Karl der Große bereitete durch seine Expansionspolitik im ausgehenden achten und anbrechenden neunten Jahrhundert den Weg dorthin und stellte seinem Sohn Ludwig dem Frommen ein fränkisches Großreich „schlüsselfertig“ samt Kaiserwürde zur Verfügung. Es sollte sich als kein leichtes Erbe erweisen, dennoch trachtete Ludwig danach die Gewalt über das Reich zu bündeln, indem er seinen ältesten Sohn Lothar zum Mitkaiser krönte. Schon bald aber schienen sich erste Vorboten der Krise anzukündigen, als politische Interessengruppen im Reich das traditionelle fränkische Teilungsrecht beschnitten glaubten und den Kaiser zu fatalen Kompromissen drängten, die wiederum Neulinge in der Herrschaftsordnung begünstigten und damit Neid und Argwohn bei den übrigen Söhnen Ludwigs aufkommen ließen. Der hier beleuchtete Bruderkrieg fußt entscheidend auf den Entwicklungen unter Ludwig dem Frommen, wenn man ihn nicht sogar als logische Folge bezeichnen muss. Wechselnde Allianzen und die Demütigung der einheitsstiftenden Kaiserwürde zogen sich auch durch die Kriegsjahre wie ein roter Faden und waren zwangsläufig Wegbereiter für die neue Herrschaftsordnung im Teilungsvertrag von Verdun 843. Den Stein, den die sechste Generation der Karolinger ins Rollen brachte, konnte von ihnen nicht mehr zum Erliegen gebracht werden und sein Lauf trieb die Auflösung des Karlsreichs in den kommenden Generationen immer weiter voran.Die Hauptwerke, die dieser Arbeit zugrunde liegen, sind die alten aber immer noch aktuellen Werke von Dümmler und Schwartz mit ihren hilfreichen Quellenverweisen und das Standardwerk von Schieffer, das einen guten Überblick über die gesamte Ereignisgeschichte bot. Eine befriedigende Quellenbearbeitung für den Bruderkrieg wäre ohne die Aufzeichnungen Nithards, dem Historiographen Karls des Kahlen, nur sehr dürftig möglich gewesen. Dank seiner Aufzeichnungen lässt sich ein sehr deutliches Bild der Kriegsjahre 840-843 zeichnen.
Gliederung
I. Einleitung
II. Hauptteil
1. Vorgeschichte
a) Ordinatio Imperii (817)
b) Vorboten der Krise in den 30er Jahren des 9. Jahrhunderts
2. Krieg der Söhne (840-843)
a) Allianz der „Brüder“ gegen den „Kaiser“
b) Schlacht bei Fontenoy (Juni 841)
c) Straßburger Eiden (Feb. 842)
d) Schuldspruch der Geistlichkeit über Lothar
e) Diedenhofener Versammlung (Nov. 842)
f) Friedensverhandlungen bis zum Vertrag von Verdun (843)
3. Folgen für die karolingische Teilreiche
a) Lothar und das Mittelreich
b) Karl der Kahle
c) Ludwig der Deutsche
III. Schlussbetrachtung
Quellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Vor gut 1200 Jahren gelang es dem Geschlecht der Karolinger ein Reich auf die Karte Europas zu zeichnen, das nach dem Niedergang des Römischen Imperiums dem Glauben wieder Hoffnung schenkte, die westliche christliche Welt könne unter einem universellen Kaiser zu einen. Karl der Große bereitete durch seine Expansionspolitik im ausgehenden achten und anbrechenden neunten Jahrhundert den Weg dorthin und stellte seinem Sohn Ludwig dem Frommen ein fränkisches Großreich „schlüsselfertig“ samt Kaiserwürde zur Verfügung. Es sollte sich als kein leichtes Erbe erweisen, dennoch trachtete Ludwig danach die Gewalt über das Reich zu bündeln, indem er seinen ältesten Sohn Lothar zum Mitkaiser krönte. Schon bald aber schienen sich erste Vorboten der Krise anzukündigen, als politische Interessengruppen im Reich das traditionelle fränkische Teilungsrecht beschnitten glaubten und den Kaiser zu fatalen Kompromissen drängten, die wiederum Neulinge in der Herrschaftsordnung begünstigten und damit Neid und Argwohn bei den übrigen Söhnen Ludwigs aufkommen ließen. Das über Jahre vergiftete Klima am Hof Ludwigs des Frommen und die daraus erwachsenen familiären Kleinkriege von 830 bis 840, entluden sich schließlich nach dem Tod des alten Kaisers (840) in einer blutigen Bruderfehde und hatten drei verlustreiche Kriegsjahre für alle drei Brüder zur Folge.
