Die vorliegende Diplomarbeit setzt sich mit dem Thema Offshoring und dessen Auswirkungen auf die von einer Verlagerung betroffenen Mitarbeiter auseinander. Durch Offshoring geht ein zentraler Bestandteil des, neben dem juristischen Arbeitsvertrag existierenden, psychologischen Vertrages verloren. Neben den direkt vom Personalabbau betroffenen Arbeitnehmern, hat dies speziell in multinationalen Unternehmen auch Auswirkungen auf vom Offshoring nicht betroffene Mitarbeiter (Survivors) des Konzerns. Die Reaktionen der Survivors in Form von innerer Kündigung verursachen versteckte negative Kosten (Hidden Costs) für das Unternehmen. Mit Hilfe der Transaktionskostentheorie können diese versteckten Kosten in eine ökonomische Beurteilung für die Auswahl eines geeigneten Personalfreisetzungsinstrumentes einbezogen werden. Die Outplacementberatung hat sich dabei als ein geeignetes Instrument erwiesen, welches in der Lage ist, für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation zu schaffen. Neben der erlebten Fairness im Trennungsprozess trägt Outplacement ebenfalls zur Förderung der individuellen Employability bei, welche als Substitut für eine nicht mehr existierende Arbeitsplatzsicherheit im psychologischen Arbeitsvertrag angesehen wird.
Inhaltsverzeichnis
Eigenständigkeitserklärung
Abstrakt
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einführung
1.1 Zielsetzung, Aufbau und Abgrenzung des Themas
1.2 Kurze begriffliche Definitionen
2. Offshoring
2.1 Offshoring – Abgrenzung und Definition
2.2 Der Zusammenhang zwischen Offshoring und FDI
2.2.1 Direktinvestitionsmotive und Arbeitsmarkteffekte
2.2.1.1 Horizontale Direktinvestitionen
2.2.1.2 Vertikale Direktinvestitionen
2.2.2 Offshoring, FDI und Interessenkonflikte in MNU
2.3 Kostenvorteile und Hidden Costs des Offshorings
3. Theoretische Herangehensweise
3.1 Transaktionskostenansatz
3.2 Das Arbeitsverhältnis als ein Nexus von Verträgen
3.3 Relevanz der Transaktionskosten bei der Personalfreisetzung
3.3.1 Personalfreisetzungsinstrumente
3.3.2 Transaktionskostenkategorien der Personalfreisetzung
4. Der psychologische Vertrag
4.1 Die Entstehung von psychologischen Verträgen
4.2 Der neue psychologische Vertrag
5. Offshoring-Auswirkungen auf Mitarbeiter
5.1 Das Survivor-Syndrom
5.2 Innere Kündigung
5.3 Reaktionen auf den Arbeitsplatzverlust
6. Offshoring - Fairness im Trennungsprozess
6.1 Employability und lebenslanges Lernen
6.2 Outplacement
6.2.1 Formen und Vorteile einer Outplacement-Beratung
6.2.2 Staatlich geförderte Outplacementmaßnahmen
6.2.2.1 Transferagentur nach § 216a SGB III
6.2.2.2 Transfergesellschaft nach § 216b SGB III
6.2.2.3 Trainingsmaßnahmen nach § 48 SBG III
6.3 Outplacement aus Sicht der Transaktionskostentheorie
7. Schlussfolgerungen
8. Literaturverzeichnis
9. Appendix
Eigenständigkeitserklärung
Ich versichere hiermit, dass ich die vorliegende Diplomarbeit mit dem Thema:
„Konfliktfeld Offshoring: Interne Standortkonkurrenz multinationaler Unternehmen und die Auswirkungen auf Mitarbeiter“
selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Die Stellen, die anderen Werken dem Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen wurden, habe ich in jedem einzelnen Fall durch die Angabe der Quelle, auch der benutzten Sekundärliteratur, als Entlehnung kenntlich gemacht.
Abstrakt
Die vorliegende Diplomarbeit setzt sich mit dem Thema Offshoring und dessen Auswirkungen auf die von einer Verlagerung betroffenen Mitarbeiter auseinander. Durch Offshoring geht ein zentraler Bestandteil des, neben dem juristischen Arbeitsvertrag existierenden, psychologischen Vertrages verloren. Neben den direkt vom Personalabbau betroffenen Arbeitnehmern, hat dies speziell in multinationalen Unternehmen auch Auswirkungen auf vom Offshoring nicht betroffene Mitarbeiter (Survivors) des Konzerns. Die Reaktionen der Survivors in Form von innerer Kündigung verursachen versteckte negative Kosten (Hidden Costs) für das Unternehmen. Mit Hilfe der Transaktionskostentheorie können diese versteckten Kosten in eine ökonomische Beurteilung für die Auswahl eines geeigneten Personalfreisetzungsinstrumentes einbezogen werden. Die Outplacementberatung hat sich dabei als ein geeignetes Instrument erwiesen, welches in der Lage ist, für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation zu schaffen. Neben der erlebten Fairness im Trennungsprozess trägt Outplacement ebenfalls zur Förderung der individuellen Employability bei, welche als Substitut für eine nicht mehr existierende Arbeitsplatzsicherheit im psychologischen Arbeitsvertrag angesehen wird.
Abstract
The present diploma thesis is disputing the topic offshoring and its effects on employees who are affected from the relocation. Due to offshoring a main element of the psychological contract gets lost which exists besides the formal legal work contract. Apart from the directly affected employees of the staff reduction, especially in multinational corporations, offshoring also has effects on the employees of the enterprises who are not affected (survivors). The reactions of the survivors in terms of inner resignation are causing negative hidden costs for the enterprise. By means of the transaction cost theory these hidden costs can be included in an economic evaluation of choosing a suitable instrument for labour displacement. The outplacement consulting has proven to be a suitable instrument that is able to create a win-win situation for all parties. Besides the experienced fairness in the displacement process, outplacement is also contributing the promotion of the individual employability that is seen as a substitute for the vanished workplace security in the psychological work contract.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Offshoring-Typen in einer 4x2x2 Matrix
Abbildung 2: Deutsche Direktinvestitonsbestände im Ausland
Abbildung 3: Interessenkonflikte in multinationalen Unternehmen
Abbildung 4: Kostenvorteile durch Offshoring
Abbildung 5: Eisberg-Modell der Hidden Costs
Abbildung 6: Williamsons Organizational Failures Framework
Abbildung 7: Die Arbeitsbeziehung als Nexus von Verträgen
Abbildung 8: Klassifikation von Transaktionskosten
Abbildung 9: Freisetzungsinstrumente
Abbildung 10: Die Entstehung des psychologischen Vertrages
Abbildung 11: Traditioneller vs. neuer psychologischer Vertrag
Abbildung 12: Reaktionsmuster von Survivors
Abbildung 13: Reaktionsmuster im Trennungsprozess
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einführung
Offshoring, die Standortverlagerung in Niedriglohnländer, ist zu einem beherrschenden Thema der aktuellen wirtschaftspolitischen Debatte geworden. Bei der täglichen Zeitungslektüre vergeht selten eine Woche ohne neue Hiobsbotschaften über bevorstehende Standortverlagerungen, Firmenschließungen und Arbeitsplatzverluste, die den Standort Deutschland bedrohen. Aktuellste Beispiele kontroverser Diskussionen sind hierbei der Fall AEG, dessen schwedischer Mutterkonzern Electrolux die AEG-Produktion in Nürnberg bis Ende 2007 schrittweise nach Polen und Italien verlagern will, oder der Fall des Automobilzulieferers Continental, der trotz eines Rekordkursgewinnes von 55 Prozent ebenfalls die Pkw-Reifenproduktion im Stammwerk Hannover bis 2007 einstellen will (vgl. Dunsch 2005: 11; FAZ.NET 2005; Spiegel Online 2006a/b/c). Die grenzüberschreitenden Arbeitsplatzverlagerungen stellen dabei jedoch kein grundlegend neues Phänomen dar. Bereits in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts begannen multinationale Unternehmen lohnintensive Fertigungsprozesse, mit einem niedrigen Qualifizierungsbedarf in der Textil-, Schuh-, Spielzeug- und Elektroindustrie, nach Asien zu verlagern und somit die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung zu nutzen (vgl. Clement/ Natrop 2004: 519). Dabei spielten neben dem Motiv der Kostensenkung durch niedrigere Arbeitskosten und Steuerbelastungen auch die Erschließung neuer wachstumsstärkerer Märkte in Asien und Osteuropa eine große Rolle.
