1. „Du sollst neben mir keine fremden Götter haben“
2.2. „Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen“
2.3. „Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig“
2.4. „Ehre deinen Vater und deine Mutter “
2.5 „Du sollst nicht töten“
2.6. „Du sollst nicht die Ehe brechen“
2.7. „Du sollst nicht stehlen“
2.8. „Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen“
2.9. „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau“
2.10. „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Hab und Gut“
3. Würdigung der Zehn Gebote unter dem Aspekt der Liebe
ZWEITER HAUPTTEIL SELBSTMITTEILUNG GOTTES IM NEUEN TESTAMENT
Vorbemerkungen
FÜNFTES KAPITEL DIE KINDHEITSGESCHICHTE JESU UNTER DEM ASPEKT DER LIEBE
I. Matthäus 1,1-2,23
II Lukas 1+2
1. Das Vorwort Lk. 1,1-4
2. Die Vorgeschichte: Lk. 1,5-2,52
2.1. Die Verheißung der Geburt des Täufers. Lk. 1,5-25
2.2. Verkündigung der Geburt Jesu: Lk. 1,26-38
2.3. Der Besuch Marias bei Elisabeth: Lk. 1,39-56
2.4. Die Geburt des Täufers: Lk. 1,57-80
2.5. Die Geburt Jesu 2,1-20
2.6. Das Zeugnis des Simeon und der Hanna über Jesus 2,21-40
2.7. Der zwölfjährige Jesus im Tempel: 2,41-52
III.. Der Johannes-Prolog (Joh. 1,1-18)
1. „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott“
2. „Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist“
3. „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt...“
3.1. Strukturelle Vorüberlegungen
3.2. Inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Text
3.3. Die Sendung des „Wortes“ in die Welt
3.4. Gegenüberstellung: Mose (Gesetz) –Christus (Gnade und Wahrheit)
3.5. Verdunklung der Gotteserkenntnis sowie Wege zur Gotteserfahrung
3.6. Problematik: „Vorherbestimmung“ und „Freiheit“
IV. Die Menschwerdung Gottes
1. Die Dreipersönlichkeit Gottes
2. Menschwerdung und Menschheit des Wortes, das Gott ist
3. Maria im Heilsplan Gottes
3.1. Maria in der Heiligen Schrift allgemein
3.2. Maria in Mt. 1+2 und Lk. 1+2
3.3. Empfängnis und Geburt Jesu
3.4. Maria Jungfrau und Mutter zugleich
3.5. Maria in Joh. 2,1-12 und Joh. 19,25-27
3.6. Apostelgeschichte 1,12-14
3.7. Maria in der Deutung des Vatikanum II
SECHSTES KAPITEL ÖFFENTLICHES LEBEN UND WIRKEN JESU CHRISTI UNTER DEM ASPEKT DER LIEBE
I. Die Taufe Jesu
1. Die Taufe Jesu in der Darstellung der vier Evangelisten
2. Die heilsgeschichtliche Dimension der Taufe Jesu unter dem Aspekt der Liebe
II Die Versuchung Jesu
1. Die Versuchung Jesu bei den Synoptikern
2. Auseinandersetzung mit der Versuchung Jesu durch Satan
3. Würdigung der Versuchungsperikope
III. Die Berufung der Jünger
1. Die Berufungsgeschichte in Matthäus 4,12-25
2. Die Berufungsgeschichte in Markus 1,16-20
3. Die Berufungsgeschichte in Lukas 5,1-11
4. Die Berufungsgeschichte in Johannes 1,35-51
IV. Die Bergpredigt Mt. 5,1-7,29
1. Die acht Seligkeiten (Mt. 5,1-12)
2. Resümee der Reflexionen über die Seligpreisungen
3. Weitere Texte der Bergpredigt
4. Würdigung der Bergpredigt unter dem Aspekt der Liebe
V Das Heiswirken Jesu Christi
1. Die Heilung eines Aussätzigen (Mt. 8,1-4)
2. Der Hauptmann von Kafarnaum Mt. 8,5-13
3. Die Heilung von Besessenen und Kranken
4. Die Wundertat Jesu anlässlich eines Sturms auf dem See (Mt. 8,23-27)
5. „Das Brotwunder Jesu“
6. „Das Himmelsbrot“ als bleibendes Zeichen der Selbstentäußerung Gottes in Jesus Christus
6.1. Einführung in die Thematik
6.2. „Heilung eines Gelähmten am Sabbat.“ (Joh. 5,1-18)
6.3. „Jesu Rede über seine Vollmacht“ (Joh. 5,19-47)
6.4. Kritische Fragen infolge der Auseinandersetzung mit Joh. 5,19-47
6.5. Jesu Rede über das „Himmelsbrot“
SIEBTES KAPITEL DER KREUZWEG JESU CHRISTI UNTER DEM ASPEKTER LIEBE
I. Leiden und Sterben Jesu Christi
1. Der „Einschub“ in Lukas 22,24-38
2. Der Gang Jesu zum Ölberg
3. Das Gebet Jesu in Getsemani
3.1. Die Darstellung in Matthäus 26,36-46; Markus 14,32-42 und Lukas 22,39-46
3.2. Die Darstellung in Johannes 12,20-36
3.3. Der heilsgeschichtliche Sinn der „Schwäche“ Jesu im Garten von Getsemani
3.4. Die heilsgeschichtliche Bedeutung von Getsemani
4. Der Kreuzweg Jesu
4.1. Die Gefangennahme Jesu
4.2. Die Verhöre Jesu
Exkurs: Gefährdung des spezifisch Menschlichen durch übersteigerte Gesetzesfrömmigkeit
4.3. Kreuzweg und Kreuzigung Jesu
4.4. Warum musste der Messias leiden und sterben?
Exkurs: Kreuz und Erlösung im „Katholischen Erwachsenenkatechismus“
4.8. Zusammenfassung und Fazit unserer Reflexionen
ACHTES KAPITEL AUFERSTEHUNG UND HIMMELFAHRT JESU CHRISTI UNTER DEM ASPEKT DER LIEBE
I. Auseinandersetzung mit den biblischen Auferstehungsberichten
1. Matthäus 28,1-20
2. Markus 16,1-8
3. Markus 16,9-20)
4. Lukas 24,1-12
5. Lukas 24,13-35
6. Lukas 24,36-53
Exkurs: Die Möglichkeit der Vernünftigkeit bei gleichzeitiger Übersteigung der Vernunft
7. Johannes 20,1-10
8. Johannes 20,11-18
9. Johannes 20,19-23
10. Johannes 20,24-29
II Reflexionsversuch über den Ursprung des Auferstehungsglaubens
1. Markus 16,1-8 als Einstieg in den Reflexionsprozess
2. Die seelische Befindlichkeit der Jünger nach der Kreuzigung Jesu
3. Selbstoffenbarung des Auferstandenen beim „Brot-Brechen“
4. Die Liebe als die innerste Beziehung und Vereinigung personaler Seiender
5. Dankbarkeit als entscheidende Weise, den Auferstanden überhaupt zu erkennen
NEUNTES KAPITEL SELBSTMITTEILUNG GOTTES IM HEILIGEN GEIST UNTER DEM ASPEKT DER LIEBE
I. Wirken des Heiligen Geistes in Leben und Sendung Jesu Christi
II. Texte aus dem Johannesevangelium über die Sendung des Heiligen Geistes
III. Wirken des Heiligen Geistes in der Darstellung der Apostelgeschichte
1. Jüngergemeinde nach dem Kreuzestod Jesu
2. Himmelfahrt Jesu in den vier Evangelien sowie in Apg. 1,9-11
2.1. Der Befund der Evangelientexte über die Himmelfahrt Jesu
2.2. Deutungsversuch der „Himmelfahrt“ Jesu
3. Die betende Jüngergemeinde in Erwartung des Heiligen Geistes
4. Das Pfingstereignis in Apg. 2,1-13
5. Die heilsgeschichtliche Wirkung des „Pfingstereignis“
5.1. Die Rede des Petrus in Apg. 2,14-36
5.2. Die neue Lebenskonzeption der Urgemeinde
5.3. Der Betrug des Hananias und der Saphira
Exkurs: Deutungsversuch des Todes in Gen 3,1-24 als Zerstörung der Liebesordnung Gottes
5.4. Der Betrug von Hananias und Saphira als Menetekel über der Urgemeinde
5.5. Die junge Kirche in der Zerreißprobe zwischen Missionierung und Verfolgung
5.6. Martyrium des Stephanus als „das Samenkorn, das sterbend Frucht bringt“
5.7. Versuch einer tieferen Reflexion über das Phänomen des christlichen Martyriums
Schlusswort
Liebe Brüder und Schwestern wir wollen einander lieben; denn die Liebe ist aus Gott, und jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott. Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist die Liebe. Die Liebe Gottes wurde unter uns dadurch offenbart, dass Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben. Nicht darin besteht die Liebe, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat. Liebe Brüder und Schwestern, wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben. Niemand hat Gott je geschaut; wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollendet.
Daran erkennen wir, dass wir in ihm bleiben und er in uns bleibt:
Er hat uns seinen Geist gegeben. Wir haben gesehen und bezeugen, dass der Vater den Sohn gesandt hat als den Retter der Welt. Wer bekennt, dass Jesus der Sohn Gottes ist, in dem bleibt Gott, und er bleibt in Gott. Wir haben die Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und gläubig angenommen.
1.Joh 4,7-16a
Vorwort
von Wilhelm Schmidt, Pfarrer i.R. Evangelische Kirche von Hessen und Nassau „Scriptura sacra sui ipsius interpres“. Diesen Satz Luthers, demzufolge die Heilige Schtift selbst ihre beste Auslegerin ist, könnte man als das hermeneutische Prinzip bezeichnen, dem Peter Harr in dem vorliegenden Werk folgt. Unter der Voraussetzung, dass die gesamte Schrift zugleich als wahres Menschenwort und wahres Gotteswort, weil vom Geist Gottes eingegeben, geglaubt wird, werden die biblischen Quellen nicht mehr historisch kritisch seziert, sondern unter einem übergeordneten Ganzen integriert. Auch die Unterscheidung in vorösterliche und nachösterliche Texte hebt sich damit auf. Der Heilige Geist ist die Klammer, die die Texte zusammenhält, auch wenn diese im Blick auf ihre zeitliche Entstehung weit voneinander entfernt sein mögen. Unter der Voraussetzung, dass die Bibel nicht als Kompilation geschichtlicher Dokumente, sondern als komplementärer Gesamtentwurf zu betrachten ist, erschließen sich dem Autor überraschende theologische Erkenntnisse. So erklären sich etwa der erste Schöpfungsbericht der Genesis und der Prolog zum Johannesevangelium wechselseitig. Der viel zitierte „garstige Graben der Geschichte“ erweist sich als obsolet.
Peter Harr setzt gleichsam Mose, Abraham und die Propheten mit Jesus an einen Tisch und bringt sie in fruchtbare Gespräche miteinander und mit uns. Einer existenziellen Distanzierung zwischen Denken und Glauben ist mit diesem Ansatz gewehrt, Theologie und Glaube, Denken und Frömmigkeit finden neu zueinander. Peter Harr entwickelt eine Theologie „von unten“, die nicht bei den theologischen loci (Gott, Christus, Kirche, Ethik, etc.) ansetzt, um irgendwann beim Menschen anzukommen, sondern beginnt beim Menschen in seiner existenziellen Angewiesenheit auf Kommunikation und Liebe und ist damit gleichzeitig schon bei der Wirklichkeit Gottes, der den Menschen als seine liebende Selbstmitteilung geschaffen und in Christus in lebendiger Kommunnikation mit ihm steht.
„Nur die Liebe lässt uns leben“
In unserem Leben gibt es Begegnungen, Erfahrungen und Erlebnisse, die sich so tief in unser Bewusstsein eingravieren, dass wir sie ein Leben lang nicht mehr vergessen können. Eine solch tiefe Erfahrung machte ich mit einem Lied aus den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, nicht einmal mit dem gesamten Lied, sondern allein mit der Zeile: „ Nur die Liebe lässt uns leben “. Diese sechs Worte allerdings verfolgten mich bis auf den heutigen Tag und regten mich immerzu an, über sie nachzudenken. Warum wohl? Vielleicht deshalb, weil sie in einer äußerst schlichten Weise eine doch so tiefe Lebensweisheit in Worte zu fassen vermögen. (Anm. 1)
Worin aber besteht diese behauptete tiefe Lebensweisheit? Zunächst ist die Rede von der Liebe – gewiss, für einen „Schlager“ nichts Ungewöhnliches. Das Besondere allerdings ist, dass in dieser Zeile die Liebe so sehr in das Zentrum des Lebens gerückt wird, dass von ihr her „Wohl und Wehe“ der menschlichen Existenz abhängig gemacht wird. Dies wird umso deutlicher, wenn der besagte Satz in negativer Form ausgedrückt wird - etwa so: „Ohne die Liebe können wir nicht mehr leben“. Bei einer solchen Umformulierung wird sogleich bewusst, dass die Alternative der Liebe nicht mehr der Hass, sondern vielmehr der Tod ist.
So apodiktisch und zugleich maßlos übertrieben diese Aussage auch anmuten mag, so trifft sie doch etwas, was sich in der Menschheitsgeschichte immer wieder ereignete und auch heutzutage noch zuweilen geschieht. Ein berühmtes Beispiel dafür ist die tragische Begebenheit von Romeo und Julia, die ohne ihre gegenseitige Liebe, die von außen her verhindert wurde, nicht mehr leben wollten und einem Leben ohne diese Liebe sogar den Freitod vorzogen. Auch in Goethes Werther begegnet uns diese Problematik und noch viel mehr in seiner Wirkungsgeschichte. Gewiss sind dies Extremfälle und kommen zum Glück nur selten vor. Dennoch aber machen sie deutlich, dass eine verhinderte „wahre Liebe“ das Lebensglück von Menschen brutal zerstören kann.
Diese Zerstörung des Lebensglücks bringt sich beileibe nicht nur im Selbstmord zum Ausdruck, sondern auch dadurch, dass sich der Mensch als „Liebender“ - seinem Wesen gemäß - nicht mehr zu verwirklichen vermag. Hier erst eröffnet sich der Tiefengehalt des angesprochenen Satzes: „Liebe“ im eigentlichen Sinne meint deshalb nicht nur ein „Gefühl“, eine existenzielle Befindlichkeit, sondern Liebe besagt viel tiefer: ein „fundamentales Konstitutiv“ menschlichen Daseins, ein „Existenzial“, das die menschliche Existenz allererst ermöglicht. Wieso aber nun dies? Der Philosoph Heidegger deutet Existenz als „Ek-Sistenz“, als „Aus-sich-heraus-Stand“ Das Wesen der menschlichen Existenz wäre in diesem Sinne: „Selbst-Überstieg“ zum Anderen - mit anderen Worten: „Selbsttranszendenz zum Anderen“, wodurch erst Beziehung gestiftet wird. „Liebe“ als das fundamentale Existenzial der menschlichen Existenz wäre somit: „Beziehung-Stiftung“. Als eine solche bildet sie allererst die Basis von Gemeinschaft und im weitesten Sinne von Gesellschaft. Dort aber, wo die Liebe als „Selbsttranszendenz zum Anderen“ zerstört wird, gibt es auch keine „Inter-Personalität“ mehr, so dass sich alles nur noch auf das eigene „Ich“ konzentriert, wodurch sich Individualität zum Individualismus pervertiert, welcher letztlich nicht nur die Gemeinschaft bzw. Gesellschaft zerstört, sondern auch die „menschliche Existenz“ selbst, die von ihrem Wesen her auf den „Anderen“ bezogen ist, so dass sie sich einzig durch die „Aktualisierung“ dieser Bezogenheit verwirklichen kann. Diesen Gedanken drückt bereits die traditionelle Philosophie aus, insofern sie den Menschen von seinem Wesen her als „ens individuale et sociale“ definiert und ihn damit aus „Individualität“ „und“ „Sozialität“ (d.h. Gemeinschaftsbezogenheit) konstituiert behauptet. Demzufolge kann der Mensch nur dann wesensgemäß Mensch sein, wenn er als Einzelner auf die Gemeinschaft bezogen ist und sich mit ihr in einem „korrelativen Verhältnis“ befindet. Das, was aber nun dieses garantiert und so ontologisch erst ermöglicht, ist die Liebe selbst als das „Beziehung und Gemeinschaft“ stiftende „Fundamental-Existenzial“ menschlichen Daseins. Daraus folgt aber nun, dass der „Mensch“ wesensgemäß als Mensch nicht mehr existieren kann, wenn die Liebe fehlt. Ohne die Liebe aber wird sein Dasein zu einem „existenzialen Torso“, einer „Wesens-Entfremdung“, die dann aber - logischerweise - im Selbstverlust endet.
Diesen beschriebenen „Sachverhalt“ hat wohl kaum einer existenziell so tief in Worte gefasst wie Friedrich Nietzsche in seinem berühmten Gedicht „Vereinsamt“, in welchem er den stetig fortschreitenden Vereinsamungsprozess einer „fiktiven Person“ beschreibt, welche dann in eine unaufhaltsame Flucht verfällt („ Wer das verlor, was du verlorst, macht nirgends Halt“), eine Flucht, die ihr nirgendwo mehr ein Verweilen, eine Heimat, gewährt und sie so in einer „selbst“-zerstörerischen Resignation enden lässt: „ Versteck, du Narr, dein blutend Herz in Eis und Hohn“. (Anm. 2)
Neben dieser anthropologischen Dimension gewinnt dieser Satz: „ Nur die Liebe lässt uns leben “ zudem noch eine theologische Dimension, wenn er mit 1Joh 4,9: „ denn Gott ist die Liebe “ in eine Beziehung gesetzt wird. Hierbei enthüllt sich ein interessantes Phänomen: Liebe ist nicht mehr nur das „fundamentale Existenzial“ menschlicher und damit auch „gesellschaftlicher“ Selbstverwirklichung; sie offenbart sich nunmehr, allerdings nur in ihrer metaphysischen Tiefendimension - als Gott selber, also, als das höchste und absolute Sein, das infolgedessen - dem Wesen der Liebe gemäß - und zwar formal gesehen - höchste Beziehung ist und sich demgemäß nur als „Beziehung“ vollzieht, und damit als letzter „Ursprung allen Seins“ erst Beziehung und damit Liebe im beschriebenen Sinne ermöglicht.
Wenn dieser Gott nun aber die Liebe ist und die Liebe, wie die Liedzeile behauptet, uns erst leben lässt, dann wird dieser Gott der Liebe zur Schicksalsfrage für einen jeden Menschen (und für die Menschheit als Ganze), und zwar nicht nur in seiner Existenz, sondern auch in der Weise seiner Existenz – nämlich als Liebe, und zwar im Sinne von Beziehung. „Gott ist Liebe “ meint deshalb nicht nur, dass Gott der „Liebe Gott“ sei, gleichsam als gute Eigenschaft, sondern dass Gott in seinem Sein und Wesen die Liebe ist. Diese metaphysische Liebe hat das Christentum im Laufe seiner Geschichte durch die Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus als die „Heilige Dreifaltigkeit “ erschlossen, die den „christlichen“ Gott als eine „Liebes-Gemeinschaft“ erweist, und zwar als eine „immanente“ der drei göttlichen Personen, die den einen Gott „konstituieren“.
Aus dieser Liebe der „innergöttlichen Liebesbeziehung“ geht aus freier Entscheidung dieses „Gottes der Liebe“ letztlich die Schöpfung hervor und als deren sichtbarer Krone der Mensch, der von diesem Gott der Liebe – logischerweise – „aus, in und zu Liebe“ in sein Dasein gerufen wurde.
