Die politische Wende bescherte den früheren DDR-Bürgern dauerhaft viele neue Produkte und große Auswahl. Nach 40 Jahren Planwirtschaft gab es plötzlich viele Automarken zu kaufen, im Getränkegeschäft warteten hunderte Getränkesorten auf Käufer und statt Einheitskleidung aus dem Kaufhaus konnten die Bürger Mode kaufen noch und noch.
Auf dem Markt der Lokalzeitungen jedoch scheint heute auf dem ersten Blick die Zeit stehen geblieben zu sein - und zwar auf dem Stand vor der Wende. "Das tradierte DDR-Pressesystem erwies sich als erstaunlich stabil", stellte Walter J. Schütz bereits im Jahre 1991 fest. "Das publizistische Monopolangebot blieb erhalten" , schrieb 1995 Hans Bohrmann mit Blick auf die 14 früheren SED-Bezirkszeitungen, die zu diesem Zeitpunkt längst wieder - oder besser: immer noch - die ostdeutsche Presselandschaft zu mehr als 90 Prozent dominieren. "Die Gewinner des Verdrängungswettbewerbs sind die ehemaligen SED-Bezirkszeitungen" , war schon bald vielen Medienbeobachtern klar.
Heute, aus dem Jahr 2001 betrachtet, ist diese Entwicklung sehr interessant. Immerhin gab es unmittelbar nach der Wende in Ostdeutschland einen Zeitungsboom. Vor allem im grenznahen Thüringen kämpften in Städten wie Suhl teilweise bis zu zehn Tageszeitungen um die Gunst der Leser. Vor allem vor dem Hintergrund, das Pressekonzentration in den alten Bundesländern bereits vor Jahrzehnten heftig diskutiert wurde und Mechanismen zur Vermeidung geschaffen wurden, stellt sich schnell die Frage: Wie konnten diese vielen Keime der neuen Pressevielfalt so schnell eingehen?
"Warum sollten die Journalisten und Zeitungen ausgewechselt werden? Schließlich wurden doch die Leser nach der Wende auch nicht ausgewechselt", lieferte jüngst der Politikredakteur der Thüringer Allgemeine, Dirk Löhr, im Rahmen eines Seminars an der Universität Erfurt die Erklärung seines Kollegens auf diese Frage, worum die vielen Neugründungen so schnell im Keime erstickt wurden und die Leute ihre alte Zeitung weiterlasen. Nach Löhrs Zitat rechtfertigt die fehlende Notwendigkeit neuer Zeitungen in Thüringen den erfolgreichen Fortbestand der "Thüringer Allgemeinen", die aus dem SED-Bezirksblatt "Das Volk" hervorgegangen war.
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Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Hauptteil
- Entwicklung des Tageszeitungsmarktes nach der Wende in Thüringen
- Beginn der Konzentration
- Die Pressekonzentrationsfaktoren Vergabepraxis und Ausstattungsunterschiede
- Der Faktor Aggressivität: Dumpingpreise und Marketing
- Die ökonomischen Faktoren: Kostendegression und Anzeigen-Auflagen-Spirale
- Todesanzeigen und Tradition
- Faktoren Chaos, Dilettantismus und Kreisgebietsreform
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit analysiert die Ursachen, Entwicklungen und Folgen der Pressekonzentration im Freistaat Thüringen nach der Wende. Sie untersucht, warum die Wende die Thüringer Zeitungslandschaft kaum verändert hat und welche Faktoren zu der Dominanz der ehemaligen SED-Bezirkszeitungen geführt haben.
- Die Rolle der Treuhand bei der Vergabe der ehemaligen SED-Zeitungen an Westkonzerne
- Die Bedeutung von Kostendegression und der Anzeigen-Auflagen-Spirale für die Konzentrationsprozesse
- Die Auswirkungen von Dumpingpreisen und Marketingstrategien auf den Wettbewerb zwischen Zeitungen
- Die Rolle von Lesergewohnheiten und der Bedeutung von Todesanzeigen für die Lokalzeitungen
- Der Einfluss von Dilettantismus, Chaos und der Kreisgebietsreform auf die Presselandschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Die ersten Monate nach der Wende waren geprägt von einer Aufbruchsstimmung und dem Entstehen zahlreicher neuer Zeitungen. Der Markt wurde von einer Vielzahl an Verlagen und Titeln geprägt, die um die Gunst der Leser kämpften. Diese Phase der Vielfalt war jedoch nur von kurzer Dauer. Bereits im ersten Jahr nach der Wende begann die Konzentration der Zeitungslandschaft, die durch die Übernahme der ehemaligen SED-Bezirkszeitungen durch große Westkonzerne beschleunigt wurde.
Die Treuhand spielte eine entscheidende Rolle bei der Vergabe der ehemaligen SED-Zeitungen. Die großen Westkonzerne profitierten von der Vergabepraxis und konnten durch Dumpingpreise und aggressive Marketingstrategien die Konkurrenz aus dem Markt drängen. Auch die ökonomischen Faktoren wie Kostendegression und die Anzeigen-Auflagen-Spirale spielten eine wichtige Rolle. Die große Reichweite der ehemaligen SED-Zeitungen, die durch die Anzeigen-Auflagen-Spirale verstärkt wurde, machte sie für Werbekunden attraktiver und erschwerte den Neugründungen den Markteintritt.
Neben den ökonomischen Faktoren spielten auch Lesergewohnheiten und die Bedeutung von Todesanzeigen eine Rolle. Viele Leser blieben ihren alten Zeitungen treu, auch wenn neue Titel auf dem Markt entstanden. Die Todesanzeigen waren für viele Leser ein wichtiger Bestandteil der Lokalzeitungen und trugen dazu bei, dass die ehemaligen SED-Zeitungen ihre Position im Markt halten konnten.
Die Pressekonzentration in Thüringen wurde durch eine Reihe von Faktoren beeinflusst, darunter die Vergabepraxis der Treuhand, die ökonomischen Faktoren, die Lesergewohnheiten und der Einfluss von Dilettantismus und Chaos. Die Analyse zeigt, dass die Wende die Thüringer Zeitungslandschaft kaum verändert hat und die ehemaligen SED-Bezirkszeitungen ihre dominierende Stellung bis heute behaupten konnten.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Pressekonzentration in Thüringen nach der Wende, die ehemalige SED-Bezirkszeitungen, die Treuhand, Kostendegression, Anzeigen-Auflagen-Spirale, Dumpingpreise, Marketingstrategien, Lesergewohnheiten, Todesanzeigen, Dilettantismus, Chaos und Kreisgebietsreform. Die Arbeit beleuchtet die Ursachen, Entwicklungen und Folgen der Konzentrationsprozesse und analysiert die Faktoren, die zur Dominanz der ehemaligen SED-Zeitungen geführt haben.
- Arbeit zitieren
- Kai Oppel (Autor:in), 2001, Warum die Wende die Thüringer Zeitungslandschaft kaum gewendet hat: Ausgewählte Ursachen, Entwicklungen und Folgen der Pressekonzentration im Freistaat, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5948
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