In dem Aufsatz wird der Artikel von DeAngelo/DeAngelo (Journal of Financial Economics 2006) diskutiert. Es soll geklärt werden, ob das von ihnen erweiterte Miller/Modigliani-Model dazu beiträgt, die Dividendenpolitik von Unternehmen besser zu erklären.
Die Prominenz von MM und deren beiden Aufsätze haben möglicherweise wirklich zu einer Lücke in der weiteren Forschung auf dem Gebiet der Auszahlungspolitik geführt, indem diese von MM als irrelevant eingestuft wurde. Der Investitionspolitik alleine determinierenden Einfluss auf alle weiteren Prozesse zuzuschreiben, ist womöglich revisionsbedürftig.
Die Argumentationen, die DeAngelo/DeAngelo teilweise in recht ausführlicher Weise verfolgen und auch wiederholen, ist im akademischen Sinne sehr wohl korrekt und präzise, doch in einem etwas lockereren Korsett vielen Kritikpunkten ausgesetzt, vor allem dadurch, dass sie kaum neue Erkenntnisse hervorbringen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung und Zielsetzung dieser Arbeit
2 MM revisited
2.1 Parameter des Modellmarktes
2.1.1 Vollkommene Kapitalmärkte
2.1.2 Rationale Akteure
2.1.3 Gewissheit
2.2 Bewertungsmodell
2.3 Der Dividendeneffekt
2.4 Irrelevanztheorem
2.5 DeAngelo/DeAngelo erste Kritik
2.6 Zusammenfassung
3 MM modified, with retention allowed
3.1 Das Modell von DeAngelo/DeAngelo
3.2 Zusammenfassung
4 Agency Costs und Stock Bubbles
4.1 Agency Costs
4.2 Stock Bubbles
5 Black’s Dividend Puzzle
5.1 Das Modell nach Black
5.2 Die Kritik von DeAngelo/DeAngelo
6 Empirische Befunde zu den gewonnen Erkenntnissen
6.1 Fama/French (2001)
6.2 DeAngelo/DeAngelo/Skinner (2004)
6.3 Brav et al (2005)
6.4 Zusammenfassung
7 Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 - Feasible and Optimal FCF Distribution, when Retention is ruled out
Abbildung 2 - Feasible and Optimal FCF Distribution, when Retention is allowed
Formelverzeichnis
Formel 1 – Preisgleichgewichtsbedingung auf vollkommenen Märkten
Formel 2 – Preisgleichgewichtsbedingung auf vollkommenen Märkten modifiziert
Formel 3 – Firmenwert
Formel 4 – Kapitalbedarf der Periode t
Formel 5 – Firmenwert in Abhängigkeit der Investition
Formel 6 – Firmenwert in Abhängigkeit der Dividende ohne Steuern
Formel 7 – Firmenwert in Abhängigkeit der Dividende mit Steuern
1 Einleitung und Zielsetzung dieser Arbeit
Miller und Modigliani (MM) legten in ihren beiden Aufsätzen von 1958 und 1963 mit dem Irrelevanztheorem die Basis des modernen Corporate Finance. Dieses Theorem besagt, dass unter bestimmten Marktgegebenheiten, auf deren Spezifika in Abschnitt 2 näher eingegangen wird, alle möglichen Kapitalstrukturen und Dividendenpolitiken optimal sind und dem Investor gleichen Nutzen stiften. Der gemeinhin gültigen Interpretation des Irrelevanztheorems folgend ist die einzige Determinante, die den Nutzen des Investors beeinflusst, die Investitionspolitik. Sie alleine bestimmt in weiterer Folge den Firmenwert, dessen Maximum unter einem optimalen Investitionsprogramm erreicht wird, unabhängig vom Leverage und von geplanten Auszahlungen an die Kapitalgeber. Der Firmenwert stellt die Summe diskontierter zukünftiger Cash-Flows dar.
Miller[1] selbst vergleicht diese Auffassung einer Firma mit einer Pizza. Diese kann in verschieden große Teile geschnitten werden, äquivalent der Finanzierungsstruktur einer Firma. Diese einzelnen Teile besitzen Ansprüche auf künftige Cash-Flows aus den Investitionsprojekten, abhängig von der Ausgestaltung des Finanzinstruments. Unabhängig von der Teilungsregel entsprechen – unter den von Miller/Modigliani gewählten Modelannahmen – die einzelnen Teile/Ansprüche in Summe dem generierten Wert des Investitionsprogramms.
An diesem Punkt setzt der Aufsatz von DeAngelo/DeAngelo an. Sie zeigen, dass entgegen MM[2] nicht nur die Investitions- sondern auch die Auszahlungspolitik den Firmenwert beeinflusst. In der Parabel von Miller: Die einzelnen Pizzaschnitten ergeben nur mehr eine Fraktion der gesamten Pizza.
DeAngelo/DeAngelo erlauben entgegen dem Modell von Miller/Modigliani die Thesaurierung von Free-Cash-Flows (FCF), liquide Mittel, die nach Durchführung sämtlicher optimaler Investitionsprojekte noch zur Verfügung stehen, i.e. für die keine weiteren Investitionsprojekte mit positivem Net-Present-Value bestehen. Durch diese Erweiterung gelingt es ihnen das Irrelevanztheorem zu widerlegen. Die Diskussion dieses Ansatzes ist in Abschnitt 3 zu finden.
Abschnitt 4 widmet sich in Grundzügen einer Betrachtung der Dividendenpolitik im Lichte der Agency Theory sowie einem kurzen Abriss wie Dividendenzahlungen während Stock-Bubbles eingesetzt werden können, um an überdurchschnittlichen Spekulationsrenten partizipieren zu können.