Wenn es darum in diesem Buch (wie dieses der Untertitel zum Ausdruck bringt) um eine Reflexion über das Christentum unter dem Aspekt der Liebe geht, dann kann das nur bedeuten, dass das Christentum im Licht des Dreifaltigen Gottes, der die Liebe ist, betrachtet werden soll, nicht um eines Selbstzwecks willen, sondern um des Menschen und seines wahren Glückes willen - des Menschen, der ja das „geliebte Geschöpf“ dieses „Gottes der Liebe“ ist und darum von seinem innersten Wesen her nur als Liebe existieren und infolgedessen nur in ihr und durch sie glücklich werden kann.
Anmerkungen:
1. „Nur die Liebe lässt uns leben…“ Mary Roos - Eurovisión 1972
2. Vereinsamt (von Friedrich Nietzsche)
Die Krähen schrein Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnein, - Wohl dem, der jetzt – noch Heimat hat Nun stehst du starr, Schaust rückwärts, ach! Wie lange schon! Was bist du Narr, Vor Winters in die Welt entflohn? Die Welt - ein Tor Zu tausend Wüsten stumm und kalt! Wer das verlor, Was du verlorst, macht nirgends Halt. Nun stehst du bleich, Zur Winter-Wanderschaft verflucht, Dem Rauche gleich, Der stets nach kältern Himmeln sucht. Flieg, Vogel, schnarr Dein Lied im Wüstenvogel-Ton! – Versteck du Narr, Dein blutend Herz in Eis und Hohn! Die Krähen schrein Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt: Bald wird es schnein, - Weh dem, der keine Heimat hat!
Zitiert und interpretiert in: Peter Harr, „Bedrohtes Menschsein – Eine kritische Analyse unserer Gesellschaft unter dem Aspekt der Liebe“, LIT VERLAG Dr. W. Hopf Berlin 2009
Einführende Reflexionen
I. Konzeption und Zielsetzung
Wie bereits der Untertitel zum Ausdruck bringt, geht es um eine Reflexion über das Christentum unter dem Aspekt der Liebe, d.h.: die besondere Weise, unter der das Christentum reflektiert werden soll, ist der Aspekt der Liebe. Was aber meint in diesem Zusammenhang „Aspekt“ der Liebe? „Aspekt“ meint gewöhnlich den besonderen Blickwinkel, unter dem eine bestimmte Wirklichkeit betrachtet werden soll. Im Falle der Liebe, und zwar in Bezug auf das Christentum, wäre es aber unzureichend, den Begriff „Aspekt“ im gewöhnlichen Verständnis zu deuten. Denn wenn 1Joh 4,8: „... denn Gott ist die Liebe “ hierbei in Betracht gezogen wird, kann es sich beim Begriff „Liebe“ nicht um einen „beliebigen“ Aspekt handeln, also um „einen“ unter anderen, sondern vielmehr nur um den „zentralen“, wird doch in dieser neutestamentlichen Aussage Gott mit „Liebe“ gleichgesetzt: Gott „ ist“ die Liebe. Gott aber ist doch die zentrale Wirklichkeit und Wahrheit des Christentums, so dass die Liebe mit Gott identifiziert, ja, sogar das innere Wesen Gottes charakterisierend, zur Zentralwirklichkeit bzw. Zentralwahrheit des Christentums überhaupt aufsteigt. Daraus aber folgt, dass die geplante Reflexion über das Christentum unter dem Aspekt der Liebe nur von diesem Gott her (der von seinem Wesen und Sein „ die Liebe “ und damit ein Liebender ist) ihren Ausgang nehmen, von Ihm her ihre besondere Betrachtungsweise empfangen und in Ihm ihre Zielsetzung finden kann.
Wie ist aber „Reflexion“ in diesem Kontext zu verstehen? „Reflexion“ nur im üblichen Sinne von „Überlegung“ oder auch „Nachdenken“ zu deuten, wäre ebenfalls unzureichend. Innerhalb des hier gegebenen Zusammenhangs muss aber „Reflexion“ in seinem aus dem Lateinischen herkommenden ursprünglichen Wortsinn: „zurück-biegen“ gedeutet werden. In diesem Sinne meint Reflexion als „Zurück-biegen“ ein „Zurück-verfolgen“ eines Gewordenen auf seinen eigentlichen Ursprung hin, aus dem heraus es allererst erstand. Reflexion – so verstanden – stellt damit den Versuch dar, eine geschichtlich gewordene Wirklichkeit in einer nach-denkenden Weise bis zu ihrem Ursprung hin zurückzuverfolgen, und zwar in der Absicht, ebendiese Wirklichkeit von ihrem Ursprung her zu erschließen, um sie so erst (im Rahmen des Möglichen) zu verstehen. Eine solch methodologische Vorgehensweise, auf die Reflexion des Christentums unter dem „Aspekt der Liebe“ bezogen, bezielte demzufolge: die fundamentale Quelle des Christentums, die „Liebe“, die im letzten Gott selber ist, auf ihren Grund hin „nach-denkend“ zurückzuverfolgen, um von hier her das Christentum zu deuten und so auch besser verstehen zu können.
In diesem Anliegen und in diesem Bestreben befindet sich der beabsichtigte Reflexionsversuch auf dem gleichen Weg bzw. auf der gleichen Linie wie das „Zweite Vatikanische Konzil“, dem es ja erklärtermaßen um eine Rückbesinnung zu den „Quellen“ ging.
Was ist aber nun die eigentliche „Quelle des Christentums“? Sie kann, wie aus den bisherigen Reflexionen deutlich wird, nur Gott selber sein, aber - christlich gesehen - nur der Gott, der die Liebe ist. Er ist der Ursprung und zugleich Zielpunkt alles Seienden. Damit ist – formal gesehen – der „Ausgangspunkt“ und der „Zielpunkt“ des beabsichtigten Reflexionsversuchs über das Christentum unter dem Aspekt der Liebe bestimmt. Liebe aber, die Gott ist, präsentiert sich in einer doppelten Erscheinungsweise: zuerst und damit grundsätzlich als die Gott-immanente innertrinitarische Liebe der drei göttlichen Personen im einen und einzigen Gott; sodann, aber nur sekundär und immer in Abhängigkeit zum Ersten, als die aus der Überfülle des trinitarischen Gottes nach außen hin überquellende Liebe, aus welcher die Schöpfung wird. Daraus folgt: Liebe ist in der Wurzel göttlicher Natur und gehört damit dem Geheimnisbereich des „unsichtbaren Gottes“ an („ Niemand hat Gott je geschaut “ - 1Joh 4,12a). Diese Liebe aber „inkarnierte“ sich zuerst in der Schöpfungswirklichkeit (allerdings nur zeitgeschichtlich, nicht aber metaphysisch gesehen) und dann in der Sendung Jesu Christi („ Die Liebe Gottes wurde unter uns dadurch offenbart, dass Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben“ - 1Joh 4,9). Das aber bedeutet für die geplante Reflexion über das Christentum unter dem Aspekt der Liebe (und zwar als nach-denkende Rückbesinnung auf die eigentliche Herkunft des Christentums – mit dem Ziel, dasselbe aus ihr heraus zu erschließen und zu deuten), dass eine solche Reflexion nicht von der dem Menschen unzugänglichen „immanenten“ Liebeswirklichkeit Gottes ausgehen kann, was ja eine „metaphysische Unmöglichkeit“ wäre, sondern dass sie vielmehr ihren Ausgang von der konkret-geschichtlichen, „heilsökonomischen“ Selbstoffenbarung dieses Gottes in der Weise seiner Selbstmitteilung nach außen hin nehmen muss, die schlussendlich in der Sendung Jesu Christi ihren Höhepunkt und ihre Vollendung findet.
Als konkreter Weg, den dieser beabsichtigte Reflexionsprozess unter dem Aspekt der Liebe zu durchlaufen hat, empfiehlt sich - von der „göttlichen Heilsgeschichte“ her - die nachstehende Reflexionsabfolge:
In einem ersten Schritt (Erster Hauptteil) geht es darum, sich auf die Suche nach den Anfängen der sichtbaren Schöpfung, und zwar ihrem Ursprung und ihrer Zielsetzung, zu machen. Hierbei bieten sich die beiden Schöpfungsberichte des alttestamentlichen Genesis-Buches geradezu an. Da dies unter dem Aspekt der Liebe geschehen soll, die ihren Ursprung in Gott selbst hat und sich erst in ihrer eigentlichen Tiefendimension in der Sendung Jesu Christi im Heiligen Geist mitteilt und erschließt, kann eine solche geplante „Reflexion“ sich nicht auf den sich in einer zeitgeschichtlich geprägten und damit auch „begrenzten Gestalt“ zur Erscheinung bringenden alttestamentlichen Text beschränken, sondern muss diesen Text im Licht der „Sendung“ Jesu Christi, und zwar in ihrer „heilsgeschichtlichen Dimension“ reflektieren, und zwar derart, wie ebendiese Sendung im Laufe der Jahrhunderte durch theologisches Nachdenken und endgültige lehramtliche Aussagen ausgelegt wurde.
In einem zweiten Schritt (Zweiter Hauptteil) geht es darum, die Selbstmitteilung der Liebe Gottes in der Person und Sendung Jesu Christi im Heiligen Geist inhaltlich tiefer auszulegen, so wie sie in den Texten des Neuen Testaments zur Sprache kommt. Hierbei aber kommt den vier Evangelien eine besondere Berücksichtigung zu. Der Sinn einer solchen Reflexion über Person und Sendung Jesu Christi kann aber nur darin liegen, in einer vertieften Weise in Erfahrung zu bringen, worin Sein, Sendung und Zielsetzung menschlichen Daseins überhaupt bestehe, da die besagte Liebestätigkeit Gottes zur Schöpfung hin (vom Wesen der Liebe her gedeutet) ihren letzten Grund nur in der Vermittlung und Schaffung eines definitiven und wirklichen Glücks des von ihm geliebten Menschen haben kann.
II. „Selbstmitteilung“ als innerster Kern der Liebe
Eine erste Definition von Liebe könnte sein: „Dem Anderen das Beste wollen, dass er glücklich werde“. Eine solche Definition bringt zum Ausdruck, dass Liebe ihr Interesse vom nur eigenen Ich weg auf das Du des Geliebten richtet, indem sie für dieses Du das Beste will, und zwar mit der Zielsetzung, dass dieses Du glücklich werde. In einer solchen Liebesdefinition bleiben aber zwei Elemente offen und bedürfen so einer genaueren Bestimmung: zum ersten der Begriff „das Beste“ und zum zweiten die Zielsetzung: „dass der Andere glücklich werde“. „Das Beste“ in der Liebe kann aber nicht ein subjektives, gar noch pragmatisch orientiertes Eigeninteresse des Liebenden sein, sondern muss sich auf etwas beziehen, das dem Anderen hilft, sich in seinem wesensgemäßen Dasein selbst zu entfalten und auch zu verwirklichen, anderenfalls wäre es nur eine Aufoktroyierung des Eigeninteresses. So gehört zum Wesen der Liebe notwendig die Freiheit, die allerdings für den Menschen nie ein Freibrief zur Willkür, sondern immer nur eine Freiheit in Entsprechung zu seiner spezifischen Wesensverfasstheit sein kann, also eine Freiheit, die ihn zu seiner Selbstentfaltung führt. Ähnlich ist dies mit der Zielsetzung, „dass er glücklich werde“. „Wahres Glück“ kann niemals ein nur oberflächlich-momentanes sein, das allein dem augenblicklichen Genuss genügt, sondern nur eines, das eine Bewegung zur Dauerhaftigkeit und zur Gesamtheit menschlichen Seins impliziert.
Dieser erste Definitionsversuch der Liebe vermag zwar auszudrücken, worum es bei der Liebe – formal gesehen – geht und was sie bezielt; worin aber ihr innerster Kern besteht und was sich in ihrem Selbstvollzug letztlich ereignet, bleibt dennoch im Dunkeln und darum unausgesprochen.
Einen noch besseren Zugang zu dem hier angesprochenen Anliegen könnte uns vielleicht 1. Joh 4,9 eröffnen: Die Liebe Gottes wurde unter uns dadurch offenbar, dass Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben “. Dieser Satz spricht von der „Liebe“ Gottes, die uns durch die Sendung seines Sohnes offenbar wurde, sodass wir hier von einer Selbstoffenbarung der „Liebe Gottes“ in der „Mensch gewordenen“ Person Jesus Christus sprechen können. Allerdings stellt uns der Begriff „Selbstoffenbarung“ im Hinblick auf unser Vorhaben, den inneren Kern der Liebe und ihre innere Vollzugsweise zu entdecken, vor eine Schwierigkeit, die aber daraus rührt, dass dieser Begriff in seinem „Aussagegehalt“ zwar die Enthüllung von etwas Verborgenem zum Ausdruck zu bringen vermag, nämlich dass Gott sich als die Liebe in Jesus Christus der Welt offenbart habe, d.h. ihr seine Liebe in der Person dieses Jesus mitgeteilt habe, ja, mehr noch, aus welcher Zielsetzung heraus sich dies ereignet habe: „ damit wir durch ihn leben “. Dennoch aber bleibt hierbei die Frage letztlich unbeantwortet, wie sich diese Selbstoffenbarung Gottes in seiner Liebe selbst vollzog, und zwar im Hinblick auf den inneren Liebesakt. Auch der Hinweis, dass er seinen Sohn in die Welt gesandt habe, vermag die gestellte Frage noch nicht zu beantworten.
In dieser Schwierigkeit könnte ein anderer Begriff, zumindest formal, einen Ausweg weisen: der Begriff der „Selbstmitteilung“. Zunächst ist gewiss zuzugeben, dass in der Theologie häufig die Begriffe „Selbstoffenbarung“ und „Selbstmitteilung“ synonym gebraucht werden. Tatsächlich besteht aber nun zwischen ihnen, wenn sie von ihrem „Kernwort“ her bestimmt werden (was aber nur selten geschieht), ein doch erheblicher inhaltlicher Unterschied. Während der Begriff „Selbstoffenbarung“ vom Verb her „sich offenbaren“, also „sich enthüllen“ (im Lateinischen: „revelare“- den „Schleier“ wegnehmen) zum Inhalt hat, dass also etwas Verborgenes sichtbar gemacht wird, haben wir beim Begriff „Selbst-mit-Teilung“ einen völlig anderen Begriffsgehalt, insofern diesem Wort das Verb „teilen“ zugrunde liegt. „Teilen“ meint in seiner Formalstruktur „etwas mit jemandem teilen“, also „den Anderen an einer Sache teilnehmen lassen“. Wird aber nun „teilen“ mit dem sich auf die menschliche Person beziehenden Personalpronomen „selbst“ in Verbindung gebracht, geht es jetzt nicht mehr um eine „Sache“, die mit anderen geteilt wird, sondern um die menschliche Person selbst, so dass sich daraus als neuer Aussagegehalt des Begriffes „Selbst-mit-Teilung“ ergibt: die andere Person an „meinem Sein und Leben“ teilhaben zu lassen, d.h. mit ihr so mein „Ich“ zu teilen, dass es sich derart mit dem „Du“ der anderen Person vereinigt, dass sich daraus als Drittes das „Wir“ der Liebe formt. In ihrem formalen Begriffsgehalt so bestimmt, bringt „Selbst-mit-Teilung“ das zum Vorschein, worin Liebe im innersten Kern besteht, und wie sie sich als Liebe realisiert: als „Eins-Werden“ mit der anderen Person im Sinne eines „Teil-Nehmens“ an ihrem Sein und sie „Teil-haben-Lassens“ am eigenen Sein.
Dieser Gedanke lässt sich noch anders ausdrücken. In der Liebe bringt jeder der Liebenden in diese Liebesbeziehung das ihm je Eigene ein, so dass sich dieses jeweils Eigene mit dem des Anderen zum Gemeinsamen des „Wir“ vereinigt und so ein „relational Neues“ bildet, das aber wirklich ein relativ selbständiges Drittes darstellt, allerdings nur in einer Abhängigkeit zu den In-Beziehung-zueinander-getretenen-Sich-Liebenden. „Selbst-mit-Teilung“ erweist sich so als eine mögliche Charakteristik einer jeden wahren Liebe interpersonaler Art, besonders im Falle der Eheleute, die nach biblisch-christlichem Verständnis einen „unauflöslichen Bund“ stiften, durch den sie „ein Fleisch“ werden.
Eine noch tiefere Weise der Selbstmitteilung übermittelt uns Paulus in 1Kor 11,23-26, wenn er schreibt: „ Denn ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch überliefert habe: Jesus, der Herr, nahm in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und sagte: Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis! Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sprach: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis! Denn sooft ihr das Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.“
Im Zusammenhang mit der Deutung des Begriffs Selbstmitteilung im definierten Sinn in Bezug auf das Geheimnis der „Eucharistie“ (die es später noch ausführlicher zu behandeln gilt), ist hierbei Folgendes wichtig: Jesus, der Herr, teilt mit seinen Jüngern im Abendmahlsaal in der Nacht vor seinem Tod das Brot, welches er als seinen Leib, und den Wein, den er als sein Blut bezeichnet. Im Falle, dass dieser Gestus des Brot-Teilens, verbunden mit der entscheidenden Aussage: „ das ist mein Leib für euch“ (das Gleiche gilt für den Kelch „ Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut “), wörtlich verstanden wird (und nicht nur symbolisch), so dass das gereichte Brot, obwohl noch der Gestalt nach Brot, der Substanz nach (im metaphysischen Sinne) aber der Leib Christi ist, also Christus selbst (und das gilt auch für den Wein als sein Blut), dann muss logischerweise schon im Abendmahlsaal das in der zeitlichen Ordnung spätere Kreuzes- und Auferstehungsgeschehen antizipatorisch gegenwärtig sein. Denn nur so können die Jünger in der Gestalt des Brotes und des Weines den gekreuzigten und auferstandenen Leib des Herrn wirklich empfangen haben. Die Allg. Kirchenversammlung zu Trient lehrt in der 13. Sitzung (1551 ): „Durch die Weihe von Brot und Wein vollzieht sich die Wandlung der ganzen Brotsubstanz in die Substanz des Leibes Christi, unseres Herrn, und der ganzen Weinsubstanz in die Substanz seines Blutes. Und diese Wandlung ist von der katholischen Kirche zutreffend und im eigentlichen Sinn Wesensverwandlung (transsubstantio) genannt worden“.
Unter der Voraussetzung des katholischen Glaubens, dass Jesus Christus im metaphysischen Sinn Gott und zugleich auch Mensch im vollen Sinn des Wortes ist und bleibt, lässt sich dieser Gestus Jesu, im Abendmahlssaal (und in jeder Heiligen Messe, die das Abendmahl-Geschehen real gegenwärtig setzt) den Jüngern in der Gestalt des Brotes und des Weines seinen Leib und sein Blut zur Speise bzw. zum Trank zu geben, als ein „authentischer Liebesakt“ Gottes dem Menschen gegenüber deuten, wodurch sich Gott in der Mensch-gewordenen Person Jesu Christi erst den Jüngern, aber dann auch allen Menschen, die sich hierbei glaubend und liebend auf ihn einlassen, in seinem Gottsein, zwar nicht innertrinitarisch, aber sehr wohl heilsökonomisch, schenkt. Dieses Sich-Selbst-Schenken in seiner „trinitarischen Liebe“ drückt sich im Begriff „Selbst-mit-Teilung“ als einem Teilnehmenlassen des Menschen an seinem göttlichen Sein aus, was aber auch eine Teilnahme Gottes (konkret in der Person Jesu Christi) an dem Sein des Menschen einschließt, da Liebe als Liebe nie eine Einbahnstraße sein kann, sondern sich immer nur im wechselseitigen Austausch (der aber die Eigentümlichkeit der Sich-Liebenden nicht aufhebt, sondern im Gegenteil: sie als eigentliche Ermöglichung dieses Austausches allererst voraussetzt) ereignen kann. Da Liebe also erst im wechselseitigen Austausch das Dritte, das Liebe bzw. Beziehung ist, setzt, kommt infolgedessen dieses Liebesverhältnis Gottes zum Menschen erst dann zustande, wenn der Mensch die ihm von Gott geschenkte Liebe in seiner geschöpflichen Freiheit, nun auch seinerseits, Gott dankend, annimmt und beantwortet. Alles andere wäre eine „Vergewaltigung“ des Menschen durch Gott - und damit keine Liebe mehr.
