Inhaltsverzeichnis
1. Standortbestimmung
1.1. Religion und Kultur
1.2. Theologische Interessen
1.3. Intrinsische Motivation
2. Konstruktivistische Pädagogik und Evangelische Theologie
2.1. Zugang
3. Grundannahmen der Konstruktivistischen Pädagogik
4. Christlicher Glaube
5. Wirklichkeit
5.1. Wirklichkeit – konstruierte Realität
5.1.1. Systembetrachtung aus der Binnenperspektive?
5.1.2. Innen-Außen-Kurzschluss
5.1.3. Notwendig relativ?
5.2. Wirklichkeit – interpretierte Realität
5.3. Rechtfertigung aus Glauben Überwindung der incurvatio in se
6. Selbstgesteuertes Lernen
6.1. Selbstorganisation und Subjektivierung
6.2. Die Würde des Menschen
7. Konsequenzen für die Erwachsenenbildung
Literaturverzeichnis
1. Standortbestimmung
Ein Blick auf die Themenstellung der vorliegenden Arbeit und die kritische Diskussion der Konstruktivistischen Pädagogik innerhalb des pädagogischen Diskurses wirft zunächst die Frage auf: Warum auch noch eine theologischen Kritik? Darauf sei einleitend mit drei kurzen Bemerkungen geantwortet.
1.1. Religion und Kultur
Zunächst ist festzuhalten, dass die christliche Religion in ihren unterschiedlichen Ausdrucksformen sowohl unsere europäische Kultur prägt, als auch ein Teil von ihr ist. Nach protestantischem Verständnis gehört die Auseinandersetzung mit kulturellen Entwicklungen und wissenschaftlichem Fortschritt als Ausdruck der Bejahung wissenschaftlicher Welterkenntnis und Beitrag zur kulturellen Orientierung der Gegenwart in die Verantwortung menschlicher Freiheit im christlichen Glauben.[1] „Der Glaube sieht die Wirklichkeit Gottes und die Wirklichkeit der Welt zusammen. (...) Er sondert sich nicht von der weltlichen Erfahrungswirklichkeit ab, sondern lässt sich auf sie ein. Aber er deutet sie in einer Weise, in der die Vorläufigkeit und Relativität dieser Erfahrungswirklichkeit nicht geleugnet, sondern ins Licht gesetzt wird.“[2]
1.2. Theologische Interessen
Denn als eine „Funktion des Glaubens“[3] hat evangelische Theologie in der Wirklichkeit des christlichen Glaubens sowohl ihre Begründung, als auch ihre Begrenzung und erhält aus dem „ spezifischen Geltungsanspruch des christlichen Glaubens für das menschliche Leben“[4] ihren Auftrag.
Indem christliche Theologie den Glauben jeweils zeitgemäß zu verstehen, auf seinen Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen und seine Tragfähigkeit zu bestätigen sucht, steht die Theologie unter dem Vorzeichen von Erkenntnisinteresse und Erhaltungsinteresse.
In der Wissensgesellschaft, in die wir eingetreten sind, haben wir es mit einem weitreichenden Traditionsabbruch zu tun.[5] „Gerade in einer solchen Zeit muss neu gefragt werden, wie sich die Rede von Gott zur Wirklichkeit der Welt verhält, die wir emphatisch als „Weltlichkeit“, als Wirklichkeit ohne Gott deuten. Aufs Neue sind wir also dazu herausgefordert, die spezifische Welterfahrung der Moderne zu deuten und theologisch zu verarbeiten. (...) Es geht also darum, die Rede von Gott und die Wirklichkeit der Welt weder beziehungslos auseinandertreten noch miteinander zusammenfallen zu lassen.“[6]
1.3. Intrinsische Motivation
Schließlich beruht die Arbeit auf der intrinsischen Motivation der Verfasserin und hat meinen christlichen Glauben und die akademische evangelisch theologische Erstausbildung, sowie die Berufstätigkeit in der Erwachsenenbildung, das Fernstudium Erwachsenenbildung in Kaiserslautern und das Interesse an und die Erfahrungen mit Konzepten konstruktivistischer Pädagogik in Theorie und Praxis zu berücksichtigen. Mit dieser evangelischen Perspektive ist zum einen der primäre konfessionelle Bezugsrahmen der theologischen Argumentation gegeben und deren Begrenzung markiert. Zum anderen wird klar, woher das erkenntnisleitende Interesse an der Fragestellung kommt und worin es besteht.
Der traurige Verdacht des völligen Fehlens jeglicher transzendenten Orientierung der Erwachsenenpädagogik außerhalb kirchlicher Trägerschaft und maßgeschneiderter Verkaufsstrategien moderner Unternehmensberatungen[7] regte eine intensive Suche nach Bezugnahme der neueren pädagogischen Literatur auf Gott an. Doch letztlich verhärtete sich der Verdacht zur schmerzhafte Feststellung einer offensichtlich modernistischen Gottvergessenheit.
„Die Frage nach Transzendenz und ihrer Bedeutung für zukunftsfähige Bildung wird weithin vergessen oder verdrängt. Für die meisten Expertisen und Stellungsnahmen zum Bildungsverständnis heute scheint es kaum ein Thema zu geben, das ferner liegt, als das von Glaube, Religion und Transzendenz.“[8]
2. Konstruktivistische Pädagogik und Evangelische Theologie
So verwundert es nicht, dass die Pädagogik unter der Rezeption erkenntnistheoretischer Theorien des Konstruktivismus[9] zu didaktischen Schlussfolgerungen kommt, die mit dem christlichen Glauben m.E. nicht vereinbar sind.
Auf neurobiologischer Grundlage vertritt der Konstruktivismus die These, dass das menschliche Gehirn als autopoietisches, operational geschlossenes System selbstreferentiell und strukturdeterminiert arbeitet. Daher wird Realität nicht subjektunabhängig repräsentiert, sondern Wirklichkeit konstruiert. Der pädagogische Konstruktivismus führt dazu aus, „dass Wirklichkeitskonstruktion ein lebenslanger Lernprozess ist“[10] und mitmenschliches Zusammenleben notwendig auf Verschränkung unterschiedlicher Perspektiven und Toleranz gegenseitiger Wirklichkeitskonstrukte beruht.
