Jeder kennt sie und jeder hat sie von Zeit zu Zeit mehr oder weniger gehäuft - Probleme! So mancher Erwachsener würde an dieser Stelle wahrscheinlich sagen: "Die Jugend von heute hat doch keine Probleme!", doch dem ist nicht so. Kinder und Jugendliche sind vor ihnen genauso wenig gefeit. Allein durch die Entwicklungsaufgaben, die es entsprechend der jeweiligen Altersstufe zu bewältigen gilt, ergeben sich zahlreiche Konflikte, die vor allem dem familiären und schulischen Bereich zuzuordnen sind. Die meisten von ihnen wissen sich selbst zu helfen. Die nötige Unterstützung finden sie im Freundeskreis oder in der Familie. Ob Lehrer auch zu den Ansprechpartnern gehören, wird in der vorliegenden Arbeit zu klären sein.
Es wäre ein Irrtum zu glauben, dass Schüler ihre Probleme ablegen, sobald sie das Schulhaus betreten. Sie sind eine generelle Belastung und können zu emotionalen, kognitiven und/oder physischen Beeinträchtigungen führen. Wenn es keine Anzeichen wie zum Beispiel Konzentrationsschwierigkeiten, Leistungsabbau oder aggressives Verhalten gibt, bekommt man kaum mit, was einen Schüler bedrückt. Demnach ist es als Lehrer besonders wichtig, sensibel für Schülerbotschaften zu sein, die darauf hinweisen, dass etwas nicht in Ordnung ist.
Leider wissen viele Lehrer nicht, was sie in solchen Situationen tun und wie sie dem Schüler gegenüber am effektivsten reagieren sollen. Die meisten verschanzen sich hinter der Maske, die ihnen ihr Beruf bietet, erheben sich über die Schüler und sehen sie dem entsprechend von einer ganz anderen Ebene, was sich in der Regel nachteilig auf das Lehrer-Schüler-Verhältnis auswirkt. Dabei ist es nach ROGERS gar nicht so schwer, wenn man als Lehrer drei Grundhaltungen verwirklicht. Echtheit, bedingungslose positive Wertschätzung sowie Empathie heißen die drei "Zauberworte", mit denen der Lehrer ein Klima schaffen kann, das für die zwischenmenschliche Beziehung sowie die Persönlichkeitsentwicklung des Schülers förderlich ist.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Hinführung zum Thema
1.2 Abgrenzung des Themas
1.3 Gang der Untersuchung
2. Konflikte
2.1 Was versteht man unter dem Begriff Konflikt?
2.1.1 Intrapersonale Konflikte
2.1.2 Interpersonelle Konflikte
2.2 Der Konfliktbegriff bei Kindern und Jugendlichen (FB)
3. Entwicklungsaufgaben und daraus resultierende Konflikte
3.1 Konfliktauslösende Faktoren während der Kindheit
3.2 Konfliktauslösende Faktoren im Jugendalter
3.3 Konfliktauslösende Situationen bei Kindern und Jugendlichen (FB)
4. Der Umgang mit Konflikten
4.1 Konfliktverhalten
4.2 Konfliktbewältigung bei Kindern und Jugendlichen (FB)
4.3 Der Lehrer als Ansprechpartner? (FB)
4.4 Erwartungen an den Gesprächspartner (FB)
5. Die Klientenzentrierte Psychotherapie nach CARL ROGERS
5.1 Abriss zur Entwicklung
5.2 Die Theorie des klientenzentrierten Ansatzes
5.3 Echtheit
5.3.1 Wirkungen auf den Klienten
5.4 Wertschätzung und Anteilnahme
5.4.1 Wirkungen auf den Klienten
5.5 Empathie
5.5.1 Wirkungen auf den Klienten
5.6 Die drei Grundhaltungen in ihrer Anwendung
5.7 Der therapeutische Prozess
5.8 Anwendungsmöglichkeiten in der Pädagogik
6. “Herr Lehrer, ich habe ein Problem!”
