Gegenstand dieser Hausarbeit sind soziologische Akteurmodelle bzw. ihre Funktion in der Soziologie. Wenn zum Gegenstand der Soziologie prinzipiell alles gehört was Sozialität ausmacht, also wenn der Gegenstand der Soziologie die Sozialität an sich ist, dann stellt sich die Frage, welche Funktion erfüllen hierbei die Akteurmodelle. Die zwei grundsätzlichen Erklärungsprobleme der Soziologie sind die Handlungsursachen und Handlungsauswirkungen. In diese Arbeit geht es um Handlungsursachen, noch genauer um die Handlungswahl. Für die Untersuchung der einzelnen Akteurmodelle habe ich dennoch einen übergeordneten Rahmen gewählt und zwar die integrative Sozialtheorie von Hartmut Esser. Für mich ist es wichtig, die zu bearbeitenden Theorien in einen größeren Zusammenhang zu integrieren, damit ich weiß, wo ich mich mit meiner Arbeit verorten kann. Zunächst einmal musste ich die einzelnen Akteurmodelle durcharbeiten, um ihre Funktion zu verstehen. Ich habe deshalb den Studienbrief zusammengefasst. Dabei habe ich auch noch einige andere Autoren herangezogen. Diese Zusammenfassung findet man dann unter der Logik der Selektion. Für diese Hausarbeit hätte wohl auch eine kürzere Zusammenfassung ausgereicht, doch für mein Verständnis war sie nötig, deshalb die etwas höhere Seitenanzahl. Die eigentliche Hausarbeit von ca. 20 Seiten sind dann Kapitel III und IV. Bei der Zusammenführung der Akteurmodelle orientierte ich mich hauptsächlich an den Studienbrief, da eine derartige Zusammenführung und „friedliche Koexistenz“ der Akteurmodelle habe ich in der soziologischen Literatur nicht gefunden. Hier wird die eigentliche Funktion der Akteurmodelle behandelt, nämlich die in der Sozialen Wirklichkeit beobachtbare Phänomene angemessen zu erfassen und die Handelungswahl zu erklären. Im letzten Kapitel versuche ich eine Anwendung der Akteurmodelle zu demonstrieren. Hierbei analysiere ich die Handlungen eines Arbeitstages und versuchte diese hinsichtlich der Handlungsantriebe zu untersuchen und die Handlungswahl dementsprechend mit den passenden Akteurmodellen soziologisch zu erklären.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Erklärung von Sozialität und Verortung der Akteurmodelle
Logik der Situation
Die Subjektive Definition der Situation
Logik der Selektion
Homo Sociologikus
Rational Choice: Homo Oeconomicus
Der „emotional man“. Emotionen als Handlungsantriebe
Der Identitätsbehaupter. Identität als Handlungsantrieb
Logik der Aggreagation
Transformationsinstrumente:
Erklärung sozialen Handelns durch Zusammenführung der Akteurmodelle
Analytische Prioritätenordnung der Akteurmodelle unter Erklärungsökonomischen Gesichtspunkten
Dimensionen der Handlungswahl
Funktionale Ordnung der Akteurmodelle nach Gesichtspunkten der Erklärungsökonomie
Theorie der modernen Gesellschaft und die Akteurmodelle
Erklärung der Handlungswahl anhand der Geschehnisse eines Arbeitstages
Situation und Rollenerwartungen
Ein Arbeitstag
Analyse und soziologischer Erklärungsversuch der Handlungen
Bewertung v. Herrn Dr. Rainer Schützeichel
Vorwort
Gegenstand dieser Hausarbeit sind soziologische Akteurmodelle bzw. ihre Funktion in der Soziologie. Wenn zum Gegenstand der Soziologie prinzipiell alles gehört was Sozialität ausmacht, also wenn der Gegenstand der Soziologie die Sozialität an sich ist, dann stellt sich die Frage, welche Funktion erfüllen hierbei die Akteurmodelle. Die zwei grundsätzlichen Erklärungsprobleme der Soziologie sind die Handlungsursachen und Handlungsauswirkungen. In diese Arbeit geht es um Handlungsursachen, noch genauer um die Handlungswahl. Für die Untersuchung der einzelnen Akteurmodelle habe ich dennoch einen übergeordneten Rahmen gewählt und zwar die integrative Sozialtheorie von Hartmut Esser. Für mich ist es wichtig, die zu bearbeitenden Theorien in einen größeren Zusammenhang zu integrieren, damit ich weiß, wo ich mich mit meiner Arbeit verorten kann.
