I. Feinderklärung
Die Bedingungen literarischen Publizierens in der DDR
Die DDR-Verfassung garantierte in ihrem 27. Artikel „jedem Bürger der Deutschen Demokratischen Republik [...] das Recht, seine Meinung frei und öffentlich zu äußern“. Damit war für eine Literaturzensur keine rechtliche Grundlage vorhanden. Dies war der Grund, warum die Machthaber der DDR bis zum Schluss ein Existieren der Zensur leugneten: „Das Wort Zensur gehörte selber zu den Tabus, die von der Zensur in der DDR bewacht wurden“. Erst 1987 brachen Günter de Bruyn und Christoph Hein dieses Tabu, „griffen das ‚Druckgenehmigungsverfahren’ frontal an und benannten es als das, was es war: als Zensur“. Noch nach dem Fall der Berliner Mauer sagte Erich Honecker in einem Interview: „Wir hatten [...], im Unterschied zu anderen sozialistischen Ländern, keine Zensur“. Und tatsächlich wurden in dem „Leseland DDR“ 5 bei einer Buchproduktion von insgesamt 215.000 Titeln nur eine im Verhältnis geringe Anzahl unter ihnen verboten. Hingegen wurde in zahlreichen Fällen keine Druckgenehmigung erteilt, was letztlich die gleichen Folgen hatte: Ein Nichterscheinen des Buches.
In einem System, das Literatur nicht nur als „schönen Überbau“ begriff, sondern als „Medium, von dessen Produkten das Gelingen der Gesellschaft mit abhängig ist“, in dem 75 Prozent der Verlage staatseigen („volkseigen“) oder im Besitz der Parteien waren, und in dem daher „ausnahmslos alle Etappen im Leben eines Literaturwerks gelenkt und kontrolliert wurden“, kam es jedoch häufig gar nicht erst so weit, dass ein Buch an seinem Erscheinen gehindert werden musste.
Vor der Zensur des Politbüros, das die Veröffentlichung eines Buches ablehnen konnte, stand die Zensur durch Verlage und das Ministerium für Kultur, die versuchten „Einfluss“ auf das „Gemüt“ der Schriftsteller zu nehmen, damit diese, nach Walter Ulbricht, das „oberste Kriterium der Kunst“ erfüllten, die „Vollendung des Sozialismus“ nämlich, „in dem die objektive Grundlage für ein neues Menschenbild entsteht“.
Die unterste „und wohl auch gefährlichste“ Stufe des Kontrollvorgangs nahm jedoch die Selbstzensur der Schriftsteller ein, auf die aus diesem Grund in besonderem Umfang eingegangen werden soll.
[...]
Inhaltsverzeichnis
- I. Feinderklärung
- II. Überlebensstrategien
- 1. Veröffentlichung im Westen
- 2. Die Schere im Kopf. Widerstand gegen die Selbstzensur
- 3. Umgehen von äußerer Zensur
- a) Verlagerung der Handlung
- b) Kleine Siege
- III. Was bleibt
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert verschiedene Strategien von DDR-Schriftstellern im Umgang mit der Zensur. Sie untersucht, wie diese Autoren mit den restriktiven Rahmenbedingungen des literarischen Publizierens in der DDR umgingen, und wie sie versuchten, diese zu hintergehen. Ziel ist es, ein breites Spektrum von Reaktionen aufzuzeigen und die Bedeutung der Zensur für das Schreiben in der DDR zu beleuchten.
- Die Bedingungen des literarischen Publizierens in der DDR
- Überlebensstrategien von DDR-Schriftstellern
- Die Auswirkungen der Zensur auf die Literatur
- Die Rolle der Selbstzensur
- Die verschiedenen Formen des Widerstandes gegen die Zensur
Zusammenfassung der Kapitel
I. Feinderklärung
Das Kapitel beleuchtet die Bedingungen für literarisches Publizieren in der DDR. Es wird gezeigt, dass zwar keine rechtliche Grundlage für eine Literaturzensur bestand, diese aber dennoch in der Praxis wirksam war. Die DDR-Führung leugnete die Existenz der Zensur, doch sie wurde durch verschiedene Mechanismen, wie etwa Druckgenehmigungsverfahren, Auflagenreduktionen und Verlagsschiebungen, umgesetzt.
II. Überlebensstrategien
In diesem Kapitel werden verschiedene Strategien von DDR-Schriftstellern zum Umgang mit der Zensur präsentiert. Es wird die Problematik der Veröffentlichung im Westen behandelt, sowie die Möglichkeiten der Selbstzensur und der Umgehung äußerer Zensur. Das Kapitel beleuchtet die verschiedenen Wege, die DDR-Autoren einschlugen, um ihre Werke trotz der Zensur publizieren zu können.
Schlüsselwörter
DDR-Literatur, Zensur, Selbstzensur, Überlebensstrategien, Druckgenehmigungsverfahren, Veröffentlichung im Westen, Widerstand, literarische Kontrolle, staatliche Einflussnahme, systemkritische Literatur.
- Quote paper
- Anonym (Author), 2003, Überlebensstrategien - Vom Umgang der DDR-Schriftsteller mit der Zensur, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56437