6.1 Die Frage nach dem Problembesitz
6.2 Was Lehrer tun können, wenn Schüler ein Problem haben.
6.2.1 Passives Zuhören
6.2.2 Bestätigende Reaktionen
6.2.3 Der Gebrauch von Türöffnern
6.2.4 Aktives Zuhören
7. Äußere Einflussfaktoren
7.1 Der zeitliche Rahmen
7.2 Räumliche Bedingungen
7.3 Stimmung des Lehrers
8. Schlussbetrachtung
9. Literaturverzeichnis
10. Anhang
Fragebogen (blanko)
Fragebogen einer 13-jährigen Schülerin
Fragebogen eines 18-jährigen Schülers
Anmerkung:
An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass Zitate aus wissenschaftlichen Quellen und älteren Veröffentlichungen original belassen werden. Die Neuregelungen der Deutschen Rechtschreibung finden in diesen Passagen folglich keine Anwendung. Des Weiteren ist zu beachten, dass alle Bezeichnungen wie Lehrer, Schüler, Therapeut und Klient die weibliche Form mit einschließen.
1. Einleitung
1.1 Hinführung zum Thema
Jeder kennt sie und jeder hat sie von Zeit zu Zeit mehr oder weniger gehäuft - Probleme! So mancher Erwachsener würde an dieser Stelle wahrscheinlich sagen: “Die Jugend von heute hat doch keine Probleme!”, doch dem ist nicht so. Kinder und Jugendliche sind vor ihnen genauso wenig gefeit. Allein durch die Entwicklungsaufgaben, die es entsprechend der jeweiligen Altersstufe zu bewältigen gilt, ergeben sich zahlreiche Konflikte, die vor allem dem familiären und schulischen Bereich zuzuordnen sind. Die meisten von ihnen wissen sich selbst zu helfen. Die nötige Unterstützung finden sie im Freundeskreis oder in der Familie. Ob Lehrer auch zu den Ansprechpartnern gehören, wird in der vorliegenden Arbeit zu klären sein.
Es wäre ein Irrtum zu glauben, dass Schüler ihre Probleme ablegen, sobald sie das Schulhaus betreten. Sie sind eine generelle Belastung und können zu emotionalen, kognitiven und/oder physischen Beeinträchtigungen führen. Wenn es keine Anzeichen wie zum Beispiel Konzentrationsschwierigkeiten, Leistungsabbau oder aggressives Verhalten gibt, bekommt man kaum mit, was einen Schüler bedrückt. Demnach ist es als Lehrer besonders wichtig, sensibel für Schülerbotschaften zu sein, die darauf hinweisen, dass etwas nicht in Ordnung ist.
Leider wissen viele Lehrer nicht, was sie in solchen Situationen tun und wie sie dem Schüler gegenüber am effektivsten reagieren sollen. Die meisten verschanzen sich hinter der Maske, die ihnen ihr Beruf bietet, erheben sich über die Schüler und sehen sie dem entsprechend von einer ganz anderen Ebene, was sich in der Regel nachteilig auf das Lehrer-Schüler-Verhältnis auswirkt. Dabei ist es nach ROGERS gar nicht so schwer, wenn man als Lehrer drei Grundhaltungen verwirklicht. Echtheit, bedingungslose positive Wertschätzung sowie Empathie heißen die drei “Zauberworte”, mit denen der Lehrer ein Klima schaffen kann, das für die zwischenmenschliche Beziehung sowie die Persönlichkeitsentwicklung des Schülers förderlich ist.