Demgegenüber rechnet christlicher Glaube mit der Erkennbarkeit der geschaffenen Welt und der transzendentalen Bestimmung der Wirklichkeit durch Gott. Durch sein Offenbarungshandeln erschließt sich Gott dem Menschen als „die Alles bestimmende Wirklichkeit“[11], die den Zusammenhang alles Seienden konstituiert.
Für die evangelische Theologie stellt der Wirklichkeitsbegriff, der in der Konstruktivistischen Pädagogik zum Ausdruck kommt, einen Irrtum dar, der das Wesen Gottes als Grund des Seins verkennt und somit auch dem Menschen in der Bildungsarbeit nicht gerecht werden kann.
Die vorliegende Arbeit will daher am Wirklichkeitsverständnis der Konstruktivistischen Pädagogik eine Grenze zu christlicher Theologie aufzeigen, welche „so vernünftig sein kann, sich nicht selbst zum Maß der Wirklichkeit des Menschen zu machen. Sie soll ihr vielmehr mit der menschenmöglichen aufklärenden Klarheit dienen, die Raum läßt für das eigene Entdecken der vielen anderen Möglichkeiten seines Seins, die ihn des Reichtums seiner niemals zu erarbeitenden Geschöpflichkeit inne werden lassen.“[12]
Es bleibt die Hoffnung, auch konstruktivistischen Lesern derart System perturbierende Impulse geben zu können, dass Re-/ Konstruktionen eines christlichen Wirklichkeitsverständnisses möglich werden.
2.1. Zugang
Darin, dass weltliche Erfahrungswirklichkeit relativ und vorläufig ist und verschiedene Wirklichkeitsverständnisse nebeneinander bestehen, sind sich evangelische Theologie und pädagogischer Konstruktivismus einig. Einer zusammenfassenden Darstellung konstruktivistisch pädagogischer Grundannahmen wird daher ein Kapitel vom christlichen Glauben gegenüber gestellt, um zur Transparenz der zugrunde liegenden Beobachterperspektive beizutragen.
In diesem Rahmen kann es nicht um eine vollständige Aufzählung von Schlüsselbegriffen und deren kritische Interpretation gehen. „In Sachen Konstruktivismus ist nichts einfacher, als sich kompliziert auszudrücken. Autopoiesis, Selbstreferenzialität, Perturbanzen und andere Termini helfen dabei, diesen Effekt zu erzeugen.“[13] Daher können hier nur einzelne konstitutive Elemente der Konstruktivistischen Pädagogik betrachtet werden. Auf deren kurze Darstellung folgen Einwände der wissenschaftlichen Pädagogik und davon differenziert eine theologische Deutung und Kritik.
Abschließend ist nach den Konsequenzen der Betrachtung für die Erwachsenenbildung zu fragen.
3. Grundannahmen der Konstruktivistischen Pädagogik
So wenig das menschliche Gehirn prinzipiell in der Lage ist, außersubjektive Realitäten beobachterunabhängig zu erkennen, kann es vorgegebene Vorstellungen und Orientierungen übernehmen, ohne sie zu interpretieren und zu deuten. So konstruieren wir unsere Lebenswelt, die aus unseren Selbstbildern, Fremd- und Weltbildern besteht, in aktiver Selbsttätigkeit der strukturellen Koppelung des Gehirns mit der Außenwelt. Die Rezeption der Wahrnehmungen erfolgt selektiv und ist bestimmt durch vorhandene emotionale und kognitiven Strukturen. Entscheidend für die Auswahl, Aufnahme und Deutung äußerer Einflüsse sind Viabilität und Anschlussfähigkeit an vorhandenes Wissen, Erfahrungen und Deutungen. Emotionale Grundmuster, die situative Passung neuen Wissens in vorhandene Wissensstrukturen und die Interpretation auf der Basis individueller Erfahrungen sind ausschlaggebend für Wirklichkeitskonstruktionen.
Mit dieser aktiven Übernahme der Steuerungs- und Kontrollprozesse sind Lernprozesse gegeben, die Deutungen und Konstruktionen unserer Wirklichkeit initiieren, vorhandene Wirklichkeitskonstruktionen entdecken, übernehmen und rekonstruieren, sowie die Transformation von Deutungsmustern und die Dekonstruktion von Wirklichkeitskonstruktionen im Sinne kritischer Neuordnung ermöglichen.[14]
Die Identität des denkenden Subjekts steht ihrer Umwelt souverän gegenüber und setzt sich im Prozess der Wechselwirkung mit ihr auseinander. Aufgrund subjektiver Erfahrung und Willens konstruiert der Mensch auch seine eigene Identität unter einem lebenslangen, dialektischen Prozess von Gegensätzen. Lebensgeschichte und Kontextbezug bedingen den konstruktivistischen Gedanken der Autonomie des Subjekts.
Horst Siebert kann daher die These explizieren, „dass Wirklichkeitskonstruktion ein lebenslanger Lernprozess ist.“[15]
In der Strukturdeterminiertheit des Lernens zeigt sich der Zusammenhang von Kognition, Emotion und Physis. Die Selektion in der Wahrnehmung und die Verarbeitung der Informationen hängt von kognitiven und affektiven Strukturen ab. Diese stellen einen Schutz vor Überflutung durch Impulse dar, ordnen Informationen in bestehende Wissensnetze und Kontexte ein und prüfen die Anschlussfähigkeit neuen Wissens. In Lernprozessen sichert das autopoietische System seine Handlungs- und Anpassungsfähigkeit in Abhängigkeit von biographischen, situativen und sozialen Kontexten.