Die innere Voraussetzung dieser Liebe Gottes als Selbstmitteilung zur Schöpfung ist aber die innertrinitarische Selbstmitteilung der drei göttlichen Personen im immanenten Gottsein. Hier findet sich das Urbild der Selbstmitteilung, das sich dann in der Schöpfung, in erster Linie in den „personalen“ Geschöpfen, abbildlich ausdrückt. Gott aber ist „in seinem innersten Wesen“ Selbstmitteilung, und zwar derart, dass sich der Vater als Vater dem Sohn, ihn zeugend, in seinem Gottsein mit-teilt und ihn daran teilnehmen lässt. Der Sohn nimmt sich in Liebe an und teilt sich so in Liebe als Sohn – dem Vater dankend – mit. In dieser wechselseitigen liebenden Selbsthingabe, in dem sie alles, was sie sind und „haben“, miteinander teilen, setzen sie das Dritte der Liebe, den Heiligen Geist, der so aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht und erst die Liebe zwischen beiden ermöglicht, und zwar als die dritte göttliche Person. Das, was wir aber menschlich nur mit zeitlich-geschichtlichen Begriffen ausdrücken können, ereignet sich in Gott außerhalb von „Raum und Zeit“, in der „Ewigkeit“, die keinen Anfang und auch kein Ende hat, sondern nur ewige Gegenwart ist. Gerade das Wort „ist“, drückt schon in seinem Begriffsinhalt dieses Ewig-Gegenwärtige aus, das wir Menschen nur als etwas „Gegebenes“, aber von uns selber nicht mehr Bestimmbares entgegennehmen können, weil sich hierbei eine „Dimension“ zum Ausdruck bringt, die wir mit unseren „begrenzten Denkkategorien“ niemals ganz in den Griff bekommen können.
Als Fazit des bisher Erkannten lässt sich zusammenfassen: Der Begriff „Selbstmitteilung“ meint von seinem formalen Begriffsgehalt her den inneren Kern der Liebe und enthüllt zugleich die Weise, wie sich Liebe im Innersten realisiert, und zwar als das Dritte der Liebenden, das erst Liebe setzt: „Teilhabe am Sein der anderen Person“ und zugleich auch „Teilnehmenlassen des Anderen am eigenen Sein“. So gedeutet, vermag der Begriff der „Selbst-mit-Teilung“ sowohl den innertrinitarischen Liebesvollzug Gottes in den wechselseitigen Beziehungen seiner drei göttlichen Personen zueinander als auch die spezifische Wirkungsweise des einen Gottes in seinen drei Personen nach außen hin, d.h. im Hinblick auf die Schöpfung, als auch die Sendung des Sohnes im Heiligen Geist in dieser Welt in formaler Weise zu charakterisieren.
Wenn nun aber die Schöpfung, die in der Erschaffung der personalen Geschöpfe kulminiert, in der Weise der Selbstmitteilung in Liebe und darum aus Liebe und zu Liebe erschaffen wurde, hat sie als Geschöpf ebendieses in seinem Wesen und Selbstvollzug als Liebe im Sinne von Selbstmitteilung formal bestimmbaren Gottes (mutatis mutandis und immerzu in der Relation Schöpfer – Geschöpf) die gleiche Seinsstruktur und Verwirklichungsweise von Liebe wie in Gott selbst, in „vollständiger Weise“ aber nur in den personalen Geschöpfen. Das aber bedeutet, dass der Begriff „Selbstmitteilung“ in Bezug auf die „Liebe“ ein „durchgängiges“, also ein „transversales Prinzip“ darstellt, wie sich personales Dasein wesensgemäß zu verwirklichen hat.
Aus dieser Reflexion folgt, dass die Verwirklichung der Schöpfung als Schöpfung (vor allem im Protagonismus der personalen Geschöpfe, und zwar so, wie sie ursprünglich von Gott in seiner Schöpfungsintention geplant ist) und die Realisierung der Sendung des Sohnes im Heiligen Geist (unter dem Aspekt der Selbstmitteilung in Liebe betrachtet) die gleiche Seinsstruktur und die gleiche Verwirklichungsweise der Liebe haben müssen. Nur unter dieser Rücksicht lässt sich überhaupt die Universalität der Erlösungsnotwendigkeit und zugleich der Erlösungsmöglichkeit aller Geschöpfe, ja sogar der Schöpfung als Ganzer, was die katholische Kirche traditionell und lehramtlich immer verteidigt hat, aufrechterhalten und auch begründen.
Dieses universale bzw. transversale Prinzip der Liebe, das sich im Begriff der Selbstmitteilung zum Ausdruck bringt, stellt damit auch die innerste Mitte des Christentums dar, so dass der Versuch, das Christentum unter dem Aspekt der Liebe zu betrachten, um es dann von seinem Ursprung her zu deuten und dabei zugleich seiner eigentlichen Zielsetzung inne zu werden, sich nicht nur als berechtigt, sondern geradezu als unausweichlich erweist.
Stimmt es, wie es oben behauptet wurde, dass die innertrinitarische Liebe, als Selbstmitteilung im definierten Sinn gedeutet, nun die gleiche „formale“ Struktur der Liebe hat, wie sie sich in der Schöpfung, vor allem in ihren personalen Protagonisten wesensgemäß zu verwirklichen hat, und stimmt es, dass auch das Erlösungsgeschehen in der Sendung des Sohnes im Heiligen Geist sich in derselben „formalen“ Weise als Selbstmitteilung in Liebe ereignet, dann folgt daraus, dass die Liebe als die Grundstruktur alles personalen Seienden geradezu zur „Brücke“wird zwischen dem Christentum, dessen innerste Mitte und authentischer Selbstvollzug die Liebe ist, und dem Menschen aller Zeiten, der sich auf der Suche nach der „wahren Liebe“ befindet, weil er im Innersten erkannt hat, dass auch für ihn das gilt, was die Liedzeile zu Anfang des Buches so ausdrückt: „ Nur die Liebe lässt uns leben“, was im Grunde nichts anderes aussagt, als dass nur die Liebe menschliches Dasein als Dasein ermöglicht und realisiert.
Die Aufgabe dieses Buches besteht infolgedessen darin, diese Liebe als Selbstmitteilung im Christentum, angefangen von seinem „Ursprung“, aber dann auch von seiner „ursprünglichen“ Zielsetzung her, bis hin zu seinem Werde- und Verwirklichungsprozess aufzuzeigen. So könnte diese Reflexion über die christliche Liebe als Selbstmitteilung dem heutigen Menschen in seiner ehrlichen Suche nach „wahrer“ Liebe einen wirklichen Zugang zum christlichen Glauben eröffnen.
III. Gottes Wort im Menschenwort
Ergebnis der bisherigen Reflexion ist, dass Gott seine Liebe (in der Weise der Selbstmitteilung) in Jesus Christus den Menschen geoffenbart hat, „ damit wir durch ihn leben “, um so wahrhaft glücklich zu werden. Wie kann der Mensch aber nun in seinem konkreten Leben dieser Liebes-Offenbarung Gottes überhaupt innewerden?
„ Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn, den er zum Erben des Alls eingesetzt und durch den er auch die Welt erschaffen hat...“ ( Hebr. 1,1f ).
Dieser Abschnitt aus dem Eröffnungsteil des Hebräer-Briefes gibt uns nun eine erste Antwort. Zunächst heißt es, dass Gott „ viele Male “ und „ auf vielerlei Weise “ zu den Vätern gesprochen habe. Stellen wir zunächst zurück, was hierbei „ zu uns gesprochen “ meinen könnte, da diese Ausdrucksweise sich erst im weiteren Reflexionsprozess tiefer erschließen wird. „ Viele Male“ drückt aus, dass Gott sich uns immer wieder offenbarte (und offenbart, und zwar bis auf den heutigen Tag). Die Notwendigkeit Gottes, sich „ viele Male “ und „ auf vielerlei Weise “ den Menschen zu offenbaren, entspringt aber nun nicht einem „Defizit“ Gottes, der nur in ewiger Gegenwart „existiert“, sondern resultiert aus der menschlichen Begrenztheit in Raum und Zeit, die aufgrund seiner geschichtlichen Entwicklung (im weitesten Sinne verstanden) den Menschen geradezu dazu nötigt, sich immer wieder und auch immer neu mit der „Offenbarung“ Gottes auseinanderzusetzen, weil er diese nie in ihrer „inhaltlichen Gänze“ in den Griff zu bekommen vermag. So drückt sich hier (modern ausgedrückt) die pädagogisch-didaktische Notwendigkeit seitens Gottes aus, dem jeweiligen Menschen „stück“- bzw. „schrittweise“ den zu vermittelnden Offenbarungsgehalt zu erschließen, wobei er aber auf die jeweilige menschliche und auch sozio-kulturelle „Entwicklungs- und Lebenssituation“ der Empfänger Rücksicht nimmt.
Dieses „Zu-den-Menschen-Sprechen“ Gottes geschieht aber immer und notwendig in der Weise der Vermittlung, was der Hebräerbrief hierbei mit der Erwähnung, dass Gott zu „den Propheten“ sprach, unterstreicht. Immer wieder finden wir im Alten Testament Persönlichkeiten, seien es Abraham, Mose oder andere, an welche sich Gott wendet, dass sie seine Botschaften an das Volk vermitteln. Hier kommt das Prinzip der Liebe zum Ausdruck, welche sich immer in personaler Weise und mittels der Sprache (im weitesten Sinne) ereignet. Zu bemerken ist jedoch, dass sich diese Vermittlung aber auch durch die Schöpfung selbst ereignen kann, was in Röm 1,19ff bestätigt wird, wenn es dort heißt, dass der Mensch Gott mittels der Schöpfung erkennen könne. Auch hier haben wir also das notwendige Vermittlungs-Prinzip.
Die höchste und authentischste Form der Vermittlung der Offenbarung ereignet sich aber „ in dieser Endzeit“ durch den Sohn, den Gott „ als Erben des Alls eingesetzt und durch den er auch die Welt erschaffen hat “. In den nachfolgenden Reflexionen gilt es, diese Charakterisierung des Sohnes noch näher zu bedenken. Was es bisher aber festzuhalten gilt, ist das Faktum, dass normalerweise das Gotteswort im Menschenwort und durch dessen Vermittlung sich mitteilt.
Die Bibel wird gemeinhin als „Wort Gottes“ charakterisiert. Ihre Texte sind demnach Worte Gottes, die ihren eigentlichen und letzten Ursprung und Ausgangspunkt in Gott selber haben. Sie wurden von Gott „ausgesprochen“ in einer bestimmten Absicht und zu einem bestimmten Ziel. Der eigentlich Aussprechende und den Menschen Ansprechende, auch wenn dies in der Vermittlung menschlicher Personen geschieht, ist demzufolge Gott selber. Diese Zusprache Gottes an den Angesprochenen ereignet sich auf dem Weg der Sprache, weil der Mensch von seinem Wesen her ein Sprechender ist, der sich aussprechend und zusprechend, aber auch als Angesprochener erst als Mensch verwirklicht. Diese Weise der sprechenden Selbstverwirklichung begründet sich aus der Tatsache, dass Gott, der selbst „die Liebe ist“ und sich so als „Liebe“ im innertrinitarischen Liebes-Dialog der drei göttlichen Personen verwirklicht, den Menschen aus Liebe und zu Liebe ins Dasein gerufen hat. Liebe wurde als „Selbsttranszendenz zum Anderen“ definiert. So verwirklicht sich die Liebe als „Selbsttranszendenz zum Anderen“ gerade in der Sprache, die so zur Sprache der Liebe wird, die aber in Gott ihr Urbild hat. Wie sich Liebe in der Bewegung vom Ich zum Du hin erst im Wir der Gemeinschaft realisiert, so kann Sprache, die wegen der „Liebesstruktur“ des Menschen zur „Liebessprache“ geworden ist, einzig in der „Gemeinschaft“ ihre Verwirklichung und ihr Sinnziel finden. Sprache vollzieht sich von ihrem Wesen her als geschichtliches Gemeinschaftsereignis; als Sprache eines Stammes, eines Volkes, einer Nation, dh als geschichtliches Erbe, das beileibe aber nichts Statisches ist, sondern etwas zutiefst Dynamisches, insofern sie sich ständig verändert - durch die Menschen selbst und die geschichtlichen, sozio-kulturellen Umstände und Bedingungen. So erleben wir heutzutage eine Sprache, die in ihrer „äußerlichen Gestaltung“ Einflüsse der modernen Naturwissenschaft und Technik widerspiegelt, so dass zuweilen das spezifisch Menschliche in aus dem technischen Bereich herkommenden Begriffen ausgedrückt wird, wie etwa die Ausdrucksweise: eine gut „funktionierende“ Gemeinschaft belegt.
Wie aber teilt sich Gott in seinem Wort dem Menschen mit? Gewiss nicht, wie ein Chef seiner Sekretärin etwas diktiert; auch nicht, indem er diesem etwas „eintrichtert“. Das Gotteswort teilt sich vielmehr dem Menschen in der „Weise einer Selbstmitteilung Gottes“ mit, so dass das Gotteswort nicht einfach ein „verbal-intellektuelles“ Wort ist, sondern ein ganzheitliches, bei dessen Aussprache sich Gott selber mit-ausspricht, dh sich selber mit-teilt, und zwar derart, dass seine „Selbstmitteilung nach außen“ zur Geschichte wird.
In Gott selbst setzt diese „dialogische Selbstmitteilung“ der drei göttlichen Personen das eine „Gottsein“. Das Unterschiedene in Gott ist aber nicht im Gottsein, also im Absoluten, sondern im Relationalen der Personen, im „Vater-, Sohn-, Heiliger Geist-Sein“ gelegen. Zur Schöpfung hin, also heilsökonomisch, wird das mitgeteilte Wort Gottes aber Geschichte. So ruft Gott durch sein Wort die gesamte Schöpfung ins Sein, so dass ihr Sein gleichsam ihre Antwort auf den ihr vorausgehenden Anruf Gottes ist.
Beim personalen Wesen allerdings muss dessen Antwort auf den es ins Sein setzenden Anruf Gottes zur freien Bejahung seines „So-Seins“ werden. Diese Notwendigkeit der freien Bejahung seines personalen „So-Seins“ hat nun aber eine große Bedeutung im Hinblick auf die adäquate Deutung dessen, was Gotteswort im Menschenwort besagt. Da es in der Liebe nie Zwang, sondern nur Freiheit geben kann, so dass sich Liebe nur dort realisiert, wo die freiwillig geschenkte Liebe auch freiwillig angenommen und zugleich erwidert, also be-ant-wortet, wird, kann das Gotteswort im Menschenwort nur ein vom Menschen bejahtes Gotteswort sein, in dem sich der angesprochene Mensch selber als Antwort wiederfindet. Darüber hinaus kann dieses Gotteswort dem Menschen gegenüber nur ein Wort sein, das ihm von Gott als seinem „Partner“ (allerdings immer in der ontologischen Relation von „Schöpfer und Geschöpf“, die niemals aufgehoben werden kann, weil sie vom Sein her bedingt ist) zugesprochen wird. Nur so kann es letztlich eine persönlich-individuelle Identifikation des Menschen mit dem Gotteswort in der Liebe geben. Dass dieses aus Gottes Ewigkeit und damit aus seinem Geheimnisbereich heraus gesprochene (Gottes-)Wort vom Menschen einzig in der ihm „wesens-eigenen“, aber auch „existenziell-geschichtlich begrenzten“ Weise aufgenommen und wiedergegeben werden kann, ist nur zu logisch. Hier erst erklären sich die scheinbaren Widersprüche zwischen Gotteswort und Menschenwort (in der Bibel finden sich viele solcher scheinbaren Widersprüche). Zugleich erklärt sich auch, warum überhaupt die Menschheit in ihrer Geschichte eines Erkenntnis- und Entwicklungsprozesses bedurfte, dieses Wort immer tiefer zu erschließen, und warum auch in einer neuen Begrifflichkeit menschlicher Entwicklungsgeschichte dieses Gotteswort sich immer tiefer zu erschließen vermag (allerdings zuweilen sich durchaus auch verdunkeln kann, wenn wesentliche Denkkategorien und Erfahrungsdimensionen verlorengehen oder fehlen, die nötig sind, dieses Gotteswort überhaupt erst als solches erkennen und deuten zu können).
Indem Gott in seinem auf die Schöpfung (und da vor allem auf das personale Geschöpf) hin ausgesprochenen Wort in der Weise der Selbstmitteilung in die Geschichte des Menschen tritt und sie wesentlich mitgestaltet, was sich vor allem an der Menschwerdung des metaphysischen Sohnes zum Ausdruck bringt und hierbei in endgültiger Weise geschieht, wird sein Wort zur Wirkungsgeschichte, in welcher es zu einer „liebenden Begegnung“ zwischen Ihm und dem Menschenherzen kommt. Das markanteste Beispiel einer solchen „liebenden Begegnung als Wirkungsgeschichte“ ist die fundamentale Erfahrung des Volkes Israel infolge seiner Gott zugeschriebenen Befreiung aus der „Versklavung“ in Ägypten, die allererst zur „Initialzündung“ seiner Volkswerdung wurde. Ebendiese Begegnung, in welcher konkret-geschichtlichen Erfahrungsweise sie sich auch immer ereignet haben mag, war aber so tief, dass sie dieses Volk nunmehr zu der fundamentalen Erkenntnis brachte: dieser Gott der Befreiung ist ein „Gott für uns“, mehr noch, er ist der Schöpfer der Welt, der diese zum Heil führen will.
Unter der Berücksichtigung der Selbstmitteilung Gottes in Liebe in Bezug auf Schöpfung und da in erster Linie auf den Menschen ist die Bibel als Wort Gottes keine theoretische Abhandlung über Gott und seine Beziehung zu Welt und Mensch, sondern ist die in Menschenworte gefasste Vermittlung konkreter Erfahrungen von Menschen, die „in der Geschichte“ Gott begegnet sind und sein Heilswirken in der Welt und am Menschen persönlich und hautnah wahrgenommen haben. So gibt die Bibel Zeugnis von der Heil schaffenden Gegenwart Gottes in der Welt, die sich im Laufe der Jahrhunderte immer mehr bestätigte, und nicht nur mündlich, sondern auch in Schriftzeugnissen vermittelt wurde.
