In welchem Zusammenhang könnte der Begriff Wissenstransfer eine größere Rolle spielen, als im Kontext der frühkindlichen Wissensvermittlung. Sich einzulassen auf einen Transfer bestimmter Wissensinhalte auf eine völlig andere kognitive Ebene als die eigene, nämlich die, auf der sich kindliche Rezipienten befinden, kann sicherlich als Herausforderung angesehen werden. Die Macher der„Sendung mit der Maus“2, die seit Beginn der 70er Jahre den Weg für ein gezielt an Kinder im Alter von vier bis sieben Jahren gerichtetes deutsches Fernsehprogramm überhaupt geebnet haben, versuchten sich dieser Herausforderung, nicht immer zugegebenermaßen3, zu stellen und das mit Blick auf die lange Sendetradition offenbar recht erfolgreich. Der Untertitel„Lach- und Sachgeschichten“ist Programm: Wissenswertes wird mit Unterhaltsamem gepaart und gerade hierin scheint das Erfolgsrezept zu liegen. In dieser Arbeit werden exemplarisch einige von Armin Maiwald und seiner Filmproduktionsfirma„Flash Film“für die SmdM produzierte und vom WDR ausgestrahlte Sachgeschichten auf ihre sprachliche Gestaltung hin untersucht. Dies kann natürlich nicht ohne nähere Beleuchtung des Kontextes geschehen: Zum einen sind der Produktions- und Rezeptionskontext und die Einbettung der Sachgeschichten in das Sendungskonzept zu beleuchten. Wichtig erscheint hier die Frage nach den eigentlichen Voraussetzungen für den Wissenstransfer„mit der Maus“und nach den Relationen zwischen den Sachgeschichten und den sonstigen Beiträgen. Neben der im Zentrum stehenden Untersuchung der sprachlichen Gestaltung der Sachgeschichten darf die Betrachtung der Text-Bild-Beziehung auf Grund des audiovisuellen Charakters des Untersuchungsmaterials nicht außen vor gelassen werden, darum wird auch hier ein Schwerpunkt gesetzt. Welche Schlüsse lassen sich auf Grundlage der Untersuchungen für den Wissenstransfer für Kleinkinder ziehen? Welche Strategien der Sachgeschichten-Produzenten ließen sich als vorbildlich charakterisieren und wären auch in anderen Kontexten fruchtbar zu machen? Und vor allem: Welche Rolle kommt der Sprache in dieser speziellen Form des Wissenstransfers zu?
Inhaltsangabe:
1) Einleitung
2) Inhalt des Buches „Der Verlorene“
3) a) Die Rolle des Fernsehers
b) Text: Hilft das Fernsehen der Literatur?
In Bezug auf „Der Verlorene“
4) Schluss
5) Literaturverzeichnis
1) Einleitung
Das Thema Fernsehen und Literatur ist nach wie vor ein hochaktuelles, brisantes Thema. Die Frage, ob das Fernsehen der Literatur hilft oder umgekehrt, oder ob die beiden geradezu widersprüchlich sind, da sie konkurrieren, ist eine interessante, welcher ich in dieser Hausarbeit nachgehen will. Ich werde hierzu zwei theoretische Texte von Villem Flusser und Christoph Schmitz-Scholemann einer Erzählung Treichels gegenüberstellen. Dadurch erhoffe ich mir, dass ich einige neue Sichten auf das Thema Fernsehen eröffnen kann und am Ende ein Ergebnis erziele, welches mir zeigt, ob das Fernsehen gleichzeitig (auf Dauer gesehen) neben dem Medium Buch bestehen kann oder ob sie sich gegenseitig ruinieren werden.
2) Inhalt des Buches
Das Buch von Hans- Ulrich Treichel handelt von einer Familie, die in den 50er Jahren der Wirtschaftswunder und der Aufbauphase der jungen Bundesrepublik auf der Suche ist nach dem Erstgeborenen, der auf der Flucht vor den Russen „verloren ging“. Die Eltern, sehr prüde und einfache Bauern, haben durch die Flucht einen seelischen Schock erlitten, sie versuchen ihrem Leben einen neuen Sinn zu geben und konzentrieren sich ganz auf die Suche nach ihrem Sohn, vergessen dabei jedoch, auch dem Erzähler (der jüngere Sohn) Aufmerksamkeit zu schenken. Die negativ verlaufende, hoffnungslose Suche ist zum Wahn geworden. Der Erzähler, der nicht nur als Mitleid erregendes Opfer auftritt, sondern oft sehr unsympathisch erscheint, da er sich weinerlich und ich- bezogen gibt, reagiert auf diese Lebensumstände des öfteren mit psychosomatischen Störungen. Obwohl die Erzählung ausschließlich in der erzählten Gegenwart spielt, wird sie vergessen, sie scheint ohne Bedeutung. Vielmehr interessiert die Vergangenheit und die Erinnerungen an Arnold. Dadurch ist die Familienstruktur fast völlig zerstört, ein normales Familienleben scheint kaum denkbar. Die Beziehung zwischen Mutter und Erzähler zeichnet sich durch keine Nähe oder Emotionalität aus. Es scheint auch so, als ob die Familie keine Freunde hat, denn kein Mal treten Freunde des Erzählers oder der Eltern auf. Um diesem Elend zu entgehen, flüchtet der Erzähler, wie auch die Mutter, aus der Realität in fremde Welten, er hört stundenlang Radio oder sieht gerne fern.