Zunächst einmal musste ich die einzelnen Akteurmodelle durcharbeiten, um ihre Funktion zu verstehen. Ich habe deshalb den Studienbrief zusammengefasst. Dabei habe ich auch noch einige andere Autoren herangezogen. Diese Zusammenfassung findet man dann unter der Logik der Selektion. Für diese Hausarbeit hätte wohl auch eine kürzere Zusammenfassung ausgereicht, doch für mein Verständnis war sie nötig, deshalb die etwas höhere Seitenanzahl. Die eigentliche Hausarbeit von ca. 20 Seiten sind dann Kapitel III und IV.
Bei der Zusammenführung der Akteurmodelle orientierte ich mich hauptsächlich an den Studienbrief, da eine derartige Zusammenführung und „friedliche Koexistenz“ der Akteurmodelle habe ich in der soziologischen Literatur nicht gefunden. Hier wird die eigentliche Funktion der Akteurmodelle behandelt, nämlich die in der Sozialen Wirklichkeit beobachtbare Phänomene angemessen zu erfassen und die Handelungswahl zu erklären.
Im letzten Kapitel versuche ich eine Anwendung der Akteurmodelle zu demonstrieren. Hierbei analysiere ich die Handlungen eines Arbeitstages und versuchte diese hinsichtlich der Handlungsantriebe zu untersuchen und die Handlungswahl dementsprechend mit den passenden Akteurmodellen soziologisch zu erklären
Erklärung von Sozialität und Verortung der Akteurmodelle
Die Soziologie beschäftigt sich mit zwei Arten von Erklärungsproblemen. Wie kommt eine Handlungswahl zustande und welche Wirkungen hat eine Handlung? Zusammengenommen bedeutet dies, dass die Soziologie im Prinzip alles, was Sozialität ausmacht zum Gegenstand hat. Überall dort, wo sozial gehandelt wird und dieses Handelnde Zusammenwirken mehrerer Akteure eine Wirkung hervorbringt, wird diese Wirkung das weitere soziale Handeln prägen. Sozialität ist demnach „ die fortlaufende, wechselseitige Konstitution von sozialem Handeln und sozialen Strukturen.“(Studienbrief) Vor allem zwei Theoretiker beschäftigten sich mit dieser Beschaffenheit von Sozialität. Anthony Giddes und Hartmut Esser. Ich werde hier die integrative Theorie von Hartmut Esser kurz darstellen. Da Akteurmodelle sich weniger mit Handlungsauswirkungen, sondern mit Handlungsursachen beschäftigen, werden die anderen Bestandteile der Theorie nur kurz erwähnt. Dennoch möchte ich die Akteurmodelle in ein übergeordnetes System integrieren um den Blick auf das „Ganze“ nicht zu verlieren.
Die integrative Sozialtheorie von Hartmut Esser ist ein eigenständiger Bezugspunkt für die Beobachtung moderner Gesellschaften. Dieses Konzept liefert eine Integration von drei zentralen Phänomenbereichen moderner Gesellschaften. Er unterscheidet drei Logiken, deren Zusammenwirken Sozialität ausmacht und denen sich demzufolge die Soziologie mit Erklärungsangeboten widmen muss.
- wie nehmen Individuen unterschiedliche Situationen wahr (Logik der Situation)
- wie selektieren sie zwischen diesen Situationen und beginnen daraufhin eine Handlung (Logik der Selektion)
- zu welchen kollektiven Folgen führt die Handlungsauswahl mehrerer Individuen (Logik der Aggregation)
Eine Besonderheit der Arbeiten v. H. Esser ist, dass er die verschiedenen Forschungsbereiche miteinander verzahnt sind. Esser verfolgt die Zielsetzung, die verschiedenen Paradigmen der Soziologie durch eine integrative Konzeption zu überwinden. Die verschiedenen Paradigmen sind z.B.: Soziologische Theorien: allgemeine Soziologie, Gesellschaftstheorien, Differenzierungstheorien, Empirische Sozialforschung: Migration, Familie / Ehescheidungen, Wissenschaftstheorie. Esser will die Konzepte der verschiedenen soziologischen Richtungen zusammenführen und so die zentralen Bestandteile sozialen Geschehens unter einem Dach erklären, in dem die verschiedenen Konzepte ineinander verknüpft werden.
