„…ich aber halte zu dem fridericianischen Satze, daß die Welt nicht sicherer auf den Schultern des Atlas ruht, als Preußen auf den Schultern seiner Armee.“ spricht Schach in Tempelhof. Der Glaube an die Armee, derer Teil er bildet, bestimmt sein Handeln, seine Persönlichkeit und sein Wesen. Schach von Wuthenow ist ein Musterpreuße.
Liegt es hier aber wirklich so einfach?
Inwieweit verweist die Person des Schachs auf das Preußentum, wie viel Symbolik ist in seiner Figur enthalten und wie viel Menschliches verbirgt sich in ihr?
Die Forschungsliteratur eröffnet ein weites Feld an Interpretationsvorschlägen. Angefangen mit Georg Lukács, der „Schach von Wuthenow“ als „Fontanes kleines Meisterwerk in dieser Kritik des historischen Preußen, ein noch lange nicht in seiner vollen Bedeutung erkannter einsamer Gipfel der deutschen historischen Erzählungskunst“ bezeichnet, bis schließlich Jürgen Manthey, der das politische Geschehen als eine „Deckerzählung“ einer tief psychologisch-privaten Dreiecksbeziehung zwischen Schach von Wuthenow, Frau von Carayon und Victoire ansieht.
Es ist eine Erzählung, die mindestens einen doppelten Boden hat. Das Private geht bisweilen im Politischen unter, im nächsten Moment verkehrt sich die Situation gänzlich, so dass die Liebesgeschichte Überhand gewinnt. Doch welche Absicht liegt in der Erzählung verborgen? Um es mit Bülows Worten zu formulieren: „Wie lag es denn?“
Diese Frage wird anhand einer polyperspektivischer Herangehensweise an das Werk beantwortet. Die Beweisführung soll die Entstehungsgeschichte, die Konstellation der Personen, die Hauptfiguren sowie ihre historischen Vorbilder bis hin zur Peron des Schachs von Wuthenow in betracht ziehen.
Die gesellschaftliche und religiöse Moral Preußens und ihre Spiegelung in der Dreiecksbeziehung von Schach, Victoire und Frau von Carayon werden thematisiert.
Schließlich werden der Selbstmord Schachs, seine Motivation und die dahinter stehende privat–politische Aussage interpretiert. Die sprachlich mehrdeutige Darstellung des Vorfalls und seine doppelte Kommentierung durch die Briefe Bülows und Victoires wird genutzt, um die Aussage Fontanes im Bezug auf die Person des Schachs ausfindig zu machen und sie zwischen den Gegenpolen Mantheys und Lukács´ anzusiedeln.
Für Großvater
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Entstehungsgeschichte
- Die Figuren
- Schach
- Frau von Carayon
- Victoire
- Bülow
- Deutung der Erzählung im Hinblick auf den Verweisungscharakter der Person des Schach von Wuthenow
- Im Salon - Erste Charakteristik Schachs
- Die Weihe der Kraft - Schach und das Luthertum
- Sala Tarone - Schach in der politisch - gesellschaftlichen Polyperspektive
- Der schöne Schach“ – Das Motiv der Schönheit als Verweis auf den Verfall
- Zwischen Privaten und Politik: Die Dreieckbeziehung und Schachs Ehescheu
- Der ästhetische Mönch – Die Form ohne Inhalt
- Dekadenz, Inhaltslosigkeit und Verwirrung der Begriffe – Das Leben begriffen als Spiel
- Verwirrung und Verführung
- Liebe als Gesellschaftsnorm
- Fassade der Formen und der innere Verfall
- Angst vor der Lächerlichkeit als Todesurteil
- Gehorsam als Selbstbetrug
- Die „falsche Ehre“ – ein Spiegel der Gesellschaft
- Der Selbstmord des Individuums als Symbol des Untergangs eines Staates
- Reflexionen von Bülow und Victoire
- Bülow - Die politische Perspektive
- Victoire - Die weiblich menschliche Perspektive
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die Person des Schach von Wuthenow in der gleichnamigen Novelle von Theodor Fontane. Im Fokus steht die Frage, inwieweit Schachs Charakter auf das Preußentum verweist und welche Symbolik in seiner Figur angelegt ist. Dabei wird auch untersucht, wie viel Menschlichkeit in Schachs Persönlichkeit zu finden ist. Die Arbeit beleuchtet die komplexe Beziehung zwischen Schachs privatem Leben und seiner Rolle im politischen Kontext, sowie die Ambivalenz seiner Handlungsweise.
- Der Verweisungscharakter der Figur des Schach von Wuthenow
- Die Symbolik in Schachs Persönlichkeit
- Die Beziehung zwischen Privatleben und politischer Rolle
- Die Ambivalenz von Schachs Handlungsweise
- Die Darstellung von Preußentum und Gesellschaft in der Novelle
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung führt den Leser in die Thematik der Arbeit ein und stellt die zentrale Fragestellung nach dem Verweisungscharakter der Figur des Schach von Wuthenow vor. Sie beleuchtet die Bedeutung der Novelle im Kontext der deutschen Literatur und skizziert die Forschungslandschaft.
- Entstehungsgeschichte: Dieses Kapitel beleuchtet die Entstehungsgeschichte der Novelle und zeigt auf, wie Fontane den historischen Stoff für seine literarische Verarbeitung nutzt. Es werden die zeitliche Versetzung des historischen Geschehens, die Suche nach dem geeigneten Titel sowie Fontanes Beziehung zu dem Stoff thematisiert. Die Analyse der Entstehungsphase der Novelle liefert wichtige Hinweise auf Schachs Verweisungscharakter.
- Die Figuren: Das Kapitel stellt die Hauptfiguren der Novelle, Schach von Wuthenow, Frau von Carayon, Victoire und Bülow, vor und charakterisiert sie kurz. Dabei wird auch auf ihre historischen Vorbilder eingegangen.
- Deutung der Erzählung im Hinblick auf den Verweisungscharakter der Person des Schach von Wuthenow: Dieser Abschnitt analysiert die Novelle im Hinblick auf Schachs Persönlichkeit und sein Umfeld. Die Analyse beleuchtet die Themenbereiche der gesellschaftlichen und religiösen Moral Preußens, die Dreiecksbeziehung von Schach, Victoire und Frau von Carayon sowie seine Ehescheu. Die Ausführungen von Bülow und die Handlungsmoral von Schach liefern wichtige Hinweise auf Schachs Verweisungscharakter.
Schlüsselwörter
Die Novelle "Schach von Wuthenow" von Theodor Fontane befasst sich mit zentralen Themen wie dem Preußentum, der gesellschaftlichen und religiösen Moral, der Ambivalenz von Menschlichkeit und Verweisungscharakter, der Dreiecksbeziehung und Schachs Ehescheu. Die Figur des Schach von Wuthenow repräsentiert einen Musterpreußen, der in seinen Handlungen und Entscheidungen durch die Ideale seiner Zeit geprägt ist. Die Analyse beleuchtet auch die politische und gesellschaftliche Situation Preußens im 19. Jahrhundert sowie die Auswirkungen von Macht, Ehre und Dekadenz auf die Figuren.
- Quote paper
- Bartosz Nowak (Author), 2005, Schach von Wuthenow. Person und Verweisungscharakter, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56997