Neu dagegen ist, dass zunehmend auch Dienstleistungen sowie kapital- und wissensintensive Tätigkeiten verlagert werden. Galten Dienstleistungen noch bis vor kurzem aufgrund ihrer Spezifität als nicht-handelbar, so hat sich dies durch die rasante Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK) und dadurch sinkender Transaktionskosten grundlegend verändert. Sinkende Kosten im Transport- und IuK-Bereich, die Modularisierung der Wertschöpfung, eine zunehmende Liberalisierung der Weltwirtschaft und nicht zuletzt die Osterweiterung der Europäischen Union ermöglichen den Unternehmen eine globale Wertschöpfung mit internationaler Arbeitsteilung (vgl. Marin 2004: 7). Dabei verfügen insbesondere arbeitsintensive Dienstleistungen über ein hohes Sparpotenzial, beispielsweise machen die Lohnkosten z. B. in der Softwareentwicklung nahezu 100 Prozent der Herstellungskosten aus (vgl. Clement/ Natrop 2004: 525). Ein weiterer Antreiber der aktuellen Diskussionen über Offshoring ist neben den Lohnkostenunterschieden zu den Niedriglohnländern der zunehmende Fachkräftemangel in Deutschland. Dadurch geraten zunehmend auch Beschäftigungsgruppen unter Druck, die sich in der Vergangenheit vergleichsweise sicher fühlen konnten.
Dieser allgemeine Druck und die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit führen dazu, dass Offshoring zunehmend auch populistisch als Drohpotenzial der Unternehmer bei Lohn- und Tarifverhandlungen ausgenutzt wird. Eine entscheidende Rolle hierbei spielen die multinationalen Unternehmen mit ihren global verzweigten Tochtergesellschaften, welche die eingeschränkte Mobilität des Faktors Arbeit gegenüber dem Faktor Kapital ausnutzen und so für Konkurrenz unter ihren Tochtergesellschaften sorgen. Ein aktuelles Beispiel eines solchen „concession bargaining“-Prozesses, bei dem das Drohpotenzial der Konzernleitung zu Lohn- und Arbeitszeitzugeständnissen der Arbeitnehmer führte, stellt die Drohung des Volkswagen-Konzerns dar, den neuen Geländewagen „Marrakesch“ nicht in Wolfsburg sondern in Portugal zu bauen, wenn die Lohnkosten nicht erheblich gesenkt werden könnten[1].
Dieses Beispiel zeigt einen weiteren neuen Trend in der weltweiten Arbeitsteilung auf, nämlich die konzerninterne Konkurrenz um Investitionen, nach Marktzugängen, qualifizierte Arbeitkräften oder Kosteneinsparungen (vgl. Hirschfeld 2004: 10). Dabei greift der Trend zu Kosteneinsparungen aufgrund von Produktionsverlagerungen zunehmend auch auf Kleine und Mittelständische Unternehmen (KMU) über und betrifft somit nicht nur die medienwirksamen Verlagerungen von transnationalen Großunternehmen[2]. Daher ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass, laut dem aktuellen Eurobarometer der EU-Kommission, 84 Prozent der befragten Deutschen Angst vor einer Verlagerung von Arbeitsplätzen in EU-Mitgliedsländer mit geringeren Lohnkosten haben (vgl. Bolzen 2006).
Ein weiteres Indiz dieser allgemeinen Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes bietet die Betrachtung des Krankenstandes in deutschen Unternehmen. Mit 3,3% wies dieser im letzten Jahr den niedrigsten Stand auf seit Einführung der Statistik (siehe auch Appendix 1)[3]. Dabei bleibt jedoch anzumerken, dass die direkten gesamtwirtschaftlichen Arbeitsmarkteffekte von Verlagerungen in Niedriglohnländer aufgrund fehlender Statistiken und unterschiedlicher Auslegungen des Begriffes Offshoring Raum für Spekulationen lassen, auf die ich in Kapitel 2 näher eingehen werde. Zudem wird davon ausgegangen, dass die Unternehmen durch Kosteneinsparungen im Ausland wettbewerbsfähiger werden und dadurch wiederum neue Arbeitsplätze im Inland schaffen können, die einen Teil der Arbeitsplatzverluste kompensieren (vgl. Berger 2005).
Eines haben Offshoring-Entscheidungen oder deren Androhung indes immer gemeinsam – sie sind konfliktbehaftet. Sie bedrohen die Existenz vieler Mitarbeiter, führen zu Demotivation, Zukunftsängsten sowie Innerer Kündigung und verursachen psychische Belastungen und Stress. Den Unternehmen drohen nicht selten Produktivitäts- und Qualitätseinbußen sowie massive Image-Verluste (vgl. Eyer/ Koch 2003: 145; Weiss/ Udris 2001: 104f.). Dadurch gerät zunehmend auch der traditionelle Arbeitsvertrag unter Druck. Eine besondere Rolle nimmt hierbei, der neben dem formal-juristischen Vertrag existierende, psychologische Vertrag, also die wechselseitigen impliziten und damit informellen Übereinkünfte zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer, ein. Die allgemeine Arbeitsmarktlage, Medienberichte über Offshoring-Entscheidungen und frühere Rationalisierungs- bzw. Personalabbaumaßnahmen im eigenen Unternehmen belasten den psychologischen Kontrakt. Dieser sicherte dem Unternehmen durch Arbeitsplatzsicherheit und Karriereperspektiven die Loyalität, die Konformität und das Commitment (Selbstverpflichtung) des Arbeitnehmers. Für das Unternehmen besteht also ein „Trade-off“ zwischen den Kosteneinsparungen des Offshoring und den oft vernachlässigten „Hidden Costs“ aufgrund motivationaler Verluste an Commitment und Engagement und damit einhergehender Innerer Kündigung (vgl. Grote 2003: 6; Weiss/ Udris 2001: 104f.).
Zur Lösung dieses „Trade-offs“ und der gleichzeitigen Entspannung von Konflikten in Offshoring-Prozessen, ist eine Neukonzipierung des psychologischen Vertrages nötig. Hierbei wird in der sozialpsychologischen Literatur verstärkt das Konzept der Arbeitsmarktfähigkeit (Employability) hervorgehoben, die anstatt der statischen Sicherheit eines bestimmten Arbeitsplatzes eine dynamische Sicherheit in Bezug auf alternative interne oder externe berufliche Laufbahnen bietet (vgl. Grote 2003: 6f.). Employability, in Form von Trainings- und Qualifizierungsmaßnahmen und der Bildung von Sozialkapital kann dabei helfen, die Kosten für Unternehmen bei Offshoring-Entscheidungen zu senken und ein neues stabiles Gleichgewicht des auf Vertrauen basierenden psychologischen Vertrages zu schaffen. Im angelsächsischen Raum hat dieses sozialpsychologische Konzept der Employability bereits im Rahmen von Outplacement-Beratungen Einzug in die unternehmerische Praxis bei Standortverlagerungen gefunden.
In Deutschland steckt Outplacement dagegen noch in den Kinderschuhen und bleibt dabei viel zu häufig lediglich auf das Topmanagement beschränkt. Im Rahmen dieser Arbeit werde ich Outplacement deshalb näher vorstellen und zeigen, wie es den Unternehmen helfen kann, die Transaktionskosten im Trennungsprozess zu senken. Gleichzeitig kann Outplacement dabei, helfen eine sozial gerechtere Lösung für die Mitarbeiter zu finden. Dies erfordert ein Umdenken heutiger Belegschaften, die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen und die Einsicht, dass eine lebenslange Beschäftigung nicht mehr garantiert werden kann. Offshoring sollte dabei nicht als Gefahr sondern eher als Chance angesehen werden, den Prozess des anhaltenden Strukturwandelns zu meistern.
