Diese Arbeit befaßt sich mit dem Themenkomplex der Erziehung bei Kant und Rousseau, wobei ihre beiden Schwerpunkte auf einem Vergleich zwischen den möglichen Zielen der Erziehung bei beiden Philosophen sowie auf der Auseinandersetzung mit dem Paradoxon der Erziehung – nämlich der Widersprüchlichkeit zwischen Zwang und Freiheit – liegen. Auf die Feinheiten der einzelnen Erziehungstheorien bzw. ihren jeweiligen Inhalten mit der praktischen Umsetzung wurde nicht eingegangen, da der theoretische Überbau wichtiger erschien. Ohne eine Theorie der Erziehung und damit verbunden eine anthropologische Idee ist Erziehung nicht möglich, denn vor der praktischen Anwendung kommt zuerst die Theorie, die die Praxis überhaupt erst möglich und durchführbar macht. Die Schwerpunkte dieser Arbeit wurden also hauptsächlich aus dem Grund gewählt, daß nicht etwa ein praktisches pädagogisches Kompendium nach Kants und Rousseaus Vorstellungen geliefert, sondern die Grundlagen eines solchen dargestellt werden sollten. Zunächst wird Kants Theorie dargestellt, um anschließend der Rousseaus gegenübergestellt zu werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Paradoxie der Erziehung – Kant über die Kunst der Erziehung
2.1. Aufgabe und Ziel von Erziehung
2.2. Das zentrale Problem von Erziehung – Zwang versus Freiheit
3. Rousseaus pädagogische Theorie als Wegbereiter von Kants Erziehungsbegriff
3.1. Aufgabe und Ziel der Erziehung
3.2. Über das Paradoxon der Erziehung bei Rousseau
4. Fazit
5. Anhang
5.1. Quellenverzeichnis
5.2. Literaturverzeichnis
5.3. Internetadressen
1. Einleitung
Diese Arbeit befaßt sich mit dem Themenkomplex der Erziehung bei Kant und Rousseau, wobei ihre beiden Schwerpunkte auf einem Vergleich zwischen den möglichen Zielen der Erziehung bei beiden Philosophen sowie auf der Auseinandersetzung mit dem Paradoxon der Erziehung – nämlich der Widersprüchlichkeit zwischen Zwang und Freiheit – liegen. Auf die Feinheiten der einzelnen Erziehungstheorien bzw. ihren jeweiligen Inhalten mit der praktischen Umsetzung wurde nicht eingegangen, da der theoretische Überbau wichtiger erschien. Ohne eine Theorie der Erziehung und damit verbunden eine anthropologische Idee ist Erziehung nicht möglich, denn vor der praktischen Anwendung kommt zuerst die Theorie, die die Praxis überhaupt erst möglich und durchführbar macht. Die Schwerpunkte dieser Arbeit wurden also hauptsächlich aus dem Grund gewählt, daß nicht etwa ein praktisches pädagogisches Kompendium nach Kants und Rousseaus Vorstellungen geliefert, sondern die Grundlagen eines solchen dargestellt werden sollten. Zunächst wird Kants Theorie dargestellt, um anschließend der Rousseaus gegenübergestellt zu werden. Sekundärliteratur wurde mit Ausnahme der beiden Kant-Biographien von Arnulf Zitelmann[1] und Wolfgang Schlüter[2] nicht zu Rate gezogen. Meine Hauptquelle zur pädagogischen Theorie Kants wurde nicht von Kant selbst geschrieben und herausgegeben. Sein Schüler Friedrich Theodor Rink faßte pädagogische Vorlesungen, die Kant als Professor an der Königsberger Universität hielt, zu einem Text zusammen und veröffentlichte diesen. Unter diesem Gesichtspunkt stellt sich natürlich die Frage, inwiefern dieser Text authentisch ist und wieviele Ideen nicht von Kant, sondern von Rink selbst stammen. In dieser Arbeit wird die Quelle jedoch als wie von Kant selbst verfaßt behandelt. Diese Arbeit wurde nach den Regeln der alten Rechtschreibung verfaßt.
2. Die Paradoxie der Erziehung – Kant über die Kunst der Erziehung
2.1. Aufgabe und Ziel von Erziehung
Dieses Kapitel behandelt den theoretischen Überbau der pädagogischen Theorie Kants und ignoriert die praktischen Erläuterungen und Erziehungshinweise. Der Schwerpunkt liegt auf Kants Argumentation über das Warum, Wozu und Wohin (also auf den Gründen, den Aufgaben und den Zielen) der Erziehung.
