Der stalinistische Terror gegen den eigenen Apparat ist zumindest in einer Hinsicht einzigartig. Kein anderes totalitäres System richtet die Repressionen so gezielt und ungebändigt gegen die eigenen Eliten. Während der großen Säuberung Ende der 30er Jahre kam ein Großteil der Führung der kommunistischen Partei ums Leben. Hinzukommen Spitzenfunktionäre aus der Verwaltung und nahezu das gesamte Oberkommando der Roten Armee. Die Ursachen dieser selbst zerstörerischen Gewalt werden oftmals in der psychopathischen Persönlichkeit Stalins gesucht, was in Anbetracht der Irrationalität des Terrors auch durchaus sinnvoll erscheinen mag. Diese Arbeit geht einen anderen Weg. Sie stellt die Frage, ob der scheinbar absoluten Willkür nicht doch eine rationale Zielsetzung zugrunde lag. Also ob es, abseits nicht rekonstruierbaren Persönlichkeitsstörungen einer einzelnen Person, eine Logik des Terrors gab, die dem System und den Umständen und nicht allein Stalin entsprang. Ausgehend von der These Rittersporns, dass die KPdSU Mitte der 30er Jahre ein für Stalin in seinem Herrschaftsanspruch kaum tolerierbares Eigenleben entwickelt hatte, wird der Versuch unternommen, die Gewalt der großen Säuberung als logische Reaktion des Systems auf diese Entwicklungen zu interpretieren. Die Grundannahme, die im Einzelnen nachzuweisen sein wird, lautet hierbei wie folgt. Der große Terror im eigenen Apparat stellt den Versuch Stalins dar, Mitte der 30er Jahre durchaus vorhandene Tendenzen zu zum Zentrum paralleler Herrschaft auszuschalten und auch für die Zukunft auszuschließen. Ziel war es, die Apparate vollständig und unbedingt einer Person zu unterstellen. Dabei war es weniger relevant wer verfolgt und eingesperrt oder erschossen wurde, sondern vielmehr das dies jederzeit jedem geschehen konnte. Es sollte ein spezifisches von permanenter Angst geprägtes Klima geschaffen werden, das auch dem kleinsten, vom Zentrum am weitesten entfernten Funktionär die Allmacht Moskaus vor Augen führte. Das dabei auch gezielt unliebsame Führungsfiguren ausgeschaltet wurden, dürfte im Angesicht der Moskauer Schauprozesse deutlich sein. Das Hauptaugenmerk lag allerdings auf der Verbreitung von Angst und Schrecken in der Breite des Apparats.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Hauptteil
- 1. Die KPdSU unmittelbar vor der großen Säuberung
- 2. Die Ermordung Kirows und der Begin der großen Säuberung
- 3. Der Konflikt zwischen Zentrum und Peripherie
- 4. Stalin übernimmt die Initiative
- 5. Fallbeispiele
- 5.1 Iwan Rumjancew
- 5.2 Sergo Ordshonikidses Rumjancew
- 5.3 Nikolai Jeshow
- 6. Die,,Logik\" des Terrors
- 7. Opfer und Nutznießer des Terrors
- III. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit beschäftigt sich mit dem stalinistischen Terror gegen den eigenen Apparat und untersucht die Frage, ob dieser Terror, trotz seiner scheinbar absoluten Willkür, auf einer rationalen Zielsetzung beruhte. Es wird untersucht, ob es, jenseits nicht rekonstruierbarer Persönlichkeitsstörungen Stalins, eine "Logik" des Terrors gab, die sich aus dem System und den Umständen ableiten lässt.
- Die KPdSU unmittelbar vor der großen Säuberung: Wachstum und Wandel der Partei, Entwicklung einer "eigenen" Machtbasis.
- Die Ermordung Kirows und der Beginn der großen Säuberung: Die Ermordung Kirows als Wendepunkt und Auslöser für Stalins Säuberungen.
- Der Konflikt zwischen Zentrum und Peripherie: Auseinandersetzung zwischen der zentralen Parteiführung und den lokalen Machtzentren.
- Die "Logik" des Terrors: Analyse der rationalen Gründe für den Terror, die sich aus Stalins Machterhalt und der Kontrolle über den Apparat ergeben.
- Opfer und Nutznießer des Terrors: Die Auswirkungen des Terrors auf verschiedene Gruppen und Einzelpersonen innerhalb der Partei und im System.
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die Entwicklung der KPdSU in der Zeit vor der großen Säuberung und zeichnet ein Bild der sich verändernden Partei, die zunehmend von Karrieristen und Opportunisten infiltriert wurde. Das zweite Kapitel behandelt die Ermordung Kirows als Wendepunkt und Ausgangspunkt für Stalins gezieltes Vorgehen gegen die Opposition innerhalb der Partei. Es wird beleuchtet, wie Stalin die Ermordung zu seinem Vorteil nutzte, um die Säuberungen zu rechtfertigen.
Schlüsselwörter
Stalinismus, Terror, große Säuberung, KPdSU, Zentrum und Peripherie, Machtkampf, "Logik" des Terrors, Opfer, Nutznießer, Apparat, Kontrolle.
- Quote paper
- Jan Trützschler (Author), 2006, Stalins Terror gegen den eigenen Apparat - Rationalität im Irrationalen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57968