1.2 Abgrenzung des Themas
Die vorliegende Arbeit geht davon aus, dass Kinder und Jugendliche zu keiner Zeit vollkommen frei von Problemen sind und dass sie dadurch in ihrem Erleben, Verhalten und Handeln beeinflusst werden. Zu diesem Thema wurde eine schriftliche Befragung durchgeführt, an der insgesamt 93 Schüler teilgenommen haben. Die Ausführungen bauen zum Teil auf die Ergebnisse des Fragebogens auf oder werden durch sie ergänzt. Die Abschnitte sind im Inhaltsverzeichnis durch die Abkürzung FB gekennzeichnet.
Das erste Kapitel wird sich mit dem Begriff Konflikt beschäftigen, um eine für diese Arbeit gültige Definition zu formulieren. Dabei sollen vor allem die intra- sowie interpersonellen Konflikte im Vordergrund stehen, da diese im Hinblick auf die Kinder und Jugendlichen am wesentlichsten erscheinen.
Das zweite Kapitel beschreibt die Entwicklungsaufgaben der Kinder und Jugendlichen. Um zu zeigen, dass diese sehr umfassend und die daraus resultierenden Konflikte dem entsprechend sehr vielseitig sein können, erfährt dieser Abschnitt bewusst eine besondere Gewichtung, die sich in der ausführlichen Darlegung widerspiegelt.
Im dritten Kapitel wird es um den Umgang mit Konflikten gehen. Dabei soll mit Hilfe des Fragebogens herausgearbeitet werden, ob sich die Kinder und Jugendlichen schon jemals einem Lehrer anvertraut haben und wie sie ihre entsprechende Antwort begründen.
Darauf aufbauend beschäftigt sich das vierte Kapitel mit der Klientenzentrierten Psychotherapie von CARL ROGERS, wobei es nach einem kurzen Abriss zur Entwicklung und einem Einblick in die Theorie vor allem um die drei Grundhaltungen Echtheit, bedingungslose positive Wertschätzung sowie Empathie gehen soll. Der klientenzentrierte Ansatz hat sich in einer Vielzahl von Tätigkeitsfeldern als effizient erwiesen. Um dies deutlich zu machen, verwendet die vorliegende Arbeit die in den letzten Jahren von ROGERS favorisierte Bezeichnung personenzentrierter Ansatz beziehungsweise personenzentrierte Haltung. Entsprechend ließen sich auch für die Benennungen ‘Therapeut’ und ‘Klient’ allgemeinere Begriffe wie ‘Berater’ und ‘Ratsuchender’ einsetzen. Diese Möglichkeit wurde zwar registriert, findet in dieser Arbeit jedoch keine Berücksichtigung.
Das fünfte Kapitel wird sich mit THOMAS GORDON und seiner Lehrer-Schüler-Konferenz beschäftigen, wobei es in erster Linie um die von ihm vorgestellten Methoden gehen soll, die Lehrern helfen, mit Schülerproblemen umzugehen.
Um die Ausführungen abzurunden, werden im sechsten Kapitel äußere Einflussfaktoren genannt. Diese haben zwar nichts mit der persönlichen Einstellung des Lehrers zu tun, sollten jedoch Beachtung finden, da sie das Lehrer-Schüler-Gespräch beeinflussen können.
Der Themenkomplex Kommunikation findet in dieser Arbeit keine Berücksichtigung, da davon ausgegangen wird, dass sich der Schüler mit seinem Problem an den Lehrer wendet. Er also die aktive Rolle einnimmt, während der Lehrer in erster Linie drei Grundhaltungen verwirklichen sollte.
1.3 Gang der Untersuchung
Um die theoretischen Aspekte zum Thema Bedingungen seitens des Lehrers für den erfolgreichen Umgang mit Konflikten von Schülern ansatzweise zu prüfen und zu stützen, habe ich mich für die häufig verwendete Forschungsmethode der Befragung entschieden. Diese Technik dient der Erfassung von Daten mit Hilfe der Beantwortung von Fragen, die einer bestimmten Zielgruppe gestellt werden. Dies kann sowohl schriftlich, in Form eines Fragebogens, als auch mündlich erfolgen. In diesem Fall spricht man von einem Interview.1 Aus organisatorischen Gründen habe ich für mein Vorhaben die schriftliche Variante gewählt.
