Mittelschüler werden oftmals als dumm, unsozial und faul bezeichnet. In vielen Medienberichten erscheinen sie außerdem als gewalttätig, aggressiv oder unbeschulbar. Sie werden also häufig mit negativen Stereotypen oder Vorurteilen in Verbindung gesetzt, dadurch gesellschaftlich ausgegrenzt und gedemütigt. Keine andere Schulart in Deutschland hat einen so schlechten Ruf wie die Mittelschule, die auch als Restschule oder als Sorgenkind der Schulpolitik bekannt ist. Und dieser schlechte Ruf färbt natürlich auch auf die eigene Schülerschaft ab.
Doch welche Annahmen stimmen wirklich? Welche Stereotype und Vorurteile treffen auf die Schüler der Mittelschule zu? In dieser Arbeit werden ausgewählte Stereotypen und Vorurteile näher betrachtet und mit empirischen Befunden be- oder widerlegt. Des Weiteren wird auf die Sicht der Mittelschüler, ihre Stigmatisierung und die daraus folgende sich selbst erfüllende Prophezeiung eingegangen. Die Arbeit abschließen wird ein Ausblick auf mögliche Wege, um Vorurteilsbildung entgegenzuwirken.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Unterschied zwischen Stereotypen und Vorurteilen
2.1. Das Stereotyp
2.2. Das Vorurteil
3. Ausgewählte Stereotype und Vorurteile
3.1. Migrationshintergrund
3.2. Gewalttätig bzw. Straftätig
3.3. Fehlender Schulabschluss
3.4. Äußeres Auftreten
4. Umgang der Mittelschüler mit Stereotypen
4.1. Stigmatisierung und sich selbst erfüllende Prophezeiung
4.2. Vorurteilsbildung entgegenwirken
5. Fazit
Literaturverzeichnis
Internetquellen
1. Einleitung
„Dumm, unsozial und faul“ (Globert 2008, o.S.) – mit solchen Adjektiven werden Mittelschüler oft gleichgesetzt. In vielen Medienberichten erscheinen sie außerdem als gewalttätig, aggressiv oder unbeschulbar. Sie werden also häufig mit negativen Stereotypen oder Vorurteilen in Verbindung gesetzt, dadurch gesellschaftlich ausgegrenzt und gedemütigt. Keine andere Schulart in Deutschland hat einen so schlechten Ruf wie die Mittelschule, die auch als Restschule oder als Sorgenkind der Schulpolitik bekannt ist. Und dieser schlechte Ruf färbt natürlich auch auf die eigene Schülerschaft ab. Knapp 30% der Befragten gaben in einem narrativen Interview an, sie würden Mittelschüler als „nicht so intelligent“ (Ehret et al.,2017, S.1) wahrnehmen und weitere 30% halten sie für „asozial“ (Ehret et al. 2017, S.1). Diese Aussagen bestätigen nur die medialen Ansichten und lassen den/die Mittelschüler-/in in einem schlechten Licht erscheinen. Doch welche Annahmen stimmen wirklich? Welche Stereotype und Vorurteile treffen auf die Schüler der Mittelschule zu? In der folgenden Arbeit werden ausgewählte Stereotype und Vorurteile näher betrachtet und mit empirischen Befunden be- oder widerlegt. Des Weiteren wird auf die Sicht der Mittelschüler, ihre Stigmatisierung und die daraus folgende sich selbst erfüllende Prophezeiung eingegangen. Die Arbeit abschließen wird ein Ausblick auf mögliche Wege um Vorurteilsbildung entgegenzuwirken.
