Der durch Kenneth Waltz begründete moderne Neorealismus ist eine Fortentwicklung der Realismustheorie von Hans Morgenthau, welcher diese 1948 erstmalig in Politics Among Nations formulierte. 1 Weder Realismus noch Neorealismus beanspruchen einen umfassenden Modellcharakter für sich, der die Internationalen Beziehungen vollständig erklären könnte. Insbesondere Waltz erklärt, dass es der einzige Anspruch seiner Theorie ist, „[to explain] a small number of big and important things.“ 2 Tatsächlich lässt sich behaupten, dass es sich sowohl beim Realismus als auch Neorealismus um Akteurstheorien handelt, die das interstaatliche Verhalten, seine Gründe und Dynamik durch die Strukturen von Anarchie und Polarität im internationalen Staatengefüge zu erklären versuchen. Der Neorealismus steht somit in der Tradition des Realismus, übertrifft ihn aber theoretisch: erklärte der Realismus Kriege durch die Natur des Menschen, hält der Neorealismus diese Erklärung nicht für ausreichend. Kenneth Waltz als Hauptvertreter ging daher, anders als die Realisten, szientistisch vor: er wandte ein deduktives Verfahren und ging an die Erarbeitung von generellen Mustern in der internationalen Politik.3 Dies bedingte natürlich, dass der Neorealismus eine andere Analysekategorie verwendete, wollte er doch die Ursachen für spezielle Ereignisse mit allgemeinen Gegebenheiten begründen: diese Analysekategorie ist das internationale Staatensystem.4
Der Anspruch des Neorealismus, respektive von Waltz als herausragendem Vertreter, war somit die Begründung einer systemischen Theorie. Dem Realismus hingegen ging es um eine reine Außenpolitiktheorie.5
Dies ist vielleicht auch aus der Entstehungsgeschichte dieser Denkschule heraus zu verstehen: Waltz` Ansprüche und Vorgehen gehen aus einer Analyse seiner Kritik an anderen Theorien der Internationalen Beziehungen, unter anderem eben auch am Realismus selbst, hervor: die meisten Theorien, inklusive des Realismus, betrachteten die Außenpolitik eines Staates und fügten diese „Außenpolitiken“ dann zu einem detaillierten Ergebnis zusammen, aus dem sichallerdings keinerlei universell gültigen Aussagen ableiten ließen. Sein Anspruch ist es also eine schlanke Theorie mit allgemein gültiger Aussagekraft zu entwerfen.6
Inhaltsverzeichnis
- Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das implizite Modell der Neorealisten
- Struktur und System
- Die anarchische Struktur und eine negative Sicht
- Staaten als wichtigste Handlungsträger: warum handeln sie?
- Was erklärt werden soll
- Die Hypothesen
- Stärken und Schwächen, Kritik und Nutzen
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Neorealismus, begründet von Kenneth Waltz, ist eine Weiterentwicklung der Realismus-Theorie von Hans Morgenthau. Die Theorie zielt darauf ab, die wichtigsten und relevanten Phänomene im internationalen System zu erklären, indem sie die anarchische Struktur des Systems und die daraus resultierenden Handlungsmotive der Staaten analysiert.
- Anarchie als zentrales Merkmal der internationalen Struktur
- Staaten als Akteure in einem anarchischen System
- Macht und Sicherheit als zentrale Handlungsmotive
- Polarität und deren Einfluss auf die Stabilität des Systems
- Neorealismus als systemische Theorie, die das Verhalten von Staaten durch strukturelle Bedingungen erklärt
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in den Neorealismus als Denkschule der Internationalen Beziehungen ein und beleuchtet die Entwicklung des Neorealismus aus dem Realismus. Die Theorie des Neorealismus zeichnet sich durch eine systemische Perspektive aus und erklärt das Verhalten von Staaten anhand der Struktur des internationalen Systems.
Kapitel III beschreibt das implizite Modell der Neorealisten, welches vereinfachte Annahmen über die Struktur des Systems und die Rolle der Staaten verwendet. Die Struktur des Systems ist durch Anarchie und Polarität gekennzeichnet, die die Handlungen der Staaten beeinflussen.
Kapitel IV.1 beleuchtet die Struktur des Systems und ihre Attribute. Die Anarchie des Systems, das Fehlen einer übergeordneten Instanz, führt zu Selbsthilfe und Machtstreben der Staaten. Die Polarität, die Anzahl der Großmächte im System, beeinflusst die Stabilität und Dynamik des Systems.
Kapitel IV.2 analysiert die anarchische Struktur und deren Auswirkungen auf die Wahrnehmung des Systems durch die Staaten. Die anarchische Struktur führt zu einer negativen Sichtweise des Systems, da die Staaten sich in einer ständig unsicheren und gewalttätigen Umwelt befinden.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselbegriffe des Neorealismus sind Anarchie, Polarität, Macht, Sicherheit, Staatensystem, Struktur, System, Selbsthilfe, Internationales System, Realismus, und Waltz.
- Quote paper
- Slavjan Vujacic (Author), 2006, Neorealismus - eine Denkschule in den Internationalen Beziehungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57355