Ein Fragebogen ist eine schriftliche Zusammenstellung von geschlossenen oder offenen Fragen, um unter anderem Informationen über die Einstellungen, Gefühle, Motive oder die Persönlichkeit von Menschen zu erhalten. Die Beantwortung von geschlossenen Fragen verlangt eine Entscheidung zwischen zwei oder mehreren Antworten. Dabei kann es sich um “Ja” oder “Nein”, um eine Skala von “Stimme völlig zu” bis “Lehne völlig ab” oder um eine Auswahl von Antwortmöglichkeiten handeln.2 Die Versuchsperson sollte sich für die Antworten entscheiden, von denen sie denkt, dass sie ihre eigene Person am besten repräsentieren. Im Gegensatz dazu stehen die offenen Fragen, die keine Alternativen vorgeben. Sie verlangen von der Versuchsperson, ihre Antwort in eigene Worte zu fassen. In beiden Fällen gilt es, die Fragen so kurz und präzise wie möglich zu formulieren und das Vorstellungsvermögen der Befragten nicht zu überfordern.3 Jede Form birgt Fehlerquellen in sich, die hinsichtlich der Validität zu berücksichtigen sind. So können die Versuchspersonen aus unterschiedlichen Gründen falsche Antworten geben: wenn es ihnen zum Beispiel peinlich ist, ihre wahren Gefühle zu offenbaren, wenn sie sich an Vergangenes nicht genau erinnern können oder wenn sie die Fragen nicht richtig verstanden haben. Bei der Auswertung sollte dieser Aspekt berücksichtigt werden.
An der durchgeführten Befragung haben von den geplanten 100 Probanden letztendlich 93 teilgenommen. Während in der 7. Klasse die Anzahl der weiblichen Teilnehmer mit 30 zu 17 überwiegt, ist das Verhältnis bei den Dreizehnklässlern mit jeweils 23 sehr ausgeglichen.
Aus organisatorischen Gründen fand die schriftliche Befragung während des Unterrichts statt. Dadurch konnte zwar einerseits das Verhältnis von weiblichen und männlichen Teilnehmern nicht beeinflusst werden, andererseits waren jedoch Aufsicht führende Lehrer vor Ort, so dass gewährleistet werden konnte, dass die Schülerinnen und Schüler ihren Fragebogen allein bearbeitet und vollständig abgegeben haben.
Um den Schülern mögliche Bedenken zu nehmen, habe ich den Fragebogen anonym bearbeiten lassen. Die Mädchen und Jungen sollten lediglich ihr Alter und ihr Geschlecht angeben.
An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass die verwendete Forschungsmethode sowie die Anzahl der Probanden nicht ausreicht, um allgemein gültige Aussagen zu treffen. Hierfür hätte man möglicherweise eine Feldstudie betreiben müssen.
2. Konflikte
2.1 Was versteht man unter dem Begriff Konflikt?
Konflikte und Konfliktverhalten sind Forschungsgegenstand verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen. Entsprechend der Schwerpunktsetzung in den einzelnen Bereichen wird der zu klärende Begriff jeweils unterschiedlich definiert, so dass sich in der Fachliteratur keine einheitliche Begriffsbestimmung finden lässt.