Der Lehr- Lernprozess wird wechselseitig beeinflusst durch individuelle Erwartungen, Wirklichkeiten und Wirkungen. Die Erkenntnisse der Lernenden können nur vorläufig und relativ sein, denn die Lernprozesse beruhen nicht auf der Annahme der Übernahme von Wissen. Damit tritt ein objektiver Wahrheitsanspruch gegenüber der Pluralität der Sichtweisen zurück. Damit Inhalte jeweils vom autonomen Subjekt im Kontext des eigenen Selbstkonzeptes konstruiert werden können, sollen Lernumgebungen die Selbststeuerung und Selbstevaluation fördern.
Lernprozesse messen sich am Kriterium der Viabilität für das Überleben. Unter der Bedingung der Viabilität konstruieren wir unser Weltbild, Rekonstruieren wir unsere Biographie, verständigen wir uns mit anderen Menschen und reflektieren im Sinne einer Beobachtung zweiter Ordnung unsre Perspektivität. Auch die Bedingung der Sinnhaftigkeit unserer Identitäts- und Lebensweltkonstruktion lässt sich letztlich auf das Kriterium der Viabilität im Lernprozess zurückführen.[16]
Die individuelle Wirklichkeitskonstruktion verlangt eine „Kompetenz: Konstruktivität“, die es dem Individuum ermöglicht, „den Konstruktionscharakter, die Relativität und Perspektivität unserer Wirklichkeiten“[17] wahrzunehmen und zu reflektieren. Reflexivität als „Habitus“[18] ist eine Forderung des pädagogischen Konstruktivismus, die das Subjekt in die Verantwortung für die eigenen Wahrnehmungen, Kognitionen und Handlungen nimmt und Bildung als den reflexiven Identitäts- und Lebensweltbezug Wirklichkeit konstruierender Lernprozesse versteht.
4. Christlicher Glaube
Mit W. Härle gilt: „ ‘Glaube’ bezeichnet nach christlichem Verständnis das grundlegende, daseinsbestimmende Vertrauen oder Sich-Verlassen eines Menschen auf ein Gegenüber “[19].
Als Hintergrund kann die Ontologie Paul Tillichs herangezogen werden. In seinem Buch „Mut zum Sein“ erweist er die Frage nach der Verhältnisbestimmung von Nichtsein, der Negation aller Begriffe, und Sein als notwendigen Denkinhalt, und beantwortet diese: „Das Sein schließt sich selbst und das Nichtsein ein. [...] Der Grund alles Seienden ist keine tote Identität ohne Bewegung und Werden, sondern er ist lebendiges Schaffen. Schaffend bejaht er sich selbst, indem er ewig sein eigenes Nichtsein überwindet. Das macht den Grund des Seins zum Urbild der Selbstbejahung alles Seienden und zur Quelle des Mutes zum Sein.“[20]
Im Glauben erfährt sich der Mensch von Gott, dem Sein-Selbst bejaht. Diese Erfahrung gibt dem Menschen Mut, sich selbst zu bejahen.
Das Selbsterschließungshandeln Gottes als Grund des Seins ist konstitutiv für den christlichen Glauben, der unbedingte geschichtliche Wirklichkeit ist, in der Geschichte entsteht und Anteil an ihr hat[21]. Denn mit dem kategorialen Unterschied zwischen Wesen und Erscheinung einer Sache ist keine Trennung verbunden, sondern Einheit[22]. So ist das Wesen des christlichen Glaubens das grundlegende, daseinsbestimmende Vertrauen oder Sich-Verlassen eines Menschen auf Gott, das in geschichtlicher Wirklichkeit in Erscheinung tritt. Unbedingt ist der Glaube, weil er nicht von Bedingungen abhängt, die sich etwa durch die Lebensgestaltung ergeben, weil er unabhängig ist von Intensität und Maß, in dem er menschliches Leben und Handeln bestimmt. Er richtet sich auf das, was als „Leitdifferenz“[23] über Sein und Nichtsein entscheidet, auf das Sein-Selbst. Gott allein rechtfertigt als Gegenüber das Vertrauen, auf das sich der Mensch unbedingt verlassen und von dem er Gutes erhoffen kann[24].
Der Zusammenhang von dem Verständnis Gottes als Urheber der Selbstoffenbarung und dem Verständnis des Selbst in Korrelation zur Welt als Empfänger der Selbstoffenbarung stellt als umfassendes Verständnis der Wirklichkeit den Gehalt der Selbstoffenbarung Gottes als „Gott-in-Beziehung“[25] dar. Das „Wirklichkeitsverständnis ist eine das Dasein mit all seinen konstitutiven Elementen und Aspekten umfassende Deutung bzw. Interpretation“[26], die sich einem Menschen erschlossen hat. Glaube ist daher weder verfügbar, noch zwingt die Selbsterschließung Gottes zum Glauben. Glaube und ein damit verbundenes Wirklichkeitsverständnis ist Geschenk und Angebot Gottes, dem gegenüber sich der Mensch annehmend, aber auch verweigernd verhalten kann.
Ein christliches Wirklichkeitsverständnis erschließt sich immer erst in seiner Beziehung von Gott her, denn christlicher Glaube ist Schöpfungsglaube, der alles Seiende auf den Urgrund des Seins zurück führt und von ihm bestimmt weiß. „Dabei ist es für das biblische Schöpfungsverständnis wesentlich, dass die Dinge nicht einfach an sich existieren, sondern dass Gott seine Schöpfung sinnvoll geschaffen hat. So ist es auch hier nicht einfach das Chaos einer beziehungslosen Mannigfaltigkeit, in welches Gott den Menschen stellt, sondern Gott ordnet das Chaos. Er gibt den geschaffenen Dingen einen Namen und gründet damit zugleich Beziehungen, setzt die Dinge zueinander in eine Verhältnis (Gen 1).“[27] Im christlichen Glauben erschließt sich dem Menschen die Gegebenheit des Daseins als Herausforderung, sich zu dieser Gegebenheit mit ihrer von ihrem Ursprung her gegebenen Bestimmung zu verhalten. Die Anerkennung dieser für das christliche Wirklichkeitsverständnis konstitutiven relationalen Ontologie s tellt keine menschliche Leistung dar, sondern besteht vielmehr im Geschehen-Lassen und Gelten-Lassen des Gegebenen als eines von Gott gegebenen Daseins einschließlich der Bestimmung seiner Geschöpfe.[28]
Als Teil der Schöpfung versteht sich der Mensch im Zusammenhang des Daseins und es ist ihm aufgegeben, sich zu ihr verantwortungsvoll zu verhalten. „Der Glaube sieht ein, daß er in unaufgebbarer Solidarität mit aller welthaften Wirklichkeit – dem anorganisch Seienden, dem organischen und allen Formen des Lebens – steht.“[29]
5. Wirklichkeit
5.1. Wirklichkeit – konstruierte Realität
Der pädagogische Konstruktivismus bestreitet das Vorhandensein einer bewußtseinsunabhängigen Realität [30] nicht, aber es gibt kein beobachterunabhängiges Wissen davon.[31] Entsprechend schwer fällt es, das, wovon wir - unter Rückgriff auf I. Kant - „an sich“ nichts wissen können, in Worte zu fassen. Die Rede ist dann von äußerer Realität, äußerer Welt, Außenwelt, äußeren Gegenständen oder auch Umwelt.