1.1 Zielsetzung, Aufbau und Abgrenzung des Themas
Obwohl der Begriff Offshoring in den letzten Jahren auch zunehmend in die betriebswirtschaftliche Forschung Einzug gehalten hat, existiert bisher keine allgemein gültige Definition. Kapitel 2 wird sich daher zuerst, ausgiebig mit dem Phänomen Offshoring auseinander setzen, es definieren und von den synonym verwendeten Begriffen wie dem Outsourcing abgrenzen. Ferner werde ich im Abschnitt 2.2 auf den Zusammenhang von Offshoring und ausländischen Direktinvestitionen (Foreign-Direct-Investment [FDI]) eingehen. Das Ziel dieser Arbeit wird es dabei nicht sein, die Begriffe Offshoring oder Direktinvestition aus der Sicht ökonomischer Theorien zur Internationalisierung zu betrachten. Vielmehr interessieren mich die versteckten Kosten (Hidden Costs), die durch Offshoring oder dessen Androhung verursacht werden. Mit dem Untertitel „Interne Standortkonkurrenz multinationaler Unternehmen“ möchte ich darauf hinweisen, dass die Auswirkungen von Offshoring auf die Mitarbeiter insbesondere in international agierenden Konzernen und ihren weit verzweigten Tochtergesellschaften von Bedeutung sind. Dabei spielt im Rahmen dieser Arbeit nicht die direkte Konkurrenz der Standorte eine Rolle, wie der Untertitel vielleicht vermuten lässt, sondern die Auswirkungen auf gekündigte und verbleibende Mitarbeiter, die sich als Resultat der unternehmensinternen Standortkonkurrenz im Rahmen von Offshoring ergeben. Zu untersuchen gilt es, wie sich Offshoring auf die Gestaltung von Arbeitsverträgen, insbesondere den psychologischen Vertrag und die erlebte Fairness im Trennungsprozess auswirkt.
Dazu werde ich mich der Transaktionskostentheorie, eines der Hauptansätze der Neuen Institutionenökonomie (NIÖ), bedienen und die Transaktionskosten beim Personalabbau in Kapitel 3 näher beleuchten. Neben einer Einordnung und Einführung der Transaktionskosten werde ich auch die Arbeitsbeziehung als ein Nexus von Verträgen darstellen und verschiedene Freisetzungsinstrumente aus transaktionskostentheoretischer Perspektive betrachten. Kapitel 4 wird näher auf die in der Einleitung beschriebene Veränderung des psychologischen Vertrages und deren Auswirkungen auf das traditionelle Beschäftigungsverhältnis eingehen. Im 5. Kapitel werden die Auswirkungen von Personalabbaumaßnahmen auf die Mitarbeiter und deren Reaktionsmuster dargestellt. Ich werde zeigen, dass diesen aufgrund der Survivor-Problematik (Verbleibenden-Problematik) vor allem in multinationalen Unternehmen eine besondere Bedeutung zukommt. Außerdem werde ich in diesem Kapitel auf das Phänomen der inneren Kündigung eingehen.
Im 6. Kapitel beschäftige ich mich mit den Lösungsmöglichkeiten zur Wiederherstellung des Gleichgewichts im psychologischen Vertrag. Ich werde aufzeigen, wie die Outplacement-Beratung in die gesellschaftspolitische Forderung nach lebenslangem Lernen zur Sicherstellung der Arbeitsmarktfähigkeit (Employability) integriert werden kann und dadurch neben einem sozial gerechteren Offshoring auch zu einer Reduzierung der „Hidden Costs“ für Unternehmen führt. Das Kapitel 7 fasst die Ergebnisse zusammen und geht kurz auf weiteren Forschungsbedarf ein.
1.2 Kurze begriffliche Definitionen
Multinationale Unternehmen
Unter multinationalen Unternehmen (MNU) verstehe ich in dieser Arbeit Konzerne, die mindestens ein ausländisches Tochterunternehmen kontrollieren und somit an mehreren Standorten produzieren.
Standortkonkurrenz
Unter Standortkonkurrenz wird der Wettbewerb unter den Produktionsstandorten eines multinationalen Unternehmens um Erst- und Folgeinvestitionen verstanden. Der Konkurrenzdruck ergibt sich dabei insbesondere aufgrund der internationalen Arbeitsteilung und der Möglichkeit von MNU einzelne Abteilungen bzw. komplette Belegschaften an andere Standorte zu transferieren.
Outplacement
Outplacement stellt eine Beratungsleistung, nach dem Motto Hilfe zur Selbsthilfe, dar, die den gekündigten Mitarbeitern bei der emotionalen Aufarbeitung der Entlassung, der beruflichen Neuorientierung und Qualifikation sowie der Vermittlung in eine neue Beschäftigung helfen soll.
Employability
Die Employability bzw. Arbeitsmarktfähigkeit zielt auf die Eigenverantwortlichkeit für die Sicherung der individuellen Arbeitsmarktfähigkeit in einer sich ständig ändernden Gesellschaft ab und geht daher einher mit der Forderung nach lebenslangem Lernen.
Innere Kündigung
Die innere Kündigung beschreibt im Zusammenhang mit dieser Arbeit eine kognitive Reaktion auf den Verlust des Arbeitsplatzes bzw. den Verlust der Arbeitsplatzsicherheit, mit der die Mitarbeiter versuchen, auf eine als unrecht empfundene Situation zu reagieren. Solch eine Situation stellt z. B. die durch Offshoring hervorgerufene Verletzung des auf Arbeitsplatzsicherheit beruhenden psychologischen Vertrages dar.
2. Offshoring
Da der Begriff Offshoring nicht eindeutig wissenschaftlich definiert ist, variiert die Verwendungsweise des Begriffes sehr stark (vgl. Boes/ Schwemmle 2005: 9). Bevor ich mich daher näher mit den Auswirkungen des Phänomens auf die Mitarbeiter befassen kann, bedarf es einer Definition und Abgrenzung dieses kontrovers diskutierten Begriffes.
2.1 Offshoring – Abgrenzung und Definition
Allgemein bezeichnet Offshoring die teilweise oder komplette Verlagerung eines oder mehrerer funktionaler Bestandteile eines inländischen Unternehmensstandortes an ein konzerninternes Tochterunternehmen im Ausland, wodurch im Inland Arbeitsplätze verloren gehen.
Ursprünglich bezeichnete der Wortstamm „Offshore“ Hochseeinseln, die außerhalb der Hoheitsgewässer eines Landes lagen[4]. In der Finanzökonomie werden daher auch die mit niedrigen Steuersätzen lockenden Steueroasen als Offshore-Zentren charakterisiert (vgl. Schaaf 2004: 3). Eine wirtschaftliche Bedeutung erhielt der Begriff in den siebziger und achtziger Jahren als US-amerikanische Unternehmen damit begannen, einfache Datenerfassungsdienste auf in der Nähe liegende karibische Inseln zu verlagern, die fortan als Offshore-Regionen bezeichnet wurden (vgl. Boes/ Schwemmle 2004: 17; 2005: 9). Im Laufe der letzten Jahre wurde der Begriff dann auf alle Länder ausgeweitet, die gegenüber dem verlagernden Land einen komparativen Vorteil in Bezug auf die Lohnkosten haben. Wie bereits in der Einleitung erwähnt wurde, ist dieser Niedriglohnaspekt in der heutigen Offshoring-Debatte nicht mehr der alleinige Bestimmungsfaktor. Vor allem bei der Verlagerung von wissensintensiven Prozessen spielt zunehmend auch der Mangel an Fachkräften eine entscheidende Rolle. Ein ausschlaggebendes Merkmal von Offshoring bleibt hierbei, dass Leistungen die ehemals im Inland erstellt wurden, fortan im Ausland erbracht werden.
Darüber hinaus wird Offshoring häufig als eine spezifische Form von Outsourcing verstanden, was zu einer Doppeldeutigkeit des Begriffes führt.„Outsourcing ist ein Kunstwort aus Outside, Resource und Using, das ganz allgemein die langfristige bzw. endgültige Vergabe von Leistungen an externe Anbieter beschreibt, die bisher selbst erstellt wurden“ (Allweyer et al. 2004: 3). Das wesentliche Merkmal dieser Einteilung ist die Fremdvergabe an einen Dritten. Erfolgt diese Fremdvergabe an einen Outsourcing-Anbieter im Ausland, spricht man auch vom Offshore-Outsourcing. Im Gegensatz dazu verbleibt beim Onshore-Outsourcing die Erstellung der Leistung im Inland. Zwei klassische Beispiele für diese Form der Fremdvergabe, bei der die Leistungserstellung ortsgebunden bleibt, sind die Auslagerung von Betriebskantinen und Reinigungsaktivitäten an spezielle Dienstleistungsunternehmen. Outsourcing zielt also darauf ab, die Kosten durch eine Reduktion der Leistungstiefe zu senken und sich auf die Kernkompetenzen des Unternehmens zu konzentrieren.
