Revolutionen waren maßgeblich für das Bild des modernen Vorderen Orients verantwortlich. So stützen sich aktuell beispielsweise die politischen Systeme Libyens, Syriens und Ägyptens noch immer auf die militärisch geschaffene Neuordnung ihrer Gesellschaften. Die Initialzündung für diese Entwicklung war wohl die ägyptische Revolution von 1952, da es durch sie erstmals gelang, den Einfluss der europäischen Kolonialmächte erfolgreich und dauerhaft zurückzudrängen. Der charismatische Führer der revoltierenden Freien Offiziere, Oberst Gamal Abdel Nasser, war der so genannte „Spiritus Rector“ dieses Umsturzes und wird bis heute noch von vielen Arabern als Idol der Befreiung von der Fremdherrschaft angesehen. Dabei wird die Tatsache, dass sich sein Regime nur mit teilweise brutaler Unterdrückung der politischen Opposition am Leben halten konnte gerne übersehen. Die Revolution in Ägypten von 1952 führte zu einer schlagartigen Veränderung der politischen Situation im Nahen Osten und war gleichzeitig Ausdruck einer ganzen Generation. Die maßgebliche Kraft der Revolution war die Organisation der Freien Offiziere, die mit ihrem geistigen Führer, dem Oberst Gamal Abdel Nasser, Vorbild für viele weitere Revolutionen in der arabische Welt sein sollten.
Welche Ziele verfolgten diese jungen Offiziere, die später mit der Theorie des positiven Neutralismus und der Gründung der Blockfreien Staaten einen Kontrapunkt zum Ost-West- Gegensatz des Kalten Krieges bilden würden? Wie sicherten sie ihre Macht in einem Staat, der eigentlich nur um den Nil herum bevölkert war und dessen Politik über lange Zeit maßgeblich von Frankreich und England gesteuert wurde? Konnten die Freien Offiziere ihre Erwartungen erfüllen, ein unabhängiges Ägypten zu schaffen, dessen Politik und Verwaltung nicht korrupt war? Ist der von verschiedenen Seiten erhobene Vorwurf, die Freien Offiziere hätten gar keine ideologische Idee gehabt, als sie 1952 den Staat und den König stürzten richtig? Diesen Fragen möchte ich in der vorliegenden Hausarbeit nachgehen und möchte versuchen, mit Bezug auf die vorrevolutionäre Vergangenheit der Freien Offiziere herauszufinden, wo die Ursprünge deren innen- und außenpolitischen Handelns lagen und wie sie ihre Macht intern sicherten.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Besprechung der verwendeten Literatur
2. Geschichtlicher Hintergrund der Revolution von 1952
2.1 Innere Einflüsse auf die Freien Offiziere
2.1.1 Politische Organisationen
2.1.2 Tawfiq al-Hakim
2.2 Äußere Einflüsse auf die Freien Offiziere
2.2.1 Der britische Einfluss
2.2.2 Die Staatsgründung Israels und der Israelisch-Arabische Krieg 1948/49
3. Politische Ziele der Freien Offiziere
3.1 Durchsetzung einer neuen Wirtschaftspolitik
3.2 Schaffung einer neuen Gesellschaftsordnung
3.3 Die Außenpolitik der Freien Offiziere
4. Konsolidierung und Sicherung der Macht
4.1 Ausschaltung der Parteien
4.2 Der Kampf um die Macht zwischen Nasser und Nagib
4.3 Übernahme der Befehlsgewalt in den Sicherheitsdiensten und der Armee
Zusammenfassung und Fazit
Literaturverzeichnis
Einleitung
Revolutionen waren maßgeblich für das Bild des modernen Vorderen Orients verantwortlich. So stützen sich aktuell beispielsweise die politischen Systeme Libyens, Syriens und Ägyptens noch immer auf die militärisch geschaffene Neuordnung ihrer Gesellschaften. Die Initialzündung für diese Entwicklung war wohl die ägyptische Revolution von 1952, da es durch sie erstmals gelang, den Einfluss der europäischen Kolonialmächte erfolgreich und dauerhaft zurückzudrängen. Der charismatische Führer der revoltierenden Freien Offiziere, Oberst Gamal Abdel Nasser, war der so genannte „Spiritus Rector“ dieses Umsturzes und wird bis heute noch von vielen Arabern als Idol der Befreiung von der Fremdherrschaft angesehen. Dabei wird die Tatsache, dass sich sein Regime nur mit teilweise brutaler Unterdrückung der politischen Opposition am Leben halten konnte gerne übersehen.