2. Der Unterschied zwischen Stereotypen und Vorurteilen
Unser Denken und Handeln wird stets unbewusst durch unsere Umwelt beeinflusst. Dabei helfen beispielsweise Schemata, Stereotype und Vorurteile um ein „Denken ohne Mühe“ (Aronson et al. 2008, S. 57) zu ermöglichen. Um sich mit Vorurteilen und Stereotypen bezüglich der Mittelschüler auseinanderzusetzen, ist es zunächst wichtig, den eigentlichen Unterschied zwischen diesen beiden Mechanismen ersichtlich zu machen, denn fälschlicherweise werden Stereotype und Vorurteile oft gleichgesetzt, ohne zu verstehen, was sich dahinter eigentlich verbirgt.
2.1. Das Stereotyp
Stereotype werden allgemein als Meinungen beschrieben und haben „zunächst eine handlungserleichternde Funktion“ (Wiater/ Manschke 2012, S. 191). Sie helfen uns, die Schwierigkeit und Vielschichtigkeit unserer sozialen Umwelt zu reduzieren und dienen somit dazu, im Alltag besser zurechtzukommen. Somit vereinfachen bzw. verzerren wir komplexe Eigenschaften oder Verhaltensweisen von Personen, Gruppen oder Nationen (vgl. Thomas 2006, S. 4). Des Weiteren sind Stereotype Vorstellungen von Eigenschaften oder Verhaltensweisen von anderen Menschen, die daraufhin in eine bestimmte Gruppe eingeordnet werden (vgl. Wiater/ Manschke 2012, S. 191). Stereotype sind nicht immer wahr, beruhen jedoch auf unseren Wahrnehmungen und Erfahrungen. Außerdem sind sie notwendig, um uns in unserer Umwelt orientieren zu können und den Kontakt zu anderen zu erleichtern. Folglich brauchen wir Stereotype, die als eingewurzelt in unseren Alltag gelten und somit unverzichtbar sind. Dennoch sollte man lernen, mit ihnen richtig umzugehen, dass sie sich nicht zu Vorurteilen entwickeln (vgl. Thomas 2006, 117).
2.2. Das Vorurteil
Ein verwandter Begriff des Stereotyps ist der des Vorurteils. Ein solches entsteht, wenn man die Meinung, also das Stereotyp mit Emotionen in Verbindung bringt und es nicht stetig überdenkt und hinterfragt. „Vorurteile sind falsche, einseitige, negative Urteile“ (Thomas 2006, S.3), die vorschnell gefasst werden und somit der schnellen Orientierung dienen. Durch ihre Vielschichtigkeit sind sie nur schwer aufzuheben und oft halten wir auch schlichtweg aus Bequemlichkeit daran fest. Prinzipiell können Vorurteile über alle Gruppen von Menschen bestehen, dennoch treten sie häufiger zwischen Personen verschiedener Kulturen auf, also werden beispielsweise Ausländer bevorzugt (vgl. Thomas 2006, S. 3-8). Zur Bildung eines Vorurteils gibt es häufig keinen entscheidenden Auslöser, sie entstehen quasi „aus dem ‚Nichts’, also schon bei minimalem Kontakt“ (Thomas 2006, S. 9) und sind erstaunlich beständig. Auch wenn Vorurteile häufig unkorrekt sind, haben sie dennoch für den Einzelnen einen hohen Nutzen und zwar den der Erhöhung des „positiven Selbstwertes“ (Thomas 2006, S.17).
3. Ausgewählte Stereotype und Vorurteile
3.1. Migrationshintergrund
Befragt man zufällig ausgewählte Passanten in Würzburg in einem narrativen Interview über Mittelschüler, so fällt auf, dass die Meinungen über diese größtenteils negativ behaftet sind. Bei der Frage, wie hoch man den Migrationsanteil in Mittelschulen schätze, so geben etwa 67% der Befragten an, sie schätzen ihn auf mehr als die Hälfte (vgl. Ehret et al. 2017, S. 2). Daraufhin stellte sich die Frage, ob der „Ausländeranteil“ wirklich so erstaunlich hoch ist, oder ob die Medien dieses Stereotyp nur so gepuscht haben.