Wirklichkeit kann beschrieben werden als konstruierte Realität auf der Grundlage selbstreferentieller Geschlossenheit und autopoietischer Aktivität unseres Nervensystems.
Damit ergeben sich folgenden Merkmale:
Wirklichkeit
- entsteht in Folge kognitiver, emotionaler und körperlicher Aktivität
- entsteht durch aktive Gestaltung der Lebenswelt
- erfindet sich selbst, kontrolliert und bestätigt sich selbst
- beinhaltet Aspekte „erster Ordnung“, die sich auf Wahrnehmungskonsensus beziehen
- ist konstruierte Realität unter dem Aspekt „zweiter Ordnung“
- ist selbstreferentiell und perspektivisch
- misst sich an Viabilität im Dienst der Selbsterhaltung
- ist relativ und unterliegt keinen objektiven Maßstäben
- ist selbstverantwortet und misst sich selbst Bedeutung zu
- erhebt keinen Wahrheitsanspruch
- ist immanent und instrumentalistisch
- ist unabgeschlossen und vorläufig
- ist interessegeleitet und muss mit Sinn gefüllt werden
- ist trügerisch, kann betrogen werden und ist nicht entschuldbar
- ist unteilbar und nicht vermittelbar
- kann nicht beurteilt werden, kann nicht verglichen werden
- unterliegt der Lernmotivation, ist Iernbar und intellektabhängig
- ist angewiesen auf Lernfähigkeit und Sprachfähigkeit Perturbation, Differenzerfahrungen und Reflektionsfähigkeit
- fordert Toleranz gegenüber anderen Wirklichkeiten
5.1.1. Systembetrachtung aus der Binnenperspektive?
Die These, das Gehirn als geschlossenes System könne nichts abbilden, was außerhalb des Gehirns vorhanden ist, setzt voraus, dass das System Gehirn nur interne neuronale Signale zur Deutung der Realität zur Verfügung hat. Eigenschaften eines Systems können aber nur festgestellt werden, wenn das System als Ganzes betrachtet wird. Dazu bedarf es einer Außenperspektive. „Man kann aus der begrenzten Binnenperspektive des Systems, aus dem kausalen Netz neuronaler Zustände, keine Eigenschaften erkennen, die man nur von außerhalb – also: im Hinblick auf die Funktionen des Gesamtsystems – erkennen kann.“[32] Daher stellt sich die Frage, woher die Erkenntnis funktionaler Operationsmechanismen des Gehirns stammt.
5.1.2. Innen-Außen-Kurzschluss
Die Frage könnte dann geklärt werden, wenn nicht Prozesse autonomer Informationsverarbeitung des Gehirns auf die Prozesse menschlichen Erkennens und Lernverhaltens übertragen würden. „Und nur weil das Gehirn auf Grund seiner Beschaffenheit sich seine kognitive Welt aus den Klicks der Nervenzellen konstruieren muss, kann man nicht darauf schließen, dass Lernende ihr Wissen stets aus authentischen, nicht von Lehrern für das Lernen aufbereiteten Informationen ebenfalls konstruieren sollen. Diese weitgehende Gleichsetzung von kognitionsintern ablaufenden Prozessen mit dem erkennbaren Lernverhalten eines Menschen ist in der Lernpsychologie als „Innen-Außen- Kurzschluss“ bekannt.“[33]
Auch die Unterscheidung zwischen internem und externem Beobachter eines Systems ist wenig hilfreich. Denn während dem internen Beobachter innere Systemzustände zugänglich sind, bleiben diese dem externen Beobachter eines geschlossenen Systems notwendig verborgen und er kann nur etwas über das durch die inneren Zustände ausgelöste Verhalten aussagen, nicht über diese selbst.[34]
5.1.3. Notwendig relativ?
Erklärt sich die konstruktivistische „These von der prinzipiellen Nicht-Erkennbarkeit einer objektiven Realität“[35] nicht auf neurobiologischer Grundlage, fragt sich, mit welchen Setzungen etwa der Interaktionistische Konstruktivismus innerhalb der Pädagogik an dieser These festhält. Kersten Reich schreibt dem Subjekt sowohl die Funktionen des Selbstbeobachters, als auch des Fremdbeobachters zu. „Als Fremdbeobachter sehen wir uns (als Selbstbeobachter) kritisch (in unseren Selbstbeobachtungen).“[36] Ohne die Möglichkeit der Erkenntnis einer nicht konstruierten Realität des Selbst verfügt eine solche Kritik jedoch über keinerlei Maßstab. Es scheint, als dürfe die Realität (hier „das Reale“) nur deshalb nicht erkennbar sein, damit jeglicher Wahrheitsanspruch im Sinne des Konstruktivismus weiterhin bestritten werden kann. So lautet eine Setzung: „Das Reale erscheint immer dann, wenn unsere Grenzziehungen und Ordnungen, unsere Erklärungen und Verständnisse, unsere Vorhersagen nicht aufgehen.“[37] Dass wir uns aber im Bereich konstruierter Wirklichkeit befinden, wenn diese Grenzziehungen und Ordnungen, Erklärungen, Verständnisse, und Vorhersagen „aufgehen“, scheint lediglich eine definitorische Notwendigkeit zu sein.