- Mit diesem Ansatz soll also soziales Geschehen erklärt werden:
- warum derartiges Geschehen im jeweiligen Fall entstand
- warum es funktionierte oder nicht funktionierte
- warum es sich durchhielt
- oder warum es sich wandelte
Erklärung sozialen Geschehens bei Esser heißt, nicht das Zustandekommen von Einzelhandelnden, sondern die Dynamik handelnden Zusammenwirkens mehrerer Akteure ist entscheidend. Anfangs und Endpunkt Essers Erklärungen sind soziale Situationen. Das Erklärungsmodell ist mit dem Prozessieren von Sozialen Systemen und Gebilden befasst, es geht ihm um die Erklärung von Makrophänomenen also von sozialen Prozessen, sozialen Situationen / Gebilden / Systemen. Es geht ihm nicht um die Erklärung von Mikrophänomenen wie einzelnen Handlungen, auch wenn sie einen methodisch, notwendigen Schritt darstellen, um Makrophänomene zugänglich zu machen und erklären zu können. Soziale Situationen entstehen bzw. entwickeln sich nach Esser über aggregatierte Wirkungen bzw. aggregativ erzeugte Veränderungen aus den individuellen Effekten des Handelns der Akteure.
Zum einen sind individuelle Einstellungen, Handlungen und deren Effekte (Mikrogeschehen) zu erklären: Verortung des Mikrogeschehens innerhalb der sozialen Situation (Logik der Situation, Logik der Selektion).
Zum anderen sind darüber hinaus die Aggregierungen / Aggregatien zu erklären, über die soziale Situationen entstehen und sich entwickeln. (Logik der Aggregation)
Durch eine Rückführung auf erklärtes Mikrogeschehen wird die Erklärung von Makrogeschehen mikrofundiert
Logik der Situation
Die Situationsanalyse erfolgt durch die Logik der Situation. Ziel ist es, herauszuarbeiten, in welcher objektiven Situation sich ein Akteur befindet und wie er sich subjektiv darin verortet.
Hierbei sind die objektiven Bestandteile einer Situation von Bedeutung. Essers Unterscheidung nach äußeren und inneren Bedingungen. Die Äußeren Bedingungen beinhalten drei Komponenten:
1. Opportunitäten: die gesamten Möglichkeiten der materiellen Knappheit, die als Mittel gewählt werden können (verschiedene Arten von Einkommen und Kapital)
2. Institutionelle Regeln: Gewohnheiten, Sitten, Gebräuche, Normen
3. Signifikante Symbole: in der Situation vorhandene, kulturell definierte und als sinnhaft identifizierbare Zeichen für die Geltung eines bestimmten Bezugsramens, der die Situation charakterisiert
Die inneren Bedingungen werden einerseits durch die soziale Identität der Akteure gebildet (gesamtes Repertoire an Wissen, Bewertungen und Einstellungen). Die Identität stellt andererseits gedankliche Modelle für typische Situationen, über das dort angemessene Handeln und über die Art der Beziehung des Akteurs zu seiner Umgebung, bereit
Die Subjektive Definition der Situation
Framing:
Situationen sind in der Regel zu komplex, um alles vorhandene aufnehmen zu können.
Es muss eine Vereinfachung vorgenommen werden. Der Akteur kommt mit seiner Identität und seinem Gesamt an Wissen und Modellen in eine Situation hinein. Der Akteur legt dann fest, wie er die Situation sieht. Die Situation wird unter einen Leitgesichtspunkt gestellt. Dieser orientierende Rahmen schränkt Ziele, Handlungsmöglichkeiten, Bewertungen und Erwartungen auf ein für diesen Rahmen charakteristisches Spektrum ein. Weiterhin gibt dieser Rahmen an, auf welcher Weise Handlungsselektion vollzogen werden. Aus dem Gesamt wählt der Akteur ein Modell als Bezugsrahmen aus. Jede subjektive Definition ist also eine Selektion aus möglichen anderen Festlegungen. Mit der Wahl eines Modells verortet sich der Akteur in einer jeweiligen gesellschaftlichen Sphäre. Der Vorgang ist ein inneres (covertes) Tun oder Handeln. Esser bezeichnet dies als Framing.
