Ziel ist es Gründe zu liefern, welche den Charakter der Tugendethik des Aristoteles gegenüber denen der Moderne, hervorheben. MacIntyres Grundgedanken zur aristotelischen Ethik bilden den Leitfaden dieser Arbeit. Schwerpunkt dieser Arbeit ist nicht die Wiedergabe der aristotelischen Ethik, sondern die kritische Auseinandersetzung mit derselben und die exemplarische Aktualisierung.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Tugendethik
3. Die relativistisch – kommunitaristischen Tugendethik
4. Kritik
Kritik an Aristoteles in historischer Instanz
Kritik an neoaristotelischer Tugendethik
5. Resümee
1.Einleitung
In dieser Proseminararbeit werde ich mich mit einigen Fragen beschäftigen, die ich auch erörtern werde. Eine davon wird die Frage „Warum Aristoteles nur den Polisbürgern die Möglichkeit zur Erlangung von Tugenden einräumt? , sein. Ferner werde ich auf eine neoaristotelische Ausprägung in der Moderne eingehen.
Ziel ist es Gründe zu liefern, welche den Charakter der Tugendethik des Aristoteles gegenüber denen der Moderne, hervorheben.
MacIntyres Grundgedanken zur aristotelischen Ethik bilden den Leitfaden dieser Arbeit. Schwerpunkt dieser Arbeit ist nicht die Wiedergabe der aristotelischen Ethik, sondern die kritische Auseinandersetzung mit derselben und die exemplarische Aktualisierung.
2. Die Tugendethik
Aristoteles, sieht sich, als er die Darstellungen der Tugenden auf Papier bannte, nicht als Erfinder jener Tugendethik. Er versteht sich als eine Art Sprachrohr, welches noch in heutiger Zeit Gehör findet, das so genannte tugendhafte Verhalten, welches man bei gebildeten Polisbürgern antrifft, zu reflektieren. Die hier aufgeworfene Frage:
Warum ist es nun ausgerechnet und vor allem nur der Polisbürger, der von Aristoteles als jener bezeichnet wird, der in der Lage ist, Tugenden zu erlangen? , wird im Resümee beantwortet.
Da Aristoteles laut Alasdair MacIntyre nicht viel Geschichtsverständnis besaß, ist es nicht überraschend, dass er „den Nicht-Griechen, Barbaren und Sklaven nicht nur abspricht, politische Beziehungen zu besitzen, sondern auch dazu in der Lage zu sein“1
Denn nur wer in einer Polis, in der folglich politische Beziehungen impliziert sind lebt, ist in der Position Tugenden auszubilden.
Demnach stellen sich für ihn keine „Was ist, wenn es keine Polis mehr gibt?“ Fragen! Um aber auf den Charakter der Tugenden zu gelangen, muss zu allererst geklärt werden, wonach der Mensch überhaupt strebt. Hierzu eine Passage aus der Nikomachischen Ethik: „Jede Kunst und jede Lehre, ebenso jede Handlung und jeder Entschluss scheint irgendein Gut zu erstreben. Darum hat man mit Recht das Gute als dasjenige bezeichnet, wonach alles strebt.“2! Diesen Zeilen Folge leistend ist es also das „Gute“, wonach alles und jeder strebt. Weitere zentrale Aspekte der aristotelischen Ethik sehen wie folgt aus: „Tugendhaft zu handeln, ... bedeutet, aus einer Neigung heraus zu handeln, die durch die Pflege der Tugenden entsteht.“3.
Die fehlende Differenz, also die moralische Erziehung, welche aus Institutionen und dem Umfeld des zu Erziehenden kommt, muss ihm, damit der tugendhaft sein kann, vermitteln, dass sein Urteil wahr und rational sein muss, damit er tatsächlich tugendgemäß handeln kann. Jemand, der eine solche Bildung nicht genossen hat, oder die Tugenden nicht pflegt, kann nur durch glückliche Umstände einem Tugendhaften ähnlich handeln. Von Zeit zu Zeit kann es vorkommen, dass selbst der tugendhafteste Mensch auf Erden nicht sofort weiß, was das Beste für ihn als Individuum insgesamt und nicht nur in ausgewählten Situationen ist. Deshalb muss er wählen. „Solche Wahlen verlangen ein Urteil, und die Ausübung der Tugenden erfordert daher die Fähigkeit zu urteilen und am richtigen Ort zur richtigen Zeit in der richtigen Weise das Richtige zu tun.“4 Im Gegensatz zu deontologischen und konsequentialistischen Ansätzen der Ethik in der Neuzeit, hat die Tugendethik des Aristoteles hier einen entscheidenden Vorteil. Nach Handbuch Ethik, Stuttgart, Seite 78 ff.. Während bei erwähnten Ansätzen nur einzelne Handlungen, die nach bestimmten Regeln ausgeführt werden, bewertet werden müssen, beharrt Aristoteles keineswegs auf Regeln, im Gegenteil!