5.2. Wirklichkeit – interpretierte Realität
Im Glauben erkennt der Mensch die Wirklichkeit als vorhandene Schöpfung Gottes. Mit diesem Verständnis der Wirklichkeit erschließt sich ein neues Selbstverständnis und Selbstverhältnis des Menschen und im Wissen um das Gegebensein allen menschlichen Daseins entstehen neue zwischenmenschliche Beziehungen, gesellschaftliche Strukturen und Ordnungen.[38]
Wirklichkeit kann beschrieben werden als interpretierte Realität.
Es ergeben sich folgende Merkmale:
Wirklichkeit
- ist eine das Dasein umfassende Interpretation und Sinndeutung
- ist durch Zeichen vermittelte Interpretation vorhandener Realität
- ist bejahte Schöpfung Gottes und erschließt sich von Gott her
- unterliegt der Dialektik von Sein und Nichtsein
- enthält eine von ihrem Ursprung her mit gesetzte Bestimmung
- kann im Erkenntnisakt erschlossen werden und ist veränderbar
- konkurriert mit anderen Deutungen und lässt ein Sich-Verhalten zu
- verbindet Menschen miteinander und mit allem Seienden
- begründet menschliche Verantwortung für die Umwelt
- ist teilbar, kommunizierbar und vermittelbar
- kann beurteilt werden, ist überprüfbar und verifizierbar
- erhebt Anspruch auf Geltung und Wahrheit
5.3. Rechtfertigung aus Glauben Überwindung der incurvatio in se
Mit dem unter 5.1. dargestellten Wirklichkeitsbegriff trennt sich die Konstruktivistische Pädagogik von ontologischen und metaphysischen Wahrheitsansprüchen und hebt den klassischen Subjekt-Objekt-Dualismus zugunsten eines relationalen Verhältnisses auf.[39] Dafür zahlt sie einen hohen Preis: „Der Konstruktivismus treibt die Individualisierung erkenntnistheoretisch auf die Spitze, er beweist die Selbstverantwortlichkeit des einzelnen und entlastet das System. Außerdem enthält er die geheime Botschaft: Wenn es Dir schlecht geht, liegt das an Deiner Wirklichkeitskonstruktion.“[40] Trotzdem hält die Konstruktivistische Pädagogik an diesem aus christlicher Sicht unmenschlichen Wirklichkeitsbegriff fest und nimmt die Auswirkungen der scheinbar durch den Konstruktivismus bewiesenen „Selbstverantwortlichkeit des einzelnen“ auf ein – kaum expliziertes – Menschenbild in Kauf: „Der Konstruktivismus bestätigt die grundsätzliche Anthropozentrik und auch Egozentrik menschlicher Existenz.“[41]
Sinngebung und Bestimmung, sogar das Vermögen einer notwendigen „Selbstwerdung des Menschen“[42] sind in die Verfügungsgewalt individueller Wirklichkeitskonstruktionen gestellt. Der Mensch ist darauf angewiesen, sich selbst zu entwerfen und selbst zu inszenieren.
Diesen heillosen Versuch der Selbstinszenierung nennt Martin Luther „incurvatio in se“ und bringt dagegen die paulinische Botschaft von der Rechtfertigung des Menschen „allein durch den Glauben“ (Röm 3,28) zur Geltung. „Der Rechtfertigungsglaube befreit den Menschen vom Zwang zur Selbstinszenierung, von der Fixierung auf sich selbst und seinen eigenen Lebenskreis.“[43]
Im Glauben an die Rechtfertigung bejaht ein Mensch seine Existenz unter dem Vorzeichen des Personsein des Menschen, das er immer schon ist und seiner Bestimmung zum Subjekt als seiner ihm von Gott gegebenen Bestimmung zur Ebenbildlichkeit. Dieser Bestimmung kann der Mensch entsprechen, sie aber auch verfehlen. „Menschliches Handeln scheitert auch, es tun sich Abgründe auf, die der Mensch aus eigener Kraft nicht einfach schließen kann. Menschliches Handeln ist gefährdetes Handeln. Der Mensch erlöst sich nicht aus eigenem Tun.“[44]
Gegenüber dem Gedanken einer Selbsterlösungs- und Selbstentschuldungskompetenz des Menschen ist christliches Wirklichkeitsverständnis bestimmt vom Glauben an die Wirklichkeit verändernde Zusage der Vergebung Gottes. Die auf Grund dieser Zusage geglaubte Rechtfertigung, nach der die gestörte Beziehung des Menschen zu Gott von Gott wieder hergestellt wird, verändert im Akt rezeptiver[45] und produktiver[46] Erkenntnis die Wirklichkeit des Menschen.
Erkennend verhält sich der Mensch zur Schöpfung, zu sich selbst, zu seiner Umwelt und zu Gott, erkennend nimmt er Wirklichkeit wahr.
Mit einem relational ontologischen Wirklichkeitsverständnis tritt christlicher Glaube der Anthropozentrik immanenter Wirklichkeitskonstruktionen und anthropozentrischen Selbsterlösungsvorstellungen entgegen.
6. Selbstgesteuertes Lernen
„Lernen als Konstruktion von Wirklichkeit“[47] ist aktive Gestaltung unserer Lebenswelt und Identität. Gelernt wird, was anschlussfähig, bedeutungsvoll und viabel ist, erfolgreiche Handlungen ermöglicht und zu Problemlösungen beiträgt. Dabei bedingt die Selbstreferenzialität des menschlichen Gehirns, dass Wissen nicht von außen in das System transportiert werden kann, sondern vom lernenden Subjekt in einem selbstgesteuerten, situativen, emotionalen und sozialen Prozess generiert wird. Wissenserwerb ist daher auch identitätsstiftende Kompetenzentwicklung und auf Selbstlernkompetenzen angewiesen.
