Einleitung
Die industrielle Revolution begann im späten 18. Jahrhundert in England. Sie basierte auf wichtigen Erfindungen und einer vorangegangenen agrarischen Revolution, welche zu einer Besitzumschichtung und zur Entwicklung eines ländlichen Proletariats von Lohnarbeitern führte, die später von den neu entstandenen städtischen Industriebetrieben übernommen werden konnten. In Kontinentaleuropa vollzog sich die Industrialisierung nur sehr langsam und, gemessen an England, mit großer zeitlicher Verzögerung. In Deutschland mußten zunächst feudale Hemmnisse beseitigt und die zollpolitische Zersplitterung durch die Gründung des Zollvereins überwunden werden, damit die Industrialisierung in ihrem ganzen Ausmaß einsetzen konnte. Bis zum Jahr 1840 konnte man in Deutschland jedoch noch nicht von einer Industrialisierung sprechen; erst Mitte des 19. Jahrhunderts setzte sie in Teilen Deutschlands ein.
Im Vergleich zu Westeuropa und anderen Teilen Deutschlands setzte die Industrialisierung in Bayern erst relativ spät ein. Das Königreich Bayern war in der ersten Hälfte des
19. Jahrhunderts noch überwiegend Agrarland. Um 1800 machte das Landvolk fast 80% der Gesamtbevölkerung aus. 1850 waren es nur noch etwa 50%, die Landwirtschaft blieb jedoch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts der dominierende Wirtschaftszweig in Bayern. Neben der Landwirtschaft spielte darüber hinaus das auf Stadt und Land verteilte Handwerk eine bedeutende Rolle. Einige städtische Zentren machten bereits industrielle Fortschritte, zum Beispiel Augsburg, Nürnberg, Würzburg und München.
Während der Industrialisierung fanden in Deutschland und auch in Bayern große Be-völkerungswanderungen statt. Die „Landflucht“ führte die Menschen in die expandierenden Städte. Die durch die Industrialisierung neu entstandenen Arbeitsplätze und insbesondere der Anstieg in der Nachfrage nach Arbeitskräften lockte die Menschen zusätzlich in die Städte. Laut Werner Sombart ist die Industrie somit zum „Städtegründer“ geworden. Aber auch die Städte haben durch ihre unterschiedlichen funktionalen Voraussetzungen und Strukturen eine bedeutende Rolle für die Industrialisierung gespielt. [...]
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Die Bauernbefreiung
2. Die Industrialisierung in Bayern
3. Die Binnenwanderung
4. Die Urbanisierung
5. Probleme der Verstädterung
6. Eingemeindungen
7. Die Stadt Nürnberg
7.1. Die Industrialisierung in Nürnberg
7.2. Die Urbanisierung Nürnbergs
7.3. Die Eingemeindung der Nürnberger Vorstädte
Resümee
Einleitung
Die industrielle Revolution begann im späten 18. Jahrhundert in England. Sie basierte auf wichtigen Erfindungen und einer vorangegangenen agrarischen Revolution, welche zu einer Besitzumschichtung und zur Entwicklung eines ländlichen Proletariats von Lohnarbeitern führte, die später von den neu entstandenen städtischen Industriebetrieben übernommen werden konnten. In Kontinentaleuropa vollzog sich die Industrialisierung nur sehr langsam und, gemessen an England, mit großer zeitlicher Verzögerung.
In Deutschland mußten zunächst feudale Hemmnisse beseitigt und die zollpolitische Zersplitterung durch die Gründung des Zollvereins überwunden werden, damit die Industrialisierung in ihrem ganzen Ausmaß einsetzen konnte. Bis zum Jahr 1840 konnte man in Deutschland jedoch noch nicht von einer Industrialisierung sprechen; erst Mitte des 19. Jahrhunderts setzte sie in Teilen Deutschlands ein.
Im Vergleich zu Westeuropa und anderen Teilen Deutschlands setzte die Industrialisierung in Bayern erst relativ spät ein. Das Königreich Bayern war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch überwiegend Agrarland. Um 1800 machte das Landvolk fast 80%[1] der Gesamtbevölkerung aus. 1850 waren es nur noch etwa 50%[2], die Landwirtschaft blieb jedoch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts der dominierende Wirtschaftszweig in Bayern. Neben der Landwirtschaft spielte darüber hinaus das auf Stadt und Land verteilte Handwerk eine bedeutende Rolle. Einige städtische Zentren machten bereits industrielle Fortschritte, zum Beispiel Augsburg, Nürnberg, Würzburg und München.
Während der Industrialisierung fanden in Deutschland und auch in Bayern große Bevölkerungswanderungen statt. Die „Landflucht“ führte die Menschen in die expandierenden Städte. Die durch die Industrialisierung neu entstandenen Arbeitsplätze und insbesondere der Anstieg in der Nachfrage nach Arbeitskräften lockte die Menschen zusätzlich in die Städte. Laut Werner Sombart ist die Industrie somit zum „Städtegründer“ geworden[3]. Aber auch die Städte haben durch ihre unterschiedlichen funktionalen Voraussetzungen und Strukturen eine bedeutende Rolle für die Industrialisierung gespielt. Ohne die einsetzende Industrialisierung hätte die Urbanisierung nicht in dem Maß stattgefunden, ebenfalls hätte ohne das immense Anwachsen der Städte die Industrialisierung nicht in vollem Umfang einsetzen können. Die Begriffe Stadt und Industrie, bzw. Verstädterung und Industrialisierung lassen sich daher eindeutig aufeinander beziehen[4].