Der hier beleuchtete Bruderkrieg fußt entscheidend auf den Entwicklungen unter Ludwig dem Frommen, wenn man ihn nicht sogar als logische Folge bezeichnen muss. Wechselnde Allianzen und die Demütigung der einheitsstiftenden Kaiserwürde zogen sich auch durch die Kriegsjahre wie ein roter Faden und waren zwangsläufig Wegbereiter für die neue Herrschaftsordnung im Teilungsvertrag von Verdun 843. Den Stein, den die sechste Generation der Karolinger ins Rollen brachte, konnte von ihnen nicht mehr zum Erliegen gebracht werden und sein Lauf trieb die Auflösung des Karlsreichs in den kommenden Generationen immer weiter voran.
Die Hauptwerke, die dieser Arbeit zugrunde liegen, sind die alten aber immer noch aktuellen Werke von Dümmler und Schwartz mit ihren hilfreichen Quellenverweisen und das Standardwerk von Schieffer, das einen guten Überblick über die gesamte Ereignisgeschichte bot.
Eine befriedigende Quellenbearbeitung für den Bruderkrieg wäre ohne die Aufzeichnungen Nithards, dem Historiographen Karls des Kahlen, nur sehr dürftig möglich gewesen. Dank seiner Aufzeichnungen lässt sich ein sehr deutliches Bild der Kriegsjahre 840-843 zeichnen.
II. Hauptteil
1. Vorgeschichte
a) Ordinatio Imperii (817)
Mit der Ordinatio Imperii versuchte Ludwig der Fromme Herr eines zentralen Verfassungsproblems im Karolingerreich zu werden, dass in einem Widerstreit zwischen altem fränkischem Teilungsrecht und dem Reichseinheitsgedanken des Klerus bestand. Obwohl diese Nachfolgeordnung um einen gerechten Ausgleich zwischen Adel und Klerus und seiner drei Söhne Pippin, Ludwig und Lothar bemüht war, hielt sie den Belastungen, die an sie herangetragen wurden, nicht stand. Dies lag zum einem an Oppositionellen, die sich im Vertrag ihrer Stellung im Reich entsprechend nicht ausreichend gewürdigt oder erwähnt fanden. Die Erhebung Bernhards von Italien gegen Ludwig und die ihn ereilende Blendungsstrafe im Jahre 819 als Beispiel schwächte den Glanz der neuen Reichsteilung. Ludwig musste sich 822 einer schmählichen Kirchenbuße unterwerfen, was einen ersten Schatten auf seine Regierung warf. Zum anderen wurde die neue Hausordnung durch ihren Urheber selbst stillschweigend aus den Angeln gehoben. Die Welfin Judith, seit 819 neue Gemahlin Ludwigs und Kaiserin, suchte unter Einflussnahme auf Ludwig ihrem Sohn Karl dem Kahlen einen zukünftigen Herrschaftsteil zu sichern. Auf der Aachener Reichsversammlung im Jahre 829 ging schließlich Ludwig brüsk über kritische Stimmen des Klerus hinweg, indem er Karl dem Kahlen vorzeitig Gebiete als sein Erbe beschwor. Dieser eklatante Bruch mit der Ordinatio