Die Förderung von Selbstlern-, Selbstreflexions- und Selbsterschließungskompetenz dient einerseits der Persönlichkeitsentwicklung mit dem Erwerb von emotionaler Kompetenz und kreativer Problemlösungskompetenz und ist andererseits ein grundlegendes Bildungsziel von Lerngesellschaften. Denn „Selbstlernstrategien bzw. Selbstlernfähigkeit von erwachsenen Lernern stellen eine grundlegende Voraussetzung dafür dar, dass erwachsene Lerner in der Lage sind lebenslang und selbstgesteuert zu lernen.“[48]
Eine Selbstorganisation des Lernprozesses unter aktivierender und moderierender Begleitung des Lernenden durch den Lehrenden trägt der Selbststeuerung nachhaltigen Lernens Rechnung..
6.1. Selbstorganisation und Subjektivierung
Die Annahme, selbstorganisiertes Lernen führe zu nachhaltigem Wissen und die Verfügung des Subjekts über Lernziele, Inhalte und Methoden sei dem konstruktiven Prozess erwachsener Lerner angemessener, als ein fremdgesteuertes Lernen, untergräbt ihre eigenen konstruktivistischen Voraussetzungen. „Denn wenn es für das erkennende System nur viable Konstruktionen gibt, werden solche Unterscheidungen irrelevant, zumindest aus der Organismusperspektive – dem internen Beobachter. Ob das Wissen aus fremdorganisierten Kontexten aufgebaut wird oder in selbstorganisierten authentischen Lernkontexten ist dann nur aus der Beobachterperspektive (externer Beobachter) relevant.“[49] Und auch die konstruktivistischen Erkenntnisse von Lernprozessen können keinen Geltungsanspruch erheben, sondern lediglich darauf verweisen, dass sie viable Konstruktionen der Konstrukteure darstellen. Im Trend einer Ökonomisierung der Bildung kann die Forderung nach Selbststeuerung und Selbstorganisation des Lernens zugunsten individuell verfügbarer, entprofessionalisierter und nachfrageorientierter Bildungsangebote nutzbar gemacht werden. Professionspraktiken der Bildung werden rationalisiert, Subjektivierung wird zum Kapital, Lernen zur Investition.[50] Weiterbildung wird als Feld etabliert, das die Funktionen hat, „Subjektivierungspraktiken“ und die „Transformation gesellschaftlicher Problemlagen in biographische Entwicklungsprojekte“ hervorzubringen.[51]
6.2. Die Würde des Menschen
Mit dem Gedanken der Konstruktion des Selbst und dem Kriterium der Viabilität verweist die Konstruktivistische Pädagogik den Menschen in die perspektivlose Isolation der Selbstbestimmung. Die konstitutiven Begriffe Autopoiesis und Selbstbestimmung bedingen, dass die Grenze der Entfaltung des Selbst die Selbstorganisation und das Selbstbestimmungsrecht des anderen ist. Die Viabilität subjektiver Wirklichkeitskonstruktionen und das Bedürfnis nach Homöostase verweisen daher nicht notwendig auf Toleranz und Bereitschaft zum Perspektivwechsel, und stellen keine Grundlage für den Zusammenhalt sozialer Systeme dar. Autopoiesis, Selbstbestimmung und Viabilität setzen Menschen nicht zueinander in Beziehung, sondern schränken sich gegenseitig ein. Eine Folge ist der Rückzug in die Individualisierung, die normative Ausbildung von Subjektivierungspraktiken und eine Funktionalisierung des Subjekts.
Die Hinwendung Gottes zu seiner Schöpfung und in besonderer Weise zum Menschen, verleiht dem Menschen unaufgebbare Würde, die den Wert eines Menschen nicht abhängig macht von seinen Leistungen. Die Achtung der Menschenwürde stellt keine Begrenzung zwischen Menschen dar, sondern sie setzt Menschen zueinander in Beziehung und stellt sie in einen größeren Zusammenhang. Die Liebe Gottes und die Bestimmung des Menschen zur Ebenbildlichkeit geht aller menschlichen Wahrnehmung, Interpretation und Erkenntnis voraus und wird nicht durch subjektive Eigenschaften definiert, sondern durch die Art der Beziehungen, zu denen der Mensch als Teil der Schöpfung von Gott bestimmt ist – zu Gott, allem Seienden und zu sich selbst.
In seiner Schrift „Die Krankheit zum Tode“ (Kopenhagen 1849) entfaltet Sören Kierkegaard eindrücklich den Inhalt des Begriffes „Selbst“:
„Das Selbst ist ein Verhältnis das sich zu sich selbst verhält oder ist das im Verhältnis, daß das Verhältnis sich zu sich selbst verhält (...) Ein Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält, ein Selbst, muß sich entweder selbst gesetzt haben oder durch ein anderes gesetzt sein.“[52]
Für christliche Anthropologie sind das In-Beziehung-Sein des Menschen und seine ihm vom Gott her zukommende Bestimmung konstitutiv. Als Beziehungswesen und Bildungswesen ist er davor bewahrt, sich selbst zu garantieren und „sich mit dem jeweils erreichten Stand seiner (Identitäts-) Bildung zu identifizieren“[53]. Das Infragestellen der eigenen Ziele, der Ausrichtung, der eigenen Identität gehört zu einem Leben im Glauben dazu.
Nicht Selbstbestimmung und Viabilität sind maßgeblich für eine Interpretation des Selbst, sondern ein Leben unter Zuspruch und Anspruch der Liebe Gottes in Christus.[54]
„Wer sein Leben lieb hat, der wird es verlieren“ (Joh 12,25), sagt Jesus Christus, und wer sich selbst sucht, der wird nicht mehr finden, als sich selber. „Das Evangelium erlaubt uns nicht, bei uns selber zu wohnen“, so umschreibt es Fullbert Steffensky, denn: „Es gibt keine Befreiung in der eigenen Tiefe“.[55]
Die Ausrichtung auf Gott bewahrt christliches Leben vor immanenten Wirklichkeitskonstruktionen und Selbstinszenierungen.