Biblische Texte sind darum auch keine nüchternen Berichte über „historische Ereignisse“, noch naturwissenschaftlich verifizierbare objektive Abhandlungen über die Entstehung der Welt und des Menschen, sondern sind Bekenntnisse, die aus den Glauben stiftenden Begegnungen der Menschen mit Gott herrühren, deren einzige Intention es ist, Zeugnis vom Heilswillen Gottes zu geben und den Menschen den Weg aufzuzeigen, wie sie zu ihrem Heil gelangen können. Dazu gehört aber auch, dass der Mensch erfahre, wie Gott ist, was seine Pläne mit der Welt sind und wie Gott sie zu verwirklichen sucht. Es ist aber auch nötig, dass der Mensch erfahre, woher er selbst kommt und was sein Lebensziel und seine wahre Bestimmung ist, sowie, wie er nun seinerseits als Partner Gottes sein Leben gestalten muss, um diese Zielsetzungen Gottes zu verwirklichen.
Biblische Texte sind also Gotteswort im Menschenwort und damit Texte ihrer Zeit, in deren sozio-kulturellen Sprache und im Horizont ihrer zeitgeschichtlichen „Denk- und Lebensweise“ verfasst, denen das „Kolorit“ ihrer Zeit und Umwelt anhaftet, so dass es durchaus nicht immer leicht ist, ihren eigentlichen Aussagegehalt zu entdecken. So müssen sie notwendigerweise immer wieder neu erschlossen und unserem heutigen Denken und Fühlen aktualisiert werden, was für die jeweiligen Theologen und Bibelausleger eine permanente Herausforderung bedeutet und somit ihre hermeneutische Arbeit unentbehrlich macht.
IV. Inspiration der Heiligen Schrift durch den Heiligen Geist
So sehr auch zu betonen ist, dass biblische Texte von menschlichen Autoren (aus ihrer Denk- und Vorstellungswelt heraus, mit ihren „sprachlichen Möglichkeiten, aber auch Begrenzungen“, mit ihren „Eigenheiten und Besonderheiten“) verfasst worden sind, so sind diese Texte doch letztlich ihrem Ursprung nach „Gotteswort“ und „vom Heiligen Geist inspiriert“ und damit der menschlichen Subjektivität (im Sinne von Willkürlichkeit) letzten Endes entzogen.
Allgemeine Kirchenversammlung zu Trient, 4. Sitzung (1546): „ So folgt sie (die Kirche) dem Beispiel der rechtgläubigen Väter, wenn sie alle Bücher des Alten und Neuen Bundes – denn der eine Gott ist ja der Urheber von beiden – zugleich mit den Überlieferungen, die Glauben und Sitten betreffen, mit gleicher frommer Bereitschaft und Ehrfurcht anerkennt und verehrt. Denn sie stammen ja aus dem Munde Christi oder sind vom Heiligen Geist eingegeben und sind in ununterbrochener Folge in der katholischen Kirche bewahrt worden“. (Anm. 1)
Allgemeine II Kirchenversammlung im Vatikan, 8. Sitzung (1965): „ Es zeigt sich also, dass die Heilige Überlieferung, die Heilige Schrift und das Lehramt der Kirche gemäß dem weisen Ratschluss Gottes so miteinander verknüpft und einander zugestellt sind, dass keines ohne die anderen besteht und dass alle zusammen, jedes auf seine Art, durch das Tun des einen Heiligen Geistes wirksam dem Heil der Seelen dienen“.
„ Das von Gott Geoffenbarte, das in der Heiligen Schrift enthalten ist und vorliegt, ist unter dem Anhauch des Heiligen Geistes aufgezeichnet worden; denn aufgrund apostolischen Glaubens gelten unserer heiligen Mutter, der Kirche, die Bücher des Alten und wie des Neuen Testamentes in ihrer Gesamtheit mit all ihren Teilen als heilig und kanonisch, weil sie, unter Einwirkung des Heiligen Geistes geschrieben (vgl. Joh 20,31; 2Tim 3,16, 1Petr 1,19-21; 3,15-16), Gott zum Urheber haben und als solche der Kirche übergeben sind. Zur Abfassung der Heiligen Bücher hat Gott Menschen erwählt, die ihm durch den Gebrauch ihrer eigenen Fähigkeiten und Kräfte dazu dienen sollten, all das und nur das, was er – ihnen und durch sie wirksam – geschrieben haben wollte, als echte Verfasser schriftlich zu überliefern. Da also alles, was die inspirierten Verfasser und Hagiographen aussagen, als vom Heiligen Geist ausgesagt zu gelten hat, ist von den Büchern der Schrift zu bekennen, dass sie sicher, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit lehren, die Gott um unseres Heiles willen in den heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte. Daher <ist jede Schrift, von Gott eingegeben, auch nützlich zur Belehrung, zur Beweisführung, zur Zurechtweisung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, damit der Gott gehörige Mensch bereit sei, wohlgerüstet zu jedem guten Werk> (2 Tim 3,16-17 griech.)“. (Anm. 2)
Was geht aber nun aus den Zitaten dieser Konzilstexte über die „Inspiration“ hervor, und welche Schlussfolgerungen lassen sich daraus im Hinblick auf den beabsichtigten Reflexionsversuch über das Christentum in Schrift, Überlieferung und Selbstvollzügen ziehen?
Zunächst betonen die Konzilstexte, dass die Heilige Schrift als Ganze und in ihren Einzelteilen vom selben Heiligen Geist inspiriert sei, und zwar zum „Heil der Seelen“. Inspiration geschieht also nicht aus einem Selbstzweck heraus, etwa aus einem wissenschaftlichen Interesse, sondern hat als klar erklärtes Ziel den einzigen Sinn, den Menschen in seiner Ganzheit zu seinem ewigen Heil, also zu seinem „wahren Glück“, zu führen, wie es ja auch in der Liebe einzig darum geht, alles zu tun, dass der Geliebte durch seine „Selbstentfaltung“ glücklich werde. Nur in dieser Zielausrichtung rechtfertigt sich das Heil schaffende Wirken Gottes und damit auch seine Inspiration. Wird „Inspiration“ aus diesem Sinn-Kontext herausgebrochen, verliert sie ihren eigentlichen Sinn und damit ihre Berechtigung. Inspiration geschieht also um des Heils der Menschen willen und aus keinem anderen Grund.
Der Konzilstext aber reduziert die Inspiration durch den Heiligen Geist nicht auf die Heilige Schrift, sondern dehnt sie auf die Heilige Überlieferung und das Lehramt der Kirche aus, wobei er betont, dass diese drei Wirklichkeiten, eine Einheit bildend, sich gegenseitig ergänzen und auslegen („ Es zeigt sich also, dass die Heilige Überlieferung, die Heilige Schrift und das Lehramt der Kirche gemäß dem weisen Ratschluss Gottes so mit einander verknüpft und einander zugestellt sind, dass keines ohne die anderen besteht und dass alle zusammen, jedes auf seine Art, durch das Tun des einen Heiligen Geistes wirksam dem Heil der Seelen dienen.“) .
Daraus lässt sich die entscheidende Folgerung ziehen, dass die einzelnen Schriftteile sich nicht allein aus sich selber, also in einer textimmanenten Weise, sondern nur im Gesamtkontext der „Heiligen Schrift“ und darüber hinaus der „Überlieferung der Kirche“ und des „kirchlichen Lehramtes“ und zwar unter Berücksichtigung ihres heilsgeschichtlichen Kontextes (das Heil der Seelen) auslegen lassen. Diese Voraussetzung verleiht dem Einzeltext, in seiner zeitbedingten Begrifflichkeit verfasst und dazu von sozio-kulturellen Einflüssen sowie Umständen bestimmt, allererst seine heilsgeschichtliche Bedeutsamkeit und eröffnet ihm Horizonte und Perspektiven, welche das „Vorstellungsvermögen“ sowie auch die „Intentionen“ seines jeweiligen, in einer bestimmten geschichtlichen Zeit lebenden und aus ihr heraus denkenden und schreibenden Verfassers weit übersteigen.
Wenn nun der Konzilstext des Weiteren ausführt: „ Zur Abfassung der Heiligen Bücher hat Gott Menschen erwählt, die ihm durch den Gebrauch ihrer Fähigkeiten und Kräfte dazu dienen sollten, all das und nur das, was er – ihnen und durch sie wirksam – geschrieben haben wollte, als echte Verfasser schriftlich zu überliefern“, so kommt hierbei – lehramtlich bestätigt – zum Ausdruck, was die Theologie in den Begriff „Gotteswort im Menschenwort“ fasst . (Anm. 3)
Wenn auch der Heilige Geist der Urheber aller biblischen Texte ist, was ihnen erst ihre göttlich unerschöpfliche Tiefe und ihren vom Menschen unerschöpfbaren Reichtum verleiht, so bedient er sich doch des Menschen bei „ihrer konkreten Abfassung“, nicht aber als bloßes „Instrument“, sondern als Partner, den er durch dessen Dienst an seinem Heilswerk, trotz seiner menschlichen Begrenztheit, be-teiligt. Die Tatsache aber, dass der Heilige Geist bei dieser „partnerschaftlichen Beteiligung“ des menschlichen Verfassers der „eigentliche Urheber“ sowohl der Heiligen Schrift als auch der kirchlichen Überlieferung und darüberhinaus auch des kirchlichen Lehramtes und (stimmt es im Wesentlichen mit diesen drei Wirklichkeiten überein) des ernsthaften, profunden theologischen Denkens und Forschens ist, lässt die „Möglichkeit“ offen, dass ebendieses so begrenzte „Menschenwort“, dem das es inspirierende Gotteswort zugrunde liegt, im Laufe der Jahrhunderte, durch neue Erkenntnisse und Entwicklungen bereichert, immer tiefer „in seinem göttlichen Aussagegehalt erschlossen“ wird. Ein Beispiel dafür stellt der Gottesbegriff selbst dar. Während dieser „Begriff“ im Alten Testament sich wegen der starken Abgrenzung zur Welt und pantheistischer Verschmelzungen von Gott und Welt und der Vielgötterei im Umfeld Israels auf das „Ein-Gott-Sein“ beschränkte, wurde er im Neuen Testament durch die „Selbstoffenbarung“ Jesu Christi auf den „Einen-Gott in drei Personen“ in seiner Tiefendimension „erweitert“. Wenn auch die „Dreifaltigkeit“ innerbiblisch mehr implizit dargestellt wird, wurde sie dann durch die Tradition, das kirchliche Lehramt, vor allen auf den Konzilien von Nicäa und Konstantinopel, in expliziter Weise immer profunder definiert.
In ebendiesem „Licht“ der obigen Konzilstexte und unter Berücksichtigung des im Begriff der „Selbstmitteilung Gottes in Liebe“ Reflektierten lässt sich behaupten, dass „Inspiration“ niemals ein „Alleingang“ Gottes sein kann, sondern nur ein „Handeln Gottes in Liebe“, bei dem er den Menschen in sein Heilswirken einbezieht und ihn damit ernst nimmt, insofern er ihn seinen ihm gemäßen Beitrag leisten lässt, so dass auch im Falle der Inspiration das „göttliche Prinzip seines Heilshandelns“ zur Geltung kommt: „Tat Gottes“ und zugleich „Tat des Menschen“ zu sein, wobei der Mensch notwendigerweise zuerst immer der Empfangende ist, dann aber auch als Empfangender das Empfange, erst in seine Lebenswirklichkeit freiwillig übernehmend und in sie umsetzend, an die Mitmenschen weitergibt. Damit aber erschöpft sich nicht die Beteiligung der Menschen. Sie setzt sich fort in den Menschen, die geleitet und geführt vom Heiligen Geist, ebendieses „Gotteswort im Menschenwort“ nun immer mehr erschließen und es so allererst als „gelebte Glaubensbotschaft“ den anderen verkündigen. „Diener und Träger“ dieser in das Leben umgesetzten Inspiration können aber nur diejenigen Menschen sein, die, abgesehen von ihren menschlichen Fähigkeiten, sich vom Heiligen Geist als der innergöttlichen personalen Liebe in ihrem Menschsein so innerlich treffen und erleuchten lassen, dass sie sich so in die Logik dieser göttlichen Liebe integrieren lassen, dass diese – in ihre eigene Lebensgeschichte eingegangen – sie erst befähigt, zum „Verkünder des Gotteswortes“ zu werden, insofern dieses Gotteswort (im Maße des Menschen-Möglichen) ihr „Eigenes“ geworden ist, und zwar insofern als sich dieses Gotteswort in die Begrenztheit ihres „Menschenwortes“ verleiblicht hat und sich so erst dann zum Ausdruck bringt.
Anmerkungen:
Anm. 1: Neuner-Roos, Der Glaube der Kirche, K. Rahner u. K. H. Weger, Pustet Verlag 1975, S.78 Nr. 88
Anm. 2: a. a. O., S. 108, Nr. 149
Anm. 3: a. a. O., S. 109, Nr. 150
ERSTER HAUPTTEIL
SELBSTMITTEILUNG GOTTES IM ALTEN TESTAMENT
Das Bearbeitungs-Interesse dieses ersten Hauptteils richtet sich nur auf einige wenige biblische Texte des Alten Testaments, welche es unter dem Aspekt der Liebe zu reflektieren gilt, ohne die Ambition und auch nicht den Anspruch einer fachspezifisch-wissenschaftlichen Untersuchung. Die ausgewählten Texte dieser „Reflexion“ umfassen einzig die beiden „Schöpfungsberichte“ (Gen 1,1-2,4 und Gen 2,4b-25), „der Fall des Menschen“ mit „seinen Folgen“ (Gen 3,1-24) sowie Teile des „Exodus-Geschehen“ (Ex 2,23-4,17; 2,1-13.16; 2O,1-21). Die Absicht dieser Reflexion besteht darin, den Ursprung, die Anfänge und auch die Zielsetzung der göttlichen Selbstmitteilung in Liebe hinsichtlich der Schöpfung in den Blick zu nehmen, um von hierher Sinn und Ziel menschlichen Daseins besser bestimmen zu können.
ERSTES KAPITEL
DER ERSTE SCHÖPFUNG-BERICHT (GEN 1,1-2,4a) UNTER DEM ASPEKT DER LIEBE
„Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde; die Erde war wüst und wirr. Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser. Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. Gott sah, dass das Licht gut war. Gott schied das Licht von der Finsternis und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Es wurde Abend und es wurde Morgen: erster Tag.
Dann sprach Gott: Ein Gewölbe entstehe mitten im Wasser und scheide Wasser von Wasser… So geschah es und Gott nannte das Gewölbe Himmel. Es wurde Abend und es wurde Morgen: zweiter Tag.
Dann sprach Gott: Das Wasser unterhalb des Himmels sammle sich an einem Ort, damit das Trockene sichtbar werde. So geschah es. Das Trockene nannte Gott Land und das angesammelte Wasser nannte er Meer. Dann sprach Gott: Das Land lasse junges Grün wachsen, alle Arten von Pflanzen, die Samen tragen, und von Bäumen, die auf der Erde Früchte bringen mit ihrem Samen darin. So geschah es… Es wurde Abend und es wurde Morgen: dritter Tag.
Dann sprach Gott: Lichter sollen am Himmelsgewölbe sein, um Tag und Nacht zu scheiden. Sie sollen Zeichen sein und zur Bestimmung von Festzeiten, von Tagen und Jahren dienen; sie sollen Lichter am Himmelsgewölbe sein, die über die Erde hin leuchten. So geschah es… Gott sah, dass alles gut war. Es wurde Abend und es wurde Morgen: vierter Tag.
Dann sprach Gott: das Wasser wimmle von lebendigen Wesen und Vögel sollen über dem Land am Himmelsgewölbe dahinfliegen…Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und vermehrt euch und bevölkert das Wasser im Meer und die Vögel sollen sich auf dem Land vermehren. Es wurde Abend und es wurde Morgen: der fünfte Tag.
Dann sprach Gott: Das Land bringe alle Arten von lebendigen Wesen hervor, von Vieh, von Kriechtieren und von Tieren des Feldes. So geschah es… Gott sah, dass es gut war. Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land. Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie. Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über die Tiere, die sich auf dem Land regen… So geschah es. Gott sah alles an, was er gemacht hatte. Es war sehr gut. Es wurde Abend und Morgen: der sechste Tag.
So wurden Himmel und Erde vollendet und ihr ganzes Gefüge. Am siebten Tag vollendete Gott sein Werk, das er geschaffen hatte, und er ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk vollbracht hatte. Und Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn für heilig; denn an ihm ruhte Gott, nachdem er das ganze Werk der Schöpfung vollendet hatte.
Das ist die Entstehungsgeschichte von Himmel und Erde, Als sie erschaffen wurden“. (Gen 1,1-2,4a)
I. Ist dieser Schöpfungsbericht überhaupt ein „Bericht“?
Der Text dieser Welterschaffung liest sich wie ein Bericht und wurde Jahrhunderte lang - zumindest von der Mehrheit der Menschen (und auch heute noch von vielen) – als ein solcher aufgefasst. Erste Zweifel kamen seitens der modernen Naturwissenschaft auf (wenn man einmal von Origenes und anderen kritischen Autoren absieht), als entdeckt wurde, dass die Erde gar nicht das Zentrum der Welt bzw. des Kosmos ist, sondern innerhalb des Weltganzen nichts anderes darstellt als ein sehr kleiner und vergleichsweise unbedeutender Planet. Hinzu kommt, dass seit der Neuzeit und der in ihr stattfindenden Aufklärung und das noch mehr in unserer Gegenwart, ebenfalls seitens der modernen Naturwissenschaft, immer mehr in Zweifel gezogen wird, ob die Entstehung der Welt überhaupt der Existenz eines Schöpfers bedürfe, da sie sich ja doch, „allem Anschein nach“ aus einem Urknall entstanden, durch eine Selbstorganisation der Materie zu dem entwickeln konnte, als was sie sich heute präsentiert, und in Zukunft noch zu viel mehr und zu etwas Anderem weiterentwickeln könnte, was wir uns jetzt noch gar nicht vorzustellen vermögen.
Ein weiterer Zweifel kam sogar in der Theologie selbst auf, und zwar seitens der modernen Exegese, die nunmehr mittels textkritischer Untersuchungen und der Erkenntnisse der modernen Bibelwissenschaft nicht Gott und dessen Schöpfersein (was aus theologischer Sicht doch etwas befremdend wäre), wohl aber den biblischen Text in seiner literarischen Komposition als Bericht im naturwissenschaftlichen Sinne anzweifelte.
Zu einem ähnlichen Resultat, wenn auch nicht mit so fachwissenschaftlichen Methoden, könnte jeder kommen, der sich nur einmal die fast naive Frage stellt: Was ist eigentlich ein Bericht im modernen Sinne? Bei einem „Bericht“ berichtet eine Person in möglichst sachlicher Weise über ein Geschehen, dessen Zeuge sie selbst geworden ist, oder gibt das wieder, was ihr von einer anderen Person, die das besagte Geschehen erlebt hat, mitgeteilt wurde. Denken wir an einen Unfallbericht, abgefasst von einem Polizisten, der selbst beim Unfall nicht zugegen war, sich aber über das Geschehene mittels der anwesenden Zeugen dieses Unfalls sachkundig gemacht hat.
Wie ist dies aber nun beim Bericht über die Erschaffung der Welt? Wer war hier der Zeuge, der uns berichten könnte, was und wie es geschah? Ganz gewiss kein Mensch, der wurde laut des ersten Schöpfungsberichtes erst an letzter Stelle, am Ende, erschaffen, als schon alles andere da war. Der einzige Zeuge kann nur Gott selber sein. Kann aber Gott – menschlich ausgedrückt – ein Interesse daran haben bzw. eine Notwendigkeit darin sehen, dem Menschen detailliert mitzuteilen, wie er die Welt erschaffen habe, gleichsam um dessen Wissensdurst zu stillen?