Black nahm 1976[3] die Artikel von Miller und Modigliani zum Ausgangpunkt um seinen legendären Artikel „The Dividend Puzzle“ zu verfassen. DeAngelo/DeAngelo argumentieren, dass Black einem Trugschluss in MM aufgesessen sei und somit zu fehlgeleiteten Ergebnissen gelange. Inwieweit nun Black wirklich in die Irre geleitet wurde, soll in Abschnitt 5 abgehandelt werden.
Der Beitrag der Empirie zu den Formeln und Modellen soll in Abschnitt 6 beschrieben werden. Werden die Thesen von MM, Black oder aber von DeAngelo/DeAngelo in irgendeiner Form vom Markt bestätigt? Drei Ausgewählte Artikel über die Entwicklung von Dividendenzahlungen von US-amerikanischen Unternehmen tragen zum Brückenschlag zwischen Theorie und Empirie bei. Den Abschluss bildet eine Zusammenfassung und kritische Würdigung der Erkenntnisse von DeAngelo/DeAngelo.
Kann ihr Artikel als essentieller Beitrag für weitere Entwicklungen des Corporate Finance dienen oder schafften sie lediglich, durch wohlüberlegte Wortdefinitionen Bestehendes in neue Gewänder zu kleiden?
2 MM revisited
MM[4] beginnen ihren Aufsatz mit der Feststellung, dass die Dividendenpolitik einer Firma von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist – nicht nur für die Führungsebene eines Unternehmens, die die Strategie festlegen muss, sondern auch für Investoren, die Portfolios zu planen haben, wie auch für Ökonomen, die bestrebt sind, die Gesetze und Mechanismen von Märkten zu durchleuchten und zu verstehen.
Daraus leitet sich ihre Forschungsfrage des Aufsatzes ab:
„Do companies with generous distribution policies consistently sell at a premium over those with niggardly payouts? Is the reverse ever true? If so, under what conditions? Is there an optimum payout ratio or range of ratios that maximizes the current worth of the shares?” [5]
Im Weiteren wird das Grundmodell vom MM kurz dargestellt, mit dem der formale Beweis für die Unabhängigkeit des Firmenwertes von Dividendenzahlungen erbracht wurde. Dafür ist es in einem früheren Schritt notwendig die Parameter des verwendeten Marktmodells aufzugreifen und kurz zu umreißen. Danach kann damit begonnen werden, das formale Model zu entwickeln und die Irrelevanz von Dividendenzahlungen vom Firmenwert abgeleitet werden. Im Anschluss an die formale Darstellung folgt die erste Kritik von DeAngelo/DeAngelo am Modell. In der Zusammenfassung werden die wesentlichen Erkenntnisse, die in den weiteren Teilen nochmals benötigt werden, hervorgehoben.
2.1 Parameter des Modellmarktes
MM entwickeln ihr Modell unter den Annahmen eines „vollkommenen Kapitalmarktes“ für „rationale Akteure“ und unter „Gewissheit“. Diese Annahmen sind häufig wiederkehrende Elemente ökonomischer Modelle, doch scheint es sinnvoll, die einzelnen Teile für diese spezielle Umgebung zu definieren:
2.1.1 Vollkommene Kapitalmärkte
Unter den Beschränkungen eines vollkommenen Kapitalmarktes hat kein Anbieter, Käufer (oder Emittent) von Wertpapieren einen maßgeblichen Einfluss auf den Marktpreis. Alle Marktteilnehmer haben gleichen und kostenlosen Zugang zu Informationen betreffend den Marktpreis und allen anderen relevanten Aktien-Informationen. Es gibt keine Transaktionskosten für den Kauf, Verkauf oder die Ausgabe von Wertpapieren. Weiters gibt es keine Steuerunterschiede zwischen realisierten und nicht-realisierten Gewinnen sowie zwischen Kapitalgewinnen und Dividenden.
2.1.2 Rationale Akteure
Sämtliche Akteure handeln nutzen- bzw. gewinnmaximierend. Sie präferieren strikt mehr Wohlfahrt gegenüber weniger; sie sind indifferent zwischen cash-payments, i.e. Dividenden oder Stock-Repurchases, und steigenden Kursen ihrer Aktien.
2.1.3 Gewissheit
Zukünftige Zahlungsströme aus Investitionsprojekten treffen mit Sicherheit ein; es gibt keine wie auch immer geartete Ungewissheit. Bedingt durch diese Sicherheit von Zahlungsströmen besteht in weiterer Folge kein Bedarf um zwischen Aktien und Anleihen eines Unternehmens zu differenzieren, weswegen vereinfachend eine reine Eigenkapitalfinanzierung in Form von Aktien angenommen wird.[6]
2.2 Bewertungsmodell
Unter den oben beschriebenen Annahmen ergibt sich der Wert einer Aktie aus folgendem fundamentalem Gleichgewicht: Der Preis einer Aktie muss dergestalt sein, dass die Rendite – Dividenden plus Kapitalgewinne je investierter Geldeinheit – für jede am Markt gehandelte Aktie für jeden Zeitpunkt identisch ist.
Formal lässt sich dies ausdrücken als:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
und somit ergibt sich:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Äquivalent gilt die Darstellung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten,
für jedes j und für alle t.
Gibt es Aktien am Markt, die diese Gleichung nicht erfüllen, würde es sofort zu Arbitragebewegungen kommen bis dieses Gleichgewicht für alle Aktien wieder erfüllt ist.
[...]
[1] Miller zitiert in Ross et al. (2002), S. 406.
[2] vgl. Miller/Modigliani (1961), S. 412 ff.
[3] vgl. im Detail Miller (1976).
[4] vgl. Miller/Modigliani (1961), S. 411.
[5] Miller/Modigliani (1961), S. 411.
[6] vgl. Miller/Modigliani (1961), S. 412.
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