Framing ist der Vorgang der Orientierung und die Selektion einer bestimmten subjektiven Definition der Situation. Ein Frame enthält eine typische Definition und das Oberziel, um das es in der Situation geht. Das Oberziel definiert den funktionalen, kulturellen und normativen Code (Zeichensystem) des Frames.
Skript:
Bei der Selektion eines Modells wird zusätzlich auch ein Skript gewählt. Ein Skript beschreibt die typischen, am Code des Frames orientierten inhaltlichen Abläufe für ganze Sequenzen von Handlungen. (Programm des Handelns innerhalb eines Frames)
Modus der Informationsbearbeitung:
Bei der subjektiven Definition der Situation wird neben der Festlegung von Frame und Skript auch ein Modus der Informationsverarbeitung / Entscheidungsfindung gewählt.
Dieser Modus legt fest, auf welcher Art und Weise die Selektion von Frame und Skript erfolgt
Zwei formen von Modus:
AS-Modus
Spontan – automatische Aktivierung von Frame/Skript (as-Modus): Konsequenzen der Wahl von Frame / Skript werden nicht berücksichtigt. Dieser Modus wird im Normalfall des Alltagshandelns gewählt, wenn die Dinge in unbewusster automatischer Routine abgearbeitet werden können. Voraussetzung: In der Situation geht es für den Akteur um ein stark im Vordergrund stehendes Modell und die dazu eindeutig passenden Symbole in der Außenwelt. (automatisches, unreflektiertes und unbewusstes zugreifen auf den as-Modus)
RC-Modus
Reflexiv kalkulatives Frame / Skriptwahl (rc-Modus): Hier wird versucht die Konsequenzen der Wahl zu bedenken. Wenn Störungen und Probleme auftreten, wenn die Symbole nicht eindeutig sind, wenn kein Modell im Vordergrund steht wird in den rc-Modus umgeschaltet, die Frame / Skript-Wahl erfolgt dann bewusst.
Logik der Selektion
Die Logik der Selektion ist der Ort, wo die Handlungswahl, also die Handlungsselektion geschieht. Die allgemeine Soziologie hat sich bis heute vorrangig mit Fragen der Erklärung des Handelns beschäftigt. Es standen weniger die Handlungsauswirkungen im Mittelpunkt. Das bedeutet nicht, dass die Logik der Selektion ein wichtigerer Aspekt wäre, als die Frage nach den Auswirkungen des Handelns. (vgl. Studienbrief) Doch Die Akteurmodelle treten hier auf um für die Erklärung der Handlungsauswahl theoretische Perspektiven zu liefern. Deshalb werde ich die einzelnen Akteurmodelle etwas detaillierter schildern. Ein solch friedliches zusammenstehen der Akteurmodelle als Handlungserklärung ist nicht die Regel. Die einzelnen Akteurmodelle werden häufig als für die Erklärung jegliches Handelns einzig funktionierende angesehen. Dies gilt in besonderem Maße für Homo Sociologikus und für den Homo Oeconomikus. Schimank zeigt aber auf, dass eine Theorie nicht ausreicht um der Komplexität der Handlungswahl Rechnung zu tragen. Er beweist, dass die vier Modelle durchaus in der Lage sind, gemeinsam, sich in ergänzender Weise, für die Handlungserklärung einsetzbar sind.
Auch Esser sieht es nicht vor die Logik der Handlungsselektion durch mehrere Akteurmodelle zu erklären. Esser verwendet eine Variante der WE-Theorie als allgemeine Handlungstheorie. Dies entspricht am ehesten dem soziologischen Homo Oeconomikus. Ich beginne hier jedoch mit dem Homo Sociologikus, dies ergibt sich da, dieses Modell bei der Herausbildung der Soziologie neben den anderen Sozialwissenschaften wie z.B. Wirtschaftswissenschaft als eigenständiger Disziplin eine wichtige Rolle spielte.
Homo Sociologikus
Das Normative Paradigma.
Durkheim stieß in seinen Überlegungen auf den Zwang sozialer Normen. Er verglich Sozialität und Natur. Natur wird durch Naturgesetze, durch objektive Merkmale, durch eine Nicht-Beliebigkeit definiert. Die Soziologie als Wissenschaft des Sozialen setzt voraus, dass soziale Vorgänge auch Gesetzmäßigkeiten unterliegen. Dies ist eine Nicht-Beliebigkeit, eine wiederholende Regelmäßigkeit des Handelns, ein Zwang des Sozialen. Soziale Normen zwingen das Handeln in eine bestimmte Richtung. Durkheim spricht von soziologischen Tatbeständen, über einen Druck des sozialen Milieus, was über die Erziehung vermittelt und übernommen wird. (z. B. Pflichten als Bruder, Gatte, Bürger).