Es wurde bereits betont, um etwas ernsthafter die besagte Frage anzugehen, dass Gott mit seiner Offenbarung ein entscheidendes Ziel verfolge: die Menschen zum „Heil zu führen“. Um aber zu diesem „Heil“ zu gelangen, ist es überhaupt nicht wichtig zu wissen, wie die Welt im Einzelnen entstanden ist, schon gar nicht naturwissenschaftlich. Wie sollte Gott denn einem biblischen Autor, der von einer Selbstorganisation der Materie noch nie etwas gehört hat, „eingeben“, über etwas zu berichten, von dem er aber überhaupt keine Ahnung hat, ja, über das auch heutzutage nur eine verschwindende Minderheit etwas Sicheres weiß und über das Wissenschaftler selbst bislang mehr Vermutungen anstellen, als dass sie faktisch wissen können. Hätte also Gott an einer solchen „Wissensübermittlung“ naturwissenschaftlicher Fakten durch einen darüber aber völlig unbedarften biblischen Autor Interesse, dann geschähe eine solche Übermittlung als eine menschenunwürdige „Eintrichterung“ über ein Geschehen, jzu dem der Autor aber auch nicht den geringsten inneren Bezug gehabt hätte.
Welchen Sinn hat aber dann dieser Schöpfungstext? Ist er gar das Produkt einer „ungezügelten und willkürlichen Phantasie“, vielleicht sogar einer Scharlatanerie? Zunächst ist einmal klar zu stellen, dass es sich hier nicht um irgendeinen beliebigen Text handeln kann, der aus einem wie immer gearteten persönlichen Interesse des Autors entstanden ist, sondern vielmehr um einen biblischen und zudem noch von Gott selbst inspirierten Text, also: um das Gotteswort im Menschenwort. Insofern muss er einen Sinn und eine Absicht haben. Worin aber könnte diese bestehen? Der von Gott erleuchtete Autor (vermutlich ein Priester Jahwes) verfolgt mit seiner systematischen und logischen Darstellung der Erschaffung der Welt, in der er das Wissen seiner Zeit über die vermeintliche Weise der Entstehung der Welt zum Ausdruck bringt, das Ziel, seinem gläubigen Leser deutlich zu machen, dass Gott als die höchste Autorität die Welt in sechs Tagen erschaffen habe, und zwar von dem Unbelebten zum Belebten und schließlich zum menschlichen Sein aufsteigend, um am siebten Tag von seinem Werk auszuruhen, damit der Mensch in seinem konkreten Leben, dem Beispiel Gottes folgend, das Gleiche tue: sechs Tage arbeite und am siebten Tag, also am Sabbat, in Gott ausruhe. Sinn und Zweck dieses Textes wäre es, in einer geradezu pädagogisch und didaktisch klugen Weise dem gläubigen Juden den Willen Gottes nahezubringen, die Sabbatruhe einzuhalten, die im jüdischen Glauben eine zentrale Rolle spielt und später sogar von den Christen (in Form des Sonntags als des Erinnerungstages an die Auferstehung Jesu Christi) übernommen wurde. Außer der Herausstellung der bedeutenden Rolle des „Sabbats“ enthält dieser Text aber noch eine Reihe fundamentaler philosophischer und theologischer Aussagen, wie die weitere Reflexion dieses Textes zum Vorschein bringen wird.
Aus diesen Reflexionen ergibt sich also als Folgerung: Wäre der Schöpfungstext ein Bericht, womöglich noch ein exakt beschreibender und objektiv verifizierbarer Bericht darüber, wie konkret die Welt und auch die Menschheit entstanden sind, dann verlöre er zwangsläufig seine theologische und dazu noch anthropologische Tiefendimension und damit seine immerzu aktuelle Bedeutung, die gerade in seiner spezifischen Konzeption mit all ihren fundamentalen Aussagen über Welt, Mensch, deren Ursprung, Sinn und Ziel zum Ausdruck kommt, so dass letztlich nicht die Welterschaffung in ihrer konkreten Vollzugweise von Interesse ist, sondern vielmehr ihre Zielsetzung und ihr Sinn, die sich allererst aus der Reflexion über ihren metaphysischen Ursprung erschließen lassen. So wäre - theologisch gesehen - nichts unsinniger, als auf der konkreten Darstellungsweise der Welterschaffung dieses Bibeltextes in Form eines Berichtes im modernen Sinne zu bestehen.
Im Folgenden soll nunmehr versucht werden, unter dem Aspekt der Liebe diese behauptete Tiefendimension und immer aktuelle Bedeutung des Schöpfungstextes zu erschließen. Zuvor gilt, es den Text, so wie er sich einem oberflächlichen und ersten Hinblick präsentiert, in seinem Aufbau und hinsichtlich seiner Konzeption zu betrachten.
II. Versuch einer Gliederung und ersten inhaltlichen Bestimmung des Textes
Beim Versuch, Gen 1,1-2,4a in eine Gliederung zu bringen, ergibt sich nun aber eine formale Schwierigkeit, die allerdings inhaltliche Gründe hat. Die Schwierigkeit besteht in der adäquaten Einordnung von Gen 1,2 in den Gesamttext. Betrachten wir also den Text selbst:
Da ist zunächst der fundamentale Einleitungssatz in Gen 1,1: „ Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde “, der gleichsam in einer Art Synthese den Gesamttext in eine komprimierte Aussage bringt.
Sodann folgt der Hauptteil (das sog. Sieben-Tag-Schema - Gen 1,3-2,3), der sehr ausführlich und detailliert die „sechstätige Schöpfungstätigkeit“ Gottes zum Thema hat und letztendlich im Ruhetag des Herrn, dem siebten Tag, dem Sabbat, kulminiert.
Als Schlussteil, gleichsam als Abrundung des Ganzen, lässt sich Gen 2,4a charakterisieren, wo noch einmal der Anfangssatz in erweiterter und spezifizierender Weise wiederholt wird: „ Das ist die Entstehungsgeschichte von Himmel und Erde, als sie erschaffen wurden “. Wo aber lässt sich in dieser Dreigliederung: Anfang - Hauptteil – Schluss - Gen 1,2 „ die Erde aber war wüst und leer, Finsternis lag über der Urflut, und Gottes Geist schwebte über dem Wasser“ einordnen, bzw.: welchem Teil lässt sich Gen 1,2 - inhaltlich-logisch-fundiert - formal zuordnen?
Der Anfangssatz in Gen 1,1 gibt gleichsam als „Kurzformel“ das Faktum der „Welterschaffung durch Gott“ kurz und bündig wieder. Eine weitere Ergänzung hätte - logisch gesehen - keinen Sinn. Der Hauptteil setzt mit der konkreten Schilderung der Welterschaffung in sechs Tagen an. Ihm Gen 1,2 als Einleitung zuzuordnen, hätte ebenfalls wenig Sinn. So bleibt einzig übrig, Gen 1,2 als einen eigenen Teil, und zwar als eine Art „Zwischenteil“, zwischen dem „fundamentalen Einleitungssatz“ und dem „Hauptteil“ einzuordnen, wo er (wie wir noch sehen werden) sehr wohl eine Berechtigung und einen Sinn haben könnte. Als mögliche Gliederung ergibt sich darum die folgende:
- Fundamentaler Einleitungssatz (Gen 1,1)
- Zwischenteil (Gen 1,2)
- Hauptteil (Gen 1,3-2,3)
- Zusammenfassender Schlusssatz (Gen 2,4a)
- Fundamentaler Einleitungssatz (Gen 1,1)
Die Bibel, so wie sie uns vorliegt, beginnt mit dem fundamentalen Satz: „ Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“. Ebendieser Satz findet sich, wenn auch in etwas veränderter Form, aber ebenfalls am Anfang, im apostolischen Glaubensbekenntnis: „ Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde“. Bezüglich der inhaltlichen Aussage der Anfangstätigkeit Gottes hinsichtlich der Schöpfung besteht eine völlige Übereinstimmung; ein Unterschied besteht allerdings in der charakterisierenden Hervorhebung Gottes als des „Vaters“, des „Allmächtigen“ und des „Schöpfers“. Von diesem fundamentalen Satz am Anfang der Bibel als der grundlegenden Basis aller übrigen Glaubensaussagen begreift sich demnach nicht nur das Judentum, sondern auch das Christentum, insofern dasselbe ebendiesen Satz an den Anfang seines Glaubensbekenntnisses setzt.
Was aber macht diesen Satz so fundamental? Dieser Satz charakterisiert sowohl Gott selbst als auch die Schöpfung, und zwar in dem, was und wie beide sind. Der nachfolgende Hauptteil ist somit nur eine differenzierende Ausgestaltung dieses Satzes, in welchem erst deutlich wird, was jüdisch-christlicher Glaube in seiner Grundsubstanz kennzeichnet. Wie kann aber von einem einzigen Satz so Substanzielles behauptet werden?
Von der Satzstruktur her, zumindest der der deutschen Übersetzung, die mit dem Zeitwort „am Anfang“ anhebt, das sich als Adverbialbestimmung auf das Verb „schuf“ bezieht, lässt sich eine formale Trennung von Gott und Schöpfung feststellen, die inhaltlich von größter Bedeutung ist. Gott wird von der Schöpfung abgesetzt. Er existiert als Schöpfer derselben unabhängig von ihr und vor ihr. Er bedarf, um als Gott existieren zu können, ihrer nicht, während aber die Schöpfung als Geschöpf sehr wohl eines Schöpfer-Gottes bedarf.
Das, was für einen heutigen Christen eine nicht mehr notwendig zu erwähnende Selbstverständlichkeit darstellt, war für die Zeit der Abfassung dieses Satzes ein Novum und eine Besonderheit. Denn die außerjüdische Welt hatte viele Götter, die zudem mit der Welt so vermischt gedacht wurden, dass es zwischen Gott bzw. den Göttern und auch der Welt keinen substanziellen, sondern nur noch einen akzidentellen Unterschied gab. Insofern stellt diese biblische Aussage eine gewisse Entmythologisierung und Säkularisierung dar, hebt sie doch klar sowohl die „Souveränität“ als auch die „Einzigartigkeit“ Gottes gegenüber seiner Schöpfung hervor, aber zugleich auch deren Abhängigkeit Ihm gegenüber, die aber nicht nur darin besteht, dass sie einmal von Gott, am Anfang und als Anfang, aus dem Nichts ins Dasein gesetzt wurde und nun fortan aus sich selber und für sich selber bestehen könnte (Deismus), sondern sie ist und bleibt als ein Seiendes (obwohl ihr doch auch eine relative Eigenständigkeit zukommt) - ontologisch gesehen - in permanenter Weise und in all ihren Einzelvollzügen von dem sie allererst ermöglichenden und sie in ihrem kontingenten Sein erhaltenden absoluten Sein, also ihrem Schöpfer-Gott, abhängig.
Diese vom Glauben an einen Schöpfer-Gott ausgehende jüdisch-christliche Weltdeutung wendet sich in ihrer bleibenden Aktualität, die sie auch in unserer heutigen Zeit hat (sonst wäre dieser biblische Text nur von einem historischen Interesse, was aber seine transversale, überzeitliche Bedeutung erheblich einschränken würde), ebenso gegen positivistisch-naturwissenschaftliche Theorien, welche die Ewigkeit der Materie behaupten und – daraus nun schließend – von einer „Selbstorganisation der Materie“ ausgehen. Die behauptete Selbstorganisation der Materie aber ereignet sich (gemäß moderner Naturwissenschaft) in wesensimmanenter und autonomer Weise, also ohne jedes Zutun einer metaphysischen äußeren Intelligenz (eines Gottes), aus primitiven Seinformen heraus sich aber dann in immer höhere und komplexere Gebilde entwickelnd, und zwar in einem unaufhörlichen Prozess, der aber nun keinen Abschluss mehr hat. Der permanente Wandlungsprozess bezieht sich aber nun nicht mehr nur auf die Materie, sondern auch auf den Menschen und sein spezifisches Menschsein und hat infolgedessen einen wesentlichen Einfluss auf die Bestimmung dessen, was der Mensch im letzten ist.
Während bei der Theorie der Selbstorganisation der Materie von dem der Naturwissenschaft eigenen Formalobjekt her, das empirisch, aber nicht mehr metaphysisch ist, zwangsläufig und folgerichtig jedes Persönlich-Individuelle von vorne herein und logischerweise ausgeschlossen wird (aus der Materie kann doch bei noch so intensiver Selbstorganisation nie etwas Individuell-Persönliches hervorgehen, weil ein solches nur in einem wie immer geartet Persönlich-Geistigen seinen „metaphysischen Ursprung“ haben kann, was nun aber von einem rein „empirischen“ Formalobjekt gerade ausgeschlossen wird), stellt der besagte „biblische Satz“ innerhalb seines Kontextes aufgrund seines metaphysischen Glaubensansatzes eben das Persönlich-Individuelle gerade an seinen Anfangspunkt: Ein persönlich-individueller und geistiger Gott, der mit keiner Materie vermischt, aber auch nicht aus ihr hervorgehend behauptet wird, sondern souverän ihr als ihr Schöpfer gegenübersteht, ruft alles persönlich ins Dasein und verleiht seinen Geschöpfen, besonders den personalen, so eine ihnen „je eigene und unauslöschbare“ Würde, und das von Anfang an. Welt ist darum aus jüdisch-christlicher Glaubenssicht nicht ein aus einer Anonymität entstandenes biologisch-chemisches Gebilde, das sich aus sich selber organisiert, sondern ist aus einem „persönlich-individuellen Schöpfungsakt“ Gottes entstanden, welcher aus seinem ewigen „Ratschluss“ erfolgt und so seiner Schöpfung ein Ziel und damit auch einen Sinn verleiht. Auch wenn diese Schöpfung weder als göttlich noch als ein Teil Gottes (Pantheismus) in dieser biblischen Glaubenskonzeption verstanden und gedeutet wird, so steht sie diesem Schöpfergott doch nicht absolut gegenüber, sondern allein aus der Tatsache, von Gott erschaffen zu sein (und noch mehr aufgrund der Weise, wie sie erschaffenen wurde), besteht von vorneherein eben durch das Faktum ihrer Erschaffung zwischen dem persönlich sie erschaffenden Gott und den von ihm erschaffenen Geschöpfen eine unaufhebbare persönliche Beziehung, die sich aber nicht nur auf ihre ontologische Abhängigkeit reduzieren lässt, sondern ihre eigentliche und letztliche Begründung darin hat, dass sie einer „Selbstmitteilung in Liebe“ ebendieses Gottes entstammt. Was das aber besagt, müssen die weiteren Reflexionen noch deutlicher ans Licht bringen. „Zwischenteil“ (Gen 1,2)
Es wurde bereits über die Schwierigkeit der Einordnung von Gen 1,2: „ Die Erde aber war wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut, und Gottes Geist schwebte über dem Wasser “ im Kontext des ersten Schöpfungstextes gesprochen. Dass aber nun Gen 1,2 gleichsam als Zwischenteil zwischen Gen 1,1 und Gen 1,3-2,3 – inhaltlich gesehen - durchaus einen Sinn hat, bringt ein Kommentar der Jerusalemer Bibel einleuchtend zum Ausdruck, wenn er bemerkt: „1,2 wüst und leer hebräisch tohu und bohu <Öde und Leere> - wie < Finsternis über dem Abgrund > und < die Wasser > Bilder, die durch ihren negativen Charakter die Vorstellung (die deutlich erst in 2Mkk 7,28 formuliert ist) einer <Schöpfung aus dem Nichts> ausdrücken wollen“. (Anm. 1)
Gemäß der Texterläuterung hätte Gen 1,2 innerhalb des Textganzen als eigenständiger Teil zwischen Gen 1,1 und Gen 1,3-2,3 gleichsam die Aufgabe, den <Urzustand> der Schöpfung als <Nichts> darzustellen, paradoxerweise aber in „Metaphern“ ausgedrückt. Diese metaphorische Darstellung des „Nichts“ in Gen 1,2 hätte demzufolge den theologischen Sinn, Gott als „den Schöpfer alles Seienden“ von der Schöpfung abzuheben und so seine Souveränität ihr gegenüber als der wahre Gott hervorzuheben.
Da es bei einer Reflexion über das Christentum unter dem Aspekt der Liebe nicht darum gehen kann, biblische Texte einzig nur textimmanent zu betrachten und somit auf ihre „historische“ Aussagedimension zu reduzieren, sondern darum gehen muss, über das historisch Verifizierbare hinaus, biblische Texte in ihrer alle Zeiten hindurch gültigen heilsgeschichtlichen Perspektive zu bedenken, lässt es nun aber als angezeigt erscheinen, Gen 1,2 in einer für unsere geschichtliche Gegenwart äußerst bedeutsamen Aussageperspektive zu deuten, in einer Deutungsdimension, die allerdings dem biblischen Autor in seiner zeitgeschichtlichen Sicht und Denkweise völlig abgehen mag, die jedoch aus der Tatsache heraus, dass hier ein vom Heiligen Geist inspirierter Bibeltext vorliegt, der aufgrund seiner göttlichen Inspiration immer auch das Ganze des Seins (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) im Blick hat, durchaus gerechtfertigt erscheint.
Worin besteht nun eine solche Deutungsdimension von Gen 1,2, die gerade für den heutigen Menschen von Interesse ist? Betrachten wir Gen 1,2-2,3 etwas genauer, fällt auf, dass zwischen der metaphorischen Darstellung des „Nichts“ in Gen 1,2, ausgedrückt in negativen, dunkel-kalten, vorwiegend unpersönlichen Bildern, und der äußerst „persönlich und warm“ wirkenden Darstellungsweise der Welterschaffung in Gen 1,3-2,3, wo ein väterlich anmutender Gott seinen Geschöpfen, und da vor allem seinen Menschen, eine „ideale Welt“ hinterlässt, ein starker Kontrast festzustellen ist. Welche Aussageabsicht des biblischen Autors könnte sich dahinter verbergen? Könnte es sein, dass der Autor mit dieser kontrastierenden Bildersprache dem Leser vermitteln wollte, dass dort, wo Gott die Welt erschafft, er selbst in ihr gegenwärtig wird und sich so „in seinem Gottsein“ dem Menschen erfahrbar macht. Wohingegen die dunklen Bilder, welche in einer metaphorischen Weise die „Ursituation“ vor der Welterschaffung ausdrücken, geradezu die „Abwesenheit“ Gottes und somit seine Nichterfahrbarkeit zum Ausdruck brächten. Diese Nichterfahrbarkeit kann sich aber immer nur auf den Menschen beziehen.
Um das hier Gemeinte besser zum Ausdruck zu bringen, ist es nötig, nochmals auf das erwähnte Gedicht Nietzsches „Vereinsamt“ einzugehen. Das „Problem“ Nietzsches drückt sich in seiner fundamentalen Aussage aus: „Gott ist tot“, eine Problematik, die ihn in seinem gesamten Leben und Schaffen immer begleitet hat. „Vereinsamt“ beschreibt ja den stetigen „Selbst“-Zerfall einer fiktiven Person, die sich immer mehr in sich selbst verschließt, was letztlich zu ihrer absoluten „Vereinsamung“ führt.
Interessant ist nun auch, in welchen Bildern Nietzsche dies ausdrückt: „ Die Welt – ein Tor/ Zu tausend Wüsten stumm und kalt!“, eine Metapher, die in überraschender Weise dem bildlichen Ausdruck in Gen 1,2: „ Wüst und wirr (leer), Finsternis lag über der Urflut“ ähnelt, allerdings in ihrer „existenziell-gefühlsmäßig erfahrbaren Negativität“ im Sinne einer Verlorenheit, ja, sogar Sinnlosigkeit. In Nietzsches „Vereinsamt“ wird nun aber dieses „äußere Landschaftsbild“ zum Spiegelbild einer „inneren existenziellen Erfahrung der Heimatlosigkeit“ der „fiktiven“ Person, die infolge dieser Erfahrung in die Flucht vor sich selbst getrieben wird („ Wer das verlor, was du verlorst, macht nirgends Halt “) und schlußendlich in einer selbstquälerischen, ja, sich selbst zerstörenden Resignation endet („ Versteck, du Narr, dein blutend Herz in Eis und Hohn “), was allerdings am Ende – letztlich - zu ihrer „völligen Vereinsamung“ führt.