Um diese Frage beantworten zu können, ist es zunächst wichtig anzumerken, dass sich die folgenden Zahlen auf den ISB Bildungsbericht 2015 und sich somit nur auf Bayern beziehen. Auch geht diese Arbeit von dieser Definition von Migrationshintergrund aus:
„Alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderte, alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deutsche Geborene mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil“ (ISB 2015, S. 5)
Zu Beginn richten wir unseren Blick auf die allgemeinen Zahlen der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Bayern. Obwohl hier die Rede von ganz Bayern ist, ist der Anteil dieser Menschen regional sehr unterschiedlich und lässt sich wie ein Flickenteppich darstellen. 2011 hatten etwa 1.060.000 der 6- bis unter 18-Jährigen keinen und 404.000 schon einen Migrationshintergrund. Laut der Prognose für 2024 soll der Anteil der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund auf 463.000 steigen, also um 15% zunehmen. Die Gründe hierfür sind natürlich die hohe Zuwanderungsrate aber auch die etwas höher gewordene Geburtenrate und das jüngere Alter der Migranten in Bayern (vgl. ISB 2015, S.5f). Wenn man nun die Mittelschulen genauer betrachtet, dann lässt sich feststellen, dass im Jahr 2013 51% der Schüler/innen der 4. Jahrgangsstufe ohne deutsche Staatsangehörigkeit auf die Mittelschule übergetreten sind. Zum Vergleich sind nur 16% auf die Realschule gegangen (vgl. ISB 2015, S. 221). In der Jahrgangsstufe 8 der Mittelschulen war der Prozentrang der Migranten 2013 bei etwa 56% und 18% in Realschulen und Gymnasien (vgl. ISB 2015, S. 219). Daraus lässt sich schließen, dass die Annahme, viele Kinder mit Migrationshintergrund gehen auf die Mittelschule, stimmt, denn über die Hälfte der Schüler sind Migranten oder haben einen Migrationshintergrund.
Da diese Kinder und Jugendlichen einen Großteil der Mittelschüler ausmachen und durch ihre soziale Herkunft und fremden Kulturen sehr heterogen sind, „ist es eine wichtige Aufgabe des Schulwesens, diese Kinder und Jugendlichen gemäß ihrer individuellen Stärken und Schwächen zu fördern“ (ISB 2015, S. 210), z.B. mit Hilfe von Deutschförderkursen bzw. -klassen oder Übergangsklassen.
3.2. Gewalttätig bzw. Straftätig
Ein Brief der Neuköllner Rütli-Hauptschule hat 2006 für Aufsehen gesorgt. Er beschrieb nicht unterrichtbare und gewalttätige Schüler/innen und teilweise „menschenverachtendes Auftreten“ (Clasen 2014, S. 106 zit. N. Pick 2007, S. 124). Und dem soll als nächstes auf den Grund gegangen werden. Sind Mittelschüler tatsächlich gewalttätiger bzw. aggressiver und begehen mehr delinquente Handlungen als beispielsweise Realschüler oder Gymnasiasten? Unter delinquente Handlungen werden hier etwa Schwarzfahren oder das Fahren ohne Führerschein aber auch das Schulschwänzen mit einbezogen. Gewalttaten wiederrum schließen Raub, Erpressung oder Körperverletzung mit ein.