Die Geschichte des Buches lässt sich auch von einer wirtschaftlichen Seite betrachten. Die Wegsteine des materiellen Aufstiegs (Antiquariat, Lebensmittelladen, Großhändler) gehen mit den damit verbundenen Zeichen einher (Autowechsel, neuste technische Geräte). Die gesellschaftliche Anerkennung scheint dem Vater von großer Wichtigkeit, so dass das Familienleben durch das wirtschaftliche Fortkommen bestimmt wird. Die Geschichte zeigt also, dass Krieg auch nach dessen Ende noch das Leben einer Familie bestimmen kann.
3) a) Die Rolle des Fernsehers
Die 50er Jahre waren die Frühzeit der neuen Medien, es gab zu dieser Zeit starke Diskussionen über sie. Das Buch von Treichel lässt sich auch als eine Art Mediengeschichte betrachten. Chronologisch treten die verschiedenen Medien auf: direkt der erste Satz des Buches spricht ein Medium an, die Photographie. Als nächstes berichtet der Erzähler vom exzessiven Radiohören aus Langeweile, was ihn jedoch bald auch langweilt. Doch durch die Erfindung des Fernsehers wird diese Langeweile kompensiert.
In einer längeren Textpassage steht der Fernseher im Mittelpunkt der Geschehnisse. Der Vater hat die Möglichkeit sich aufgrund seiner Geschäftstüchtigkeit einen Fernseher zu kaufen. Er kauft ihn sich aber scheinbar nur aus Prestigegründen, denn eigentlich lehnt er den Fernseher völlig ab (aus Gründen, die nicht direkt ersichtlich sind). Er erträgt den Fernseher nicht, er behauptet der Fernseher sei nur eine Arbeitseinschränkung und deswegen schaut er nicht hin. Sobald der Fernseher also eingeschaltet ist, lässt er sich Arbeiten einfallen. Als Beispiel nennt der Erzähler, dass er die Post wegbringen muss (s. Seite 27), welches wiederum ein anderes Medium (ist dem Netzsystem zuzuordnen, nicht wie der Fernseher dem Rundfunksystem¹) ist, doch dieses scheint den Vater weniger zu stören (vielleicht, weil der Fernseher ein einseitiges Medium ist ohne Antwortmöglichkeit, und die Post eine Antwortmöglichkeit offen lässt). Nur in Gegenwart der Tante Hilde ist es dem Vater möglich fern zu sehen, denn Tante Hilde glaubt, dass „der Fernseher eine Erfindung des Teufels [ist]“ ² und deswegen kann sie nicht hinschauen. Doch der Fernseher macht sie neugierig, und über diesen Konflikt ist der Vater so amüsiert, dass es ihm gelingt fern zu sehen. Die Tante löst den Konflikt, indem sie dem Fernseher den Rücken zudreht und ihn so zum Radio macht. Dies verträgt sich anscheinend besser mit ihrer Religion, denn so gelangt sie nicht in den Bann der Bilder. Der Erzähler, der aus der Realität flüchtet
¹ vgl. Flusser, Medienkultur, Frankfurt am Main 1974, Seite 117ff
² Hans- Ulrich Treichel, Der Verlorene, Frankfurt am Main 1998, Seite 28
durch exzessives Radiohören, würde gerne viel Fernsehen, doch dies ist ihm von Seiten des Vaters nicht erlaubt. Somit holt ihn die Realität beim Fernsehen immer wieder ein, indem Vater, Mutter oder seine Tante ihn stören. Nur mit der Mutter gelingt es dem Erzähler einigermaßen ruhig fern zu sehen, doch sobald Intimitäten (z. B. ein Kuss in einem Heimatfilm) auftauchen, schämen sich beide derer so sehr, dass beide froh sind, wenn der Fernseher aus ist. Doch interessanter ist der Gedanke des Erzählers, wenn er von der Intimität vor dem Fernseher spricht: „ Vielleicht war es gar nicht die Intimität im Fernseher, für die wir uns schämten, sondern die Intimität vor dem Fernseher. Vielleicht hatte es auch mit meinem Bruder Arnold zu tun“¹. Denn Arnold ist nicht anwesend und trotzdem scheinen Mutter und Erzähler in irgend einer Art und Weise intim zu sein, indem sie zusammen vor dem Fernseher sitzen. Man könnte sagen, der Fernseher ersetzt Arnold und so entsteht eine neue Familienkonstellation. Interessant an dieser Textpassage ist, dass keine Inhalte des Fernsehens beschrieben werden, sondern nur, wie die Menschen mit ihm umgehen.
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