Beim Offshoring im Sinne dieser Arbeit, erfolgt die Kostensenkung primär durch die unternehmensinterne Verlagerung. Der entscheidende Unterschied besteht in der Eigenerstellung der Leistung durch konzerninterne Tochterunternehmen im Ausland. Deshalb wird diese spezielle Form der Leistungserstellung häufig auch als Internal- oder Captive-Offshoring[5] bezeichnet. Eine weitere Unterscheidung findet man bezüglich der geographischen Distanz von Offshore-Regionen. Findet die Verlagerung ins nahe liegende Ausland statt, spricht man von Nearshoring. Im Gegensatz dazu wird es Farshoring genannt, wenn die Verlagerung in Tochterunternehmen auf einen anderen Kontinent stattfindet. Aus der Sicht Deutschlands beispielsweise stellt eine Verlagerung nach Osteuropa Nearshoring dar und eine Verlagerung zum Beispiel nach Asien dementsprechend Farshoring. Die Motive können dabei recht unterschiedlich sein. Im Kern geht es jedoch immer „(...) um die Internationali sie rung der Produktions kapazitäten und um die Nutzung der Ressourcen des Weltar beits markts zur Verfolgung einer multiplen Zielstellung innerhalb einer Inter nationalisierungs strategie eines Unternehmens“ (Boes/ Schwemmle 2005: 10).
Die Abbildung 1 fasst diese Unterscheidungsmerkmale noch einmal graphisch zusammen. Neben dem Kriterium Distanz, wird darin ein weiteres Unterscheidungskriterium in die bekannte 4-Felder Matrix eingeführt (vgl. Schaaf 2004: 3). Demnach kann Offshoring auch nach dem Wirtschaftssektor in Production-Offshoring[6] (Industrieller Sektor) und Services-Offshoring (Dienstleistungssektor) unterschieden werden. Aktuelle Studien von verschiedenen Unternehmensberatungen und Forschungsinstituten beziehen sich beim Thema Offshoring lediglich auf die Dienstleistungskomponente des Offshorings, da sie das eigentlich Neue an den aktuell geführten Diskussionen ist. Verschiedene Autoren greifen dieses Begriffsverständnis von Offshoring auf und definieren es lediglich als die „(...) Auslagerung von Dienstleistungs-Funktionen und ‑Prozessen in Länder mit geringerem Lohnniveau“ (Campenhausen 2005: 6; vgl. auch Klingebiel 2005: 638 und Clement/ Natrop 2004: 519).
Abbildung 1: Offshoring-Typen in einer 4x2x2 Matrix
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung (Modifizierte 4 Felder-Matrix von Schaaf 2004:3)
Da es aber für die Auswirkungen von Offshoring auf Mitarbeiter als Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit zunächst sekundär erscheint, ob es sich um Arbeitsplätze des Dienstleistungsgewerbes (White-Collar-Jobs) oder der industriellen Fertigung (Blue-Collar-Jobs) handelt, wird das Kriterium Sektor als viertes Unterscheidungskriterium des Offshorings eingeführt. Damit schließen ich mich der Ansicht von Legge und Wensley (2005: 673) an, die Offshoring wie folgt definieren: „(...) Offshoring, the practice of transferring employment to lower cost countries, has developed as a significant feature of both the manufacturing and service sectors“. Die Unterscheidung in White-Collar-Jobs und Blue-Collar-Jobs in Bezug auf die beiden Sektoren des Offshorings, findet sich auch in Arbeiten von Bardhan und Kroll (2003: 11) und Kroll (2005: 4) wieder. Insgesamt hilft die Unterscheidung in vier Kriterien, den Begriff Offshoring detaillierter zu beschreiben, und könnte damit helfen, Licht in die kontrovers geführte Debatte zum Thema Offshoring zu bringen.
2.2 Der Zusammenhang zwischen Offshoring und FDI
Nachdem im vorherigen Abschnitt die verschieden Facetten des Offshorings strukturiert worden sind, soll in diesem Abschnitt auf den Zusammenhang von Offshoring und ausländischen Direktinvestitionen (Foreign-Direct-Investment [FDI]) eingegangen werden und deren unterschiedliche Auswirkungen auf die inländische Beschäftigung dargestellt werden. Unter FDI wird eine langfristige finanzielle Beteiligung eines Investors (direct investor) an einem ausländischen Unternehmen (direct investment enterprise) verstanden, mit Ziel einen signifikanten Einfluss auf die Unternehmenspolitik dieses Unternehmens zu erhalten (vgl. IMF 1993: 86; OECD 1996: 7f.). Internationale Grundlagen für die Erfassung von FDI und der gleichzeitigen Abgrenzung zu einer reinen Portfolioinvestitionen, bilden das Zahlungsbilanzhandbuch (Balance of Payments Manual) des Internationalen Währungsfonds (IWF = International Monetary Fund – IMF) und das sogenannte „Benchmark“ der OECD (Organisation for Economic Cooperation and Development). Demnach kann von einem langfristigen Engagement ausgegangen werden, wenn die Investition mindestens 10 Prozent des stimmberechtigten Kapitals ausmacht (vgl. IMF 1993: 86f.; OECD 1996: 6). Dieser Schwellenwert von 10% bildet seit dem Jahr 1999[7] auch die Grundlage der deutschen Direktinvestitionsstatistik (vgl. Sachverständigenrat 2004: 365). Die Abbildung 2 gibt einen Überblick über die Entwicklung der deutschen Direktinvestitionsbestände im Ausland. Diese sind in den letzten zwanzig Jahren von ca. 60 Milliarden US-Dollar auf über 800 Milliarden angestiegen.
Abbildung 2: Deutsche Direktinvestitonsbestände im Ausland
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung (vgl. UNCTAD 2005/ 2004).
2.2.1 Direktinvestitionsmotive und Arbeitsmarkteffekte
In der wissenschaftlichen Literatur wird davon ausgegangen, dass Direktinvestitionen grundsätzlich vier verschiedene Motivstrukturen haben können:
- Beschaffungsorientierte Direktinvestitionen (Resource-seeking),
- Absatzorientierte Direktinvestitionen (Market-seeking),
- Effizienzorientierte Direktinvestitionen (Efficiency-seeking) und
- Strategischorientierte Direktinvestitionen (Strategic-asset-seeking).
Neben dieser auf Dunning (1992: 56ff.) zurückgehenden Klassifizierung von FDI-Motiven finden sich in der Literatur noch weitere Einteilungen, die sich aber im Wesentlichen kaum von der obigen Unterteilung unterscheiden (vgl. Henneberger/ Graf 1997: 231f.; Koopmann/ Franzmeyer 2003: 19f.; Kutschker/ Schmid 2005: 83ff.)
Die beschaffungsorientierte Direktinvestition[8] stellt das klassische Investitionsmotiv multinationaler Unternehmen dar. Durch die Erschließung von Rohstoffen und (Vor‑) Produkten/ Leistungen wird eine inländische Produktion häufig erst ermöglicht. Der Beschäftigungseffekt dieses Motivs kann dadurch sowohl komplementär als auch neutral sein (vgl. Henneberger 1999: 45; Koopmann/ Franzmeyer 2003: 19).
Die komplementären (positiven) Effekte ergeben sich durch Förderung der „(...) wirtschaftliche[n] Aktivität im Inland, was sich in einer Zunahme der Exporte, der Veredelungsarbeiten und der Forschung und Entwicklung, aber auch in einem Anstieg etwa von Führungs- und Koordinationsaufgaben an den Firmenhauptsitzen zeigen kann“ (vgl. Credit Suisse 2005: 3f). Im Gegensatz dazu hat die Direktinvestition einen substitutiven (negativen) Beschäftigungseffekt, wenn sie zu einer Produktionsverlagerung bisher inländisch erstellter Produkte oder Leistungen führt (vgl. ebd.: 4). Ergänzend zu diesen beiden Effekten können außerdem neutrale Effekten für die inländische Beschäftigung auftreten.
