Die Vertreter der kritischen Demokratietheorie legen ihr Hauptaugenmerk auf die Probleme und Schwachstellen der modernen Massengesellschaft. Durch unterschiedliche Faktoren sehen sie die liberale Demokratie in ihrer Stabilität gefährdet. Claus Offe wird den kritischen Demokratietheoretikern zugerechnet. Er setzt sich mit Strukturproblemen in der liberalen Demokratie auseinander. Zu diesem Thema hat er mehrere Beiträge verfasst, die auf vorhandene Schwachpunkte der heutigen liberalen Demokratie hinweisen. Er erachtet die Form der liberalen Demokratie zwar als die einzige noch zu rechtfertigende Organisationsform eines westlichen Staates, zeigt jedoch Differenzen zwischen dem Anspruch eines solchen Systems und der Realität auf. Anzeichen für eine Schwächung der Demokratie sieht Claus Offe sowohl von Seiten derer, die in der Regierungsverantwortung stehen bzw. auf der Entscheidungsebene Mitspracherecht besitzen als auch von Seiten der Bürger.
Zunächst einmal ist wichtig zu klären, was er unter der liberalen Demokratie versteht. Welche Voraussetzungen werden von ihm benannt, die notwendig sind, damit die liberale Demokratie in den westlichen Staaten auch weiterhin Bestand haben kann? Welche Schwachstellen der liberalen Demokratie legt er offen, und welche Desiderate fordert er darüber hinaus ein? Des Weiteren ist interessant zu sehen, ob er Vorschläge oder Lösungsansätze anbietet, die von ihm formulierten Defizite der Demokratie auszubessern. Welches Bild von einer stabilen Demokratie zeichnet er? Zu Beginn der Arbeit wird auf die Kritische Theorie eingegangen, die Ursprung für weitere Ansätze zur kritischen Demokratietheorie gewesen ist. Nach einer kurzen Biographie Claus Offes und dem Bezug zum theoretischen Ansatz der deliberativen Demokratietheorie, werden seinen Aussagen zu den Defiziten der westlichen liberalen Demokratie dargelegt. Unterschieden wird hier zwischen Handlungsweisen, Kompetenzen und Orientierungen der politischen Eliten und dem Zustand der Masse der Bürger. Abschließend soll näher auf Probleme eingegangen werden, die sich in der modernen Demokratie - Claus Offe folgend - ergeben. Zu der verwendeten Literatur ist anzumerken, dass sich die Arbeit zum allergrößten Teil auf Primärquellen stützt. Dies resultiert aus der Tatsache, dass Claus Offe erst im vergangenen Jahr emeritierte und Sekundärquellen demzufolge nur vereinzelt vorhanden sind.
Inhaltsverzeichnis
1 Claus Offe als Vertreter der kritischen Demokratietheorie
2 Kritische Theorien zur Demokratie
3 Claus Offes Ansätze in der kritischen Demokratietheorie
3.1 Deliberative Demokratietheorie
4 Die westliche liberale Demokratie
4.1 Bewährungsproben der Demokratie
4.2 Desiderate an die politischen Eliten
4.2.1 Politische Parteien
4.3 Der Beitrag der Bürger zur modernen Demokratie
4.3 1 Vertrauen
5 Probleme demokratischer Lösungen
5.1 Tendenzen einer politischen Entfremdung
5.2 Die Bedeutung von Institutionen
6 Herausbildung von Institutionen und Präferenzbildung zentral
1 Claus Offe als Vertreter der kritischen Demokratietheorie
Die Vertreter der kritischen Demokratietheorie legen ihr Hauptaugenmerk auf die Probleme und Schwachstellen der modernen Massengesellschaft. Durch unterschiedliche Faktoren sehen sie die liberale Demokratie in ihrer Stabilität gefährdet. Claus Offe wird den kritischen Demokratietheoretikern zugerechnet. Er setzt sich mit Strukturproblemen in der liberalen Demokratie auseinander. Zu diesem Thema hat er mehrere Beiträge verfasst, die auf vorhandene Schwachpunkte der heutigen liberalen Demokratie hinweisen. Er erachtet die Form der liberalen Demokratie zwar als die einzige noch zu rechtfertigende Organisationsform eines westlichen Staates, zeigt jedoch Differenzen zwischen dem Anspruch eines solchen Systems und der Realität auf. Anzeichen für eine Schwächung der Demokratie sieht Claus Offe sowohl von Seiten derer, die in der Regierungsverantwortung stehen bzw. auf der Entscheidungsebene Mitspracherecht besitzen als auch von Seiten der Bürger.