Für den Sozialpsychologen, MORTON DEUTSCH, existiert ein Konflikt, “wenn unvereinbare Handlungstendenzen aufeinanderstoßen” und eine von beiden die andere behindert, blockiert, stört und sie weniger aussichtsreich oder wirksam macht.4 GEORG BECKER weist darauf hin, dass solche Auseinandersetzungen zu einer “emotionalen, kognitiven und/oder physischen Beeinträchtigung” führen, die von Person zu Person jedoch sehr unterschiedlich sein kann.5 Dem entsprechend unterscheidet er zwischen Schein-, Rand-, Zentral- oder Extremkonflikten. Durch die Beeinträchtigung kommt es zu inneren Spannungen, die auf eine Lösung des Konflikts und somit auf die Wiederherstellung des inneren Gleichgewichts drängen. Die Verarbeitung und Bewältigung kann von der erfolgreichen Beseitigung über das Finden einer Kompromisslösung bis hin zum Hinauszögern, Ausweichen oder Verdrängen auf sehr unterschiedliche Weise erfolgen.
Des Weiteren können Konflikte auf verschiedenen Ebenen stattfinden. In der vorliegenden Arbeit werden sowohl die intra- als auch die interpersonellen Konflikte als wesentlich erachtet, so dass im Folgenden darauf kurz genauer eingegangen werden soll.
2.1.1 Intrapersonale Konflikte
In diesem Abschnitt geht es um Konflikte, die im Bewusstsein des eigenen Selbst auftreten. Hier stehen zwei oder mehrere Strebungen, Motivationen beziehungsweise Bedürfnisse miteinander im Widerspruch. Diese können appetetiver oder aversiver Art sein. Im ersten Fall handelt es sich um positive Absichten, die sich auf die Erreichung eines Ziels richten. Letzteres meint hingegen die negativen Strebungen, die der Vermeidung gefürchteter Ereignisse dienen. Daraus ergeben sich nach LEWIN drei verschiedene Konfliktmöglichkeiten.
Treffen zwei positive Absichten aufeinander, die sich nicht miteinander vereinbaren lassen, spricht man vom so genannten Appetenz-Appetenz-Konflikt. Ein Schüler, der sich zwischen der Aufnahme ins Basketballteam und dem weiteren Besuch beim Zeichenkurs entscheiden muss, wäre beispielsweise in einer solchen Situation.
Beim Appetenz-Aversions-Konflikt treffen sowohl eine positive als auch eine negative Strebung aufeinander. Ein Schüler erhält das Angebot, bei der Schülerzeitung eine wichtigere Aufgabe als bisher zu übernehmen, was sein Selbstwertgefühl stärken und ihn in seiner weiteren Arbeit motivieren wird. Gleichzeitig könnte er, aus Angst, den Anforderungen nicht gerecht zu werden oder sich vor den anderen zu blamieren, dem Angebot ablehnend gegenüberstehen.
Im Falle des Aversions-Aversions-Konflikts treffen zwei negative Strebungen aufeinander, zwischen denen die Person entscheiden muss, welche das geringere Übel bedeutet. Ein Schüler, der sowohl in Englisch als auch Französisch schlecht ist, sich nach der 11. Klasse jedoch für eine der beiden Sprachen entscheiden und darin schließlich sein Abitur schreiben muss, wäre ein Beispiel für diese Konfliktsituation.6
Das Erleben von unvereinbaren Bewusstseinsinhalten oder entgegengesetzten Handlungstendenzen führt zu inneren Spannungen. Die Auseinandersetzung mit sich selbst findet oft in Form des ‘inneren Dialogs’ statt. Das heißt, dass man gedanklich mit sich selbst spricht und dabei für sich die entsprechenden Diskussionspunkte abwägt.
2.1.2 Interpersonelle Konflikte
Ein wesentliches Kennzeichen für Konflikte im zwischenmenschlichen Bereich ist das Vorhandensein von mindestens zwei Konfliktparteien, deren Interessen, Bedürfnisse oder Zielvorstellungen sich nicht miteinander vereinbaren lassen oder sich sogar gegenseitig ausschließen. NEUBAUER spricht in diesem Fall von der “Inkompatibilität der Handlungstendenzen”.7 PIKAS geht in seiner Definition sogar noch einen Schritt weiter. Für ihn besteht ein Konflikt, “wenn sich die Konfliktparteien negativ zueinander verhalten, sich gegenseitig angreifen oder einander mehr oder weniger bewußt Schaden zuführen wollen”.8 Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen starken oder schwachen Angriff handelt und ob dieser verbal oder mit Hilfe von anderen Mitteln erfolgt.