Zurückkommend auf die vier verschiedenen Motive von Auslandsinvestitionen lässt sich sagen, dass die beschaffungsorientierte Strategie sicherlich weiterhin Bedeutung findet, aber längst nicht mehr als die dominante Strategie angesehen werden kann. Die Betrachtung der restlichen drei Investitionsstrategien der obigen Einteilung, wird im Folgenden außerdem im Hinblick auf ihren horizontalen bzw. vertikalen Investitionscharakter dargestellt. Einerseits verfolgen Unternehmen mit Hilfe von horizontalen Direktinvestitionen das Ziel, neue Märkte zu erschließen. Anderseits werden mit Hilfe von vertikalen Direktinvestitionen einzelne Teile der Wertschöpfungskette zur Realisierung von Kostenvorteilen ins Ausland verlagert (vgl. Sachverständigenrat 2004: 367).
2.2.1.1 Horizontale Direktinvestitionen
Horizontale Direktinvestitionen sind dadurch gekennzeichnet, „(...) dass das Unternehmen im In- und Ausland identische oder in ihren grundsätzlichen funktionellen Merkmalen ähnliche Güter derselben Produktionsstufe mit gleichem oder ähnlichen Faktoreinsatz produziert“ (Deuster 1996: 13). Diese Art von Direktinvestitionen dient hauptsächlich der Marktsicherung, -erschließung und -erweiterung und wird daher auch als „Market-seeking FDI“ bezeichnet (vgl. Nunnenkamp 2006: 3; UNCTAD 1998: 91; Henneberger/ Graf 1997: 232). Erfolgt der Aufbau einer Tochtergesellschaft aus absatzorientierten Motiven, kann man davon ausgehen, dass dies neutrale Auswirkungen auf die einheimische Beschäftigung hat. Darüber hinaus kann es sogar zu positiven Effekten auf dem heimischen Arbeitsmarkt kommen. Auslandsinvestitionen führen nicht selten zu „(...) vermehrten Zulieferungen von der Mutter- an die Tochtergesellschaft (...)“, und auch „(...) die für die Investition benötigten Ausrüstungsgüter (...)“ kommen häufig aus dem Stammland der Muttergesellschaft, so dass durch eine Zunahme von Exporten ein positiver Beschäftigungseffekt entsteht (Henneberger/ Graf 1997: 232).
Ein direkter Zusammenhang mit der genannten Definition von Offshoring ist auf den ersten Blick nicht erkennbar. Aber gerade die horizontalen Direktinvestitionen bilden die Grundlage für ein späteres „Concession-bargaining“ um Folgeinvestition und Kosteneinsparungen im Rahmen eines konzerninternen Standortwettbewerbs. „Auch Verlagerungen, die anfangs der Ausweitung der Aktivitäten dienten und nicht unmittelbar arbeitsplatz-gefährdend erschienen, können sich schleichend zu Reduktionsinstrumenten entwickeln. Dies ist der Fall, wenn Offshoring oder Nearshoring sich eingespielt haben, und der Personalbedarf zurückgeht: viele Unternehmen reduzieren in Krisenzeiten nicht die externen Kapazitäten, sondern das Personal am Heimatstandort“ (Hirschfeld 2004: 16).
2.2.1.2 Vertikale Direktinvestitionen
Vertikale Direktinvestitionen dienen Unternehmen zum einen zur Aufspaltung von Wertschöpfungsketten, um sie im Rahmen der internationalen Arbeitsteilung in Länder mit Kostenvorteilen zu verlagern (effizientorientierte FDI - Efficiency-seeking). Zum anderen können sie als Zugang zu Wissensquellen im jeweiligen Anlageland (strategischorientierte FDI - Strategic-asset-seeking) dienen. Diesen beiden, auch als Netzwerkstrategien bezeichneten Formen von FDI, kommt seit Beginn der neunziger Jahre eine wachsende Bedeutung zu (vgl. Jungnickel/ Keller 2003: 670; Koopmann/ Franzmeyer 2003: 19).
Die effizienzorientierte FDI stellen dabei die klassische Produktionsverlagerung dar, weswegen ihnen auch ein subsitutives Verhältnis zur inländischen Beschäftigung unterstellt wird. Primäres Ziel ist die Realisierung von Größenvorteilen (Economies of Scale) und Verbundeffekten (Economies of Scope) (vgl. Dunning 1992: 59; Kutschker/ Schmid 2005: 85). Durch die Ausnutzung von niedrigeren Kosten für die Ressourcen Arbeit und Boden sowie von Transport-, Steuer- und Wechselkursvorteilen, sollen Effizienzsteigerungen erzielt werden.
Die strategisch orientierten FDI haben dagegen langfristige strategische Ziele, um vom Zugang zu vorhandenem ausländischen Wissen und Know-how zu profitieren (vgl. Jungnickel/ Keller 2003: 671; Schief 2003: 137). Diese Form von FDI äußert sich in der Auslagerung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten (FuE-Aktivitäten). Häufig nutzen multinationale Unternehmen (MNU) dazu Kooperationen mit lokalen Hochschulen und Forschungseinrichtungen, um das lokal gebundene Wissen besser zu nutzen. Dadurch entstehen Kompetenzzentren („innovative Cluster“)[9], die wiederum anderen MNU als Anreiz dienen, ebenfalls eine Tochtergesellschaft als Horchposten in dem jeweiligen Land zu gründen (vgl. Kutschker/ Schmid 2005: 85). Obwohl Offshoring auch im FuE-Bereich zugenommen hat, lässt sich der Beschäftigungseffekt von strategisch orientierten FDI wiederum nicht eindeutig klären. Kurzfristig kann es zu einer Verlagerung von Arbeitsplätzen kommen. Bedenkt man in diesem Zusammenhang den zunehmenden Fachkräftemangel in Deutschland, können FuE-Aktivitäten im Ausland auch zur Sicherung einheimischer Arbeitsplätze beitragen. Wird nämlich das neu gewonnene Wissen an die Muttergesellschaft transferiert, können neue, wettbewerbsfähigere Produkte und somit auch Arbeitsplätze im Stammland entstehen.
2.2.2 Offshoring, FDI und Interessenkonflikte in MNU
Laut dem aktuellen World Investment Report (WIR) der UNCTAD (United Nations Conference on Trade and Development) existieren derzeit weltweit 70.000 MNU mit 690.000 ausländischen Tochtergesellschaften (vgl. UNCTAD 2005: 19). Wie bereits einleitend erwähnt, kommt dem Offshoring insbesondere in diesen multinationalen Unternehmen eine große Bedeutung zu. MNU können „(...) alleine durch Androhung einer Produktionsverlagerung mit der daraus resultierenden Gefahr eines Arbeitsplatzabbaus versuchen (...)“ (Henneberger/ Kaiser 2000: 42), entsprechende Lohn- oder Arbeitszeitzugeständnisse seitens der Arbeitnehmer zu erreichen. Im Rahmen des konzerninternen Wettbewerbs werden dadurch Zugeständnisse eingefordert, die sowohl bei der einheimischen als auch bei der ausländischen Belegschaft zu Nachteilen führen können (vgl. Sesselmeier 1990: 133). Dadurch wird eine nach unten gerichtete Wettbewerbsspirale in Gang gesetzt, die in der Literatur auch als „race to the bottom“ oder „downward wage adjustments“ bezeichnet wird (vgl. Commander et al. 2006: 4; Flecker 2000: 57f.; Henneberger/ Kaiser 2000: 43). Die Abbildung 4 gibt einen Überblick über die potentiell auftretenden Interessenkonflikte zwischen den betroffenen Belegschaften eines konzerninternen Wettbewerbs.
Abbildung 3: Interessenkonflikte in multinationalen Unternehmen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(1) Transferverluste: Diese schärfste Form der internationalen Standortkonkurrenz führt zu einer unmittelbaren Verlagerung deutscher Arbeitsplätze ins Ausland.
(2) Potentialverluste: Arbeitsplätze, die auch in Deutschland hätten entstehen können, werden im Ausland geschaffen.
(3) Schrumpfungsverluste: Arbeitsplätze, die auch im Ausland hätten wegfallen können, werden in Deutschland eingespart.
Quelle: In Anlehnung an Heinrich/ Richter 2001: 196.