Die nun ebenso zunächst „Trostlosigkeit“ und „Sinnlosigkeit“ (zumindest aus heutiger Sicht) vermittelnde „Urzustands-Landschaft“ von Gen 1,2 als Metapher des Nichts und damit einer Abwesenheit Gottes eröffnet aber bereits im Bildausdruck „ und Gottes Geist schwebt über den Wassern “ einen latenten Hoffnungsschimmer, welcher sich dann im Schöpfungsakt Gottes als Ausdruck seiner Anwesenheit und liebenden Besorgtheit um seine Geschöpfe im Schöpfungsakt verifiziert, so dass sein „Schöpfungsakt“ zum Ausdruck seiner realen Anwesenheit in der Welt wird, welche dem menschlichen Dasein allererst Hoffnung, Sinn und Zukunft verleiht.
Während also im Gedicht Nietzsches („ Vereinsamt “) die Abwesenheit Gottes von der „fiktiven“ Person als äußerst schmerzvoll erfahren wird, eine Erfahrung aber, in welcher sich die momentane Gegenwartssituation unserer, bis ins Kosmische hinein sich immer mehr ausweitenden Welt geradezu widerzuspiegeln scheint, und zwar in Form einer Daseinskonzeption, in der nur noch Angst und Verlorenheit zu dominieren und so dem heutigen Menschen in seiner Welt keine Heimat mehr zu gewähren scheinen (vgl. den so bezeichnenden Begriff „Unzuhause“), vermittelt uns nun dieser biblische Schöpfungstext mit seiner geradezu unerschütterlichen Glaubensüberzeugung an die schöpferische Anwesenheit Gottes eine Perspektive und eine Sinnaussage, die auch dem heutigen Menschen in seiner aktuellen Weltkonzeption - trotz seiner existenziellen Verlorenheit - wieder ein Zuhause schenken könnte.. Hauptteil (Gen 1,3-2,3)
Gen 1,3-2,3 gliedert sich – formal gesehen – in sieben Abschnitte, die den sieben Tagen der Woche entsprechen (Sieben-Tage-Schema). Die ersten sechs dieser Abschnitte, welche die sechs Tage der Welterschaffung darstellen, beginnen stereotyp mit: „ Dann sprach Gott “ und enden ebenso stereotyp mit: „ Es wurde Abend und Morgen: der erste, zweite, dritte...usw. Tag“, was diesen Abschnitten eine eintönige, ja fast pedantisch-regelmäßige Struktur, zugleich aber auch eine Geschlossenheit verleiht. Inmitten dieses geordneten Text-Gebildes wiederholt sich ab dem dritten Abschnitt zudem noch die Formel: „ Gott sah, dass alles (sehr) gut war “, im sechsten Abschnitt sogar zweimal. In einigen Abschnitten taucht noch nach der Formel: „ Gott sprach “ die Formel: „ So geschah es “ auf, gleichsam als Bestätigung, dass sich der „Befehl“ Gottes erfüllt habe.
Alle diese formelhaften Ausdrucksweisen machen einen erheblichen Teil des Gesamttextes aus und erweisen diesen Text als einen mit literarischen Stilmitteln durchkonstruierten, in einer klar erkennbaren Konzeption verfassten Text - mit einer ebenso klaren Aussageabsicht.
Betrachten wir kurz, was sich nun an den einzelnen Schöpfungstagen ereignet. Am ersten Tag erschafft Gott das Licht und scheidet es von der Finsternis. Am zweiten scheidet er die Wasser oberhalb des Gewölbes (Himmel) von den Wassern unterhalb des Gewölbes. Am dritten Tag sammelt er die Wasser unterhalb des Gewölbes an einen Ort (Meer), so dass das Trockene sichtbar wird (Land). Am vierten Tag erschafft er nun die zwei Lichter (Sonne und Mond) zur Unterscheidung von Tag und Nacht. Am fünften Tag erschafft er dann die lebenden Wesen des Wassers und die Vögel über den Wassern – mit dem Auftrag verbunden: „ Seid fruchtbar und vermehrt euch “. Am sechsten Tag erschafft er die Landtiere, das Vieh, die Kriechtiere und schließlich den Menschen nach seinem Abbild, als Mann und Frau – mit dem Auftrag, sich zu vermehren und über die Erde und alles, was auf ihr ist, zu herrschen.
Am siebten Tag schließlich ruht Gott von seinem Werk aus, nachdem er alles vollbracht hat, segnet den siebten Tag und erklärt ihn für heilig.
„ 1,1-2,4a Im Gegensatz zu den Schöpfungsvorstellungen der Umwelt Israels, nach denen die Elemente des Kosmos Gottheiten sind und durch göttliche Zeugungen entstanden, lehrt hier die priesterliche Tradition Israels, dass alle Dinge, Pflanzen, Tiere und der Mensch durch Gottes Wort entstanden sind. Dabei setzt sie die antike Weltsicht voraus, stellt die Bewegungen und Veränderungen am gestirnten Himmel und auf der Erde so dar, wie sie sich dem Augenschein zeigen, und setzt voraus, dass Gott, von dem Israel die Siebentagewoche mit dem Sabbat als Ruhetag im Bundesgesetz erhalten hat, auch selbst sich bei der Erschaffung der Welt an das Schema der Siebentagewoche gehalten hat. Durch die Erschaffung des Menschen nach Gottes Ebenbild, das letzte Schöpfungswerk, wird der Mensch als Krone und Herr der Schöpfung herausgehoben “ (Anm. 2). Schlussteil (Gen 2,4a)
Dieser Schlussteil enthält eine etwas erweiterte Referenz auf den fundamentalen Ausgangssatz und stellt somit gleichsam eine Abrundung des Gesamttextes dar.
III. Reflexionen über Gen 1,1-2,4a unter dem Aspekt der Liebe
1. Vorüberlegungen
Die klassisch-traditionelle Theologie beginnt ihre Traktate über den christlichen Glauben (pauschal ausgedrückt) mit dem Traktat „ de Deo trino “, also dem Dreifaltigen Gott, während die aktuelle Theologie beim Menschen und seiner Frage nach dem Sinn seines Daseins ansetzt. Beide Weisen theologischen Denkens laufen – bereits von ihrem Ansatzpunkt her – Gefahr, in eine Einseitigkeit zu geraten. Dieser Gefahr könnte eine Theologie, die von der „Liebe“ ausgeht, entgehen, findet sich im Phänomen der Liebe, so wie es definiert wurde, doch von Anfang an sowohl die Dimension Gottes als auch die des Menschen gegeben, insofern Liebe sowohl das Sein und Wesen Gottes als auch das Sein und Wesen des Menschen charakterisiert und damit umfasst.
Der Ursprung der Liebe ist in Gott selber, wird uns aber in der Person Jesu Christi, der in seinem Sein und Wesen sowohl das Göttliche als auch das Menschliche in seiner jeweiligen Gänze und Fülle umschließt, offenbart. So wird die Sendung Jesu Christi zum Schlüssel, in das spezifisch Christliche einzutreten. Diese „Selbstoffenbarung“ Christi wurde als „Selbstmitteilung“ Gottes in seinen drei Personen zur Welt hin gedeutet. Da nun aber Christus sowohl als Gottes Sohn Mit-Schöpfer ist („ Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand“- Kol 1,1), aber zugleich auch Geschöpf („ Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung“ - Kol 1,15) muss von ihm und in ihm und durch ihn alles theologische Denken ansetzen, will es nicht vom „Heilsweg“ Gottes abkommen, sondern stattdessen zur Mitte des Christentums, besser gesagt: des christlichen Glaubens, vorstoßen.
So muss nun auch der Versuch, die alttestamentlichen Texte unter dem Aspekt der Liebe zu reflektieren, in der Person Christi und in seiner heilsgeschichtlichen Sendung in der Welt seinen Ausgangspunkt nehmen. Das gilt aber auch für die Deutung der alttestamentlichen Texte, was übrigens auch die Evangelisten ebenso tun, wenn sie von ihrer Erfahrung mit dem auferstandenen Christus her die Schrift, das Alte Testament, deuten und die überlieferten Heilsereignisse des Alten Testamentes in ihrer Verbindung zur Sendung Jesu Christi als einziges und unteilbares Heilshandeln Gottes auffassen.
Wie aber soll die beabsichtigte Reflexion konkret verlaufen? Sie soll in einzelnen Denkschritten erfolgen, und zwar in der Weise, dass sie einzelne Aussagen des Genesis-Textes näher bedenkt, aber nicht textimmanent, sondern von der Selbstmitteilung „Jesu Christi im Heiligen Geist“ her, unter Berücksichtigung ihrer Auslegung durch Überlieferung und Lehramt sowie (immer nach Möglichkeit und Notwendigkeit) in Auseinandersetzung mit Grundfragen, die unsere aktuelle Daseinswirklichkeit affizieren. Unter ebendieser Voraussetzung, dass der biblische Text eben kein „Bericht“ darüber ist, wie Welt und Mensch „konkret“ entstanden sind, und damit letztlich auch ohne jedes naturwissenschaftliche Interesse, sondern eine vom Heiligen Geist inspirierte Selbstoffenbarung Gottes und seines Heilsplanes mit Mensch und Welt, kann von diesem Text, auch wenn dies über „Denkhorizont und Aussageabsicht“ der biblischen Autoren hinaus geht, erwartet werden, dass er darüber Auskunft geben kann, und zwar in höchster Autorität, was der Mensch von seinem Wesen her ist, woher er kommt und was das letzte Ziel seines Daseins ist und wie er dann zu diesem seinem Daseinsziel hin gelangen kann, und zwar im Sinne eines Antwortversuchs auf die Grundfragen des Menschen nach seinem Ursprung sowie nach dem Sinn und Ziel seines Daseins.
2. Erschaffung der Welt: „in, durch und auf Christus hin“
Während Gen 1,1 nur undifferenziert von „Gott“ als dem „Schöpfer“ der Welt spricht („ Am Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde “), findet sich in den neutestamentlichen Hymnen, die sich auf die Schöpfung beziehen, eine überraschende Differenzierung des Gottes-Begriffs und darüber hinaus sogar bezüglich der „Urheberschaft“ bei der Welterschaffung: In Kol 1,16f - ein „Loblied auf Christus, das Ebenbild Gottes“ - heißt es nun: „Denn in ihm (Christus) wurde alles geschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten; alles ist durch ihn und auf hin geschaffen. Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand“. In Hebr. 1,2 lesen wir: „... in der Endzeit hat er (Gott) zu uns gesprochen durch den Sohn, den er zum Erben des Alls eingesetzt hat und durch den er auch die Welt erschaffen hat“.
In Eph. 1,3.4.9-10 finden wir : „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel. Denn in ihm hat er uns erwählt vor Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott.../Und er hat uns das Geheimnis seines Willens kundgetan, wie er gnädig im Voraus bestimmt hat. /Er hat beschlossen, die Fülle der Zeiten heraufzuführen, in Christus alles zu vereinen, alles, was im Himmel und auf Erden ist“.
In Joh. 1,3, und zwar im Logos-Hymnus (Christus als das Wort), begegnen wir dem Satz: „Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist“.
Im zitierten Kolosser-, Hebräer-, und Johannestext ist explizite von der Beteiligung Jesu Christi bei der Erschaffung der Welt die Rede, im Epheser-Text ist dieses zwar nicht ausdrücklich erwähnt, es lässt sich aber aus dem Kontext und in Berücksichtigung der anderen drei Texte aus den Sätzen folgern: “Denn in ihm (Christus) hat er uns erwählt vor Erschaffung der Welt...“ und „ Er hat beschlossen , in Christus alles zu vereinen, alles, was im Himmel und auf Erden ist“.
Diese Beteiligung des vom Vater geliebten Sohnes an der Erschaffung der Welt lässt sich aus dem Gedanken der Liebe als „Selbstmitteilung“ nachvollziehen und so nachträglich begründen, insofern diese „Selbstmitteilung“ eine „Teilhabe passiver und aktiver Art“ am Sein und an den Selbstvollzügen des Geliebten - im inneren Liebesverhältnis, aber auch nach außen hin – impliziert; letztlich erschlossen wird sie aber nur aus der übermittelten Botschaft der Sendung Christi. Diese neutestamentliche Deutung und Charakterisierung der Schöpfung als „in Christus, durch ihn und auf ihn hin geschaffen“ verleiht dieser Schöpfung (gegenüber der Deutung des Genesis-Textes) eine völlig neue Dimension, insofern hier die Schöpfung nicht nur hinsichtlich ihres Ursprungs, ihrer Zielsetzung und ihres Sinns neu bestimmt wird, sondern darüber hinaus mit dem innersten Geheimnis Gottes in einer geradezu revolutionären Weise in eine Beziehung gesetzt wird, und das (umso mehr) in der doch immerzu menschlich-unbegreiflichen (weil jedes menschliche Denken und auch Vorstellen übersteigenden) zusätzlichen Aussage, dass dieser Christus, der metaphysische Sohn Gottes („.. und das Wort ist Gott“ - Joh1,1) Mensch wird, dh. Geschöpf, und somit selber Schöpfung: „ und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt “ - Joh. 1,14a). Das „Große Glaubensbekenntnis“ bringt die behauptete Gottheit Jesu so zum Ausdruck: „ Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater“.
Worin aber besteht nun das Revolutionäre und das zugleich Unbegreifliche dieser Aussage? Es besteht darin, dass in der menschlichen Person Jesus (als „Ersterschaffenem der Schöpfung“) Gott selber (der eine Gott, der aber zugleich der Dreipersönliche ist) Geschöpf, also Schöpfung geworden ist, wodurch die im Genesis-Text so nachdrücklich betonte Trennung zwischen Gott und Schöpfung - allem Anschein nach - nicht nur aufgehoben, sondern darüber hinaus sogar noch in der Behauptung überboten wird, dass Gott sich in Jesus Christus mit der Schöpfung vereinigen will, und das von aller Ewigkeit her, was die folgenden Schriftzitate belegen: „ Denn Gott wollte mit seiner Fülle in ihm wohnen, um durch ihn alles zu versöhnen. Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen...“- Kol 1,19.20; noch stärker in Eph. 1,10 ausgedrückt: „ Er hat beschlossen, die Fülle der Zeiten heraufzuführen, in Christus alles zu vereinen, alles, was im Himmel und auf Erden ist “).
Ist aber eine größere Aporie, ein größerer Widerspruch, denkbar: Im Alten Testament die klare Trennung zwischen Gott und Schöpfung , im Neuen Testament die denkbar innigste Vereinigung von Gott und Schöpfung „in der Mensch gewordenen Person“ Jesus Christus? Bevor hier ein Antwortversuch unternommen wird, sei eine wichtige Bemerkung des emeritierten Heiligen Vaters Benedikt XVI. angefügt, welche er als Theologieprofessor Ratzinger in seinem Buch „ Einführung ins Christentum “ vor mehr als dreißig Jahren bezüglich des Geheimnisses der Heiligen Trinität machte, die aber wohl auch auf die obige Problematik (mutatis mutandis) appliziert werden kann: „ Mit dem bis jetzt Bedachten haben wir einen Punkt erreicht, an dem das christliche Bekenntnis zu dem einen Gott mit einer Art von innerer Notwendigkeit in das Bekenntnis zum drei-einigen Gott übergeht. Auf der anderen Seite können wir nicht übersehen, dass wir damit einen Bereich berühren, wo christliche Theologie sich ihrer Grenzen mehr bewusst sein muss, als sie es oft gewesen ist, einen Bereich, in dem nur das demütige Geständnis des Nichtwissens wahres Wissen und nur das staunende Verbleiben vor dem unfassbaren Geheimnis rechtes Bekenntnis zu Gott sein kann. Liebe ist immer <Mysterium>: mehr als man berechnen und berechnend begreifen kann. Die Liebe selbst – der ungeschaffene ewige Gott – muss daher im hohen Maß Geheimnis: das Mysterium selber sein“.
Nur auf dem Hintergrund dieser Bemerkung ist der nachfolgende Antwortversuch einzuordnen. Wenn darum ein Antwortversuch unternommen wird, kann er nur „aus der Liebe“ erfolgen, die in ihrem innersten Wesen Selbstmitteilung ist und sich nur in dieser Weise verwirklichen kann. Für all das nun auszudrücken Versuchte gilt aber, was in der obigen Bemerkung reklamiert wird: „ Die Liebe ist immer <Mysterium>, mehr als man berechnen und berechnend begreifen kann“, und deshalb auch nur staunend empfangen kann, weil sich die Liebe als Mysterium immer nur in der „Dialektik“ des Geheimnisses als das „Sich-Entbergende-nur-noch-mehr-Verschließen“ vollzieht. (Im Maße der Mensch in dieses Geheimnis einzudringen versucht, verschließt sich ihm dieses Geheimnis als Geheimnis immer mehr und offenbart gerade in diesem Sich-Verschließen seine letztlich grundsätzliche Unerschließbarkeit der Tiefendimension seiner wesensspezifischen Geheimnishaftigkeit.
Dort, wo die Liebe – formal gesehen - als Selbstmitteilung geschieht, ereignet sie sich in ihrem inneren Liebesvollzug als eine empfangende Teilhabe am Anderen und zugleich als ein sich selbst verschenkendes Teil-Nehmen-Lassen des Anderen an dem Eigenen, so dass dabei allererst das Dritte der Liebes-Beziehung gesetzt wird.
Wenn aber nun Gott eine – von ihm aus gesehen – „Außen-Welt“ schafft, besser gesagt: sie liebend ins Dasein ruft, kann dies immer nur in der Weise geschehen (gewiss mutatis mutandis), wie Er sich als Gott bzw. „in seinem Gott-Sein“ verwirklicht, und zwar gemäß seiner innertrinitarischen Selbstvollzüge, so dass sich diese „formale Struktur“ seiner innertrinitarischen Selbstvollzüge notwendig, allerdings in seinsanaloger Weise, nach außen verlagern muss, weil diese „Setzung“ der Schöpfung sich nicht innergöttlich ereignen kann (sonst wäre sie selber innergöttlich und damit Gott-konstitutiv), sehr wohl aber seit Ewigkeit aus ihm (wie auch immer dies gedacht werden kann) hervorgehen muss.
Wie aber ein Vollzug Gottes nicht „innertrinitarisch“ verbleiben, sondern sich sogar nach „außen hin verlagern“ kann, bleibt uns Menschen immerzu ein Geheimnis, da wir als Menschen dasselbe niemals ergründen können. Dass es aber einen solchen Vollzug nach außen hin gibt, beweist uns die Schöpfung in ihrer Existenz, die ja schließlich keine Fiktion, sondern eine Realität darstellt.
Halten wir fest: Wenn Gott in einem Vollzug nach außen „wirkt“, geschieht dies notwendig als Liebe, da Gott in seinem innersten Wesen „Liebe ist“. Jedes nach außen Wirken Gottes (wie im Falle der Schöpfung) entspringt deshalb seinem ewigen Ratschluss, einem Gedanken, der seit Ewigkeit in Gott präsent ist, so dass Schöpfung vor ihrer zeitlich-geschichtlichen „Werdung“ in Gott als Gedanke Gottes vorgegeben sein muss. Gerade im Epheser-Brief kommt dieses im „Loblied auf den Heilsplan Gottes“ bestens zum Ausdruck:
„Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott; er hat uns aus Liebe im Voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus/ und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen (1,5); „..und er hat uns das Geheimnis seines Willens kundgetan, wie er es im Voraus bestimmt hat (1,9); Durch ihn sind wir auch als Erben vorherbestimmt und eingesetzt nach dem Plan dessen, der alles so verwirklicht, wie er es in seinem Willen beschließt“ (1,11).