7. Konsequenzen für die Erwachsenenbildung
Aus der hier dargestellten theologischen Sicht stellt der Wirklichkeitsbegriff in der Konstruktivistischen Pädagogik für die Erwachsenenbildung eher eine Gefährdung der Souveränität der Lernenden dar, als eine Bereicherung.
Mit dem Verweis von Glaube, Religion und Transzendenz in den Bereich kultureller Deutungsmuster blendet die Pädagogik einen wesentlichen Teil des Menschseins aus der Theoriebildung aus.
Für die Erwachsenenbildung ergibt sich daraus ein verkürztes Menschenbild, das eine transzendente Ausrichtung des Menschen nicht berücksichtigt.
Das dahinter zu vermutende Wunschbild eines von Natur aus unabhängigen, sich selbst verantwortenden Menschen, der sich innerhalb der Dialektik des Seins sich selbst konstruierend frei bewegen kann birgt in seiner Maßlosigkeit für die Erwachsenenbildung zwei Risiken:
Das Selbst ist sich seiner Begrenzung nicht bewusst.
Lernprozesse als subjektive Wirklichkeitskonstruktionen unterliegen überhöhten Machbarkeitsphantasien und scheitern an der Realität von Grenzerfahrungen.
Das Selbst ist sich seiner Möglichkeiten nicht bewusst.
Lernprozesse als subjektive Wirklichkeitskonstruktionen werden als Überforderung erlebt und scheitern an Angst und Unsicherheit.
Mit dem Wirklichkeitsbegriff in der Konstruktivistischen Pädagogik fällt ein umfassender Bildungsbegriff, der als Allgemeinbildung, kulturelles Gedächtnis, u.m. soziale Systeme stabilisiert.
Ein Bildungsverständnis, das statt dessen auf konstruktiven Kompetenzen und Individualisierungspraktiken lernender Erwachsener aufbaut, gibt den Anspruch auf Chancengleichheit beim Bildungszugang auf und favorisiert ein privilegiertes Klientel.
Das Lernen in sozialen Kontexten tritt gegenüber der Forderung nach mehr Selbstorganisation in Bildungsprozessen zurück. Damit wird Menschen in Bildungsprozessen wieder programmatisch unterstellt, dass sie primär an Wissenserwerb interessiert sind, was gerade von der Konstruktivistischen Pädagogik an anderer Stelle gern angezweifelt wird. Mit der Selbstorganisation von Lernprozessen entfällt jedoch in der Regel ein wesentlicher Teil ihres Beziehungsgefüges. Entzieht die zunehmende Individualisierung auch der Antizipation eines künftigen, gemeinsamen Lebens in universaler Solidarität den Boden?
Indem gesellschaftliche Probleme individualisiert und deren Ursachen verdeckt werden, wird Erwachsenenbildung zum Instrument der Disziplinierung Erwachsener.
Nach evangelischem Bildungsverständnis[56] aber gilt Bildung einer Welt, die nicht so bleiben kann, wie sie ist, und nicht nur dem Subjekt, das auch ganz anders sein könnte.
Erklärung
„Ich versichere, dass ich die Masterarbeit selbständig und nur unter Verwendung der angegebenen Quellen und Hilfsmittel angefertigt und die benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.“
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[...]
[1] Huber, W., Orientierungswissen in evangelischer Perspektive, S. 22.
[2] Huber, W., Die Rede von der Weltlichkeit der Welt.
[3] Härle, W., Dogmatik, S. 10.
[4] Härle, W., Dogmatik, S. 11.
[5] Huber, W., Die Rede von Gott und die Weltlichkeit der Welt.
[6] Huber, W., Die Rede von Gott und die Weltlichkeit der Welt.
[7] „Erfolgreich wird, wer FK und MA dabei hilft, sich Klarheit über Ziele und Handeln zu verschaffen. Die Nutzung von Werte-Tradition und Glauben schafft generationsübergreifende Motivation aus Eingebundenheit – als gelungene Synthese aus unternehmerischen und persönlichen Zielen. Und als Basis für eine neue Führungskultur.“ Haus Victoria GmbH Unternehmensberatung: Am Anfang steht der Glaube. Tradierte Wertesysteme und persönliche Glaubensprinzipien als moderne „PE-Roadmap“ zu nachhaltiger Führungsqualität, Messe Nachrichten, S. 7.
[8] Rat der EKD, Maße des Menschlichen, S. 85.
[9] Zur Theoriebildung im Konstruktivismus vgl. Arnold, R./Siebert, H., Konstruktivistische Erwachsenenbildung, S. 41 – 79. Zur Unterscheidung von radikalem, methodischem, sozialem und interaktionistischem Konstruktivismus, sowie konstruktivem Realismus vgl: Reich, K., Zum Realitätsbegriff im Konstruktivismus, S. 20 ff.
[10] Siebert, H., Pädagogischer Konstruktivismus, S. 29.
[11] Bultmann, R., Glaube und Verstehen, S. 26.
[12] Krötke, W., Was ist ‘wirklich’? S. 17.
[13] Mitschian, H., Konstruktivismus als neue Leitwissenschaft für das Sprachenlernen? S. 2.
[14] Vgl. Reich, K., Systemisch-konstruktivistische Pädagogik, S. 141 - 144.
[15] Siebert, H., Pädagogischer Konstruktivismus. S. 29.
[16] Siebert, H., Pädagogischer Konstruktivismus, S. 29-35.
[17] Ebd., S. 132.
[18] Ebd., S. 135.
[19] Reich, K., Zum Realitätsbegriff im Konstruktivismus, S. 56.
[20] Tillich, P., Mut zum Sein, S. 34.
[21] Härle, W., Dogmatik, S. 72.
[22] Ebd., S. 75.
[23] Ebd., S. 59.
[24] Ebd., S. 58.
[25] Ebd., S. 83.
[26] Ebd., S. 84.
[27] Schwab, U., Kirche als Prozess, S. 22.