Offshoring in seiner schärfsten Form, also die unmittelbare Verlagerung deutscher Arbeitsplätze ins Ausland, wird im Rahmen der Standortkonkurrenz in MNU als Transferverluste bezeichnet, welche wiederum eindeutig den Efficiency-seeking FDI zugeordnet werden können. Unter Potentialverlusten wird die Schaffung von Arbeitsplätzen im Ausland verstanden, die auch im Stammland des Unternehmens hätten entstehen können. Dazu zählen vor allem Jobs im FuE-Bereich, welche aufgrund mangelnder Potentiale im Inland, bedingt durch einen Mangel an Fachkräften, im Ausland geschaffen werden. Somit können die Potentialverluste den Strategic-asset-seeking FDI zugeordnet werden. Der Zusammenhang von Market-seeking FDI und Schrumpfungsverlusten erklärt sich aus der bereits beschriebenen Tatsache, dass Unternehmen in Krisenzeiten eher Arbeitsplätze im Inland reduzieren als in ihren Tochtergesellschaften. „Aus der Sicht der ausländischen Belegschaften ergibt sich eine identische Konfliktlage mit umgekehrten Vorzeichen“ (Heinrich/ Richter 2001: 197).
Abschließend lässt sich sagen, dass sowohl die Einordnung der FDI-Motive als auch die verschiedenen Konfliktpotentiale keine eindeutige Trennschärfe besitzen. Vielmehr kommt es in der Praxis häufig zu Überschneidungen von verschiedenen Motiven, so dass ebenfalls die unterschiedlichen Konflikte zwischen den Belegschaften simultan auftreten können. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn mehrere funktionale Einheiten eines Standortes von Offshoring betroffen sind.
2.3 Kostenvorteile und Hidden Costs des Offshorings
In einer zunehmenden Shareholder-Value-orientierten Unternehmenswelt stellen die kurzfristig realisierbaren Kostenvorteile durch eine Standortverlagerung in Niedriglohnländern das Hauptmotiv der aktuellen Offshoring-Diskussion dar. In einer Studie von Roland Berger Strategy Consultants und der UNCTAD gaben 70% der befragten Dienstleistungsunternehmen an, Arbeitsplätze aufgrund von Lohnkostensenkungsmotiven zu verlagern. Weitere 59% gaben an, auch weitere Kosten senken zu wollen, wobei die durch Service-Offshoring erzielten Einsparungen mit durchschnittlich 30% beziffert werden. Obwohl man in den letzten Jahren einen leichten Rückgang des Motivs der Senkung von Personalkosten feststellen konnte, bleibt es das Hauptmotiv des Offshoring, sowohl im Service- als auch im Produktionssektor.
Die Abbildung 4 gibt einen Überblick über die realisierbaren Kostenvorteile (Gesamtkosten) je Transaktion im Vergleich zu einer unternehmensinternen Restrukturierung und den beiden vorgestellten Formen des Outsourcing. Den Ausgangspunkt bilden die aktuellen Kosten des Unternehmens. Diese stellen aber insbesondere bei einem Vergleich gegenüber einem möglichen leistungsfähigeren Outsourcing-Partner nicht die bestgeeignete Kostenposition dar. Deshalb werden die mit einer Auslagerung unmittelbar verbundenen realen Kostenvorteile nach einer möglichen innerbetrieblichen Umstrukturierung und Prozessoptimierung zugrunde gelegt (vgl. Klingebiel 2005: 641). Diese stellen die maximal erreichbaren internen Kosteneinsparungen dar, welche nur durch Outsourcing oder Offshoring weiter gesenkt werden könnten. Die zweite Kostenkurve ergibt sich somit aufgrund von Spezialisierungseffekten und Economies of Scale (Skalenerträgen) eines inländischen Outsourcing Anbieters (Onshore-Outsourcing) gegenüber dem umstrukturierten Unternehmen. Weitere Einsparungseffekte ergeben sich bei einem Outsourcing-Anbieter, mit Produktionskapazitäten in einem Niedriglohnland (Offshore Outsourcing). Dieser verfügt gegenüber dem Onshore-Anbieter über niedrigere Personalkosten und häufig auch über eine geringere Steuerlast. Sowohl beim Onshore als auch beim Offshore Outsourcing wird davon ausgegangen, dass die Einsparungsvorteile nicht durch Transferkosten, Qualitätsunterschiede oder Änderungen in der Flexibilität eingebüßt werden.
Abbildung 4: Kostenvorteile durch Offshoring
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Modifizierte Darstellung nach Alvarez et al. 2003: 5/ Klingebiel 2005: 640.
Die vierte Kostenkurve gibt schließlich die erzielbaren Kostenvorteile beim (Captive-) Offshoring wieder. Diese ergeben sich durch den Wegfall der Gewinnmargen des Outsourcing-Anbieters und einer Reduktion der höheren Transaktionskosten eines externen Anbieters gegenüber denen einer internen Tochtergesellschaft.
Legt man die obige Einteilung zugrunde, ergibt sich ein theoretisches Einsparpotential von 20 bis 60%. Wie anhand des Beispiels der Studie von Roland Berger Strategy Consultants und UNCTAD gezeigt wurde, ergeben sich in der Praxis eher geringere Einspareffekte. Insbesondere bei einer kurzfristigen Betrachtung werden die beabsichtigten Einsparungen durch negative Folgewirkungen absorbiert (vgl. Andrzejewski/ Hofmann 2002: 22). Den theoretisch erzielbaren Kostenvorteilen sind daher „(...) mögliche – oft intransparente – Kostennachteile (sog. Hidden Costs) im Sinne von Kostensteigerungen bei einzelnen Kostenarten bzw. zusätzlich mit dem Offshoring-Projekt gesondert anfallende Kostenpositionen gegenüberzustellen“ (Klingebiel 2005: 641). Diese durch Offshoring verursachten direkten und indirekten Folgekosten werden aber häufig nicht betrachtet. Dabei können diese Hidden Costs insbesondere in multinationalen Unternehmen ein Vielfaches der wahrgenommenen und kalkulierbaren Kosten für Abfindungen, Kündigungsschutzklagen und Sozialpläne ausmachen. Während diese Kosten eher kurz- bis mittelfristig auftreten und sich meistens bereits nach zwei bis drei Jahren amortisieren, werden die immaterielle Folgekosten oftmals erst langfristig ersichtlich (vgl. Andrzejewski/ Hofmann 2002: 22). Dazu zählen neben dem Absinken des Betriebsklimas und der Arbeitszufriedenheit sowie Kosten für Loyalitäts- und Vertrauensverluste unter den Mitarbeitern, auch Kosten für die Negativwerbung von Gekündigten und daraus resultierenden Imageverlusten bei den Kunden. Dies sind nur einige Beispiele für potentiell auftretende Hidden Costs. Die Abbildung 5 fasst weitere dieser versteckten Kosten zusammen, die sich nach Andrzejewski (2003) graphisch als ein Eisberg-Modell[10] darstellen lassen.
Die besondere Bedeutung der Hidden Costs in multinationalen Unternehmen ergibt sich aufgrund der einleitend besprochenen Survivor-Problematik, auf die in Kapitel 5.1 näher eingegangen wird. Als Survivors werden die verbleibenden Mitarbeiter eines Personalabbaus bezeichnet. Demnach führt die erlebte Fairness und sowie die Informations- und Kommunikationspolitik im Trennungsprozess nicht nur zu Folgekosten bei den Gekündigten, sondern gilt auch als ein „(...) zentraler Gradmesser für die Integrität und die Glaubwürdigkeit der Unternehmensführung (...)“ bei den im Unternehmen verbleibenden Mitarbeitern (Survivors) (Andrzejewski 2003: 4). Das Verhalten der Unternehmensführung in Trennungsprozessen und bei Investitionsentscheidungen zwischen Tochtergesellschaften hat dabei entscheidende Auswirkungen auf die Ausgestaltung psychologischer Verträge zwischen den Mitarbeitern und dem Unternehmen (vgl. Kapitel 4).
Abbildung 5: Eisberg-Modell der Hidden Costs
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: In Anlehnung an Andrzejewski 2003: 4/ Andrzejewski et al. 2002: 22.