Sozialität führt Durkheim nicht auf die Subjektivität zurück. Die Gesetzmäßigkeiten sozialen Handelns liegen für ihn nicht in der Ähnlichkeit psychischer Beschaffenheit des Handelnden. Die Wirkungsrichtung ist bei Durkheim einseitig, für ihn wirkt eindeutig die Sozialität auf die Subjektivität. Der Gruppenzustand zwingt den Einzelnen, er drängt sich ihm auf. Diese Einseitigkeit ist nicht zwecklos, sie sollte sich von den Vertretern eines idealistisch-liberalistischen Gedankengutes eindeutig distanzieren. Die Idee der soziologischen Tatbestände soll signalisieren, dass das Subjekt, die Welt eben nicht für sich alleine erschaffen könne, soziale Erscheinungen könnten nicht durch eine bloße Willensentscheidung verändert werden. Sie müssen als Dinge der Außenwelt betrachtet werden. Diese Dinge des Sozialen beschreibt Durkheim als Gussformen.
Durkheim beschäftigt sich nicht mit Gestaltungsspielräumen des Einzelnen – also, ob man bei der Orientierung an sozialen Normen eine Wahlmöglichkeit zwischen Alternativen besitzt oder nicht - vielmehr interessieren ihn nur die „Gussformen“ denen sich alle fügen müssen.
Dafür unterscheidet er verschiedene Härtegrade dieser „Gussformen“
1. Rechtliche Normen: Sie sind am härtesten. Bei Nichteinhaltung folgen Sanktionen durch die staatliche Gewaltanordnung
2. Moralische Normen: Etwas schwächer als die rechtlichen Normen. Bei Nichteinhaltung folgen Sanktionen wie Achtungsentzug
3. Normen der Sitte und der Konvention: Die Nichteinhaltung wird sanktioniert durch Distanz, Lächerlichkeit, Heiterkeit
Parsons knüpft an Durkheim an. Er entwickelt das Konzept des „Unit act“
Auch hier sind soziale Normen im Mittelpunkt der Darstellung. Parsons leistete eine Abgrenzung des soziologischen Handlungsverständnisses gegen das Wirtschaftswissenschaftliche. In diesem Rahmen versucht er die utilitaristische Denktradition in der Handlungstheorie zu überwinden. Utilitarismus sah Handeln als rationale Wahl an. Handeln ist Maximierung subjektiven Nutzens. Worin der Nutzen bei dem Einzelnen besteht, wird von der utilitaristischen Sozialtheorie auf Grund der Unübersichtlichkeit individuellen Wollens als nicht theoriefähig angesehen. An dieser entscheidenden Stelle ergänzt und überwindet Parson die utilitaristische Handlungstheorie mit dem Konzept des „Unit act“. Die analytische Grundeinheit des „Unit act“ befindet sich in der Möglichkeit sozialen Handelns:
- Es muss einen Akteur, also ein handlungsfähiges Wesen geben
- Der Akteur muss Ziele verfolgen
- Der Akteur und seine Zielsetzung befinden sich in einer Situation, mit entsprechenden Mitteln und Einschränkungen
- Das Handeln ist stets normativ reguliert
Genau mit der normativen Regulierung überwindet Parsons die wirtschaftswissenschaftliche Handlungstheorie. „Welche Kleidung, Lebensmittel, Bücher, Reisen usw. sich jemand kauft, ist keineswegs seine eigene souveräne Wahl, sondern beruht u.a. auf schichtspezifischen Präferenzmustern, deren normative Kraft sich darin erweist, dass ihre Nichtbeachtung Ansehensverluste zur Folge hat.“(Schimank Studienbrief)
Das wirtschaftswissenschaftliche Handlungsverständnis vernachlässigt diesen Punkt, weil die Wirtschaft weitgehend von normativen Beschränkungen freigestellt worden ist. Es gibt nur wenig Gesetze, die das Konsumentenhandeln beschränken. Wenn Normen aber auch schon für wirtschaftliches Handeln gelten, dann regulieren sie erst recht andere Handlungsfelder, wie Familienleben, Umgang mit Freuden usw..