Imperii brachte nicht nur die Geistlichkeit, sondern auch die Söhne in einem handfesten Machtstreit, der sogenannten „loyalen Palastrebellion“, gegen ihren Vater auf und konnte von Kaiser Ludwig nur mühsam und mit viel diplomatischem Geschick auf dem Aachener Hoftag 831 wieder zum erliegen gebracht werden. Die dort beschlossene Reichsteilung nach altem fränkischen Teilungsrecht schaffte zwar kurzfristig Ruhe, die Gültigkeit der Hausordnung von 817 war jedoch als Preis dafür endgültig dahin. Schieffer resümiert dazu treffend: „Wenn es kein Zurück zur Ordinatio Imperii mehr gab, so waren die Modalitäten der künftigen Machtverteilung fortan dem freien Spiel der Kräfte überlassen, was im verbleibenden Jahrzehnt Ludwigs des Frommen zu einer verwirrenden Folge rasch wechselnder, niemals realisierter Zukunftsprojekte geführt und die Autorität des Herrscherhauses im ganzen schwer erschüttert hat.“[1]
b) Vorboten der Krise in den 30er Jahren des 9. Jahrhunderts
Das folgende Jahrzehnt kann als eine Ära ständig sich ändernder Machtverhältnisse werden sehen. Die sprunghaften Entschlüsse Ludwigs und seiner einflussreichen Gemahlin Judith beschworen diesmal eine Allianz aller drei älterer Kaisersöhne herauf, die in einer militärischen Auseinandersetzung mit ihrem Vater 833 auf dem Lügenfeld bei Colmar zwar als Sieger vom Platz gingen, jedoch schon ein Jahr darauf die Restituierung Ludwigs miterleben mussten. Schon jetzt begann sich abzuzeichnen, dass an eine Reichseinheit nach dem Tod Ludwig des Frommen fast nicht mehr zu denken war. Die Lage spitzte sich zu als Karl dem Kahlen die Königskrönung zuteil wurde und die Ländereien des kurz zuvor verstorbenen Pippins in der Reichsteilung von 839 ihm zugesprochen wurden. Pippin II., Sohn Pippins I., pochte jedoch auf seine erbrechtlichen Ansprüche und nötigte Ludwig die neue Reichsteilung mit Waffengewalt zu erzwingen. Ohne diesen offenen Konflikt bereinigen zu können, verstarb er im Juni 840 nach den ersten Waffengängen und hinterließ seinen Nachkommen zwar ein nach außen einigermaßen gefestigtes Reich, im Inneren jedoch klaffte die große Wunde einer völlig ungeklärten Herrschaftsordnung. Die Ursachen für das Scheitern der Ordinatio Imperii werden zum einen in dem Ehrgeiz der zweiten Kaiserin Judith gesehen, die ihrem Sprössling Karl unnachlässig einen Erbanspruch sichern wollte, zum anderen wird die Unfähigkeit der fränkischen Führungsschicht genannt, die nicht verantwortungsvoll in den Dimensionen des Karlsreichs dachte.[2] Ein blutiger Zwist unter den Brüdern über ihre erbrechtlichen Anteile musste die Folge sein.