Konflikte müssen jedoch nicht immer destruktiv sein, sondern können durchaus auch erstrebenswerte Lernanlässe darstellen und die Persönlichkeitsentwicklung sowie das soziale Lernen fördern. Demnach sollte die Konflikterziehung dazu beitragen, die Kinder und Jugendlichen zu befähigen, gegebene Konflikte zuzulassen und diese mit angemessenen Mitteln zu bewältigen.
2.2 Der Konfliktbegriff bei Kindern und Jugendlichen (FB)
In den vorangestellten Abschnitten wurde herausgearbeitet, wie der Konfliktbegriff in der vorliegenden Arbeit verstanden wird. An dieser Stelle soll eine kurze Auswertung hinsichtlich der Frage erfolgen, wie Kinder und Jugendliche den Begriff für sich definieren.
Betrachtet man die gegebenen Antworten, lassen sich nicht nur zwischen den beiden Altersstufen, sondern auch unter den Jugendlichen deutliche Qualitätsunterschiede feststellen. Diese sind zum einen auf die Altersspanne zurückzuführen, die zwischen den Kindern und Jugendlichen liegt, zum anderen lassen sie sich aber auch damit erklären, dass einige der 18- und 19-Jährigen seit Beginn der 11. Klasse Psychologieunterricht haben und dem entsprechend mit dieser Thematik vertraut sind.
Im Allgemeinen verstehen die 13- und 14-Jährigen unter dem zu klärenden Begriff einen Streit oder eine Meinungsverschiedenheit. Nur wenige erkannten für sich, dass dazu mindestens zwei Personen oder Gruppen gehören. Vereinzelt wurde darauf hingewiesen, dass man über Probleme reden und eine angemessene Lösungen finden muss.
Der überwiegende Teil der 18- und 19-Jährigen definierte den Begriff Konflikt als eine Meinungsverschiedenheit beziehungsweise eine Auseinandersetzung zwischen mindestens zwei Personen oder Gruppen. Vereinzelt erfolgte zusätzlich die
Unterscheidung zwischen inneren und äußeren Konflikten. Nur wenige ergänzten ihre Ausführungen dahingehend, dass Differenzen durch das Finden von Lösungen beseitigt werden sollten. Eine weibliche Teilnehmerin formulierte, dass Konflikte unvermeidlich und für die Persönlichkeitsentwicklung durchaus wichtig sind.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die an der Befragung teilgenommenen Kinder und Jugendlichen den Konfliktbegriff für sich erklären können und dass die gegebenen Antworten mit der zu Beginn dieser Arbeit formulierten Definition hinsichtlich einiger Schlagwörter übereinstimmen.
In den folgenden zwei Teilabschnitten soll etwas ausführlicher auf die Entwicklungsaufgaben der Kinder und Jugendlichen eingegangen werden, um zu zeigen, wie vielseitig die damit einhergehenden Konflikte sein können.