Immer mehr Lebensbereiche werden verrechtlicht in der modernen Gesellschaft. Sie wird immer mehr durch formale Organisationen durchdrungen, welche eine starke normgebende Wirkung haben. Diese Beispiele machen Parsons Argumentation plausibel, dass die Verfolgung situationsspezifische Ziele nicht ausreicht, um Handeln zu erklären, es müssen auch die situationsübergreifende Normen herangezogen werden. Erst durch sie enthält Handeln einen „teleogical Character“.
Parsons hat mit seiner Theorie zunächst Handeln als Zusammenwirken von zwei Determinationspolen dargestellt:
1. Pool der bedingenden Faktoren: Sie beinhalten den Möglichkeitsspielraum des Handelns. (Handlungsfähigkeiten, Handlungsmittel, Handlungsziele, Einschränkungen, körperliche Antriebe)
2. Pool der normativen Faktoren. Hier wird bestimmt, welche Möglichkeiten in Betracht gezogen werden. Das Handlungsziel ist intersubjektiv, die Möglichkeiten werden normativ „domestiziert“.
Später erweiterte Parsons seine Theorie und entwickelte vier Komponente, aus deren Zusammenspiel er Handeln definiert:
1. Verhaltensorganismus des Akteurs: körperliche Bedürfnisse (Hunger, Sex usw.) Repertoire an körperlichen Fähigkeiten (Sehen, Riechen, motorische Fähigkeiten)
2. Persönlichkeit: Spezifikation von körperlichen Antrieben und körperlichen Fähigkeiten zu Motiven des Handelns
3. Soziale Normen: Nicht alles was motivational gewollt wird, wird zugelassen. Normen verlangen auch vieles, was motivational überhaupt nicht gewollt wird. Normen berechtigen einen, bestimmte Motive zu verfolgen
4. Generelle kulturelle Orientierung: Diese fügt die sozialen Normen zu übergreifenden Strukturen zusammen
Das Zusammenwirken der vier Faktoren hat gleichsam auch eine Funktion der Handlungsselektion. Kultur und Normen steuern Motivbildung und körperliche Bedürfnisse.
Rollenhandeln. Die Strukturfunktionalistische Rollentheorie
Die strukturfunktionalistische Rollentheorie ist eine weitere Ausarbeitung des normativen Paradigmas unter Mitwirkung von Parsons.
Soziales Handeln ist Schauspielen, behauptet die Rollentheorie, was nach vorgefertigten Drehbüchern, nach Vorgaben von einem Regisseur geschieht. Das Homo Sociologicus sieht zunächst einmal von der Willensfreiheit des einzelnen ab. Dies widerspricht kulturellen Traditionen und auch unserer Selbsterfahrung. Aber der Diskrepanz zwischen Alltagsvorstellungen und soziologischer Theorie ist ein Charakteristikum wissenschaftlichen Wissens.
Grundbegriffe der Rollentheorie nach Dahrendorf
Sozialität stellt sich als Gefüge sozialer Positionen dar. Die soziale Position ist dabei ein Knotenpunkt in einem Beziehungsnetz. Die Sozialwelt wird als die Gesamtheit sozialer Beziehungen, als Beziehungsnetz dargestellt. Die Knotenpunkte Bilden die soziale Position. ( z.B. Position des Mannes zu seiner Frau; Position des Vaters zu seinen Kindern; Position des Lehrers zu seinen Schülern.) Alle Menschen nehmen viele soziale Positionen ein, dies geschieht aber meist nicht gleichzeitig. Es gibt auch Kombinationen gleichzeitig wahrgenommener Positionen (Vater am Tisch mit seinen Kindern und mit seiner Frau). Jede Soziale Position ist mit einer Rolle verbunden. Soziale Rollen beinhalten Verhaltensweisen, welche man vom Träger einer sozialen Position erwartet. Rollenerwartungen können sich wandeln, sind nicht für immer festgelegt.
Verbindlichkeit von Rollenerwartungen
Dahrendorf unterscheidet zwischen „ Muss - kann und soll “ - Erwartungen.
Muss-Erwartungen sind Hochgradig verbindlich, oft rechtlich festgelegt. Bei Nichteinhaltung folgen massive negative Sanktionen. Positive Sanktionen gibt es nicht, weil Konformität als Pflicht der Position betrachtet wird.
