Der Zorn des Achilleus - Der Konflikt der höchsten Basilees bestimmt die Ilias


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2006

21 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung

B. Der Zorn des Achilleus: Der Konflikt der höchsten Basilees bestimmt die Ilias
I. Der homerische Basileus
II. Grundlegende Werte in der Welt der Basilees
1. Time
2. Arete und weitere Begriffe
III. Achilleus und Agamemnon
1. Achilleus
2. Agamemnon
IV. Der Zorn des Achilleus
1. Der Hergang des Streits
2. Beweggründe

C. Schluss

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

A. Einleitung

„Singe den Zorn, o Göttin, des Peleiaden Achilleus“[1] ! So lautet der erste Vers der Ilias. Damit ist ‚Zorn’ wohl das erste (Haupt-)Wort in der westlichen Literatur. Dieser bemerkenswerte Sachverhalt gibt Anlass zu Überlegungen, etwa wen dieser Zorn trifft, was ihn verursacht hat und welche Konsequenzen er nach sich zieht.

Diese Arbeit beschäftigt sich mit den Gründen für den Zorn des größten Helden der Antike und mit dem Verhalten der Konkurrenten Agamemnon und Achilleus. Da andere schriftliche Quellen aus der Zeit in der die homerischen Epen spielen, also die Jahrhunderte vor ihrer Fixierung um 800 vor Christus, müssen diese Männer und ihr Verhalten als Objekte zur Erforschung damaliger Normen und Gefühlswelten herangezogen werden. Warum handeln sie so wie sie es tun, und weshalb nicht anders? Lässt sich gar kindische Sturheit identifizieren, oder stecken politische Kalkulationen und allgemeine Verhaltenskodices dahinter?

Hierfür muss zunächst ein Blick auf die Lebenssituation eines homerischen Anführers, eines Basileus, geworfen, und einige der grundlegenden Werte des Zusammenlebens geklärt werden. Anschließend sollen die Rahmenbedingungen der Hauptakteure Agamemnon und Achilleus dargestellt werden, und nachdem der Hergang des Streits in Umrissen dargelegt wurde, kann sich die Arbeit mit den Beweggründen für die Handlungen der Helden befassen.

Das für die vorliegende Arbeit wichtigste Werk ist die Monografie „Die homerische Gesellschaft“ von C. Ulf, die durch ihre angenehme Gliederung und die detaillierte, schlüssige Argumentation eine großartige Grundlage bietet. Eine weitere wichtige Arbeit stammt von A.W.H. Adkins, der über Werte, Ziele und Gefühle der homerischen Menschen einen hochinteressanten Aufsatz geschrieben hat. Nicht ganz so geglückt erschien die Arbeit von T. Fatheuer, der den Ehrenbegriff und das gesellschaftliche System zwar ausführlich, aber oftmals ohne einen wünschenswerten Tiefgang behandelt. Für eine Arbeit wie diese, die schon aufgrund ihrer überschaubaren Länge nur einen Überblick zu einem derart komplexen Sachverhalt geben kann, war sie aber durchaus brauchbar. Darüber hinaus waren die Bücher von H.-J. Gehrke mit H. Schneider, sowie Michael Stahl eine schöne Einstiegsmöglich, und die Aufsätze von G.W. Most[2], und F. Gschnitzer[3] trugen einiges zum entstandenen Gesamtbild bei. Auch wenn nicht alles in die Fußnoten eingegangen ist, so ist es dennoch erwähnenswert. Als deutsche Übersetzung der homerischen Epen wurden die ebenfalls klassisch gewordenen Übersetzungen von J.H. Voß herangezogen.

B. Der Zorn des Achilleus: Der Konflikt der höchsten Basilees bestimmt die Ilias

I. Der homerische Basileus

In der homerischen Gesellschaft, die aus einzelnen Gemeinwesen, also oikoi bestand, hatte jeweils ein König die führende Position, und dieser König wird in den Epen als Basileus bezeichnet.[4] Es wäre jedoch falsch, diesem König diejenige, relativ uneingeschränkte Macht und Vorherrschaft zu attestieren, die wir heute mit dem Begriff ‚König’ verbinden. „Der Basileus war bei der Ausübung seiner Herrschermacht sowohl an die Beobachtung gewisser Formen, als an die Mitwirkung des Adelsrates, meist auch der Gemeindeversammlung gebunden, seine Macht war aber die höchste im Staate, keine andere Person und kein anderes Organ war ihm übergeordnet.“[5]