Zunächst einmal ist wichtig zu klären, was er unter der liberalen Demokratie versteht. Welche Voraussetzungen werden von ihm benannt, die notwendig sind, damit die liberale Demokratie in den westlichen Staaten auch weiterhin Bestand haben kann? Welche Schwachstellen der liberalen Demokratie legt er offen, und welche Desiderate fordert er darüber hinaus ein?
Des Weiteren ist interessant zu sehen, ob er Vorschläge oder Lösungsansätze anbietet, die von ihm formulierten Defizite der Demokratie auszubessern. Welches Bild von einer stabilen Demokratie zeichnet er?
Zu Beginn der Arbeit wird auf die Kritische Theorie eingegangen, die Ursprung für weitere Ansätze zur kritischen Demokratietheorie gewesen ist. Nach einer kurzen Biographie Claus Offes und dem Bezug zum theoretischen Ansatz der deliberativen Demokratietheorie, werden seinen Aussagen zu den Defiziten der westlichen liberalen Demokratie dargelegt. Unterschieden wird hier zwischen Handlungsweisen, Kompetenzen und Orientierungen der politischen Eliten und dem Zustand der Masse der Bürger. Abschließend soll näher auf Probleme eingegangen werden, die sich in der modernen Demokratie - Claus Offe folgend - ergeben.
Zu der verwendeten Literatur ist anzumerken, dass sich die Arbeit zum allergrößten Teil auf Primärquellen stützt. Dies resultiert aus der Tatsache, dass Claus Offe erst im vergangenen Jahr emeritierte und Sekundärquellen demzufolge nur vereinzelt vorhanden sind.
2 Kritische Theorien zur Demokratie
Die Bezeichnung „Kritische Theorie“ wird weitgehend mit der Theoriebildung und Forschung am Institut für Sozialforschung der Frankfurter Universität in Verbindung gesetzt und aus diesem Grund auch häufig synonym mit „Frankfurter Schule“ bezeichnet. Kritische Theorie wird alsbald mit den Namen von Theodor W. Adorno und Max Horkheimer in Zusammenhang gebracht, die zu den bekanntesten Vertretern zählen und gemeinsam in den vierziger Jahren im amerikanischen Exil das Hauptwerk „Dialektik der Aufklärung“ verfassten. Verbunden wurden die rationale Philosophie von Rousseau bis Hegel, die Politische Ökonomie von Marx und die Psychoanalyse Freuds.1 „Kritisch“ war die Theorie deshalb, da sie sich von der „traditionellen“ Theorie, die sich am naturwissenschaftlichen Ideal orientierte, absetzen. Entwickelt wurde in diesem Sinne eine kritische Gesellschaftstheorie, welche die Menschen als die Produzenten ihrer gesamten historischen Lebensform zum Gegenstand hat.2
Diese „Kritische Theorie“ ist jedoch nicht allgemein gleichzusetzen mit kritischer Demokratietheorie, wie Manfred G. Schmidt feststellt. So werden auch die Vertreter der kritischen Demokratietheorie mit der Frankfurter Schule in Verbindung gesetzt. Mittlerweile wird von mehreren Generationen der Frankfurter Schule gesprochen. Diese werden mit der Kritischen Theorie in Verbindung gebracht, weil auch sie einen kritischen Blick auf die Massengesellschaft werfen. Gleichwohl - allein bedingt durch den Faktor der Zeit - setzen sie andere, auf die aktuelle politische Situation bezogene Zeit, Schwerpunkte.
Manfred G. Schmidt legt sich in seiner Begriffsbestimmung der kritischen Demokratietheorien auf drei Gemeinsamkeiten fest, die dieser Form der modernen Demokratietheorien zu Eigen sind. Dies ist zum einen die besondere Sensibilität für Strukturdefekte der Demokratie, was bedeutet, dass die Einlösung der selbstgesetzten Ansprüche der demokratischen Regierungsform nicht dementsprechend erfüllt wird. Des Weiteren die dieser Regierungsform innewohnende Angst vor einer Tyrannei der Vielen und eine Ausleuchtung der Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit demokratischer Normen.3
3 Claus Offes Ansätze in der Kritischen Demokratietheorie
Claus Offe wird der zweiten Generation der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule zugerechnet und zeichnet sich dementsprechend auch durch einen skeptischen Blick auf die moderne Massengesellschaft aus.
