Den Namen Johann Peter Hebel verbinden die meisten Deutschen - wenn sie ihn denn mit etwas verbinden - mitKannitverstanundUnverhofftes Wiedersehen.Diesen Erzählungen begegnet man gewöhnlich im Deutschunterricht. Sie sind Hebels bekannteste Texte und vor allemUnverhofftes Wiedersehenwurde in der Literaturwissenschaft beachtet. Dies kann man darauf zurückführen, daß die Erzählung im Rahmen einer 'Dichteraufgabe' entstand. Sie geht auf eine wahre Begebenheit zurück, die sich 1670 in Falun ereignet hat. Die ZeitschriftJasonberichtet davon nun im Jahre 1809 und die Redaktion fordert dazu auf, diesen Stoff dichterisch zu bearbeiten, da sich die Wundersamkeit des Ereignisses dafür geradezu anbiete. Es folgten zahlreiche poetische Ausge-staltungen, Lyrik oder Prosa, zum Beispiel von Achim von Arnim, E. T. A. Hoffmann, Friedrich Hebbel und 1810 natürlich Johann Peter Hebel. Und darum bot sichUnverhofftes Wiedersehenhervorragend für vergleichende literaturwissenschaftliche Arbeiten an (was aber hier nicht weiter berücksichtigt wird). Unverhofftes Wiedersehenverdankt seine Popularität und seine Beachtung in der germanistischen Forschung jedoch vor allem seiner erzählerischen Raffinesse. Besonders der Abschnitt, in dem in kürzester Erzählzeit und ohne Anstrengung fünfzig Jahre über-brückt werden, hat den Beifall von Literaturkritikern und -wissenschaftlern gefunden. Er ist zu einem anschaulichen und geradezu klassischen Beispiel für das Phänomen der ‚Raffung’ geworden. Berühmte Schriftsteller und Gelehrte wie Johann Wolfgang Goethe, Franz Kafka und Walter Benjamin haben den Erzähler Johann Peter Hebel durch ihr begeistertes Urteil geadelt, ihn regelrecht empfohlen. Und keine Besprechung desUnverhofften Wiedersehenskommt aus, ohne die absolute Behauptung Ernst Blochs zu erwähnen, es handele sich hierbei um „die schönste Geschichte der Welt“. Ursprünglich sollte diese Arbeit nur eine Interpretation und Analyse desUnverhofften Wiedersehenswerden, kombiniert mit einerkurzenAbhandlung, was eine Kalendergeschichte sei. Doch stellte sich im Laufe meiner Lektüre heraus, daß dieses Problem noch keine überzeugende Lösung gefunden hat und immer noch Fragen aufwirft. Also geriet meine Arbeit immer mehr zu einem Aufsatz über die Gattungsdefinition.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Der Kalender und seine Geschichten
- 1. Entwicklung des Kalenders
- 2. Die Kalendergeschichte - ein Definitionsversuch
- III. Die verschwundene Zeit - das Unverhoffte Wiedersehen
- IV.Schlußbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Gattung der Kalendergeschichte und ihrer Bedeutung im Kontext der deutschen Literatur. Sie zielt darauf ab, die Entwicklung und Definition dieses Genres zu beleuchten und anhand von Johann Peter Hebels "Unverhofftes Wiedersehen" eine tiefgreifende Analyse dieser spezifischen Form zu liefern.
- Die Entstehung und Entwicklung des Kalenders als Medium der Informationsverbreitung
- Die Definition und charakteristischen Merkmale der Kalendergeschichte
- Die Bedeutung von Hebels "Unverhofftes Wiedersehen" für die Literaturgeschichte
- Die Rolle von Zeit und Erinnerung in der Kalendergeschichte
- Die Analyse der erzählerischen Raffinesse und der spezifischen Zeitstruktur in "Unverhofftes Wiedersehen"
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Kalendergeschichte ein und stellt Hebels "Unverhofftes Wiedersehen" als zentrales Beispiel vor. Sie beleuchtet die Entstehung der Erzählung im Rahmen einer Dichteraufgabe und ihre Popularität in der Literaturwissenschaft. Im zweiten Kapitel wird die Entwicklung des Kalenders vom 16. Jahrhundert bis zur Entstehung der Kalendergeschichte nachvollzogen. Dabei werden die Funktion des Kalenders als zeitliches Orientierungsmittel, seine Bedeutung für das Bürgertum sowie die Hinzufügung historischer und erbaulicher Stoffe betrachtet. Im dritten Kapitel folgt eine Analyse von Hebels "Unverhofftes Wiedersehen" im Lichte der gewonnenen Erkenntnisse über die Kalendergeschichte.
Schlüsselwörter
Kalendergeschichte, Johann Peter Hebel, "Unverhofftes Wiedersehen", Zeit, Erinnerung, Erzähltechnik, Raffung, Literaturgeschichte, Gattung, Definition, Anekdote, Bürgertum, Historie, Volkskalender, Praktika, Kaledarium.
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- Florian Burkhardt (Author), 2005, Was ist eine Kalendergeschichte? Wie interpretiert man Hebels "Unverhofftes Wiedersehen"?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57855