Der Tugendhafte hat die Kenntnis und vor allem die Fähigkeit sich in relevanten Situationen tugendgemäß zu entscheiden. Aristoteles Ethik ist so zentral, dass viele seiner Überlegungen in der heutigen Ethik ihren Widerhall finden. Das Telos des Menschen, die Eudaimonia, kann nicht nur, so tugendhaft man auch sein mag, im Alleingang erreicht werden. Wohl Aristoteles als auch Alasdair MacIntyre verstehen den Menschen als „zóon politikón“. Das heißt, der in einer Gemeinschaft, wie der Polis exemplarisch lebende Mensch muss sich mit seiner Umwelt arrangieren. Diese Individuen müssen also, da nun das Ziel eines jeden Menschen die Eudaimonia ist und man dazu dementsprechend leben muss, nicht nur einen Katalog von lobenswerten Tugenden, sondern auch einen solchen für sanktionsträchtige Untugenden erstellen. Zweck des Ganzen ist es der Gemeinschaft Richtlinien zu geben, nach denen das Leben innerhalb derer geregelt wird. Folglich gibt es entweder Lob für z.B. supererogatorische Handlungen [(lt. Fremdwörterduden: Über- oder Mehrleistung) Mit eigenen Worten: eine Handlung, die über das Soll der erforderlichen Leistung hinaus geht.] oder Sanktionen für untugendhafte Taten der unterschiedlichsten Art. Gerade weil der tugendhafte Bürger wissen muss, welche Eigenschaften als Tugenden und Untugenden in der Gemeinschaft festgelegt werden, muss es, wie auch Aristoteles eingesehen hatte, eine Darstellung der Untugenden geben. Um diese Richtlinien durchsetzen zu können, sollte über deren Inhalt in der Gemeinschaft eine weitesgehende Übereinstimmung herrschen. Auf diese, in der Neuzeit so genannte relativistisch - kommunitaristische Variante der Neoaristotelik, werde ich später genauer eingehen.
Sofern die Bürger in Übereinstimmung mit den vom Stadtstaat gegebenen Richtlinien leben, und auch zugleich tugendhaft, gibt es keine Probleme. Was aber, wenn es zu einem Konflikt zwischen Gesetz und Tugend kommen sollte? Auch für dieses Problem hat jener Philosoph eine Lösung. Der Tugendhaft und somit der von Situation zu Situation immer wieder auf der Grundlage eines rationalen Urteils Handelnde, entscheidet sich stets für die Mitte zwischen einem „Mehr oder Weniger“5. Die Mitte ist die Tugend und die Untugenden sind das Mehr und das Weniger.
Durch diesen Begriff des Mittleren möchte Aristoteles ein weiteres Charakteristika der Tugenden anführen. Nun gibt es also ein „Mehr“, ein „Mittleres“ und ein „Weniger“, veranschaulicht an einem Beispiel kann das „Verschwendungssucht“, „Großzügigkeit“ und „Geiz“ sein. Wie erwähnt, kann es aber von Moment zu Moment anders beurteilt werden und nur der tugendhafte Mensch ist in der Lage richtig und demgemäß zu handeln. Für strikt nach den Gesetzen und Regeln lebende Menschen gibt es solche Konflikte natürlich nicht, da die Richtlinien für diese schließlich vorgegeben sind. Das soll nicht heißen, Gesetzlose seien tugendhaft. Es bedeutet lediglich, dass Regeln oder Gesetze in manchen Fällen unter Umständen Menschenleben in Kauf nehmen. Hier wird deutlich, sobald in Notfällen der Tugendhafte handelt, tut er dies unter dem Aspekt der Menschlichkeit, und das unterscheidet uns Menschen schließlich von den Tieren oder in aktuellerem Bezug von Maschinen. Diese Fähigkeit wird als Phrónésis bezeichnet. Sie ist eine intellektuelle Tugend. Phrónésis, so Aristoteles „ist die Tugend, ohne die keine der Tugenden des Charakters ausgeübt werden“6 kann. Auf diese werde ich ebenfalls später eingehen. Seiner Behauptung, dass die Tugenden eng miteinander verbunden sind, dass die Tugenden des Geistes also nicht von der des Charakters getrennt werden dürfen, widerstrebt heutigen Ansichten. So besteht die Möglichkeit bei Kant, gut und dumm zugleich zu sein (kategorischer Imperativ („Kritik der reinen Vernunft“ - von Kant)), dem entgegen nun Aristoteles. Er argumentiert, dass die Vorraussetzung, um Phrónésis zu besitzen, die Kenntnis des Guten ist, bzw. man selbst ein Grundmaß an Gutem innehaben muss. Hat man dieses, so ist man auch in der Lage, die Fähigkeit des richtigen Urteilens in tugendgemäßem Sinn auszuführen. Aristoteles konstruiert die Tugendethik so, dass man alle Tugenden besitzen müsse, um demgemäß zu sein. In der Polis leben nun jene Menschen, die in Übereinkunft darüber sind, welche Regeln und Normen nicht nur in gesetzlichen, sondern auch im tugendhaften Sinne gelten müssen, zusammen. Die Grundlage, so Aristoteles sei die Freundschaft, weil „sie für die umfängliche Konstitution erforderlich ist.“7 Freundschaft bei Aristoteles muss man sich als eine Art Zweckgemeinschaft vorstellen, die in Übereinstimmung auf ihr Ziel, das Gute, in gegenseitiger Unterstützung, hinarbeitet. Er definiert Freundschaft also keineswegs als die Art von Freundschaft, die nur wenige Freunde zulässt. Die Freundschaft, die er meint ist das Resultat vieler Freundesgruppen. Die Mitglieder einer jeden Gruppe haben wiederum in anderen Freundeskreisen Freunde. Diese Zusammenkunft zu einer Polis ist selbstverständlich nicht nur auf geistiger Ebene! Sie wird auch durch die gemeinsame Sorge um Dinge, die beiden Parteien zugehörig sind, ausgedrückt. Diese gemeinschaftliche Sorge um Dinge, die keinem der Parteien vollkommen allein gehören, nennt Aristoteles die wahre Freundschaft. Sie ist laut ihm sowohl in der Polis, als auch in der ehe anzutreffen. Eine Stadt, wie die antike Polis, deren Fundamente die Freundschaft und Gerechtigkeit sind, kann nur eine Stadt der besten Art sein, wenn sie ihren Bürgern (Damit wollte ich nicht sagen, dass alle Bürger Philosophen sind.) die Möglichkeit schafft, ihr Leben in metaphysischer Kontemplation zu genießen. (vgl. MacIntyre S.213)
Das heißt genau, wie ich vorhin ausdrückte, dass es sich leichter mit finanziellem und materiellem Wohlstand leben lässt. Diese damalige Sichtweise der Stellung der Freundschaft in einer Stadt, kann der heutigen keinesfalls standhalten. Schon aufgrund dessen, dass manche Städte in kürzester Zeit megapolisiert werden, kann es eine solche Freundschaft, welche die Grundlage für eine im Vergleich dazu, kleine antike Polis ist, nicht geben. Ferner ist die Position der Freundschaft heute eine ganz andere. Sie ist mehr auf emotionaler als auf politischer oder sozialer Ebene gegründet. (vgl. MacIntyre S.210) Das belegt ein Ausspruch von E.M. Forster: „Er würde hoffentlich den Mut aufbringen, wenn er einmal vor der Wahl stände, sein Land oder seinen Freund zu betrügen, sein Land zu betrügen.“8 Für Aristoteles wäre so etwas nie in Frage gekommen. Jemand, der an den Grundmauern der Polis, durch z.B. Verrat, rüttelt, kann unmöglich tugendhaft sein.
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1 MacIntyre, Alasdair: Der Verlust der Tugend; 2. Auflage, F./M. 1997, S.213
2 Aristoteles: Nikomachische Ethik (NE);5. Auflage, München 2002 (1967), S.105
3 MacIntyre, Alasdair: Der Verlust der Tugend; 2. Auflage, F./M. 1997, S.201
4 MacIntyre, Alasdair: Der Verlust der Tugend; 2. Auflage, F./M. 1997, S.202
5 MacIntyre, Alasdair: Der Verlust der Tugend; 2. Auflage, F./M. 1997, S.207
6 MacIntyre, Alasdair: Der Verlust der Tugend; 2. Auflage, F./M. 1997, S.207
7 MacIntyre, Alasdair: Der Verlust der Tugend; 2. Auflage, F./M. 1997, S.209
8 MacIntyre, Alasdair: Der Verlust der Tugend; 2. Auflage, F./M. 1997, S.210
- Arbeit zitieren
- Maria Reif (Autor:in), 2004, Die Aktualität der aristotelischen Tugendethik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59453
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