Soll-Erwartungen beinhalten einen schwächeren Verbindlichkeitsgrad. Die Nichtbeachtung wird ebenfalls bestraft, allerdings milder. Eine dauerhafte Erfüllung der Erwartungen wird bereits positiv sanktioniert, also nicht für selbstverständlich gehalten (z.B. Lehrer mit besonderer Mühe in seinem Unterricht)
Kann-Erwartungen haben eine geringere Verbindlichkeit. Nichtbefolgung wird nicht mit negativen Sanktionen geahndet, da die Erfüllung der Erwartungen nicht vorausgesetzt wird. Wer diese Erwartungen freiwillig erfüllt, bekommt positive Sanktionen. (z.B. ein Lehrer der sich in seiner Freizeit für seine Schüler engagiert)
Je höher der Verbindlichkeitsgrad von Rollenerwartungen ist, desto größer ihr prognostischer Wert. Eine 100%ige Gewissheit gibt es nicht, der Einzelne kann sich gegen die Rollenerwartungen auflehnen und sie Missachten. Dies unterscheidet soziale Normen von Naturgesetzen.
Ursprung von Rollenerwartungen
Dahrendorf gibt nur eine vage Antwort. Er sieht die Gesellschaft als Auslöser von sozialem Druck. Die Rollentheorie überwindet den Gesellschaftsbegriff in der Ursachensuche und konkretisiert dies durch das Konzept der Bezugsgruppen. Durkheims sozialer Druck kann somit als Gruppendruck verstanden werden.
- Auf den Handelnden wirkt ein sozialer Druck ein
- Der Handelnde kann, muss es aber nicht so empfinden
- Die Rollenerwartungen werden durch die Sozialisation erworben, man weiß, wie man sich zu verhalten hat
- Der betreffende verinnerlicht diese Erwartung und macht sie sich eigen. Der Druck wird in seiner Selbstwahrnehmung sogar von Innen stärker erscheinen als von Außen.
Internalisierung von Rollenerwartungen
Die Bezugsgruppen als äußere Kontrollinstanzen entsprechen dem Freudschen Konzept des „Über Ichs“ als innere Kontrollinstanz.
- Die internalisierten Rollenerwartungen haben große Effektivität und Effizienz
- Sie sind effektiver uns nachhaltiger als bloße Außenkontrolle
- Sie sind allgegenwärtig
- Sie kommen ohne unmittelbare Fernwirkung aus. Wer sich die Erwartungen verinnerlicht und sie sich zu Eigen macht, überwacht und kontrolliert sich selbst
- Eine bloße Außenkontrolle stößt an ihre Grenzen, da Sanktionalisierung nur dann erfolgt, wenn die Bezugsgruppen den Verstoß in Erfahrung bringen
- Bei den internalisierten Erwartungen besteht eine immer gegenwärtige Saktionalisierungsform, nämlich die Selbstmissbilligung. (sich Schämen, Selbstachtung verlieren, schlechtes Gewissen haben). Diese Selbstmissbilligung entspricht der Missbilligung durch andere, doch in ihrer Intensität könnte sie sogar höher sein als eine Missbilligung von Außen. (Identitätsprobleme)
Das Rollenmodell stellt eine stetige Fortschreibung des von Durkheim und Parson begründeten „normativen Paradigmas“ dar. „Soziale Normen, die sich an der Handlungswahl orientieren, sind in Gestalt von Rollenerwartungen an soziale Positionen adressiert. Die Person hat zu jedem Zeitpunkt mindestens eine Rolle inne, die als „Rollenset“ durch die Gesamtheit der jeweiligen Bezugsgruppen instruiert, überwacht und sanktioniert wird. Die Sozialwelt ist dann strukturell betrachtet ein immenser Zusammenhang einander wechselseitig bestimmender Positionen“..“Die Sozialwelt ist eine komplexe Erwartungsverflechtung“. (Schimank Studienbrief)
Individuelle Kollektive und korporative Akteure
Die strukturfunktionalistische Rollentheorie ist auch auf kollektive und korporative Akteure anwendbar. Nicht nur Personen, sondern – unter verschiedenen Bedingungen – auch soziale Bewegungen und Organisationen besitzen Handlungsfähigkeit.