3. Entwicklungsaufgaben und daraus resultierende Konflikte
3.1 Konfliktauslösende Faktoren während der Kindheit
Der zu betrachtende Lebensabschnitt der Kindheit wird zeitlich recht unterschiedlich eingegrenzt. Für OERTER beginnt diese Phase mit dem vierten und endet etwa mit dem elften, spätestens zwölften Lebensjahr.9 Folgt man dem deutschen Recht, so “endet die Kindheit mit Vollendung des vierzehnten Lebensjahres”.10
Das Kind wird in dieser Phase mit allen möglichen Lebensfragen konfrontiert. Die herbeigeführten Entscheidungen werden fast ausschließlich in Abhängigkeit von Erwachsenen, meist den Eltern, getroffen. Noch wird dieses Abhängigkeitsverhältnis als selbstverständlich angesehen, auch wenn es zu ersten Auseinandersetzungen kommen kann. Nach ERIKSON steht der Konflikt Kompetenz versus Minderwertigkeit im Mittelpunkt dieser Entwicklungsstufe. Vom bisher zufälligen Erkunden und Ausprobieren wird das Kind allmählich “zur systematischen Entwicklung seiner Fähigkeiten” übergehen.11
Die Schule spielt in dieser Phase als neue Institution eine wichtige Rolle, da sie dem Kind ermöglicht, seine intellektuellen Fähigkeiten auszubilden. Gleichzeitig führt der Kontakt zu Gleichaltrigen zum Erwerb sozialer Kompetenzen. Eine erfolgreiche Bewältigung der gestellten Anforderungen erweckt beim Kind das Gefühl der Kompetenz. Permanente Misserfolgserlebnisse hingegen können schnell zu Minderwertigkeitskomplexen und zu Versagensängsten führen, was sich wiederum nachteilig auf die nächste Entwicklungsstufe auswirken kann, da das Kind sich den neuen Anforderungen nicht gewachsen fühlt.
Anhand der Ausführungen kann man erkennen, dass die Phase der Kindheit von zwei wichtigen Institutionen, der Familie und der Schule, beeinflusst wird. Der Familie wird dabei eine besondere Bedeutung zugemessen, da sie jedem Kind das Gefühl von Sicherheit, Schutz und Geborgenheit geben und somit für dessen positive körperliche, psychische und soziale Entwicklung sorgen sollte. Gleichzeitig kann sie jedoch zu einem konfliktauslösenden Faktor werden. Einen wesentlichen Grund für diese Annahme stellen die veränderten sozialen Rahmenbedingungen dar, die mit dem “Strukturwandel der Institution Familie” einhergehen und sich auf die Gestaltung der Eltern-Kind-Beziehung auswirken.12 Der Strukturwandel zeigt sich vor allem in den Industrienationen, wo anstelle der dominierenden Großfamilie die so genannte Klein- oder auch Kernfamilie tritt. Immer häufiger sind auch die Ein-Kind-Familien anzutreffen, in denen 1993 bereits knapp über 50 Prozent aller Kinder unter 18 Jahren aufwuchsen.13 Weitere Familienformen ergeben sich durch eheliche und nichteheliche Lebensgemeinschaften, getrennt lebende oder allein erziehende Eltern, wiederverheiratete Eltern mit Kindern und Stiefkindern, etc. Für die Kinder erwachsen daraus häufig starke psychische und soziale Belastungen. Ursache dafür ist zumeist die späte und unzulängliche Aufklärung über die sich anbahnenden Entwicklungen, so dass für die Kinder keine Möglichkeit besteht, “vorbereitende Verarbeitungsmechanismen” aufzubauen.14
Die mit der Trennung einhergehenden Umbrüche beziehen sich nicht nur auf die Neuordnung der Bindung zu den Elternteilen, sondern meist auch auf einen Wohnortwechsel und somit auch auf eine Veränderung des sozialen Umfeldes. Kinder reagieren darauf in der Regel irritiert und zeigen ein auffälliges, teilweise auch gestörtes Verhalten.15
Weitere Konflikte können sich ergeben, wenn sich die getrennten Elternteile neu binden und Stiefgeschwister in die Lebensgemeinschaft mit eingehen. Die daraus resultierenden vor allem emotionalen Belastungen müssen sich nicht immer nur im Verhalten widerspiegeln. Sie können sich auch auf die schulischen Leistungen und das soziale Verhalten der Kinder auswirken. Demnach ist es wichtig, den kommunikativen Kontakt zum Kind zu wahren, um mögliche Konfliktsituationen frühzeitig erkennen und darauf eingehen zu können.