Der Basileus hatte neben seinen Befugnissen auch etliche Pflichten zu erfüllen. Zu diesen gehörten die öffentlichen Funktionen in der Volksversammlung oder im religiösen Kult, und daneben auch in der Rechtsprechung,[6] die ein guter König nach dem Rat des Volkes, des Demos, vornimmt, und in der er sich danach richten sollte, was für das Volk das Beste ist. Schon der Ausgangspunkt für die Handlung der Ilias zeigt ja, dass egoistisches Beharren auf Einzelinteressen in den Texten als Fehlverhalten mit dramatischen Konsequenzen für die Gesamtheit interpretiert wird.[7] So bringt Agamemnon durch sein Beharren auf einem Ehrengeschenk, und den daraus folgenden Streit mit Achilleus „unnennbaren Jammer“[8] über das Volk, die Achaier, und durch die Beleidigung des Priesters Chryses ruft er eine Pest auf sich und die seinen herab. Ebenso richtet sich Hektor an Paris, der ein „weibsüchtiger, schlauer Verführer[9] sei, und durch den Raub Helenas seiner Stadt Unglück gebracht habe. Deshalb gebührte ihm eigentlich die Steinigung.[10]

Sollte der König also seinen Pflichten nicht angemessen nachkommen, und seine Befugnisse nicht zum Wohl der Gemeinschaft ausüben, ist es durchaus möglich, dass seine Stellung zu wackeln beginnt.[11] Ein Beispiel hierfür sind die Worte, die Odysseus an Agamemnon richtet, als dieser das Kriegsunternehmen aufgeben will. Er weist ihn an, solche Gedanken für sich zu behalten, denn schließlich war es Agamemnon, dem die anderen Griechen nach Troja gefolgt sind, und Agamemnon würde seine Oberherrschaft bei einer Niederlage verlieren.[12] Die Tatsache, dass Agamemnons Stellung nicht unantastbar ist, kann nicht ausreichend betont werden. In diesem Sinn muss auch das Verhalten von Achilleus zunächst als falsch angesehen werden, warum er dennoch so handelt, wird noch zu zeigen sein.

Es herrscht „eine grundlegende Verpflichtung des Basileus, zum Wohl des Demos zu wirken“.[13] Ist ein Basileus nicht in der Lage, oder nicht gewillt, diese Anforderungen zu erfüllen, so wird er „die Anerkennung der Laoi und damit auch seine Position (...) verlieren.“[14]

Ein weiteres Beispiel für die Normen, denen der homerische Held folgt, ist die Episode im zwölften Gesang der Ilias, als Sarpedon den Glaukos zum Kampf ermutigt, damit man sie nicht als unrühmlich ansehe, und an ihrer Tüchtigkeit zweifle.[15] Hierzu kommt noch, dass ein Basileus über einen oikos, und damit über einen gewissen Besitz verfügt. Kann ein König diesen Besitz nicht schützen, und für das Wohl seiner Untergeben sorgen, so verliert er seine Stellung. Daher schließen sich in der homerischen Gesellschaft Armut und Führertum von vorne herein aus, das „Bild des verarmten Edelmanns kannten die Griechen nicht.“[16] Ein Verlust von Eigentum, bedeutete folglich auch eine Bedrohung der Existenz eines Basileus, ein Sachverhalt, dem in dieser Arbeit noch intensivere Beachtung zuteil werden wird.

Die Anführer sind also angehalten, sich im Kampf besonders hervor zu tun. Sie sind aber nicht zu Basilees gemacht worden, sondern sind es durch Geburt, sollten aber ihre Privilegien rechtfertigen.[17]

II. Einige grundlegende Werte in der Welt der Basilees

Um die Beweggründe, die die homerischen Basilees zu ihren Handlungen bewegen, zu verstehen, müssen einige Begriffe aus dem Normensystem der homerischen Gesellschaft vorgesellt und erklärt werden. Es reicht nicht aus, die griechischen Wörter schlicht zu übersetzen, da sonst einige Verwirrung das Verständnis betreffend, die Folge wäre. Die wichtigsten dieser Begriffe sind time und arete, die im Folgenden besprochen werden sollen.