Die Revolution in Ägypten von 1952 führte zu einer schlagartigen Veränderung der politischen Situation im Nahen Osten und war gleichzeitig Ausdruck einer ganzen Generation. Die maßgebliche Kraft der Revolution war die Organisation der Freien Offiziere, die mit ihrem geistigen Führer, dem Oberst Gamal Abdel Nasser, Vorbild für viele weitere Revolutionen in der arabische Welt sein sollten.
Welche Ziele verfolgten diese jungen Offiziere, die später mit der Theorie des positiven Neutralismus und der Gründung der Blockfreien Staaten einen Kontrapunkt zum Ost-West-Gegensatz des Kalten Krieges bilden würden? Wie sicherten sie ihre Macht in einem Staat, der eigentlich nur um den Nil herum bevölkert war und dessen Politik über lange Zeit maßgeblich von Frankreich und England gesteuert wurde? Konnten die Freien Offiziere ihre Erwartungen erfüllen, ein unabhängiges Ägypten zu schaffen, dessen Politik und Verwaltung nicht korrupt war? Ist der von verschiedenen Seiten erhobene Vorwurf, die Freien Offiziere hätten gar keine ideologische Idee gehabt, als sie 1952 den Staat und den König stürzten richtig?
Diesen Fragen möchte ich in der vorliegenden Hausarbeit nachgehen und möchte versuchen, mit Bezug auf die vorrevolutionäre Vergangenheit der Freien Offiziere herauszufinden, wo die Ursprünge deren innen- und außenpolitischen Handelns lagen und wie sie ihre Macht intern sicherten.
1. Besprechung der verwendeten Literatur
Ich stütze meine Hausarbeit im Wesentlichen auf vier Bücher, deren Informationen durch einige Artikel und Lexika ergänzt werden. Zu den Erstgenannten zählt das Buch von Anouar Abdel-Malek: „Ägypten: Militärgesellschaft – Das Armeeregime, die Linke und der soziale Wandel unter Nasser“[1]. Dieses Buch ist teilweise sehr pathetisch geschrieben und man kann erkennen, das Abdel-Malek durchaus nicht immer zu den Befürwortern der Revolution zählt, aber die Grundsätze der politischen und wirtschaftlichen Agenda der Freien Offiziere und Nassers eindeutig zu unterstützen scheint, wobei er meist die Ausführung bemängelt. Das Buch gibt einen sehr interessanten, nicht immer kurzweiligen Einblick in die geschichtlichen Ursprünge der Revolution und vertieft besonders die wirtschaftlichen Maßnahmen des Militärregimes.
Das zweite Buch mit dem Namen „Modern Egypt“[2] von Tom Little ist eine sehr leicht zu lesende, teilweise aber wohl gestraffte Geschichte Ägyptens. Little beschreibt sehr anschaulich die Vorgehensweise Nassers im Umgang mit General Ali Mohammed Nagib und die Abläufe im Machtapparat der Revolution.
Die folgenden zwei Bücher sind beide von P.J.Vatikiotis, der sich einerseits ausführlich mit der Jugendzeit Nassers und seinem politischen Werdegang in seinem Buch: „Nasser and his Generation“[3] beschäftigt und andererseits auch eine Geschichte Ägyptens verfasst hat (The History of Egypt[4]). Vatikiotis scheint ein sehr gut informierter Kenner der ägyptischen Revolution zu sein und überzeugt speziell durch seine Listen weiterführender Literatur. Besonders das Buch über Nasser und seine Generation ist zum tieferen Verständnis der Revolution und der Vorgänge in Ägypten seit 1952 sehr geeignet.
Neben diesen Werken gibt es noch zwei sehr interessante Nachschlagewerke. Dies wäre zum Einen das „Politische Lexikon Nahost“[5], in dem sich Friedemann Büttner mit der aktuellen Geschichte Ägyptens bis 1980 befasst. Um einen kurzen Überblick über den Gesamtablauf zu erhalten ist sein Artikel durchaus geeignet.
