„[W]er das literarische >Produkt< verstehen will, wird auch den Prozeß kennen müssen, in dem es zustande gekommen ist“, so Walter Schönau und Joachim Pfeiffer, Verfasser der „Einführung in die psychoanalytische Literaturwissenschaft“.
Laut ihrer Theorie scheiden sich die kreativen von den unkreativen Menschen keineswegs durch Zufall, und die „freie Verfügung über die Schaffenskraft“ ist nicht „auf Willensanstrengung alleine“ zurückzuführen. Vielmehr sei die Wurzel der Kreativität – einfach und dem in dieser Arbeit zur Verfügung stehenden Rahmen angemessen ausgedrückt - in der frühkindlichen Entwicklungsstufe zu lokalisieren, in der symbiotischen Phase, in der der Säugling sich und seine Mutter noch als ein einziges untrennbares Wesen wahrnimmt. Zerbricht diese ursprüngliche Annahme des Kindes an der Realität, so kann es zur Sublimation kommen: Das Kind entwickelt „die Fähigkeit, das ursprüngliche Triebziel mit einem anderen, kulturell höher gewerteten zu vertauschen“, sprich: Es sucht sich Ersatzobjekte für die Mutter(brust), beispielsweise Bettzipfel oder Spielzeug, ist sich jedoch dessen bewusst, dass es sich dabei nur um einen Behelf handelt.
Diese Verknüpfung der Kreativität mit der frühkindlichen Phase weist durchaus Parallelen zu anderen in der Psychoanalyse gängigen Theorien auf, die bei der Rezeption eines Textes – gerade, wenn es sich um autobiographisches Material handelt – von großem Interesse sein können.
Auf eine dieser Theorien soll im Folgenden genauer eingegangen werden, um den zu untersuchenden Primärtext "Der Ackermann aus Kärnten" von Josef Winkler im Hinblick auf bestimmte Aspekte der Trieblehre zu untersuchen. Dabei soll besonders auf das Spannungsfeld von Eros und Thanatos auf dem Schauplatz des "Ackermannes" - dem Dorf Kamering in Kärnten - und insbesondere in der Familie des Protagonisten eingegangen werden.
Die Theorie, dass die Mutter des Protagonisten den Lebenstrieb und der Vater den Todestrieb verkörpern und der Sohn somit im von diesen beiden Polen aufgespannten Feld erwachsen wird, soll anhand signifikanten Textpassagen und psychoanalytischen Überlegungen belegt werden.
Desweiteren soll auf die Frage eingegangen werden, inwieweit der "Ackermann aus Kärnten" als Selbsttherapie Winklers in Form eines stark autobiographischen Romanes aufzufassen ist.
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung: Psychoanalytische Literaturwissenschaft
- Psychischer Apparat und Trieblehre nach Freud
- Begriffsklärung und Anwendung auf Winklers Der Ackermann aus Kärnten
- Eros und Thanatos in Mythologie und Psychoanalyse
- Das Verhältnis von Eros und Thanatos in Winklers Kamering
- Josefs Mutter als Vertreterin des Lebenstriebes
- Josefs Vater als Vertreter des Todestriebes
- Der Ackermann aus Kärnten als Versuch einer Selbsttherapie
- Verdrängung, Unbewusstes und Traumdeutung
- Selbsttherapie und Schreibstil
- Eros und Thanatos. Sexualität und Tod als Motivik?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Josef Winklers „Der Ackermann aus Kärnten“ unter Anwendung psychoanalytischer Literaturwissenschaft. Ziel ist es, die Darstellung von Sexualität und Tod im Werk im Lichte der Freudschen Trieblehre zu analysieren und den Roman als möglichen Ausdruck einer Selbsttherapie zu interpretieren.
- Die Freudschen Konzepte des Ichs, Es und Über-Ichs
- Der Gegensatz zwischen Lebenstrieb (Eros) und Todestrieb (Thanatos)
- Die Rolle von Verdrängung und Unbewusstem in der Entstehung des Textes
- „Der Ackermann aus Kärnten“ als literarische Verarbeitung persönlicher Erfahrungen
- Der Schreibstil als Ausdruck des Verarbeitungsprozesses
Zusammenfassung der Kapitel
Vorbemerkung: Psychoanalytische Literaturwissenschaft: Diese Vorbemerkung führt in die psychoanalytische Literaturwissenschaft ein und begründet die Anwendung dieser Theorie auf das Werk von Josef Winkler. Sie stellt die Verbindung zwischen kreativem Schaffen und frühkindlicher Entwicklung her, indem sie die Sublimierung als zentralen Mechanismus beschreibt, durch den ursprüngliche Triebimpulse in künstlerische Ausdrucksformen umgewandelt werden. Die Arbeit kündigt eine detailliertere Auseinandersetzung mit der Freudschen Trieblehre an, bevor sie sich dem Primärtext zuwendet.
