In dieser Seminararbeit wird nicht detailliert über den Dersim-Genozid geschrieben, mein Fokus liegt auf der Rolle von Atatürk: Viele der Generation, die den Dersim-Genozid überlebt haben, vertreten die Meinung, dass Atatürk in dieser Zeit, wo der Genozid stattgefunden hatte, krank war und nichts davon wusste und wenn er davon gewusst hätte, hätte er die Dersimer*innen gerettet. Sie denken, dass Atatürk demokratisch war und er Alevit*innen und Dersimer*innen liebte. Nicht nur alte Generationen, sondern auch sehr viele zeitgenössische Alevit*innen aus Dersim verteidigen diese Meinung. Dieses Vertrauen zu Atatürk wurde oftmals von den Atatürk-Kritiker aus unterschiedlichen politischen Gründen und Perspektiven als „Stockholm Syndrom “ bezeichnet. Diese Seminararbeit versucht nun, die Rolle Atatürks bei dem Dersim-Genozid mit den bestehenden offiziellen Quellen zu ermitteln.
Zunächst wird die historische Entwicklung der Türkischen Republik, von ihrer Gründung 1923 bis zum Dersim-Genozid, erläutert. Auch wird auf die spezifische Geschichte Dersims eingegangen, damit es verständlicher wird, welche Gründe zum Dersim-Genozid geführt haben könnten. Deshalb wird auch ein Blick in die Medien, besonders zwischen 1937-1938 geworfen, vor allem hinsichtlich der Darstellung von Dersim und Dersimer*innen. Hier wird besonders die Orientalismus-Perspektive von Edward Said (1994) als theoretische Basis genommen. In einem zweiten Teil werden dann die Aussagen, die Atatürk entschuldigen bzw. die behaupten, dass Mustafa Kemal krank war und nichts davon wusste oder er getäuscht wurde etc. dargestellt. Darauffolgend werden diese Aussagen mit den bestehenden historischen Quellen verglichen. Als letzter Punk wird die Behauptung analysiert, es handle sich dabei um eine Form von Stockholm Syndrom. Franz Fanons Thesen zur Dekolonisierung und zur psychischen Dimension des kolonisierten Menschen werden als theoretisches Gerüst und Mittel zur Gedankenerweiterung verwendet.
Inhaltsverzeichnis
- Der Dersim- Genozid¹ und Mustafa Kemal Atatürk
- Einleitung
- Ideologie von Osmanen und von der Türkischen Republik
- Die Geschichte von Wir und die Anderen
- Nuri Dersimi und das Verhalten des Völkerbunds
- Was passierte in Dersim
- Wer war verantwortlich für den Dersim-Genozid?
- Aussagen von der ersten Generation:
- Historische Dokumente der damaligen Regierung
- Das Tunceli Kanunu
- Der Dersim-Genozid
- Stockholm Syndrom oder Strategie für die Sicherung ihre Existenz:
- Historische Maske für Existenzsicherung
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit befasst sich mit der Rolle Mustafa Kemal Atatürks im Zusammenhang mit dem Dersim-Genozid. Sie untersucht, ob Atatürk für die Ereignisse in Dersim verantwortlich war, oder ob er – wie von einigen behauptet – krank war und nichts davon wusste. Die Arbeit analysiert die Aussagen von Überlebenden und Zeitzeugen, die Atatürk entlasten, im Kontext der historischen Quellen und der damaligen Politik. Dabei wird die Frage untersucht, ob die verteidigende Haltung gegenüber Atatürk als „Stockholm Syndrom“ interpretiert werden kann.
- Die Rolle von Atatürk im Dersim-Genozid
- Die historische Entwicklung der Türkischen Republik und die Geschichte Dersims
- Die Ideologie des Osmanischen Reiches und der Türkischen Republik
- Die Darstellung Dersims in den Medien und die Orientalismus-Perspektive
- Die Analyse des „Stockholm Syndroms“ im Kontext der Dekolonisierung
Zusammenfassung der Kapitel
- Der Dersim- Genozid¹ und Mustafa Kemal Atatürk: Die Einleitung stellt den Dersim-Genozid und die Entschuldigung von Ministerpräsident Erdoğan im Jahr 2011 vor. Sie analysiert die Kritik von Ayata Bilgin und Serra Hakyemez an Erdoğans Entschuldigung und beleuchtet die Rolle von Necip Fazıl Kısakürek, der die staatliche Gewalt als „Tragödie der Menschen“ abtut.
- Einleitung: Die Einleitung erläutert die Forschungsfrage der Seminararbeit: Die Rolle Atatürks im Dersim-Genozid. Sie stellt den Forschungsstand dar, indem sie auf die Arbeiten von Ismail Beşikçi, van Bruinessen und Kieser verweist und die Bedeutung der geschlossenen Archive des türkischen Staates betont.
- Ideologie von Osmanen und von der Türkischen Republik: Dieses Kapitel untersucht die Tradition der osmanischen Rapporte, die die Herrschaft über Dersim zum Ziel hatte. Es zeigt, wie die osmanische Politik die Assimilierung der Aleviten/Kızılbaş und die Zentralisierung Dersims im Prozess der Verwestlichung und Modernisierung anstrebte.
Schlüsselwörter
Dersim-Genozid, Mustafa Kemal Atatürk, Türkische Republik, Osmanisches Reich, Aleviten, Kızılbaş, Naqşibendi, Orientalismus, Stockholm Syndrom, Dekolonisierung, Historische Quellen, Medien, Politik.
- Quote paper
- Vedat Ates (Author), 2018, Mustafa Kemal Atatürk und der Dersim Genozid. Stockholm Syndrom oder Existenzsicherung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/584640