Claus Offe wurde 1940 in Berlin geboren und studierte Soziologie, Philosophie und Volkswirtschaft in Köln, Berlin und Frankfurt am Main. Nach dem Universitätsabschluss in dem Fach Soziologie, war er in den sechziger Jahren Assistent von Jürgen Habermas am Frankfurter Institut für Sozialforschung und promovierte im Fach Politikwissenschaft im Jahre 1968. 1973 schloss sich seine Habilitation in Konstanz an und von 1975 bis 1988 hatte er die Professur für Politikwissenschaft und Soziologie an der Universität Bielefeld inne, 1988 bis 1995 selbige an der Universität Bremen. Dort unterstand ihm auch die Leitung der Abteilung "Theorie und Verfassung des Wohlfahrtstaates" am Zentrum für Sozialpolitik. Von 1995 bis zu seiner Emeritierung im April 2005 war er schließlich Professor für Politikwissenschaft an der Humboldt-Universität in Berlin.4
Betrachtet man seine Arbeitsgebiete insgesamt, so sind diese breit gefächert. Er beschäftigte sich ebenso mit der Demokratie- und Staatstheorie sowie mit der Erforschung der Transformationsprozesse in den mittel- und osteuropäischen Staaten. Die Gesellschaft, in der wir heute leben, wird von ihm soziologisch als Arbeitsgesellschaft beschrieben. In diesem Zusammenhang setzte er sich weiterführend mit Arbeitspolitik auseinander.5
Weiterhin ist wichtig zu wissen, dass er sich immer aktuell auf die derzeitige gesellschaftliche Situation bezieht und in eben dieser seine Position einnimmt, sich von der jeweiligen Haltung aber durchaus im Verlauf der Zeit distanziert. So geschehen mit seiner Krisentheorie des Staates im Spätkapitalismus („Strukturprobleme des kapitalistischen Staates“), die er in den späten sechziger und frühen siebziger Jahren verfasste. Im Fokus dieser Theorie stand die Aussage, dass er den westlichen Demokratien sowohl das Anwachsen einer radikalen Opposition als auch eine massive Legitimationskrise voraussagte, die in einem kapitalistischen Staat nicht zu lösen sei. Als Alternative zu dem System der liberalen Demokratie bot er damals den freiheitlichen Sozialismus an.6
Von dieser Position hat er sich im Nachhinein jedoch distanziert, da eine derartige Krise ausgeblieben ist. Wie in der vorliegenden Arbeit später dargestellt wird, sieht er heute das System der modernen liberalen Demokratie, als das derzeit einzig in westlichen Staaten vertretbare an. Dazu beschäftigte er sich in einer Reihe von Beiträgen mit den aktuellen Gegebenheiten und der Praxis der Demokratie in unserer heutigen Zeit. Dabei wirft er seinen Blick verstärkt auf die interne Perspektive einer Verteidigung der westlichen liberalen Demokratie.7
Einen besonderen Akzent legt Offe, wie im Laufe der Arbeiten deutlich wird, auf den Zusammenhang zwischen den Präferenzen der Bürger, den Institutionen und Parteien sowie dem Vertrauen der Bürger in die Demokratie.
Im Folgenden soll kurz auf die deliberative Demokratietheorie eingegangen werden. Die Theorien von Claus Offe können hier durchaus eingeordnet werden, wenngleich er eine Lösung der Probleme in der Demokratie nicht mit vollständiger Sicherheit durch diese Theorie als gegeben ansieht.
3.1 Deliberative Demokratietheorie
Die von Jürgen Habermas maßgeblich aufgebrachte Forderung an die Gesellschaft in Form einer deliberativen Demokratietheorie findet sich auch bei Claus Offe wieder. Offe vertritt die deliberative Demokratietheorie normativ. Normativ besagt, dass er sich auf die fundierte Bewertung von als erstrebenswert oder beklagenswert eingestuften Soll- oder Ist-Zuständen von Demokratie konzentriert.8 Offe selbst charakterisiert die Demokratie normativ durch zwei Prinzipien. Das erste Prinzip besagt, dass der gleiche Gebrauch politisch relevanter Freiheiten, allen Staatsbürgern die Möglichkeit gewähren soll durch freie, politische Kommunikation und organisierte Verfahren Prämissen für die Ausübung politischer Herrschaft zu setzen.9 Das zweite Prinzip besagt, dass die erzeugten Politiken und Gesetze eine solche Qualität ausweisen müssen, dass das souveräne Volk sich in ihnen wiedererkennen und die Entscheidung als einen für den Augenblick erträglichen, hinreichend fairen oder zurzeit anders nicht möglichen Kompromiss akzeptieren kann.10
Der Begriff „Deliberation“ stammt aus dem Lateinischen und kann mit Beratung oder beratender Rede übersetzt werden. In der Politischen Theorie kennzeichnet er die kritischen Potentiale einer von den politischen Institutionen nicht vereinnahmten Öffentlichkeit.11 Das Konzept der deliberativen Demokratie fordert allgemein zusammengefasst die „Beteiligung aller Betroffenen, Entscheidung durch Argumente von und für Teilnehmer [und] Entscheidung anhand der Leitwerte der Unparteilichkeit und der Vernunft“.12
Im Gegensatz zu Habermas sieht Offe eine „Verwirklichung dieser von den sozialen Grundtendenzen der Moderne aber ernsthafter bedroht“.13
In diesem Zusammenhang sind seine Vorschläge zu sehen, die zu einer institutionellen Neugestaltung führen. Zum einen postuliert er eine verstärkte Öffnung des politischen Institutionensystems für die diskursiven, normbildenden Prozesse der politischen Öffentlichkeit. Des Weiteren fordert er eine interne Demokratisierung der politischen Parteien und eventuell auch der Verbände.14
Nach dieser kurzen Einordnung des Werkes von Claus Offe und den dahinterstehenden politiktheoretischen Ansätzen, soll im nachfolgend zunächst die von ihm favorisierte Organisationsform der liberalen Demokratie aus seiner Sicht dargestellt werden.