Es haben 2006 26% der Mittelschüler mindestens eine Gewalttat begangen, zum Vergleich waren es nur etwa 10% der Gymnasiasten. Jugendliche, die fünf oder mehr Gewalttaten begangen haben, finden sich auch häufiger an Mittelschulen mit etwa 7%, wohingegen unter den Gymnasiasten nur 2% Gewaltmehrfachtäter sind. (vgl. Clasen 2014, S. 107 zit. N. Baier/ Pfeiffer 2007, S. 17-26). Auch innerhalb der Schule sind Mittelschüler auffällig. Knapp 40% der männlichen und 17% der weiblichen Mittelschüler haben 2006 mindestens eine Gewalttat innerhalb der Schule begangen. Erwähnenswert ist hier noch, dass ebenfalls 40% der männlichen Realschüler gewalttätig innerhalb ihrer Schule waren und etwa 34% der männlichen Gymnasiasten. Bei den Mädchen sind die Unterschiede jedoch viel größer. So sind 17% der Mittelschülerinnen und 4% der Gymnasiastinnen Schulgewalttäter. Ein großer Unterschied wiederum gibt es bei jenem Verhalten, „das einerseits selbst als Problemverhalten gilt, andererseits zugleich auch als Ursache gewalttätigen Verhaltens diskutiert wird: das Schulschwänzen“ (Baier/ Pfeiffer 2007, S. 3). Mittelschüler, die am häufigsten Gewaltverbrechen begehen, bleiben zudem oft fünf oder mehr Tage in der Woche unentschuldigt der Schule fern. Fast jeder fünfte Mittelschüler wird überdies als Mehrfachschwänzer abgestempelt. Bei Gymnasiasten sind dies nur knapp 7% (vgl. Baier/ Pfeiffer 2007, S. 3).
Somit lässt sich erkennen, dass es „einen Zusammenhang zwischen der Schulform und dem Verhalten der Schüler“ (Clasen 2014, S. 108) gibt, denn im Bereich des Gewaltverhaltens und des Schulschwänzens schneiden die Mittelschüler am höchsten ab. Gründe hierfür sind beispielsweise der schlechtere sozioökonomische Status der Schüler. 25% der Mittelschüler haben kein eigenes Zimmer, um ungestört für sich zu sein und um sich abreagieren zu können. Natürlich spielt auch der Erziehungsstil eine entscheidende Rolle. Fast 20% der Mittelschüler haben schon einmal elterliche Gewalt erfahren müssen und ebenfalls 20% mussten mit ansehen, wie die Eltern gegeneinander gewalttätig wurden. Da Mutter und Vater als Verhaltensvorbilder gelten und ihren Kindern grundlegende Werte vermitteln, werden elterliche Handlungsmuster übernommen und selbst ausgeführt. Auch Gewaltspiele an Computer oder Spielkonsole haben Einfluss auf die Kinder und Jugendlichen., wobei 41% der Mittelschüler solche Kampfspiele häufiger spielen. So wie das Elternhaus haben auch Freunde oder die Peergruppe eine gewisse Macht untereinander. Zwei Drittel der Mittelschüler gaben an, Freunde zu haben, die schon mal eine straftätige Handlung begangen haben, bei den Gymnasiasten waren dies etwa die Hälfte. All diese Faktoren begünstigen die Möglichkeit einer delinquenten Handlung oder einer Gewalttat, wobei Mittelschüler deutlich am stärksten betroffen sind. Um dem entgegen zu wirken wäre es sinnvoll, den Medienkonsum zu verringern, v.a. wenn es um Gewalt oder Kriege geht. Hierbei sollte der Nachmittag sinnvoller gestaltet werden. Ganztagsschulen wären beispielsweise eine gute Möglichkeit, die Schüler zu unterstützen. Schon eine warme Mahlzeit und Hilfe bei den Hausaufgaben kann vieles bewirken. Ein Angebot aus sportlichen Tätigkeiten kann den Mittelschülern zudem helfen, besser mit ihrer Aggressivität umzugehen, da sie eine Gelegenheit haben, all ihren Frust loszuwerden und sich auszupowern (vgl. Baier/ Pfeiffer 2007, S.4f). „Es geht darum, den […] [Mittelschülern] Perspektiven zu eröffnen, wie sie ihr Leben gewaltfrei und positiv gestalten können“ (Baier/Pfeiffer 2001, S.5).
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- Quote paper
- Anonymous,, 2017, Schüler von Mittelschulen, Vorurteile und Stereotypen. Der Mittelschüler das unbekannte Wesen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/583945
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