1. time

Time ist der den gesellschaftlichen Status einer Person bestimmende Wert, und bedeutet ‚Ehre’ oder ‚Achtung’. Adkins definiert time als „status-conferring goods“[18], also als materielle Güter, die die Stellung einer Person bestimmen. Thomas Fatheuer behauptet, „das Konzept time (…) ist untrennbar mit materiellen Gütern verbunden“[19], was bedeuten würde, das Besitzlose nicht über Ehre und Achtung verfügen. Den widerspricht Christoph Ulf indem er anführt, die Frau des Phäakenkönigs, Arete, lasse prinzipiell jedem time zukommen[20], und folgert daraus, dass diese Ehre nicht einer einzelnen gesellschaftlichen Gruppe vorbehalten ist, und daher oft auch ‚Achtung’ heißen muss.[21] Mir Verweis auf Achilleus’ Worte an Priamos[22] spricht er nur denjenigen time ab, die zu keinem Volk gehören.[23]

Der Verfasser dieser Arbeit tendiert dazu, beiden Richtungen Glauben zu schenken, und dem Begriff somit auch in den Epen keine allgemeingültige Bedeutung zuzuschreiben. Zudem befasst sich die Arbeit mit dem Streit zweier Basilees und daher kann das untere Ende der Skala, also Bettler und Wanderer, weitgehend vernachlässigt werden.

[...]


[1] Homer. Ilias, übersetzt von Johann Heinrich Voß, Berlin o.J. 1, 1.

[2] Most, Glenn W., Anger and pity in Homer’s Iliad. In: Braund, Susanna, Most, Glenn W. (Hrsg.). Ancient Anger. Perspectives from Homer to Galen. Cambridge 2003. 50-75.

[3] Gschnitzer, Fritz. Politische Leidenschaft im homerischen Epos. In: Trümpy, Catherine, Schmitt, Tassilo (Hrsg.): Kleine Schriften zum griechischen und römischen Altertum. Bd.1. Frühes Griechentum: Historische und sprachwissenschaftliche Beiträge. Stuttgart 2001, 212 -232. und Gschnitzer, Fritz. Zur homerischen Staats- und Gesellschaftsordnung: Grundcharakter und geschichtliche Stellung. In: Latacz, Joachim (Hrsg.), Zweihundert Jahre Homer-Forschung. Rückblick und Ausblick. Stuttgart/Leipzig 1991.

[4] Gehrke, H.-J., Schneider, H. (Hrsg.). Geschichte der Antike. Ein Studienbuch. Stuttgart/Weimar 2000,

[5] Gschnitzer, Fritz. Staats- und Gesellschaftsordnung, S.

[6] Gehrke/Schneider, Geschichte der Antike, S. 56.

[7] Gehrke/Schneider, Geschichte der Antike, S. 58.

[8] Hom. Il. 1, 2.

[9] Hom. Il. 3, 39.

[10] Hom. Il.3, 38ff.

[11] Ulf, Christoph, Die homerische Gesellschaft. München 1995,

[12] Hom. Il. 14, 83ff.

[13] Ulf, Gesellschaft. S.103.

[14] Ebd., S. 99.

[15] Hom. Il., 12, 310ff.

[16] Stahl, Gesellschaft und Staat, S. 28.

[17] Adkins, A.W.H., Values, Goals and Emotions in the Iliad. In: Classical Philology, vol. 77, Chicago 1982, S.293.

[18] Adkins, Values, S. 297.

[19] Fatheuer, Thomas. Ehre und Gerechtigkeit. Studien zur gesellschaftlichen Ordnung im frühen Griechenland. Münster 1988. S.54.

[20] Homer. Odyssee, übersetzt von Johann Heinrich Voß, Berlin o.J., 11, 338.

[21] Ulf, Gesellschaft, S. 4 f.

[22] Hom. Il. 24, 513ff.

[23] Ulf, Gesellschaft, S. 12.

Fin de l'extrait de 21 pages

Résumé des informations

Titre
Der Zorn des Achilleus - Der Konflikt der höchsten Basilees bestimmt die Ilias
Université
LMU Munich  (Historisches Seminar, Abteilung für alte Geschichte)
Cours
PS Die homerische Gesellschaft
Note
1,0
Auteur
Année
2006
Pages
21
N° de catalogue
V58670
ISBN (ebook)
9783638528030
ISBN (Livre)
9783656772422
Taille d'un fichier
517 KB
Langue
allemand
Annotations
Die Arbeit gibt Einblicke in Leben, Gefühlswelten und Beweggründe der frühen griechischen Aristokratie. Daraus zieht sie Rückschlüsse auf das damalige Normensystem. Moderne Forschungsliteratur wird miteinbezogen.
Mots clés
Zorn, Achilleus, Konflikt, Basilees, Ilias, Gesellschaft
Citation du texte
Florian Widmann (Auteur), 2006, Der Zorn des Achilleus - Der Konflikt der höchsten Basilees bestimmt die Ilias, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58670

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