Schöpfung (und damit auch ihre spätere Erlösung) ist im Hinblick auf ihr Gott-gewolltes Sein und Sinnziel seit „Ewigkeit“ in Gott bereits „vorherbestimmt“, und zwar als sein Plan mit der Schöpfung, und das vor allem mit den personalen Geschöpfen. Diese „Vorbestimmung“ hat ihren Urgrund in der innergöttlichen „Liebes-Existenz“. So erweist sich die Liebe als Grundmotiv der Schöpfung. Wahre Liebe ist als die „Selbsttranszendenz zum Anderen“ immer auf Gemeinschaft ausgerichtet. Sie kann darum niemals „in sich“ verbleiben, sondern muss sich „nach außen hin verlängern“.
So kann sich – beispielsweise - eine Liebe zwischen zwei Menschen auf Dauer nicht nur auf die beiden Liebenden reduzieren; sie muss sich auch nach außen hin öffnen und von außen her immer neu befruchten lassen. So realisiert sich die eheliche Liebesgemeinschaft erst dann in ihrer wesensgemäßen Fülle, wenn sie sich im Kind „verleiblicht“. Jede Gemeinschaft, die durch Liebe gestiftet wird (der Begriff Liebe wird hier im formalen Sinne verstanden als „Selbstmitteilung zum Anderen“), kann sich nie nur in sich selbst erfüllen, sondern sie muss wesensnotwendig auch nach außen strömen.
Kann man aber nun ebendiese Gedanken ohne weiteres auf Gott applizieren? Von unten her, dh vom menschlichen Denken her, ganz gewiss nicht. Es lässt sich deshalb nur „von Gott her“, und zwar aus seiner Selbstoffenbarung als Selbstmitteilung her erschließen. Wichtig dabei ist aber immer zu bedenken, dass es wahre Liebe nur in Freiheit und nie als Notwendigkeit geben kann. Zu behaupten, Gott hätte die Schöpfung ins Dasein setzen müssen, um so seinen eigenen Seinsgesetzen gerecht zu werden, wäre ein völliger Fehlschluss. Wir müssen uns allein mit der Antwort des Evangeliums beschränken, die uns im Epheser-Brief so vermittelt wird: „Gott hat die Welt und den Menschen aus Liebe erschaffen“. Mehr können wir nicht sagen, wenn wir nicht das Geheimnis „zerstören“ wollen.
Dennoch lässt sich aus der inneren Logik der Liebe heraus folgern: Wenn Gott die Welt aus Liebe erschaffen hat, hat er sie auch in und zu Liebe erschaffen. Diese Liebe Gottes begegnet uns aber konkret in Jesus Christus, in seiner Person, aber auch in seiner Geschichte, sodass wir daraus schließen können, von den obigen Hymnus-Zitaten dazu hingeleitet, dass die Schöpfung, aus Liebe geschaffen, christo-zentrisch ist, so dass sie in und auf Christus (als ihre eigentliche Mitte) hin geschaffen sein muss. Gilt dies aber nur für den Menschen, nicht aber auch für die gesamte Schöpfung?
Auch darauf geben uns die obigen Zitate eine Antwort. Im Kolosserbrief heißt es: „ Denn in ihm (also Christus) wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten; alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen (1,16); „Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen, um durch ihn alles zu versöhnen. Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen, der Friede gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut“ (1,19-20). Christus, als der „Ersterschaffene“, nicht im zeitlich-geschichtlichen Sinne, sondern im Sinne des ewigen Ratschlusses Gottes, ist die Mitte der gesamten Schöpfung, in ihm hat sie ihren ewigen Ursprung und ihr ewiges Ziel; in ihm und seinem Wesen gemäß muss sie sich aber auch vollziehen, um ihr Daseinsziel zu erreichen. Christus wird so zu der „Zentral-Gestalt“, in dem sie sich realsymbolisch verwirklichen muss, um erst sie selbst zu werden und zu bleiben.
In dieser Hinsicht kann Schöpfung nie zum bloßen Material des Menschen deklariert und dann als solches missbraucht oder gar ausgebeutet werden. Nur in diesem Sinne wird verständlich, dass der Heilige Franziskus den Mond als seinen Bruder und die Sonne als seine Schwester bezeichnen konnte (im Lateinischen ist allerdings „luna“ weiblich und „sol.“ männlich) und die Welt als Gottes Schöpfung verehrt hat. Schöpfung ist der „geschichtlich-existenzielle“ Ort, wo sich menschliches Dasein zu verwirklichen hat, und damit nicht ein bloßes „Material, dessen sich der Mensch, über es willkürlich verfügend, bedienen dürfte. Das aber bedeutet nun nicht, dass der Mensch sich die Welt nicht auch untertan machen dürfe, wie es doch bereits in den beiden Schöpfungstexten sogar als ausdrücklicher Auftrag Gottes an den Menschen zum Ausdruck kommt. Sie ist ihm zu seiner „Selbstverwirklichung“ übergeben, aber immer nur im Hinblick auf seine „Daseinsgestaltung“, aber nie als „willkürlich manipulierbarer“ Selbstzweck, weil sich dann nämlich der Mensch selbst und auch den anderen Menschen zum Selbstzweck „umfunktionieren“ könnte“. Auch die Schöpfung hat als Geschöpf (und nur noch mehr im Hinblick auf Christus als dem „Erstgeborenen der Schöpfung“) ihre eigene Würde.
Was aber bedeutet das Gesagte in Bezug auf die personalen Geschöpfe? Der alttestamentliche Text bezeichnet bereits den Menschen als die Krone der Schöpfung, insofern er ihn als „Abbild Gottes“ charakterisiert. Was das aber bedeutet, bleibt einer späteren, ausführlicheren Reflexion vorbehalten. Hier soll nur in Anlehnung an das „Gesagte“ bemerkt werden, dass menschliches Dasein, „in Liebe und zu Liebe“ geschaffen, seinen ewigen Ursprung und sein Ziel und damit seinen Sinn in Christus hat, und somit eine „trinitarische“ Struktur besitzt. Menschliches Dasein ist von seinem Wesen her also „trinitarisch“. Heißt dies aber nun, dass der Mensch gleichsam eine „Trinität in Kleinformat“ darstelle? Das wäre gewiss ein völliger Unsinn. „Trinitarisch“ bedeutet, dass der Einzelmensch in seiner „Individualität“ sowohl auf Liebe als auch zugleich „auf Gemeinschaft“ ausgerichtet bzw. bezogen ist und sich als Mensch überhaupt nur in dieser Weise realisieren kann, und zwar seinsanalog zum Dreifaltigen Gott.
Die hier angesprochene Thematik gilt es später noch mehr zu vertiefen, wenn die „Erschaffung des Menschen“ in der Auseinandersetzung mit dem zweiten Schöpfungsbericht näher in den Blick genommen werden soll.
Kommen wir zum Schluss dieser Reflexionen nun auf den scheinbaren Widerspruch des Neuen Testaments mit dem Alten Testament sowie zu der Frage der Beziehung Gottes zur Schöpfung zurück. Wenn der Autor von Gen 1,1-2,4a nur von „Gott“ als dem Schöpfer der Welt spricht und so eine klare Trennungslinie zwischen Gott und Schöpfung zieht, dann tut er dieses aus seinem zeitgeschichtlichen Denk- und Wissenshorizont heraus und seiner eigentlichen Aussageabsicht mit seinem Text. Für ihn und auch seine Zeit war es wichtig, Gott als den „einen, wahren und einzigen“ Gott gegenüber der „Vielgötterei“ (und der daraus logisch folgenden „Vermischung“ von Welt und Gott) in der Umwelt Israels für seine jüdischen Glaubensbrüder herauszustellen. Er betrachtete Gott von außen und nicht von innen her, wie dies erst später in der Sendung Jesu Christi geschieht, der uns Gott aus seiner innertrinitarischen Liebesbeziehung heraus erschloss (Joh. 14,15-31). Dass sich allererst in dieser Sendung Jesu Christi eine „neue Bestimmung“ von Welt und Mensch eröffnete, scheint nur allzu logisch.
Welche Bedeutung hat aber nun diese durch die Sendung Jesu Christi vermittelte „Vertiefung“ des Gottesbildes gegenüber der Metapher-reichen Darstellungsweise im Alten Testament sowohl für unser „konkretes Gottesbild“ und als auch unsere persönliche Beziehung zu Gott selbst?
Zunächst ist zuzugeben, dass auch der Genesistext uns das Bild eines Gottes vorstellt, der seine Schöpfung und vor allem seine Menschen liebt. Das vermittelt bereits der erste Schöpfungstext, vielleicht noch konkreter und persönlicher der zweite: Gen 2,4b-25, wie wir noch sehen werden. Gott wird hierbei als der liebende Vater vorgestellt, der alles persönlich ins Dasein ruft und dem Menschen eine Lebensbasis hinterlässt, die ihm allererst ermöglicht, sich seinem Wesen gemäß zu gestalten. Wozu bedarf es dazu aber noch einer Vertiefung des Gottesbildes, und was könnte uns eine solche Vertiefung mehr vermitteln?
Eine Antwort darauf könnten die beiden Definitionsversuche der „Liebe“ im Einführungstext dieses Buches geben. Der erste war: Das Beste für den Anderen wollen, dass er glücklich werde. Gerade diese Liebesdefinition findet sich im Genesis-Text und überhaupt im Alten Testament verwirklicht. Von außen her betrachtet, wäre dies genug; denn mehr als einen Anderen glücklich zu machen, lässt sich schwerlich erreichen. Nun wurde aber behauptet, dass der obige Satz nur deutlich zu machen vermöge, worum es formal bei der Liebe gehe und was ihr Ziel sei. Über den inneren Kern der Liebe und wie sie sich innerlich vollziehe, werde aber nichts ausgesagt. Darüber Antwort zu geben, sei nur mittels des Begriffs der „Selbst-mit-Teilung“ im definierten Sinn möglich. Was also vermag dieser Begriff der „Selbst-mit-Teilung“ zu einer „Vertiefung“ des Gottesbildes und darüber hinaus zu einer tieferen Bestimmung des menschlichen Daseins beizutragen? „Das Beste für den Anderen wollen, dass er glücklich werde“ hat zweifellos als Ziel seiner liebenden Zuwendung „das Glück des Anderen“, was „formal“ das höchste Ziel menschlichen Daseins beinhaltet. Das aber, was hier offen bleibt, ist die „Vollzugsweise“ der Liebe, d.h. wie sie dieses Ziel zu erreichen versucht. Um ein Beispiel zu geben. Eltern können für ihre Kinder alles „Erdenkliche“ tun, dass sie glücklich werden. Verbleibt aber ihre liebende Zuwendung nur in der „Sache selbst“, dem „Besten“, mit anderen Worten: geben sie in ihrer liebenden Zuwendung nicht auch sich selbst, so dass nun diese liebevolle Zuwendung zu einem „Mit-Teilen“ ihrer Selbst, also zu einer „Selbst-mit-Teilung“ wird, dann verbleibt alles nur im Äußeren und dringt nicht in den inneren Kern der Liebe vor, d.h. ins Herz hinein.
Im Falle Gottes als des Schöpfers erweist sich dieser „Sachverhalt“ als umso tiefer. Es ist eben nicht dasselbe, ob Gott eine Welt erschafft und sie in seinem Erschaffungsvollzug von sich zwar absetzt, dennoch aber sich um sie kümmert, indem er den Menschen alles Lebensnotwendige gibt, was sie benötigen, um sich in dieser Welt „einzurichten“ und dadurch äußerlich glücklich zu werden; oder aber, ob Gott nun seine Welt (und da vor allem den Menschen), seinem Wesen als „Dreifaltiger“ gemäß, in sein Dasein so „hineinruft“, dass sich in der „personalen Schöpfung“ seine „wesensspezifische“ innergöttliche Beziehungsstruktur der „Selbst-mit-Teilung“ seiner drei göttlichen Personen zueinander seinsanalog widerspiegelt - nicht nur als Prinzip ihrer eigenen Selbstverwirklichung, sondern als existenzielle Konkretion der Anwesenheit des Sohnes in der Welt, und zwar als „dem Ersterschaffenen dieser Schöpfung“, so dass diese Schöpfung sich erst dadurch und darin wesensgemäß entfaltet und verwirklicht, dass sie mit diesem Jesus Christus und durch ihn mit Gott selbst vereinigt wird, so dass aus dieser Liebesvereinigung erst das Dritte der Liebe ersteht: die Liebesgemeinschaft zwischen Gott und der Gesamtschöpfung („ Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen, um durch ihn alles zu versöhnen. Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen, der Friede gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut - Kol 1,19f).
Ist dies aber nicht genau das, was der Pantheismus lehrt und was der alttestamentliche Autor gerade als mögliche Deutung verhindern wollte, indem er doch so massiv das Anderssein Gottes und seine Trennung von der Schöpfung herausarbeitete? Sind wir bei all diesen Gedanken nicht in eine sehr gefährliche Nähe zur Häresie vorgedrungen?
Wir sind gewohnt, das, was Häresie begrifflich umfasst, in seiner Gänze abzulehnen; übersehen dabei aber, dass die Häresie auch zugleich „Wahres“ aussagt, das aber dadurch pervertiert wird, dass dieses „Wahre“ (z.B. wie hier beim Pantheismus) verabsolutiert wird, indem es aus dem Gesamtkontext der immer dialektischen Wirklichkeit (was sich im sog. katholischen „et...et“, dem „Sowohl als auch“ ausdrückt) herausgebrochen wird, wodurch es notwendig einseitig wird. Pantheistisch wäre das oben Gesagte, wenn bei der Vereinigung Gottes mit der Schöpfung in Jesus Christus ein wesentliches Prinzip der Liebe außer Acht gelassen würde: die auch in der Vereinigung der Liebe fortbestehende Differenziertheit der Liebenden. In Gott selbst besteht trotz der Einheit der göttlichen Personen im einen Gott diese Differenziertheit fort, sie liegt aber nicht im Absoluten, also im Gottsein, sondern im Relationalen, im Personsein. Gemäß diesem Prinzip der Liebe kann Gott in der liebenden Vereinigung mit seiner Schöpfung nicht derart aufgehen, dass er dabei sein spezifisches Gottsein aufgäbe und sich so mit der Schöpfung vermischte, dass es nur noch ein „bonum mixtum“ wäre. Der Schöpfung gegenüber, und da vor allem dem personalen Seienden, dessen Würde ja gerade in seiner im Schöpfungsakt empfangenen Individualität und geschöpflichen Freiheit besteht, käme eine solche Vermischung geradezu einer Vergewaltigung gleich. Darüber hinaus bedeutet der Begriff Ver-Einigung, dass zwei eigenständige Wirklichkeiten (wenn dies auch bei der Schöpfung nur als Relationalität gegeben ist) sich als solche zu einem Dritten vereinigen. Selbst bei der „ehelichen Vereinigung“ bleiben die Eheleute in ihrer Individualität und Andersartigkeit bestehen, obwohl sie in ihrem ehelichen Band als dem Dritten der Liebe nunmehr wirklich ein „Fleisch und eine Seele“ geworden sind.
3. „Und Gott sprach...“
3.1. Ein mehr traditioneller Deutungsversuch des „Gott sprach...“
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die einzelnen Schöpfungstage mit der stereotypen Formel „Gott sprach“ eingeleitet werden. So stellt sich zwangsläufig die Frage, warum der biblische Verfasser Gott alles Seiende „durch sein Wort“ ins Dasein rufen lässt und nicht stattdessen die Formel verwendet: „Gott schuf...“, wie er dies sowohl im Anfangssatz (Gen 1,1) als auch im Schlusssatz (Gen 2,4a) sowie verschiedentlich im Text selbst tut. Ist dies nur ein Zufall, oder dient es ihm als besonderes Stilmittel, oder aber steht dahinter gar noch eine tiefere Aussageabsicht? Handelte es sich um das Letztere: Worin könnte diese tiefere Aussageabsicht bestehen?
Etwas Licht in das Dunkel dieser Fragen könnte uns Psalm 33 bringen, insofern sich in einigen seiner Verse Parallelen zum Genesis-Text feststellen lassen.
„ Durch das Wort des Herrn wurden die Himmel geschaffen, ihr ganzes Heer durch den Hauch seines Mundes“ (6); „ Alle Welt fürchte den Herrn, vor ihm sollen alle beben, die den Erdkreis bewohnen“ (8); „ Denn der Herr sprach, und sogleich geschah es; er gebot, und alles war da“ ( 9).
Die Einheitsübersetzung überschreibt diesen Psalm mit: „ Ein Loblied auf den mächtigen und gütigen Gott “. Gerade diese Überschrift bringt das Grundanliegen dieses Psalms zum Ausdruck: Gott, der Allmächtige, der durch sein mächtiges Wort die Schöpfung „von seinem Thronsitz her“ in ihr Dasein ruft, der Furcht auslöst und alles erbeben lässt, der aber zugleich gerecht und gütig ist, „ Schild und Hilfe“ (20) für die, die auf ihn hoffen.
Gott ist All-Macht und Güte zugleich. Dadurch, dass Gott durch sein mächtiges Wort, gleichsam als Befehl und Ausdruck seiner All-Macht, die Welt ins Dasein ruft, beweist er sich als der Herr über alle „Götter“ und über den gesamten Erdkreis. Zugleich aber ist seine Herrschaft keine Willkürherrschaft, sondern eine, die dem Menschen „ Schild und Hilfe “ ist, so dass der Psalmist ausrufen kann: „ Unsere Seele hofft auf den Herrn; er ist für uns Schild und Hilfe. Ja, an ihm freut sich unser Herz, wir vertrauen auf seinen heiligen Namen. Lass deine Güte über uns walten, o Herr, denn wir schauen aus nach dir“ (Psalm 33,20-22).
Im Licht dieser Psalm-Verse ließe sich auf die obige Frage, warum der Autor die Formel „ Und Gott sprach “ verwendet habe, antworten: Er tut dies, um die Allmächtigkeit Gottes und damit Gott selbst als die höchste Autorität allen Seins herauszustreichen, was schon aus der Tatsache hervorgeht, dass ihm allein sein Wort genügt, um die Welt ins Dasein zu rufen.
Diese mögliche Deutung des „ Gott sprach“ wäre eine Deutung, die aus dem mehr traditionellen Verständnis Gottes als oberster Autorität erwächst. Ihr soll nun aber ein alternativer Versuch, dieses „ Gott sprach “ unter dem Aspekt der Liebe zu deuten gegenübergestellt werden. Denn es zeigte sich doch, dass eine Betrachtung unter dem Aspekt der Liebe (Liebe als Selbstmitteilung Gottes in der späteren Sendung Jesu Christi verstanden) zu einer Vertiefung alttestamentlicher Glaubensaussagen führen kann, insofern sie im „Licht der Sendung Jesu Christi“, gleichsam vom Innersten Gottes selbst her, das gesamte Heilshandeln Gottes in seiner letzten Zielsetzung und ontologischen Konsequenz zum Ausdruck zu bringen vermag.