Die im Eisberg-Modell graphische dargestellten Kostenfaktoren lassen sich in vier Gruppen einteilen: (1) Direkte Kosten, (2) Indirekte Kosten, (3) Ungeplante Folgekosten und (4) Versteckte Kosten (vgl. Andrzejewski/ Hofmann 2002: 22ff.). Als direkte oder wahrgenommene Kosten gelten Kosten für Sozialpläne, die Aushandlung von Aufhebungsverträgen, Abfindungen und die entsprechenden Kosten für Arbeitsgerichtsprozesse. Die Höhe dieser mit der Trennung direkt verbundenen Kosten gilt zwar als unbeeinflussbar, ließe sich aber durch die Entwicklung einer fairen konzernweiten Trennungskultur erheblich reduzieren. Welche immensen Zusatzkosten sich durch Offshoring ergeben können, zeigt wiederum das Beispiel AEG. Das Mutterunternehmen Electrolux ging anfangs von Sozialplankosten in Höhe von 115 Millionen Euro für Abfindungen, Frühpensionierungen und Qualifizierungsmaßnahmen aus. Nach einem fünfwöchigen Streik und Arbeitskampf der Mitarbeiter einigte sich das Unternehmen auf Kosten, die mit rund 240 Millionen Euro mehr als doppelt so hoch liegen als das ursprüngliche Angebot (vgl. Spiegel Online 2006d). Nicht mitgerechnet sind die Kosten aufgrund des Reputationsverlustes in der Öffentlichkeit und des Vertrauensverlustes der verbleibenden Mitarbeiter in den Electrolux Tochtergesellschaften, deren Mitarbeiter Busweise zu Solidaritätsbekundungen und zum Versuch der Rettung des AEG-Standortes nach Nürnberg gebracht wurden. Diese Kosten zählen zu den versteckten Kosten und treten eher langfristig auf. Weitere versteckte Kosten im Trennungsprozess sind Kosten der Demotivation, das entstehen von Gerüchteküchen und damit ein Absinken des Arbeitsklimas, Imageverluste und damit einhergehende Verluste an Kundentreue sowie Kosten aufgrund eines Investitionsstaus, da Mitarbeiter aus Angst vor dem Verlust ihrer Arbeitsplatzes weniger Risiko eingehen (vgl. Andrzejewski/ Hofmann 2002: 23).
Zu den indirekten Kosten werden vor allem Sitzungszeiten des Managements zur Schadensbegrenzung oder für Verhandlungen mit Anwälten und dem Arbeitsgericht gezählt. Ebenso zählen dazu Kosten, die durch unproduktive Zeiten von Mitarbeitern entstehen, indem diese ihre sozialen Kontakte zum Austausch über den drohenden Arbeitsplatzverlust nutzen, oder Zeiten, die Vorgesetzte für die Beschwichtigung von Mitarbeitern aufwenden müssen. Die letzte Kostengruppe wird durch die ungeplanten Folgekosten gebildet, wobei Fluktuationseffekte und der damit verbundenen Verlust an Know-how und implizitem Wissen von Bedeutung sind. Insbesondere Leistungsträger verlassen in Krisenzeiten das Unternehmen zuerst, auch wenn deren Stellen nicht direkt von einer Verlagerung betroffen waren. Dadurch entstehen Zusatzkosten für die Wiederbesetzung der betroffenen Stellen. Äußert kritisch wirken sich die Fluktuationseffekte dabei aus, wenn die Abwanderung eines Leistungsträgers, weitere Mitarbeiter zur freiwilligen Abwanderung bewegt (Schnellballeffekt) oder wenn abwandernde Mitarbeiter weitere Kollegen für ihr neues Unternehmen abwerben (López-Effekt) (vgl. ebd.: 23).
Das zentrale Ziel von Unternehmen sollte es also sein, den Trennungsprozess fairer, sozial gerechterer und transparenter zu gestalten. Dadurch könnte der „Wasserspiegel um den Eisberg“ gesenkt werden, was eine Vielzahl von Hidden Costs vermeiden würde.
3. Theoretische Herangehensweise
Den Ausgangspunkt für die folgenden theoretischen Betrachtungen der Auswirkungen von Offshoring-Entscheidungen auf die Mitarbeiter in multinationalen Unternehmen bildet die „Neue Institutionenökonomik“ (NIÖ). Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind die folgenden drei Erklärungsansätze der NIÖ von Bedeutung: der Prinzipal-Agent-Ansatz, der Property-Rights-Ansatz (Verfügungsrechtsansatz) und die Transaktionskostentheorie.
Die Kernsaussage der NIÖ besteht nach Richter und Furubotn (2003: 1) darin, „(…) dass Institutionen für den Wirtschaftsprozess von Bedeutung sind“. Als Institutionen werden hierbei Gesetze, Regeln, Normen und Vorkehrungen angesehen, die das Verhalten einer Gesellschaft beeinflussen und koordinieren können und dabei sowohl formellen als auch informellen Charakter aufweisen (vgl. Langerfeldt 2003: 55). Die Institutionen dienen also dazu, das vertragliche Verhalten von opportunistisch handelnden Individuen zu steuern (vgl. Eigler 1996: 28). Neben der Eigennutzoptimierung (Opportunismus) der Individuen bildet außerdem die Tatsache, dass die Informationsbeschaffung unvollkommen und nicht kostenlos ist, die Grundannahmen der NIÖ. Dadurch entstehen Informationsasymmetrien und Unsicherheiten unter den Transaktionspartner, die durch opportunistisches Verhalten noch verstärkt werden. Diese Prämissen bilden auch die Grundlage der Transaktionskostenökonomie, auf die, die Ausführungen im Folgenden beschränkt werden.
3.1 Transaktionskostenansatz
„Mit Hilfe der Transaktionskostentheorie können alle Probleme untersucht werden, die sich auf der Grundlage von Verträgen ergeben (Selke 1999: 21)“. Der Ursprung der Transaktionskostentheorie geht im Wesentlichen auf Coase und seinen vielzitierten Beitrag „The Nature of the Firm“ aus dem Jahr 1937 zurück (vgl. Eigler 1996: 33; Kreikebaum et al. 2002: 28). Darauf aufbauend entwickelte Williamson die auf Coase basierende Theorie der Unternehmung fort und konzipierte seinen „Organizational failures framework“ als grundlegenden Analyserahmen der Transaktionskostentheorie (siehe Abbildung 6). Dieser auch als Markt-Hierachie-Paradigma bezeichnete Framework, basiert im Wesentlichen auf einer paarweisen Gegenüberstellung von Human factors und Environmental factors zur Systematisierung, Erklärung und Bewältigung von problematischen Transaktionen (vgl. Eigler 1996: 38; Picot/ Dietl 1990: 184; Williamson 1983: 40).
Den Humanfaktoren werden nach Williamson die begrenzte Rationalität (bounded rationality) und das opportunistische Verhaltenspotential von Menschen zugeordnet. Zwar beabsichtigt der Mensch ein rationales Verhalten, welches jedoch bei einem steigenden Umfang an Informationen aufgrund kognitiver Grenzen beschränkt wird (vgl. Eigler 1996: 39). Bei der Ausgestaltung von Verträgen können dadurch ex-ante nicht alle möglichen Umweltzustände berücksichtigt werden. Diese vertraglichen Unvollkommenheiten eröffnen schließlich die Option für opportunistisches Verhalten, indem versucht wird, die eigenen Interessen notfalls unter Missachtung von sozialen Normen und damit zum Nachteil des Vertragspartners durchzunutzen (vgl. Kreikebaum et al. 2002: 31; Picot/ Dietl 1990: 179).
Abbildung 6: Williamsons Organizational Failures Framework
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Modifizierte Darstellung nach Picot et al. 1990: 181/ Williamson 1983: 40.
Zu den Umweltfaktoren im Framework von Williamson zählen, neben der im Rahmen der begrenzten Rationalität bereits erwähnten komplexitätsbedingten Unsicherheit von Umweltbedingungen, auch die Gesamtzahl der potentiellen Transaktionspartner (vgl. Kreikebaum et al. 2002: 31). Letzteres wird in der Sprache von Williamson auch als small numbers Problem oder auch asset specifity (Faktorspezifität) bezeichnet (vgl. Eigler 1996: 40; Williamson 1983: 26ff.). So kann es im Laufe des Vertragsverhältnisses zu spezifischen Investitionen in die Beziehung, z. B. durch Erlangung von aufgabenspezifischen Wissen und Qualifikationen seitens der Mitarbeiter, kommen. Je größer dieser Spezifitätsgrad wird, desto eher kann er opportunistisch ausgenutzt werden, da gleichzeitig die Zahl der alternativen Transaktionspartner sinkt (Small-number Problem).