Am Beispiel der Stadt Nürnberg sollen der Prozeß der gegenseitig voneinander abhängigen Entwicklungen der Industrialisierung und Verstädterung beschrieben werden. Dazu ist es zunächst notwendig, ein paar allgemeine Entwicklungen und Voraussetzungen zu betrachten, welche den Binnenwanderungsprozeß in Bayern ausgelöst und die Industrialisierung ermöglicht haben.
1. Die Bauernbefreiung
Die vorindustrielle Gesellschaft des agrarisch geprägten Bayerns war vorwiegend statisch angelegt, d.h. die Menschen wurden in eine bestimmte soziale Schicht an einem bestimmten Ort hineingeboren und konnten weder ihren Lebensort noch ihre Schicht ohne Weiteres wechseln[5]. Lediglich Handwerksgesellen und Händlern kam eine gewisse Mobilität zu.
Die Reform der mittelalterlichen feudalen Agrarverhältnisse begann in der deutschen Landwirtschaft erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Im Jahr 1808 wurde in Bayern die Leibeigenschaft aufgehoben und ein langsamer Abbau der Adeslgrundherrschaft begann. Durch die Zahlung bestimmter Geldsummen konnten abhängige Bauern ihre Grundlasten ablösen. Hierdurch verschuldeten sich viele jedoch hoch und ein Großteil der befreiten Kleinbauern konnte seine Höfe nicht mehr halten. Somit wurde durch die Bauernbefreiung der Pauperismus auf dem Land verstärkt. Vielen Bauernfamilien blieb aus diesem Grund nur die Auswanderung, vor allem nach Amerika. Im Zeitraum zwischen 1815 und 1849 verließen fast 800.000 Menschen Deutschland[6]. Insbesondere Bayern gehörte zu den Gebieten mit einem sehr hohen Anteil an Auswanderungen. Bis 1852 stieg die Gesamtzahl der Auswanderer von Bayern nach Amerika auf 19.443 Menschen an[7].
Die Verelendung der Bauernschaft wurde zudem durch ein starkes Bevölkerungswachstum auf dem Land zu Beginn des 19. Jahrhunderts verstärkt. Die Folgen waren Nahrungsknappheiten und eine große Landflucht in die expandierenden Städte, wo viele Bauern neue oder zusätzliche Beschäftigungen in den allmählich entstehenden Fabriken fanden.
2. Die Industrialisierung in Bayern
Die Mitte des 19. Jahrhunderts in Bayern einsetzende Industrialisierung zeigte zunächst nur in bestimmten Regionen Auswirkungen auf die Wirtschaftsstruktur. Die Zentren der Industrie entstanden hauptsächlich an wichtigen Transportwegen oder direkt an Fund- und Produktionsstellen der wichtigsten Produktionsstoffe. Augsburg, Nürnberg, Würzburg und München machten als städtische Zentren gewissen Fortschritte. So wurde bereits 1837 die erste mechanische Baumwollspinnerei und Weberei in Augsburg gegründet. Die Industrialisierung begann jedoch erst in den 1860er Jahren eine größere Rolle in der bayerischen Wirtschaft zu spielen.
Der Fortschritt in der Technik, der Ausbau der Eisenbahn, die Schaffung eines einheitlichen Zollgebiets durch die Gründung des Zollvereins 1834 sowie die Einführung der Gewerbefreiheit 1868 wirkten sich positiv auf die Entwicklung der Industrie in Bayern aus. Es entstanden wichtige Industriezweige, u.a. die Baumwollindustrie in Augsburg, die Schuhindustrie in Pirmasens, die Glasindustrie im Bayerischen Wald, die Nahrungs- und Genußmittelindustrie in München sowie der Maschinenbau in Nürnberg und Augsburg und die elektrotechnische Produktion ebenfalls in Nürnberg. Nürnberg und München wuchsen schnell zu den wichtigsten bayerischen Handelsstädten, insbesondere auch im Hinblick auf den Export, an[8]. Darüber hinaus begünstigte der Bau der ersten Eisenbahnstrecke zwischen Nürnberg und Fürth 1835 (die „Ludwigsbahn“) die Industrialisierung Bayerns. Das beginnende Zeitalter der Eisenbahn bedeutete eine gewaltige Modernisierung und schaffte Expansionsmöglichkeiten für die Industrie.
[...]
[1] Hartmann, Peter Claus: Bayerns Weg in die Gegenwart. Vom Stammesherzogtum zum Freistaat heute, 2. Auflage, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2004, S. 398.
[2] Ebenda.
[3] Marschalk, Peter: Zur Rolle der Stadt für den Industrialisierungsprozeß in Deutschland in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Reulecke, Jürgen (Hrsg.): Die deutsche Stadt im Industriezeitalter, Peter Hammer Verlag, Wuppertal 1978, S. 57-66, S. 58.
[4] Ebenda: S. 58 f.
[5] Deneke, Bernward (Hrsg.): Geschichte Bayerns im Industriezeitalter in Bildern und Texten, Germanischen Nationalmuseum, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1987, S. 53.
[6] Köllmann, Wolfgang: Bevölkerung in der industriellen Revolution, Vandenhoeck & Rupprecht, Göttingen 1974, S. 36.
[7] „Über die Bewegung der Bevölkerung im Königreiche Bayern“ Festrede vorgetragen in der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu München am 26. November 1853 zur Vorfeier des Geburtstagsfestes Seiner Majestät des Königs von Dr. Friedrich Benedict Wilhelm von Hermann, München 1853, S. 27.
[8] Hartmann, Peter Claus: Bayerns Weg in die Gegenwart. Vom Stammesherzog zum Freistaat heute, 2. Auflage, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2004, S. 430.
- Quote paper
- Julie Andrea Tiemann (Author), 2005, Die Industrialisierung und Urbanisierung am Beispiel Nürnberg, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59151
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