Psychischer Apparat und Trieblehre nach Freud: Dieses Kapitel beschreibt das Freudschen Modell des psychischen Apparates (Ich, Es, Über-Ich) und die Trieblehre. Es wird detailliert auf die Funktion des Es als Reservoir unbewusster Triebe eingegangen, wobei die zentrale Rolle des Es im Kontext der Lust-Unlust-Prinzipien hervorgehoben wird. Der Konflikt zwischen den Instanzen und die Bedeutung des Ichs als Vermittler werden erläutert. Das Kapitel betont den Gegensatz zwischen Lebenstrieb (Eros) und Todestrieb (Thanatos) als grundlegende Triebkräfte des menschlichen Handelns.
Begriffsklärung und Anwendung auf Winklers Der Ackermann aus Kärnten: Dieses Kapitel wendet die im vorherigen Kapitel erläuterten psychoanalytischen Konzepte auf Winklers „Der Ackermann aus Kärnten“ an. Es analysiert das Verhältnis von Eros und Thanatos im Werk, unterteilt in die Betrachtung von Winklers literarischen Figuren und deren Beziehungen. Die Rolle von Josefs Mutter und Vater als Repräsentanten des Lebenstriebs bzw. des Todestriebs wird beleuchtet und im Kontext der Gesamtkomposition analysiert.
Der Ackermann aus Kärnten als Versuch einer Selbsttherapie: Dieses Kapitel interpretiert „Der Ackermann aus Kärnten“ als literarischen Ausdruck eines Selbsttherapieprozesses. Es analysiert die Mechanismen der Verdrängung und das Wirken des Unbewussten in der Textgenese und diskutiert die Funktion des Schreibens als Mittel zur Verarbeitung traumatischer Erfahrungen. Der Fokus liegt auf der Verbindung zwischen Schreibstil und psychologischem Zustand des Autors.
Schlüsselwörter
Psychoanalytische Literaturwissenschaft, Josef Winkler, Der Ackermann aus Kärnten, Eros, Thanatos, Lebenstrieb, Todestrieb, Verdrängung, Unbewusstes, Selbsttherapie, Schreibstil, Sexualität, Tod.
Häufig gestellte Fragen zu Josef Winklers "Der Ackermann aus Kärnten"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert Josef Winklers "Der Ackermann aus Kärnten" unter Verwendung der psychoanalytischen Literaturwissenschaft. Der Fokus liegt auf der Darstellung von Sexualität und Tod im Werk im Licht der Freudschen Trieblehre und der Interpretation des Romans als möglichen Ausdruck einer Selbsttherapie.
Welche psychoanalytischen Konzepte werden angewendet?
Die Arbeit stützt sich auf Freuds Modell des psychischen Apparats (Ich, Es, Über-Ich) und seine Trieblehre, insbesondere den Gegensatz zwischen Lebenstrieb (Eros) und Todestrieb (Thanatos). Konzepte wie Verdrängung und das Unbewusste spielen eine zentrale Rolle bei der Textinterpretation.
Wie wird der Roman als Selbsttherapie interpretiert?
Der Roman wird als literarischer Ausdruck eines Selbsttherapieprozesses verstanden. Die Arbeit untersucht, wie Verdrängungsmechanismen und das Unbewusste in die Textgenese eingeflossen sind und wie der Schreibstil selbst als Mittel zur Verarbeitung traumatischer Erfahrungen dient.
Welche Rolle spielen Eros und Thanatos im Roman?
Die Arbeit analysiert das Verhältnis von Eros und Thanatos in "Der Ackermann aus Kärnten", indem sie die literarischen Figuren und deren Beziehungen untersucht. Die Rolle von Josefs Mutter und Vater als Repräsentanten des Lebenstriebs bzw. des Todestriebs wird im Kontext der Gesamtkomposition beleuchtet.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit und worum geht es in ihnen?
Die Arbeit gliedert sich in mehrere Kapitel: eine Vorbemerkung zur psychoanalytischen Literaturwissenschaft, ein Kapitel zur Freudschen Trieblehre, ein Kapitel zur Anwendung dieser Theorie auf "Der Ackermann aus Kärnten", und ein Kapitel, welches den Roman als Selbsttherapie interpretiert. Zusätzlich gibt es eine Zusammenfassung der Kapitel und eine Liste der Schlüsselwörter.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Psychoanalytische Literaturwissenschaft, Josef Winkler, Der Ackermann aus Kärnten, Eros, Thanatos, Lebenstrieb, Todestrieb, Verdrängung, Unbewusstes, Selbsttherapie, Schreibstil, Sexualität, Tod.
Was ist das Ziel der Arbeit?
Das Ziel der Arbeit ist es, die Darstellung von Sexualität und Tod in "Der Ackermann aus Kärnten" anhand der Freudschen Trieblehre zu analysieren und den Roman als möglichen Ausdruck einer Selbsttherapie zu interpretieren.
Wie wird die Verbindung zwischen kreativem Schaffen und frühkindlicher Entwicklung hergestellt?
Die Arbeit stellt die Verbindung her, indem sie die Sublimierung als zentralen Mechanismus beschreibt. Dieser Prozess wandelt ursprüngliche Triebimpulse in künstlerische Ausdrucksformen um.
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- Christiane Abspacher (Author), 2006, Eros und Thanatos - Sexualität und Tod in Josef Winklers "Der Ackermann aus Kärnten", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56774