[28] Härle, W., Menschsein in Beziehungen, S. 64f.
[29] Härle, W., Rechtfertigung, S. 51f.
[30] Die Begriffe Realität und Wirklichkeit werden in der Konstruktivistischen Pädagogik unterschiedlich gebraucht. So unterscheidet beispielsweise K. Reich „Realität“ und „Wirklichkeit“ als Konstruktionen des Menschen von dem unabhängig von uns wirkenden „Realen“ (Reich, K., Zum Realitätsbegriff im Konstruktivismus, S. 2.), während R. Arnold und H. Siebert diese Unterscheidung sprachlich mit den Begriffen „Wirklichkeit“ und „Realität“ vollziehen (Arnold, R./Siebert, H., Konstruktivistische Erwachsenenbildung, S. 89.).
[31] Reich, K., Zum Realitätsbegriff im Konstruktivismus, S. 2.
[32] Pongratz, L., Untiefen im Mainstream, S. 50.
[33] Mitschian, H., Konstruktivismus als neue Leitwissenschaft für das Sprachenlernen? S. 23.
[34] Schüßler, I., Paradoxien einer konstruktivistischen Didaktik, S. 89.
[35] Arnold, R./Siebert, H., Konstruktivistische Erwachsenenbildung, S. 15.
[36] Reich, K., Einführung, S. 1.
[37] Ebd., S. 2.
[38] Härle, W. Menschsein in Beziehungen, S. 65f.
[39] Siebert, H., Pädagogischer Konstruktivismus, S. 11.
[40] Arnold, R./Siebert, H., Konstruktivistische Erwachsenenbildung, S. 23.
[41] Siebert, H., Pädagogischer Konstruktivismus, S. 11.
[42] Arnold, R., Die Systematik des pädagogischen Feldes, S.VIII.
[43] Härle, W., Menschsein in Beziehungen, S. 412.
[44] Schwab, U., Kirche als Prozess, S. 23.
[45] Im Akt rezeptiver Erkenntnis entsteht durch eine vorgegebene externe Realität, durch einen äußeren Impuls, ein Sinneseindruck beim erkennenden Subkjekt. Wenn dieser beim Subjekt ein passendes Zeichen, einen Repräsentanten des Gegenstandes hervorruft und dadurch interpretiert, gedeutet wird, entsteht Erkenntnis und das Subjekt kann sich dem Erkenntnisgegenstand gegenüber intentional, bewußt wählend verhalten. Härle, W., Dogmatik, S. 199.
[46] Der produktive Akt der Erkenntnis bezieht sich auf die Erkenntnis des Möglichen. Das erkennende Subjekt wird durch Erkenntnisse und Erkenntnisgegenstände in selbsttätiger Leistung zur Überprüfung und Differenzierung seines Zeichenbestandes stimuliert. Durch weitere Ausdifferenzierung oder Korrektur produziert das Subjekt weitere Erkenntnis, die als neuer Erkenntnisgegenstand zur Verfügung steht, also als veränderte Wirklichkeit. Härle, W., Dogmatik, S. 201ff.
[47] Siebert, Pädagogischer Konstruktivismus, S. 29
[48] Arnold, R., Selbstlernfähigkeit, pädagogische Professionalität und Lernkulturwandel.
[49] Schüßler, I., Paradoxien einer konstruktivistischen Didaktik, S. 89.
[50] Forneck, H.J., Das „unregierte“ Subjekt, S. 126.
[51] Ebd., S. 124f.
[52] Kierkegaard, S., Die Krankheit zum Tode. S. 10.
[53] Müller, P. Ebenbild und Bildungswesen, in: Grünwaldt, K./Hahn, U. (Hrsg.), S. 50.
[54] „Wie Jesus Christus Gottes Zuspruch der Vergebung aller unserer Sünden ist, so und mit gleichem Ernst ist er auch Gottes kräftiger Anspruch auf unser ganzes Leben; durch ihn widerfährt uns frohe Befreiung aus den gottlosen Bindungen dieser Welt zu freiem, dankbarem Dienst an seinen Geschöpfen. Wir verwerfen die falsche Lehre, als gebe es Bereiche unseres Lebens, in denen wir nicht Jesus Christus, sondern anderen Herren zu eigen wären, Bereiche, in denen wir nicht der Rechtfertigung und Heiligung durch ihn bedürften.“ (Die Theologische Erklärung der Bekenntnissynode von Barmen, These II, 29. – 31.05.1934.
[55] Steffenski, F., Wo der Glaube wohnen kann, S.40.
[56] „Bildung zielt auf eine gottoffene Humanität. Evangelisches Bildungsverständnis versteht den Menschen als ein Beziehungswesen. Sein Menschsein verwirklicht sich in den Beziehungen, in denen sich seine Existenz vollzieht: in der Beziehung zu Gott, in der Beziehung zu den Mitmenschen und zur Mitwelt, in der Beziehung zu sich selbst. Gerade um dieser Beziehungen willen darf Bildung nicht auf das äußere Erlernen der Beherrschung von Mitteln beschränkt werden. Zu ihr gehört zugleich die Einübung in diese Beziehungen: eine Erziehung zur Wahrheit und damit zur Offenheit für die Gottesfrage, eine Erziehung zu Gerechtigkeit und Erbarmen und damit zu einer Kultur der Anerkennung im Miteinander der Menschen, eine Bildung für eine offene Zukunft, zu der die Sensibilität für die Bewahrung der Natur und für die Lebenschancen einer nächsten Generation gehört, und schließlich eine Bildung zur Kultur, nämlich zu einer perspektivenreichen Selbstthematisierung, die Ausbildung einer eigenen Identität mit einer respektvollen Wahrnehmung des Fremden verbindet.“ Huber, W., Bildung in der Informationsgesellschaft aus christlicher Sicht.
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- Dipl. Theol., MA Erwachsenenbildung Cornelia Susanne Zeuch (Author), 2006, Theologische Kritik des Wirklichkeitsbegriffs in der Konstruktivistischen Pädagogik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58360
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