Zum Anderen hat Peter Pawelka ein Buch mit dem Titel: „Herrschaft und Entwicklung im Nahen Osten: Ägypten“[6] verfasst, welches jedoch sehr tief in die spezielle Politiktheorie einsteigt und sich nicht direkt mit geschichtlicher Bearbeitung sondern mit der ausführlichen Untersuchung verschiedener Herrschaftssysteme befasst.
Dazu gibt es noch eine Reihe von Artikeln, von denen besonders der von Israel Gershoni: „An Intellectual Source for the Revolution: Tawiq al-Hakim`s Influence on Nasser and his Generation“[7] hervorzuheben ist, da Gershoni äußerst interessant auf die Verbindung zwischen ägyptischer Literatur und militärischer Revolution eingeht. Besonders der Wandel Al-Hakim`s vom Befürworter zum Gegner Nassers zeigt die wachsende Ernüchterung der Intellektuellen Kreise über die Revolution von 1952.
Ein weiterer sehr aufschlussreicher Artikel stammt von James Jankowski[8]. Er stellt die Politik der Freien Offiziere von 1952 bis 1958 in Bezug zum arabischen Nationalismus und zeigt auf, wie dieser im so genannten „Nasserismus“ aufgegangen ist. Besonders interessant hierbei ist, dass er immer wieder wörtliche Zitate von Nasser selbst verwendet, die sehr viel über die Person des Obersten selbst verraten können und auch einen Einblick in die geschickte Propaganda des Militärregimes geben.
Zu empfehlen ist sicherlich auch das Heft der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) mit dem Titel „Israel“[9]. Es werden hier im Wesentlichen die Kernthemen kurzweilig zusammengefasst, welche in der Beziehung Ägyptens zu Israel sehr aufschlussreich für weitere Arbeiten sind.
Die Inaugural-Dissertation von Günther Kassian[10] setzt die Ideologie des arabischen Sozialismus in Bezug zu der islamischen Glaubenslehre. Kassian zeigt sehr deutlich auf, wie sich beispielsweise die Al-Azhar Gelehrten an die Revolutionsführer angeglichen haben um ihren Einfluss zu behalten. Gleichzeitig wird aber auch die Abhängigkeit des nasseristischen Systems von der Legitimierung durch die Religion deutlich.
2. Geschichtlicher Hintergrund der Revolution von 1952
Die Revolution der Freien Offiziere am 23. Juli 1952 und die sich daran anschließenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Veränderungen lassen sich nur im Kontext der vorangegangenen Ereignisse erklären. Die Ursprünge der Revolution finden sich in der Betrachtung der Einflüsse, denen die jungen Freien Offiziere zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausgesetzt waren. Die Mehrzahl von ihnen wurde in den Jahren 1918 und 1919 geboren.
2.1. Innere Einflüsse auf die Freien Offiziere
1919 ist das Jahr, in dem Saad Zaghlul, der populäre Führer des Wafd, eine Verfassung forderte, die 1923 unter der Regentschaft von König Fuad I. eingesetzt wurde. Die YMMA (Young Men`s Muslim Association) wurde 1927, die Muslimbruderschaft im darauf folgenden Jahr von Hassan Al-Banna und die Misr Al-Fatat („Grünhemden“) von Ahmad Hussein und Fathi Radwan 1933 gegründet. Diese drei Organisationen sollten neben den politischen Parteien wie dem Wafd, den Kommunisten oder den Saadisten auf die politischen Ansichten der führenden Mitglieder der Freien Offiziere (Anwar Sadat, Gamal Abdel Nasser, Abdel Hakim Amer oder Zakariyya Muhieddin) bedeutenden Einfluss ausüben.