2. Krieg der Söhne (840-843)
a) Allianz der „Brüder“ gegen den „Kaiser“
Zum Zeitpunkt als sich die Nachricht über den Tod Ludwigs im Reich verbreitete, befanden sich seine Söhne in unterschiedlichen Ausgangspositionen. Ludwig, von seinem Vater auf der Reichsteilung in Worms von 839 mit dem bayrischen Pflichtteil abgespeist, konnte unter den Anhängern des Kaisers den geringsten Zuspruch erwarten. Dafür war er in der Lage in Bayern auf eine über 14 Jahre gefestigte Herrschaft zurückzugreifen. Karl dagegen hatte im Westen den schwersten Stand, zumal ihm sein junges Alter abhängig von Beratern machte und in seinem Rücken Pippin II. in Aquitanien unablässig sein Erbteil einforderte. Seine Legitimation für die Herrschaft im Westreich beruhte einzig auf dem letzten Willen des Vaters, der ihn und Lothar in der neuen Reichsordnung begünstigte. Getragen von den alten Kaisertreuen bei den weltlichen und geistlichen Großen erlangte Lothar die herausragendste Stellung, da er den Wünschen der Geistlichkeit nach Reichseinheit und des weltlichen Adels nach Machterhalt als erster gerecht zu werden schien.[3] Es schien demnach alles auf eine Vormachtstellung Lothars hinzudeuten, als er auf seinem Zug von Italien nordwärts in die altfränkischen Länder keinen Widerstand und nur Zuspruch erfuhr, worauf er sogleich selbstbewusst seinen „Anspruch auf das Gesamtreich“[4] anmeldete:
„Lotharius itaque post humationem gloriosi patris sequenti anno ab Italia egressus, totum imperium arripere molitur.“[5]
“Defuncto autem predicto imperatore Hludowico, filius eius Hlotarius, qui ante obitum patris ad imperatorem unctus erat, de Italia veniens, monarchiam tenere gestiebat.”[6]
In kürzester Zeit wendete sich Lothar dazu mit einem Heer gegen den entschlossenen Ludwig, als er überraschend ohne einen Waffengang bei Mainz einen abrupten Schwenk nach Westen gegen seinen Stiefbruder Karl machte. An der Seine angekommen, gelang es Lothar mehr und mehr Anhänger Karls auf seine Seite zu bringen, so dass Karl geschwächt durch die Dauerfehde mit Pippin II., bereitwillig in Orleans auf einen Waffenstillstand mit Lothar einging. Beide Seiten erwarteten von diesem Vertrag kein hohes Maß an Vertrauenswürdigkeit, sondern hatten im Sinn die Entscheidung zu vertagen, um Zeit herauszuschinden. Lothar zielte nun die Niederwerfung Ludwigs an und trat ihm im März 841 am Mittelrhein entgegen. Auch in diesem Fall sollte es nicht zur Schlacht kommen, da es Lothar verstand wichtige Anhänger Ludwigs für sich zu gewinnen und somit einen unblutigen Sieg über seinen Bruder im Westen verbuchen konnte. Zufrieden über die anfänglichen Erfolge sah er sich aber nicht genötigt zu einem vereinbarten Treffen mit Karl nach Attigny zu erscheinen, so dass an seiner Stelle Gesandte Ludwigs mit Karl ein Bündnis gegen ihren älteren Bruder eingingen und sich auf einen gemeinsamen militärischen Feldzug einschworen. Hierzu zog Ludwig in Richtung Westen Karl entgegen und schlug auf dem Weg dorthin Truppen Lothars, die unter dem Befehl seines besten Ratgebers Graf Adalberts standen, in einer Schlacht an der Wörnitz, so dass Ludwig ungehindert über den Rhein setzen konnte. Es war die Untätigkeit und abwartende Haltung Lothars in dieser entscheidenden Phase, die zuließ, dass Karl in der Nähe von Chalons getrost die Zusammenkunft mit aquitanischen Truppen der Kaiserin Judith erwarten konnte und er Mitte Juni 841 sogar, völlig unbehelligt von Lothar, die Zusammenführung mit dem Heer Ludwigs feiern konnte.
[...]
[1] Vgl. Rudolf Schieffer, Die Karolinger, Stuttgart, Berlin, Köln 2000, S. 130.
[2] Schieffer, S. 138.
[3] Vgl. Ernst Dümmler, Geschichte des ostfränkischen Reiches, Darmstadt 1960, S. 139f.
[4] Dümmler, S 143.
[5] MGH SS. II, S. 322: Der Autor betont den gewaltsamen Versuch Lothars die Macht an sich zu reißen.
[6] MGH SS. XIII, S. 616: In diesem Fall wird der innige Wunsch Lothars deutlich, die Monarchie zu
bewahren.
- Quote paper
- M.A. Frank Walzel (Author), 2002, Kaiser Ludwig der Fromme und der Krieg seiner Söhne - Die Bruderfehde von 840-843 um die Einheit des Karlsreiches, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57287
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