3.2. Ein Alternativer Deutungsversuch des „Gott sprach...“
Für einen solchen Versuch empfiehlt sich, den „Johannes-Prolog“ heranzuziehen, da bei ihm das „ Wort“ im Zentrum steht. Im Bezug auf die Verwendung des „ Wort“ - Begriffs im Johannes-Prolog findet sich in der Jerusalemer Bibel ein äußerst interessanter Kommentar: „ das Wort - Dem AT war die Vorstellung vom Wort Gottes (und von der Weisheit) vertraut, das vor der Welt in Gott existiert, vgl. Spr. 8,22f; Weish 7,22f, durch das alles geschaffen wurde, das zur Erde gesandt wurde, um hier die göttlichen Geheimnisse des göttlichen Willens zu offenbaren; das zu Gott zurückkehrt, wenn seine Sendung beendet ist: Jes. 55,10-11; Spr. 8,22-36; Sir24,3-22; Weish9,9-12... Aufgrund der Ereignisse der Menschwerdung war es dem NT und hier besonders Johannes vorbehalten, den personalen Charakter dieses subsistenten und ewigen Wortes (Weisheit) klar herauszuarbeiten “. (Jerusalemer Bibel, Herder 1968, S. 1495)
Für den geplanten Reflexionsversuch über das „ Gott sprach “ unter dem Aspekt der Liebe ist die in dem obigen Zitat zum Ausdruck gebrachte Feststellung von großer Bedeutung, dass der Gedanke eines präexistenten Wortes (dessen Beteiligung am Schöpfungsgeschehen, seine Sendung in die Welt, um Gottes Willen zu offenbaren, bis hin zu seiner Rückkehr zu Gott) bereits in einigen alttestamentlichen Texten Anklang findet, wenn auch nicht in der späteren „metaphysischen“ Deutung des NT und dann der Konzilien. Die Tatsache der Vorgegebenheit des „ Wortes “ im AT könnte – logisch weitergedacht – nun zu der Vermutung führen, dass Johannes aufgrund seiner persönlichen Erfahrung mit der Sendung Jesu Christi sich dieses alttestamentlichen „Begriffs-Potentials“ bedient haben könnte, um es dann auf den Mensch-gewordenen Gottessohn explizite und gewiss unter der Erleuchtung des Heiligen Geistes - tiefer durchreflektiert - anzuwenden. Betrachten wir deshalb im Folgenden den Johannes-Prolog (1,1-18), der sich unter ebendieser Rücksicht für eine solche Untersuchung geradezu anbietet:
Joh. 1,1-18
„Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott,
und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott.
Durch das Wort ist alles geworden, was geworden ist.
In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.
Und das Licht leuchtet in der Finsternis. Und die Finsternis hat es nicht ergriffen.
Ein Mensch trat auf, der von Gott gesandt war; sein Name war Johannes.
Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht,
damit alle durch ihn zum Glauben kommen.
Er selbst war nicht das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht.
Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt.
Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht.
Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.
Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden,
allen, die an seinen Namen glauben,
die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes,
sondern aus Gott geboren sind.
Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt,
und wir haben seine Herrlichkeit geschaut,
die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.
Johannes legte Zeugnis von ihm ab und rief: Dieser war es, über den ich gesagt habe:
Er, der nach mir kommt, ist mir voraus, weil er eher war als ich.
Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade.
Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben,
aber durch Jesus Christus kam die Gnade und Wahrheit.
Niemand hat Gott geschaut.
Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht“.
3.3. Wie präsentiert sich der Johannes-Prolog unter dieser Zielsetzung?
Zunächst fallen einige interessante Parallelen zwischen dem Johannes-Prolog (Joh 1,1-18) und Gen 1,-2,4a auf. Beide Texte haben im ersten Satz (in der deutschen Übersetzung) die Umstandsbestimmung der Zeit „ Im Anfang “. Während aber nun im Genesis-Text dieses „ Im Anfang “ den zeitlichen Beginn der Schöpfung bezeichnet, hat im Johannes-Prolog dieses „ im Anfang “, auf das „ Wort “ bezogen, den Aussagegehalt: „von Anfang an“ oder besser: „von Ewigkeit her“, und zwar aus der Logik des Kontextes heraus, der dieses „ Wort “ mit Gott gleichsetzt.
Sodann haben wir im Genesis-Text wie im Johannes-Prolog die Verwendung des Begriffes „ Wort “, im Genesis-Text in verbaler Form „ Gott sprach “, im Prolog dagegen in substantivischer Form. Zieht man aber hierbei Psalm 33,6 hinzu: „ Durch das Wort des Herrn wurden die Himmel geschaffen “ wird diese behauptete Parallele umso einsichtiger; denn Johannes dürfte wohl beide Texte gekannt haben.
Eine weitere Parallele zwischen Gen 1,1-2,4a und Joh. 1,1-18 stellen hierbei die Metaphern „ Finsternis“ und „ Licht “ dar, allerdings nicht nur in ihrer Verwendung als solcher, sondern viel mehr im Hinblick auf ihre inhaltliche Deutung. Wenn beim Genesistext behauptet wurde, dass hier die Metapher „ Finsternis “ als „bildlicher“ Ausdruck des „Nichts“ die Abwesenheit Gottes ausdrücke, so findet sich nun diese Sinndeutung auch im Johannes-Prolog in Vers 1,3 „ Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst“.
Es ist wohl logisch, dass es eine ontologische Abwesenheit Gottes in der Schöpfung nicht geben kann, weil sonst diese Schöpfung - ontologisch gesehen - überhaupt nicht mehr existieren könnte, und zwar ohne ihr metaphysisches Fundament im absoluten Sein. Ohne Gott wäre sie ein Nicht-Sein, also ein Nichts. Diese behauptete Abwesenheit Gottes in der Schöpfung kann sich darum nicht auf ihr Dass-Sein, sondern nur auf ihr So-Sein beziehen, und zwar auf das der personalen Seienden, die nun aber in ihrer geschöpflichen Freiheit die Beziehung zu Gott (ihre Liebesbeziehung zu Ihm) ablehnen können. Genau diesen Sinn von „ Finsternis “ scheint auch der Johannes-Prolog zu insinuieren, wenn er schreibt: „ die Finsternis hat es (das „Wort“) nicht erfasst“. „Finsternis“ meint demzufolge hier die freiwillige Ablehnung der Anwesenheit Gottes im personalen Geschöpf, welche aber nun wegen seiner existenzial-ontologischen, dh von seinem Wesen her gegebenen Bezogenheit auf Gemeinschaft hin zugleich einen Reflex in der Schöpfung als Ganzer haben muss. „ Finsternis“ wäre so – theologisch gedeutet – die „Sünde“ (und zwar als das Nur-Eigene), die durch den ersten Menschen in die Welt kam und den Tod verursachte, der in seinem Kerngehalt nicht etwas „Physisches“ beinhalten kann, sondern letztlich die „verlorene Liebesbeziehung zu Gott“ und zugleich zur Schöpfung bedeuten muss. Auch diesen Gedanken gilt es, später noch zu vertiefen.
Wenn die Metapher „ Finsternis “ hier die Abwesenheit Gottes im definierten Sinne bedeutete, drückte die Metapher „ Licht “ aber nun seine Anwesenheit aus. Bezeichnenderweise hebt die Schöpfungstätigkeit Gottes in Gen 1,3 mit der Erschaffung des „ Lichts“ an, was aber nun die „Anwesenheit Gottes“ in der Schöpfung im Sinne von „Liebes-Beziehung“ zum personalen Seienden bedeutet (Liebesbeziehung im eigentlichen Sinn kann es nur zwischen personalen Wesen geben, da nur sie eine Liebesantwort in Freiheit geben können). Da nun aber jede (wenn auch „vorgegebene“) Liebes-Beziehung vom personalen Geschöpf als empfangenes Geschenk „in Freiheit angenommen werden mus“, „genügt“ es nicht, dass Gott die Schöpfung nur „ontologisch“ ins Dasein setzt, sie muss auch von den personalen Geschöpfen, und zwar in der Spezifität ihres Geschaffenseins in Freiheit angenommen werden. Wenn darum im „Genesistext“ die Erschaffung des Lichts metaphorisch als der „Beginn der Anwesenheit Gottes“ in seiner Liebesbeziehung zur Schöpfung, und da vor allem zum Menschen, ausgedrückt werden soll, so ist es im „Johannesprolog“ die Metapher „ Licht “ („ das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt -1,9), die auch hier die „Anwesenheit Gottes“ ausdrückt, nun aber im Sinne von „Erlösung“, die mit der Sendung Jesu Christi beginnt. Auch dieser Gedanke der Erlösung kann hier nur als Begriff angesprochen werden.
In welcher Bedeutung begegnet nun aber das „ Wort “ im Johannes-Prolog? Auffallend ist, dass das „ Wort “ in drei formal unterscheidbaren „Dimensionen“ bzw. „Funktionen“ erscheint: Zum ersten als das „ Wort “, das „ im Anfang war, das bei Gott war und das Gott war “ (1,1). Zum zweiten als das „ Wort “, „ durch das alles geworden ist “ (1,3). Zum dritten als das „ Wort “, das „ Fleisch geworden ist “ (1,14). Obwohl nun aber das „ Wort “ in drei formal unterscheidbaren „Dimensionen“ bzw. „Funktionen“ erscheint, ist es doch immer dasselbe „ Wort “; wodurch es aber Johannes gelingt, diese verschiedenen Vollzüge des „ Wortes “ als Selbst-Vollzüge eines einzigen „Subjektes“ zu charakterisieren, was sich somit nicht nur als Schlüssel zum Verständnis des Johannes-Prologs, sondern auch als Schlüssel zum Verständnis der Sendung Jesu Christi als der „Selbst-mit-Teilung Gottes“ nach außen, zur Schöpfung, erweist, und zwar als Schöpfungs- und Erlösungsgeschehen zugleich.
Von diesen drei Vollzügen bzw. Selbstvollzügen des „ Wortes “ her (lassen wir hier die Einfügung Johannes des Täufers außer Acht) lässt sich der Aufbau des Prologs bestimmen, tiefer noch: die Grundstruktur des Christentums überhaupt, so wie es hierbei nun von Johannes gedeutet wird. Betrachten wir nachfolgend noch etwas näher dieses Aufbauschema in seinem inhaltlichen Aussagegehalt, der sich von diesen drei „ Wort -Dimensionen bzw. Funktionen“ her bestimmen lässt.
3.3.1. Erste Dimension des „Wortes“ als erster Aufbauteil des Prologs
Im ersten Aufbauteil (1,1.2) lässt sich eine Klimax (Steigerung) feststellen. Zunächst wird das „ Wort “, das „ am Anfang war“, „undifferenziert“ genannt, gleichsam als „Basis“. Daraufhin wird das „ Wort“ bestimmt als das, das „ bei Gott war “, gleichsam als „Komparativ“. Und schließlich wird das „ Wort “ charakterisiert als das, das „ Gott war“, gleichsam als „Superlativ“, so dass das Wort als „Wort“ im Gott-Sein gipfelt. Da Vers 2 „ Im Anfang war es (das Wort) bei Gott “ eine Art formale bzw. inhaltliche Zusammenfassung der ersten beiden Sätze darstellt, ließe sich Vers 1+2 formal als ein „abgeschlossenes Ganzes“ sowie inhaltlich-theologisch als „innergöttliche Wirklichkeit“ deuten. In dieser Komposition spielt der zweite Satz „ und das Wort war bei Gott“ eine geradezu fundamentale Rolle, insofern er durch die Präposition „ bei “ das „ Wort“ zunächst formal von „ Gott“ absetzt, besser ausgedrückt: „differenziert“. Diese Differenzierung gewinnt durch die Aussage des dritten Satzes: „ und das Wort war Gott“, wo ja eine Identität zwischen dem „ Wort“ und „Gott“ behauptet wird, eine unüberschätzbare Bedeutung, insofern in diesem dialektischen Wechselspiel von Differenzierung und gleichzeitiger Identität eine Differenzierung in Gott selbst zum Ausdruck gebracht wird, die sich allererst als die Basis der Lehre vom „ einen Gott “ in „ drei Personen “ erweist.
Hier nun tritt in aller Deutlichkeit der Unterschied zwischen Psalm 33,6 („ Durch das Wort des Herrn wurden die Himmel geschaffen “) und dem besagten „Wort “ -Verständnis im Johannes-Prolog hervor. Im alttestamentlichen. Text ist das von Gott ausgesprochene „Wort “ der Welterschaffung (genau wie das „ Gott sprach“ im Genesis-Text) – textimmanent gesehen – eine Art „Selbstvollzug“ Gottes nach außen“, während das „ Wort “ im Johannes-Prolog eben wegen der behaupteten Dialektik zwischen Differenzierung und gleichzeitiger Identität eindeutig Gott selber bedeutet, und damit nicht nur ein „göttliches“ Wort meint.
Diese mehr „abstrakt“ anmutende Ausdrucksform der Identifizierung des „ Wortes“ (das sich im weiteren Verlauf des Prologs als Christus selbst entschleiert) mit Gott wird in 1,18 in einem eindrucksvollen bildlich-poetischen Ausdruck noch bestätigt: „ Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat uns Kunde gebracht “. Das formale „Bei-Gott-sein“ und doch „Mit-Gott-Eins-Sein“ konkretisiert sich hier im Bildausdruck des „Ruhens am Herzen des Vaters“. Schon im formalen „Bei-Gott-Sein des Wortes“, aber mehr noch in diesem Bildausdruck offenbart sich eine Beziehung zwischen dem Vater und dem Sohn (dem Einzigen), und zwar eine Beziehung der Liebe. Da aber jede Liebesbeziehung das Dritte der Liebe formt (eine Anspielung auf den Heilge Geist? - allerdings nicht in der Zeit, sondern von Ewigkeit her) und in ihm erst die Liebe setzt und verwirklicht, könnte dieser „Bildausdruck“ eine Andeutung der trinitarischen Seins-Struktur Gottes sein. In diesem Sinne hätten wir hier eine „implizite Trinitätsaussage“, die dann der späteren expliziten Trinitätslehre als Inspiration gedient haben könnte.
3.3.2. Zweite Dimension des „Wortes“ als zweiter Aufbauteil des Prologs
Die zweite „ Wort “-Dimension kommt in 1,3 „ Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist “ zum Ausdruck. Durch die in negativer Weise formulierte und übersteigernde Wiederholung desselben Aussagegehaltes wird die Beteiligung des „ Wortes“ am Schöpfungsgeschehen nur noch mehr unterstrichen. In der Sinnlinie der angesprochenen impliziten Trinitätsaussage wäre ebendieses Beteiligtsein des „ Wortes “ als des „ einzigen Sohnes Gottes “ am Schöpfungsgeschehen nicht nur ein „Dabei-sein“ des Sohnes, sondern vielmehr eine „Be-Teiligung“, im eigentlichen Sinn des Wortes, in seiner innertrinitarischen Selbstmitteilung, nun aber nach außen, zur Schöpfung hin, und zwar als Teilhaben an ihr und Teilnehmenlassen der Schöpfung an seinem eigenen Sein, entsprechend seiner ihm spezifischen innertrinitarischen Sohnschaft. Da in seiner Sohnschaft die Vaterschaft des Vaters und auch ihre wechselseitigen Beziehungen zueinander als metaphysische Voraussetzung notwendig eingeschlossen sind, wäre letztlich die Beteiligung des Sohnes beim Schöpfungsakt eine „seinsanaloge“ Widerspiegelung der innertrinitarischen Liebes-Gemeinschaft, dh. ihrer „innertrinitarischen Vollzüge“, aber nun nach außen, in die Schöpfung „hineinprojiziert“. Diese Schlussfolgerung erhärtet 1,4: „ in ihm (dem Wort) war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen “.
Wenn von „ Leben “ die Rede ist, kann es sich hier nicht um ein physisch-existenzielles Leben handeln, sondern nur um die metaphysische Voraussetzung und Ermöglichung allen Lebens in Gott selber, also um das ungeschaffene Leben Gottes selbst. Das wird deutlich, wenn „Leben“ und „Licht“ gleichgesetzt werden. Licht wurde als Anwesenheit bzw. ewige Gegenwärtigkeit Gottes gedeutet. In diesem Sinn wäre auch das neutestamentliche Verständnis von „Himmel“ zu sehen, und zwar als der metaphysische „Ort“ Gottes, wo sich auch die himmlischen personalen Geschöpfe aufhalten.
Unter dem Aspekt der Liebe wäre demzufolge „Himmel“ als der „metaphysische Ort“ der Liebesgemeinschaft Gottes, an welcher die in diese Gemeinschaft Aufgenommenen, Engel und Heilige, heilsökonomisch teilnehmen, nun nicht mehr ein kosmologisches „Oben“, wie es noch in Gen 1,6 anklingt: „ Dann sprach Gott: Ein Gewölbe entstehe mitten im Wasser und scheide Wasser von Wasser. Gott machte also das Gewölbe und schied das Wasser unterhalb des Gewölbes vom Wasser oberhalb des Gewölbes. So geschah es, und Gott nannte das Gewölbe Himmel...“, sondern vielmehr der „Seinsbereich“ Gottes, also Gott selbst, und zwar in seinem innertrinitarischen Liebesvollzug, welcher sich aber im „Ersterschaffenen“ der Schöpfung, dem „ Wort “, „in dem, durch es und auf es hin alles geschaffen wurde“, heilsökonomisch zur Schöpfung öffnet, so dass die Schöpfung, in Jesus Christus, „durch ihn und mit ihm“ (als der eigentlichen Zielsetzung ihres Seins), am Ende der Zeiten „in ihm“ vereinigt werden wird. Der Weg zu dieser Vereinigung ist das „ Erscheinen“ des „ Lichtes “ in der Welt , „das das Leben der Menschen ist“, so dass es für die Menschen zum „Entscheidungskriterium“ wird: „ Und das Licht leuchtet in der Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht erfasst“ (1,5). Hier geht die zweite „ Wort“ -Dimension bzw. -Funktion (Beteiligung an der Welterschaffung) in die dritte über: seine Sendung in die Welt. Diese Sendung aber charakterisiert sich als ein Kampf mit der „Finsternis“, welche sich als Abwesenheit Gottes in der Schöpfung als Folge ihrer freiwilligen Ablehnung durch die Menschen enthüllt. „ Das wahre Licht kam in die Welt. Er (Anm. des Autors: hierbei wechselt das „ es “ des „ Wortes “ in das „ er“ Christi) war in der Welt, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen die an seinen Namen glauben. “ (1,9-13).
Der Ausdruck „ sein Eigentum “ macht deutlich, dass die Schöpfung eine Schöpfung um Christi willen ist, dass sie infolgedessen christozentrisch ist, so dass ihre Seins- und Sinnerfüllung in Christus liegt. Da sie aber eine in Liebe Erschaffene ist, gilt das „Gesetz“ der Liebe, so dass es der Liebesantwort seitens der personalen Geschöpfe bedarf, um so ihrem eigentlichen Sinnziel überhaupt erst teilhaftig zu werden. Somit wird der in die Welt gekommene Christus als das wahre Licht, also die Anwesenheit Gottes, die allererst Leben schenkt, und zwar als das Licht der Liebe (vgl.: „Nur die Liebe lässt uns leben), zu dem „Entscheidungskriterium“, überhaupt an der Liebesgemeinschaft Gottes teilnehmen zu können.
Inhaltlich gesehen, haben wir hier schon die dritte Dimension des „ Wortes “ am Werk, obwohl sie - formal gesehen - erst durch den Satz „ und das Wort ist Fleisch geworden...“ (1,14) eingeleitet wird.
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- Peter Josef Harr (Author), 2020, Was eigentlich glauben wir Christen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/594915
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