Einen weiteren konfliktauslösenden Faktor stellt die Institution Schule dar. Allein der Eintritt in die Bildungseinrichtung kann für Kinder zur Belastung werden. Sie müssen sich nicht nur an neue Bezugspersonen, sondern auch an einen Tagesablauf gewöhnen, der von ihrem bisherigen abweicht. Die neuen Mitschüler bedeuten ebenfalls eine weitere Veränderung. Ein jedes Kind muss sich in die Klassengemeinschaft einordnen und lernen, sich von Zeit zu Zeit auch unterzuordnen. Durch den täglichen Umgang miteinander entstehen einerseits neue Freundschaften, anderseits muss ein Kind unter Umständen jedoch die Erfahrung machen, dass es einige Klassenkameraden gibt, die es ablehnen.
Ein ähnlich bedeutender Einschnitt vollzieht sich beim Übergang von der Grundschule zu einer weiterführenden Schulform. Die Kinder werden aus einer bis dahin vertrauten Umgebung genommen und müssen lernen, sich in einer neuen zurechtzufinden. In ihrer bisherigen Schule waren sie “die Großen”, nun beginnen sie ihre weiterführende Schullaufbahn als “die Kleinen”. Wieder müssen sie sich auf neue Lehrer sowie andere Klassenkameraden einstellen. Stärker als zuvor erfahren die Kinder mit dem Übergang von der 6. zur 7. Klassenstufe einen Anstieg der schulischen Anforderungen, womit eine veränderte Form des Lernens einhergeht. Dieser Umbruch spiegelt sich oftmals deutlich im einem schlechteren Notenbild wider. Für die meisten erwächst daraus ein enormer Leistungsdruck, der durch unbedachte Reaktionen seitens der Lehrer sowie der Eltern verstärkt werden und beim Kind Versagensängste und Minderwertigkeitskomplexe hervorrufen kann. Demnach ist es auch hier wieder wichtig, den Kontakt zum Kind zu wahren und auf Probleme behutsam einzugehen.
Das Ende der Kindheit wird durch einen enormen Wachstumsschub eingeleitet. Die darauf folgenden körperlichen Veränderungen reichen allerdings bis weit ins Jugendalter hinein und bilden dort einen wesentlichen Schwerpunkt. Es soll darauf hingewiesen werden, dass es keine eindeutige Grenze für den Übergang vom Kindes- zum Jugendalter gibt. Demnach kann der körperliche Wandel bereits frühzeitig bei Mädchen und Jungen einsetzen, die sich in Bezug auf ihr Alter eigentlich noch in der Kindheit befinden. Diese leiden oft besonders unter den Veränderungen, so dass hierin eine weitere Belastung zu sehen ist.
[...]
1 vgl. HOBMAIR, H. (1995), S. 53
2 vgl. ZIMBARDO, P. G. (1995[6]), S. 25
3 vgl. FISCH, H. (1996[5]), S. 76
4 zit. n. JEFFERYS-DUDEN, K. (2000), S. 23
5 BECKER, G. (1991[5]), S. 19
6 vgl. hierzu RETTER, H. (2000), S. 371 f.
7 NEUBAUER, W. u.a. (1988[3]), S. 5
8 zit. n. NEUBAUER, W. u.a. (1988[3]), S. 6
9 vgl. OERTER, R. / MONTADA, L. (1998[4]), S. 249
10 HILLIG, A. (1996²), S. 202
11 ZIMBARDO, P. G. (1995[6]), S. 91
12 HURRELMANN, K. (1990), S. 84
13 vgl. HILLIG, A. (1996²), S. 109
14 HURRELMANN, K. (1990), S. 91
15 vgl. ebd., S. 92
- Quote paper
- Janice Höber (Author), 2005, "Herr Lehrer, ich habe ein Problem!" - Bedingungen für den erfolgreichen Umgang mit Konflikten in der Schule, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56871
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