4 Die westliche liberale Demokratie
Offe sieht in der liberalen Demokratie die einzige Regierungsform, die noch vor der eigenen Bevölkerung vertretbar ist. Keine andere Form der gesellschaftlichen Ordnung wäre in der gegenwärtigen Zeit noch denkbar, da ein Volk nicht mehr hinnehmen würde, dass einige Wenige bessere Rechte oder höhere Kompetenz zur Regelung öffentlicher Angelegenheiten haben.15 Einen Beweis dafür liefert nicht zuletzt das Anwachsen der Staaten, die seit Mitte der siebziger Jahre demokratisiert wurden. In diesen Prozess hat sich die Demokratie ihm zufolge gewandelt „von einer Tugend, der man folgen soll, zu einer Tatsache, mit der man umgehen muss.“16 Nach Demokratisierungswellen in Südeuropa und Lateinamerika in den siebziger Jahren und mit dem Zusammenbruch der staatssozialistischen Systeme Mittel- und Osteuropas ist endgültig vom Sieg der Demokratie als der einzig verbleibenden politischen Organisationsform moderner Gesellschaften die Rede gewesen.17 Gleichwohl hat sich etwa zeitgleich aber auch eine negative Perspektive auf die Demokratie ausgebildet, die von einer Krise der Demokratie berichtet.
[...]
1 Vgl. Nohlen, Dieter; Schultze, Rainer-Olaf (Hrsg.): Lexikon der Politikwissenschaft Band I. München, 2005. S. 499.
2 Vgl. Schmidt, Manfred G: Wörterbuch zur Politik. Stuttgart, 2004. S. 397.
3 Vgl. Schmidt, Manfred G.: Demokratietheorien. Opladen, 2000. S. 268.
4 Vgl. http://www2.hu-berlin.de/pol_soz/mitarbeiterinnen/offe/offe.html
5 Vgl. Buchstein, Hubertus: Claus Offe. In: Flügel, Oliver; Heil, R.; Hetzel, A. (Hrsg.): Die Rückkehr des Politischen: Demokratietheorien heute. Darmstadt, 2004. S. 265.
6 Vgl. ebenda, S. 266
7 Vgl. ebenda.
8 Vgl. Schmidt, 2004. S. 489
9 Vgl. Offe, Claus: Demokratie und „höhere Amoralität“. In: Der Traum der Vernunft. Vom Elend der Aufklärung. Darmstadt. 1986. S. 219.
10 Vgl. ebenda, S. 220.
11 Vgl. Offe, Claus: Wider scheinradikale Gesten. In: Die Kontroverse: Weizsäckers Parteienkritik in der Diskussion. In: Hofmann, Gunter; Perger, Werner. Frankfurt am Main, 1992. S. 142.
12 Feindt, Peter H. Regierung durch Diskussion?: Diskurs- und Verhandlungsverfahren im Kontext von Demokratietheorie und Steuerungsdiskussion. Frankfurt am Main. 2001. S. 104.
13 Buchstein, 2004. S. 266.
14 Vgl. Offe, 1992, S. 138.
15 Vgl. Offe, Claus: Demokratie und Vertrauen. In: Offe, Claus. Herausforderungen der Demokratie. Zur Integrations- und Leistungsfähigkeit politischer Institutionen. Frankfurt am Main, 2003. S. 233.
16 Offe, 1992, S.127.
17 Vgl. Offe, Claus: Reformbedarf und Reformoptionen der Demokratie. In: Offe, Claus. Demokratisierung der Demokratie. Diagnosen und Reformvorschläge. Frankfurt am Main, 2003. S.10.
- Quote paper
- Nadja Kemper (Author), 2006, Kritische Demokratietheorie von Claus Offe - Schwachstellen der liberale Demokratie , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59165
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