Das berühmte Zitat aus Kants Schrift Was ist Aufklärung? „Sapere aude! Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“![3] kann nur für erwachsene, im Sinne von „erzogene“,
Menschen gelten. Eine Andeutung dafür, daß dem so ist, macht Kant in derselben Schrift, nur einige Zeilen weiter: „Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung frei gesprochen [...], dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben [...]“.[4] Doch bevor ein Mensch überhaupt von irgendeiner „Leitung frei gesprochen“ werden kann, muß er sich zunächst einmal unter einer solchen befinden. Kants Ansicht nach gilt dies für Kinder „bis zu dem Zeitpunkt, da die Natur selbst dem Menschen bestimmt hat, sich selbst zu führen; da der Instinkt zum Geschlechte sich bei ihm entwickelt“[5], denn bei Kindern muß ein „richtiger Verstand“ erst vorbereitet werden.[6] Kinder müssen erst zu Menschen heran gezogen werden. Ein frisch geborenes Kind besitzt weder Verstand noch Vernunft, die es zum Denken benutzen könnte. Zunächst muß es tun, was die Erziehenden (als bereits Erzogene) ihm vorschreiben, da es selbst noch nicht in der Lage ist, zu beurteilen, was ihm gut tut und was nicht.[7]
Kant schreibt, daß „der Mensch [ist] das einzige Geschöpf“ sei, „das erzogen werden muß“.[8] Ein Kind ist noch kein richtiger Mensch, da es noch nicht über eine eigene Vernunft und einen eigenen Verstand verfügt. Erst durch Erziehung lernt das Kind, seine Tierheit zu überwinden und zum eigenständig denkenden Menschen zu werden.[9] Doch der Mensch ist auch kein richtiges Tier, denn dieses „ist schon alles durch seinen Instinkt“[10], wobei Kant Instinkt als eine „fremde Vernunft, die alles für das Tier besorgt“, versteht.[11] Wobei sich allerdings beim Lesen dieser Definition die Frage stellt, wessen Vernunft das Denken für das Tier übernimmt. Dank seines Instinktes muß das Tierkind im Gegensatz zum Menschenkind nicht lernen und deshalb auch nicht erzogen werden. Ein Mensch besitzt keinen Instinkt und muß aus diesem Grund lernen, für sich selbst zu denken. Dies können ihm nur andere Menschen beibringen, die dies bereits können: „Der Mensch kann nur Mensch werden durch Erziehung. Er ist nichts, als was die Erziehung aus ihm macht“.[12] Die Erziehung besteht aus Wartung, Disziplin und Unterweisung (bzw. Bildung, was Kant synonym zu Unterweisung gebraucht). Wartung könnte man auch als Versorgung des Kindes, das selbst noch nicht für seine körperlichen Grundbedürfnisse wie Nahrung, Schutz etc. sorgen kann, bezeichnen. Kant umschreibt Wartung auch als „Vorsorge der Eltern, daß die Kinder keinen schädlichen Gebrauch von ihren Kräften machen“.[13] Schließlich kann ein Kind seines fehlenden Verstandes
wegen ihm zuträgliche von den ihm schädlichen Handlungen, Zuständen oder Geschehnissen nicht unterscheiden. Dies müssen die Erwachsenen für das Kind übernehmen. Durch die Disziplin sollen die Menschen den Gesetzen der Menschheit unterworfen werden. Nur durch sie kann die tierische Wildheit des Menschen bezähmt werden.[14] Die „Bezähmung der Wildheit“[15], Kant definiert Wildheit hier als „Unabhängigkeit von Gesetzen“[16], ermöglicht erst das Zusammenleben der Individuen der Gattung Mensch als solche, denn: „Das Recht ist der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit vereinigt werden kann".[17] Anders ausgedrückt könnte man auch sagen, daß der Handlungsspielraum eines Individuums genau so groß ist, bis er an die Grenzen des Handlungsspielraums eines anderen Individuums stößt.[18] Doch über diesen „Handlungsspielraum“ (Freiheit) verfügt der Mensch nach Kant erst, wenn sein Wille durch die Vernunft bestimmt wird.