Ein hoher Spezifitätsgrad impliziert in diesem Zusammenhang also eine hohe Quasi-Rente (vgl. Picot/ Dietl 1990: 179). Als Quasi-Rente wird hier der Differenzbetrag, welcher zwischen der ursprünglichen und der nächstbesten Verwendungsmöglichkeit besteht, verstanden. Erlangt ein Mitarbeiter z.B. unternehmensspezifisches Wissen, ist die Quasi-Rente der Verlust der Investition in dieses Wissen, der ihm durch eine Kündigung entsteht, weil er sein spezifisches Wissen nicht vollständig für den Aufbau einer neuen Beschäftigungsbeziehung nutzen kann. Umgekehrt ergibt sich die Quasi-Rente für den Unternehmer, aus den Kosten, die ihm für das Finden und Anlernen eines neuen Mitarbeiters für diese Position entstehen. Somit entsteht ein bilaterales Abhängigkeitsverhältnis, dessen Koordinierung mit steigender Spezifität höhere Transaktionskosten verursacht.
Neben den Problemen, die sich aus der beschriebenen paarweisen Existenz von Human- und Umweltfaktoren ergeben, spielen die Informationsverkeilung, Transaktionskostenatmosphäre und deren Häufigkeit als weitere Einflussgrößen im Framework eine Rolle. Unter Informationsverkeilung versteht Williamson die Gefahr, asymmetrisch verteilte Informationen opportunistisch auszunutzen. Dies betrifft Konstellationen, in denen der Informationsvorsprung als Kombination komplexer und unsicherer Zusammenhänge, opportunistisch als transaktionsspezifisches Wissen ausgenutzt werden kann (vgl. Eigler 1996: 41; Picot/ Dietl 1990: 180). Als Beispiel von Informationsverkeilung im Zusammenhang mit dieser Arbeit mag hier das Offshoring Drohpotential von Unternehmen angemerkt sein. Aufgrund des Informationsstromes über mehrere Hierarchieebenen hinweg kommt es zu einem Informationsvorsprung der Unternehmensleitung, welcher aufgrund des komplexen und unsicheren Zusammenhangs der Drohung, opportunistisch bei Lohnverhandlungen gegenüber Mitarbeitern eingesetzt werden kann. Dabei erhöhen moderne Informations- und Kommunikationstechnologien die Informationsmöglichkeiten für Mitarbeiter, welche zusammen mit weiteren relevanten sozialen und technologischen Rahmenbedingungen unter der Transaktionskostenatmosphäre zusammengefasst werden (vgl. Picot/ Dietl 1990: 180). Der Transaktionshäufigkeit kommt dagegen nur eine untergeordnete Rolle zu, da sie kein eigenständiges Effizienzkriterium darstellt und die anderen Kriterien eher verstärkt.
3.2 Das Arbeitsverhältnis als ein Nexus von Verträgen
Den Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen bildet die Tatsache, dass Transaktionskosten als die Konsequenz ungelöster Vertragsprobleme angesehen werden (vgl. Eigler 1996: 57). Je unvollständiger ein Vertrag ist, desto höher sind die Transaktionskosten. Dies trifft insbesondere auf Arbeitsverträge zu, die aufgrund des hohen Komplexitätsgrades einer Beschäftigungsbeziehung nur als unvollständige Verträge abgeschlossen werden können. Da Arbeitsverträge außerdem einen langfristigen Charakter haben, können sie nur als Rahmenverträge abgeschlossen werden. Diese benötigen im Zeitablauf der Arbeitsbeziehung eine ständige Überprüfung und Anpassung an neue Umweltzustände. In der Literatur werden solche Verträge als relationale (oder Beziehungs-) Verträge bezeichnet, da „nicht der konkrete Vertrag oder die ursprüngliche Vereinbarung, sondern das gesamte Beziehungsgefüge zwischen den Vertragspartnern [...] während der Vertragslaufzeit im Mittelpunkt der Überlegungen (Selke 1999: 38)“ steht. (Vgl. Selke 1999: 38; Eigler 1996: 64; Williamson 1990: 81).
[...]
[1] Die Sicherung der Arbeitsplätze konnte vorerst nur durch eine Ausgliederung der Beschäftigten in die „Auto 5000 GmbH“ gesichert werden, in der das Lohnniveau 20% unter dem Haustarifvertrag liegt (vgl. Spiegel Online 2005). Der Name Marrakesch gilt dabei nur als interner Arbeitstitel. Der endgültige Markenname des neuen Modells wird erst kurz vor der Markteinführung bekannt gegeben.
[2] Unter dem Titel: Bye-bye „made in Germany“ fragten sich die Autoren im Spiegel 44/2004 deshalb auch: „Wer be kommt schon mit, dass der ostwestfälische Kunststoffverarbeiter Balda eine Lackier anlage für Handys in Ungarn eröffnet und eine Anlage im Schwarzwald schließen will? Wer regist riert denn die Meldung, dass der Nahrungsmittelhersteller Nadler seine Heringe und Matjes filets künftig nicht mehr in Bremerhaven zu Salat verarbeiten möchte, sondern in Polen? Wer nimmt schon wahr, dass der Aufzugsbauer Otis ein Werk in Stadthagen dichtmacht und nach Tschechien geht?“ (Hawranek et al. 2004: 95).
[3] Neben der allgemeinen Arbeitsplatzunsicherheit und der hohen Arbeitslosigkeit spielt beim Krankenstand „(...) neben strukturellen Faktoren, wie dem Rückgang der Schwerindus trie, verbesserten Arbeitsbedingungen und verkürzter Arbeitszeit (...)“ sicherlich auch die Einführung der Praxisgebühr eine Rolle. Dennoch wird davon ausgegangen, dass in Zeiten erhöhter Arbeitsplatzunsicherheit sowohl auf notwendige als auch auf missbräuchliche Krankmeldungen verzichtet wird, so dass ein niedriger Krankenstand als Faktor für hohe Unsicherheit angesehen werden kann (bpd 2005). Gleichzeitig verändert sich aber die Struktur der Krankheiten, da psychische Erkrankungen stark zunehmen.
[4] Weitere Verwendung findet der Wortstamm „Offshore“ außerdem bei küstenfernen Bauwerken wie z.B. bei Offshore-Ölplattformen oder bei Offshore-Windparks.
[5] Wenn im Folgenden von Offshoring gesprochen wird, ist diese spezielle Form der Leistungserstellung, also die Eigenerstellung durch im Ausland ansässige konzerninterne Tochterunternehmen in Form von Captive-Offshoring, gemeint.
[6] Production-Offshoring wird teilweise auch als „Manufacturing-Offshoring“ bezeichnet.
[7] Bis 1990 betrug der deutsche Schwellwert 25%. In den Jahren 1990 bis 1998 betrug er 20% (vgl. Sachverständigenrat 2004: 365).
[8] Dunning (1992: 57) subsumiert unter der Kategorie des „resource-seeking“ neben den klassischen Rohstoffen auch „supplies of cheap and well motivated unskilled or semi-skilled labour“ und „technological capability, management or marketing expertise and organizational skills“. Zur Erklärung des Zusammenhanges von FDI und Offshoring wird in dieser Arbeit die Meinung von Schief (2003: 136f.) und Koopmann/ Franzmeyer (2003: 19) vertreten, die unter „resource-seeking“ lediglich die Erschließung oder Sicherung von Rohstoffen verstehen.
[9] Beispiele für solche innovativen Cluster sind das Silicon Valley, das indische Bangalore oder auch die Konzentration der Automobilindustrie im Süden Deutschlands.
[10] Ein Eisberg zeichnet sich dadurch aus, dass nur ein Bruchteil des Eises über der Wasseroberfläche zu sehen ist. Die wahrgenommenen Kosten symbolisieren also die Spitze eines Eisberges, wohingegen sich die Hidden Costs verborgen unter der Oberfläche befinden.
- Quote paper
- Dipl.-Kfm. Danny Pajak (Author), 2006, Konfliktfeld Offshoring: Interne Standortkonkurrenz multinationaler Unternehmen und die Auswirkungen auf Mitarbeiter, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59069
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