2.1.1 Politische Organisationen
Die oben genannten Organisationen und Parteien möchte ich in diesem Abschnitt der Arbeit auf ihre Wirkung auf die Freien Offiziere und besonders auf deren späteren „Spiritus Rector“ Gamal Abdel Nasser untersuchen. Die bis heute bekannte Organisation der Muslimbrüder (Ihkwan al-Muslimun), gegründet 1928 von dem Lehrer Hassan Al-Banna in Ismailiyya, konnte mit ihren revolutionären Thesen von der moralischen Veränderung und ihrer Hinwendung zum Islam eine Vielzahl der jungen Menschen der 30er und 40er Jahre für sich gewinnen. In relativ kurzer Zeit gelang es Al-Banna die Mitgliederzahl seiner Organisation auf bis zu 200.000 (1943) zu steigern[11]. Die Muslimbruderschaft baute eigene Firmen, Schulen und soziale Einrichtungen auf und steigerte ihre Bekanntheit mit dem Umzug der Zentrale von Ismailiyya nach Kairo 1933. Die Organisation ist straff hierarchisch gestaltet, obwohl es in der Wahl der Funktionsträger durchaus demokratische Ansätze gibt. Die politische und religiöse Führungsfigur ist der „muršid ´amm“, der Generalführer, der bis zu seinem gewaltsamen Tod 1948 Hassan Al-Banna selbst war. Politisches Ziel war die Schaffung eines islamischen Staates, dem jedoch eine moralische Erneuerung voranzugehen habe. Die Muslimbrüder waren bereit, jede staatliche Institution zur Durchsetzung ihrer Ziele zu unterwandern.
Die „Jungen Ägypter“ (Misr Al-Fatat) gegründet 1933 von Fathi Radwan und Ahmad Hussein erwarteten vom Staat mehr Einmischung in die Wirtschaft und forderten eine Stärkung des Militärs. Der Unabhängigkeitsgedanke und der wachsende Nationalismus unter der jungen ägyptischen Generation gaben dieser Organisation den nötigen Aufwind. Der Nationalsozialismus deutscher Prägung übte auf die Führer von Misr Al-Fatat so großen Einfluss aus, dass sie selbst am Reichsparteitag 1936 in Nürnberg teilnahmen. Ahmed Husseins Buch über die Grundlagen der „Jungen Ägypter“ 1936 in Kairo veröffentlicht, hieß „Imâmi“ („Mein Glaube“). Die eigentliche Faszination lag wohl in der gemeinsamen Gegnerschaft zu Großbritannien und Frankreich. Dies war für einige der jungen Offiziere, ein Anreiz, im Zweiten Weltkrieg mit der Wehrmacht zu kollaborieren.
[...]
[1] Abdel-Malek, Anouar: Ägypten: Militärgesellschaft – Das Armeeregime, die Linke und der soziale Wandel unter Nasser; Edition Suhrkamp, Frankfurt a.M., 1971
[2] Little, Tom: Modern Egypt; Frederick A. Praeger Publishers, New York, 1968
[3] Vatikiotis, P.J.: Nasser and his Generation; Croom Helm, London, 1978
[4] Vatikiotis, P.J.: The History of Egypt – Second edition; Weidenfeld and Nicholson, London, 1980
[5] Steinbach, Udo; Hofmeier, Rolf; Schönborn, Mathias (Hrsg.): Politisches Lexikon Nahost; Verlag C.H. Beck, München, 1981
[6] Pawelka, Peter: Herrschaft und Entwicklung im Nahen Osten: Ägypten; UTB, C.F. Müller, Heidelberg, 1985
[7] Gershoni, Israel: An Intellectual Source for the Revolution: Tawfiq al-Hakim`s Influence on Nasser and His Generation; in Rethinking Nationalism in the Arab Middle East; Columbia University Press, New York
[8] Jankowski, James: Arab Nationalism in „Nasserism“ and the Egyptian State Policy, 1952-1958; in: Jankowski, James & Gershoni, Israel (Hrsg.): Rethinking Nationalism in the Arab Middle East, Columbia University Press, New York, 1997
[9] Informationen zur politischen Bildung, Heft 278: Israel; BpB, Bonn, 2003
[10] Kassian, Günther: Die Orientierung an der frühislamischen Geschichte in der Ideologie des Arabischen Sozialismus in Ägypten unter Nasser; Dissertation; Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 1991
[11] Artikel „Muslimbruderschaft“ in: Kreiser, Klaus; Wielandt, Rotraud (Hg.): Lexikon der islamischen Welt – völlig überarbeitete Neuausgabe; Kohlhammer; Stuttgart, Berlin, Köln, 1992
- Arbeit zitieren
- Christian Wolff (Autor:in), 2004, Politische Ziele der freien Offiziere - Konsolidierung ihrer Macht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57350
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