[19] Der Grund für die Verbindlichkeit der Sittengesetze liegt zudem nicht „in der Natur der Menschen, oder den Umständen in der Welt, darin er gesetzt ist“[20], sondern „[...]a priori lediglich in Begriffen der reinen Vernunft und daß jede andere Vorschrift, die sich auf Prinzipien der bloßen Erfahrung gründet [...], zwar eine praktische Regel, niemals aber ein moralisches Gesetz heißen kann“.[21] Während Vernunft die Möglichkeit für den Menschen darstellt, das moralische Gesetz einzusehen, ist die Freiheit die Bedingung dieses Gesetzes.[22] Disziplin kann also auch als „Unterwerfung unter die Vorschriften der Vernunft“[23] charakterisiert werden, wobei allerdings die Frage offenbleibt, wie ein Kind, das noch keinen Verstand und damit auch keine Vernunft besitzt, sich deren Vorschriften unterwerfen kann. Eigentlich kann es nur äußerlich gezwungen werden, ohne jedoch die Gründe dieses Zwangs einsehen zu können. Disziplin stellt die Grundlage jeder Erziehung dar, denn ohne Disziplin ist jede Unterweisung unmöglich. Ohne Unterweisung jedoch ist die Entwicklung des Verstandes und damit der Vernunft ebenfalls unmöglich. Kant geht sogar so weit zu behaupten, daß die Disziplin wichtiger sei als die Bildung, denn letzteres könne später nachgeholt werden.[24] Ein Mensch jedoch, der nicht frühzeitig an Disziplin gewöhnt sei, folge „später jeder Laune“[25], da er seine Tierhaftigkeit nicht vollständig ablegen konnte und somit seine Hauptaufgabe nicht erfülle.
[...]
[1] Zitelmann, Arnulf: Nur daß ich ein Mensch sei. Die Lebensgeschichte des Immanuel Kant. Weinheim und Basel, 1996.
[2] Schlüter, Wolfgang: Immanuel Kant. München, 1999.
[3] Kant, Immanuel: Beantwortung der Frage Was ist Aufklärung? In: http://gutenberg.spiegel.de/kant/aufklae/aufkl001.htm mit Datum vom 6.09.2004.
[4] Kant, Immanuel: Beantwortung der Frage Was ist Aufklärung? In: http://gutenberg.spiegel.de/kant/aufklae/aufkl001.htm mit Datum vom 6.09.2004.
[5] Rink, Friedrich Theodor (Hrsg.): Immanuel Kant über Pädagogik. In: Vorländer, Karl (Hrsg.): Immanuel Kant. Sämtliche Werke. Band 8, Leipzig, 1922. S. 205.
[6] Rink: Immanuel Kant über Pädagogik. S. 228.
[7] Rink: Immanuel Kant über Pädagogik. S. 205.
[8] Rink: Immanuel Kant über Pädagogik. S. 193.
[9] Ebd.
[10] Ebd.
[11] Ebd.
[12] Rink: Immanuel Kant über Pädagogik. S. 195.
[13] Rink: Immanuel Kant über Pädagogik. S. 193.
[14] Rink: Immanuel Kant über Pädagogik. S. 201.
[15] Ebd.
[16] Rink: Immanuel Kant über Pädagogik. S. 193.
[17] Kant, Immanuel: Die Metaphysik der Sitten - Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre. Berlin 1922, Bd. 6. S. 230.
[18] Kants Definition des Staates in „Die Metaphysik der Sitten – Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre“ (ebd.) lautet: „Ein Staat ist die Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen“.
[19] Vgl. http://www.philosophenlexikon.de/kant.htm (mit Datum vom 5.09.04)
[20] Kant, Immanuel: Kritik der praktischen Vernunft. Vorrede zur Grundlegung der Metaphysik der Sitten. Frankfurt am Main, 141998. S. 13.
[21] Ebd.
[22] Kant, Immanuel: Kritik der praktischen Vernunft. Frankfurt am Main, 141998. S. 108.
[23] Rink: Immanuel Kant über Pädagogik. S. 193.
[24] Rink: Immanuel Kant über Pädagogik. S. 196.
[25] Rink: Immanuel Kant über Pädagogik. S. 193.
- Quote paper
- Ines Jachomowski (Author), 2004, Wozu Erziehung? Über die Theorie der Erziehung bei Kant und Rousseau, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58409
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