Das interpretative Paradigma „Role making“
Der Homo Sociologicus gliedert sich in zwei Varianten des Rollenhandelns:
1. Role taking: Dies wird ausführlich im normativen Paradigma nach Durkheim und Parson, sowie durch das strukturfunktionalistisches Rollenhandeln beschrieben. Role taiking ist in Situationen anwendbar, in denen Erwartungssicherheit durch klare Normen gegeben ist
2. Role making: Das Rollenhandeln stößt auf Komplikationen. Der Akteur muss durch seine Kreativität die Situation meistern, um eine brauchbare normative Ordnung zu installieren.
Betrachtet man die moderne Gesellschaft hinsichtlich Erwartungssicherheit, so kann man davon ausgehen, dass die Anforderungen durch „role making“ zunehmen und die des „Role taking“ entsprechend abnimmt. Die moderne Gesellschaft bringt eine zunehmende Rollendifferenzierung hervor. Die Rollen nehmen sowohl in ihrer Anzahl als auch in ihrer Komplexität zu. Eine Person hat immer mehr Rollen inne, die Kombinationsmöglichkeit dieser Rollen nimmt ständig zu. Durch die hochgradige Rollendifferenzierung steigert sich auch die Vielfalt der möglichen Komplikationen, die eine spezifische Lösung verlangen und nicht mehr durch eine gesellschaftlich normierte Regelung gelöst werden können. Nicht alle Probleme können durch Regelungen erledigt werden, die Anforderungen an die Person und an ihre sozialen Kompetenzen steigen deshalb, da sie Lösungen situativ und intersubjektiv entwickeln müssen.
Dies bedeutet nicht, dass das Strukturfunktionalistisches Rollenmodell seine Gültigkeit verliert. Es gibt weiterhin sehr viele Handlungssituationen in denen der Akteur sich an Rollenerwartungen orientieren kann, ohne dass Komplikationen auftreten. Dies vollzieht sich unspäktakulär, ohne dass der Akteur reflektieren muss. Dies bedeutet aber nicht, dass das interprative Paradigma ( role making ) die strukturfunktionalistische Rollentheorie (Role taking) vollständig ersetzen kann. Das interprative Paradigma sollte vielmehr als Erweiterung des strukturfunktionalistischen Modells verstanden werden.
Voraussetzungen von Rollenerwartungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Wenn mindestens eine der aufgeführten Voraussetzungen fehlt, treten Komplikationen des Rollenhandelnden auf. Dies fordert den Akteur zur kreativen Eigenleistung zu „role making“ auf.
Rollenkonflikte:
Intra-Rollen-Konflikt
Der Rollenhandelnde kann nicht gleichzeitig allen Erwartungen, die von seinen unterschiedlichen Bezugsgruppen gestellt werden, gerecht werden. Es drohen Konsequenzen. Es gibt unterschiedliche Umgangsformen mit widersprüchlichen Erwartungen, die der Rollenhandelnde einsetzen kann.
Orientierung an der Stärke des Erwartungsdrucks: Die Erwartungen der einflussreicheren Gruppe werden erfüllt, sie schützt unter umständen dafür den Akteur vor den Konsequenzen der schwächeren Gruppe.
Orientierung an der Intensität des Interesses für erwartungskonformität: Wie stark der Erwartungsdruck ist, hängt auch von der Intensität des Interesses ab, die eine Bezugsgruppe an der Erwartungskonformität hat. Wenn einer einflussreichen Bezugsgruppe es relativ gleichgültig ist, ob ein Handelnder ihre Erwartungen erfüllt oder nicht, so könnte er im Konfliktfall eine weniger einflussreiche, aber an der Erfüllung ihrer Erwartungen hochgradig interessierte Gruppe bevorzugen.
Orientierung am Ausmaß der Beobachtbarkeit von Erwartungskonformität: Der Rollenhandelnde erfüllt eher die Erwartungen der Bezugsgruppe, die besser in der Lage ist die Erfüllung ihrer Erwartungen zu überwachen. Bei geringerer Überwachung kann man dafür sorgen, dass die Bezugsgruppe die Abweichung nicht mitkriegt.
Rollenkonflikt offen thematisieren: Der Rollenkonflikt wird durch den Handelnden gegenüber der relevanten Bezugsgruppen offen thematisiert. Das Ergebnis können Verhandlungen sein, die Gruppen harmonisieren ihre Erwartungen, oder die Gruppen entwickeln mehr Verständnis für den Grund der Abweichung.
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- Quote paper
- Attila Steinbach (Author), 2005, Die Funktion der Akteurmodelle in der Soziologie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57142
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