Die EU-Osterweiterung bestimmt seit vielen Jahren die politische Agenda der Europäischen Union (EU). Das Verschwinden des Ost-West Konflikts und den damit verbundenen Fall des Eisernen Vorhangs, hat mit einem Schlag die osteuropäischen Staaten näher an das westliche Europa heranrücken lassen. Mit der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens zwischen vier ehemaligen Ostblockstaaten, darunter Polen, mit der Europäischen Gemeinschaft 1991 wurde der Grundstein für die Annäherung gelegt. Die Hoffnung der nun unabhängigen, demokratisch regierten Staaten war es, auf lange Sicht in die Union integriert zu werden.
Nun steht fest, dass der Union im Mai 2004 10 neue Länder beitreten werden. Neben Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Slowenien und den drei baltischen Staaten werden auch Malta und Zypern aufgenommen. Das Unternehmen „Osterweiterung“ beansprucht die Union sowohl außen- als auch innenpolitisch. Die Aufnahme von gleichzeitig 10 neuen Mitgliedern fordert ihr selbst umfassende institutionelle Reformen ab. Der Vertrag von Nizza und die Einberufung eines Verfassungskonvents sollen die Union auf die Erweiterung vorbereiten und ihr Gelingen garantieren.
Jedoch noch weit mehr Anstrengungen wurde und wird den Beitrittskandidaten abverlangt, die während des vergangenen Jahrzehnts ihr gesamtes politisches und ökonomisches System transformiert haben. Jeder Staat bemühte sich individuell um eine Konsolidierung, die den Weg in die Union bereiten sollte. Mein Augenmerk richtet sich dabei auf den größten der zukünftigen Mitglieder, Polen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zog es als direkter Nachbar der Union unverzüglich die Aufmerksamkeit auf sich. Es war ein erklärtes Ziel postkommunistischer polnischer Politik in absehbarer Zeit ein Mitglied der Union zu werden. Der Weg dorthin sollte sich als schwieriger und auch innenpolitisch kontroverser Prozess erweisen. Viele mitunter zähe Verhandlungen mit EU-Vertretern waren nötig und in der polnischen Gesellschaft selbst hat die Ablehnung gegenüber Brüssel in den letzten Jahren zugenommen. Ich gehe der Frage nach, warum die Polen von Anfang an und bis zum heutigen Tag daran festhalten der EU beizutreten? Es soll eine mit der politischen Praxis verknüpfte, theoretische Betrachtung sein, die sich an einer sowohl rationalistischen als auch konstruktivistischen Sichtweise orientiert.
Inhaltsverzeichnis
1. Warum Polen in die Europäische Union will
1.1 Rationalistische und Konstruktivistische Motive begründen einen Beitritt
2. Polens Orientierung an Europa
2.1 Polen wandelt sich
2.2 Erste Annäherung
2.3 Das Europa-Abkommen
3. Der Transformationsprozess
3.1 Wirtschaftliche Transformation
3.2 Politische Transformation
4. Der Weg zum Bewerberstatus
4.1 Polen will in die EU
4.2 Die Kopenhagener Kriterien
4.3 Der Mitgliedschaftsantrag
5. Polens Weg in die EU
5.1 Internationale Einbindung
5.2 Fortsetzung der Wirtschaftsreformen 1
5.3 Kwasniewski neuer Staatspräsident
5.4 Die neue Verfassung
5.5 Beginn der Beitrittsverhandlungen
5.6 Der Zuspruch nimmt ab
5.7 Konfliktlinien
5.8 Antieuropäische Opposition
5.9 Kwasniewski wiedergewählt
5.10 Der Vertrag von Nizza
6. Polen wird EU-Mitglied
6.1 Referendum wird Stimmung wiedergeben
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Warum Polen in die Europäische Union will
Die EU-Osterweiterung bestimmt seit vielen Jahren die politische Agenda der Europäischen Union (EU). Das Verschwinden des Ost-West Konflikts und den damit verbundenen Fall des Eisernen Vorhangs, hat mit einem Schlag die osteuropäischen Staaten näher an das westliche Europa heranrücken lassen.[1] Mit der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens zwischen vier ehemaligen Ostblockstaaten, darunter Polen, mit der Europäischen Gemeinschaft 1991 wurde der Grundstein für die Annäherung gelegt. Die Hoffnung der nun unabhängigen, demokratisch regierten Staaten war es, auf lange Sicht in die Union integriert zu werden.
Nun steht fest, dass der Union im Mai 2004 10 neue Länder beitreten werden. Neben Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Slowenien und den drei baltischen Staaten werden auch Malta und Zypern aufgenommen. Das Unternehmen „Osterweiterung“ beansprucht die Union sowohl außen- als auch innenpolitisch. Die Aufnahme von gleichzeitig 10 neuen Mitgliedern fordert ihr selbst umfassende institutionelle Reformen ab. Der Vertrag von Nizza und die Einberufung eines Verfassungskonvents sollen die Union auf die Erweiterung vorbereiten und ihr Gelingen garantieren.
Jedoch noch weit mehr Anstrengungen wurde und wird den Beitrittskandidaten abverlangt, die während des vergangenen Jahrzehnts ihr gesamtes politisches und ökonomisches System transformiert haben.[2] Jeder Staat bemühte sich individuell um eine Konsolidierung, die den Weg in die Union bereiten sollte. Mein Augenmerk richtet sich dabei auf den größten der zukünftigen Mitglieder, Polen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zog es als direkter Nachbar der Union unverzüglich die Aufmerksamkeit auf sich.[3] Es war ein erklärtes Ziel postkommunistischer polnischer Politik in absehbarer Zeit ein Mitglied der Union zu werden. Der Weg dorthin sollte sich als schwieriger und auch innenpolitisch kontroverser Prozess erweisen. Viele mitunter zähe Verhandlungen mit EU-Vertretern waren nötig und in der polnischen Gesellschaft selbst hat die Ablehnung gegenüber Brüssel in den letzten Jahren zugenommen.[4] Ich gehe der Frage nach, warum die Polen von Anfang an und bis zum heutigen Tag daran festhalten der EU beizutreten? Es soll eine mit der politischen Praxis verknüpfte, theoretische Betrachtung sein, die sich an einer sowohl rationalistischen als auch konstruktivistischen Sichtweise orientiert. Ich lege dabei keinen Wert auf die Vollständigkeit einer theoretischen Analyse. Vielmehr versuche ich den Beweggründen eines polnischen EU-Beitritts aus dieser Perspektive näher zu kommen. Es ist nicht selbstverständlich, dass ein erst junger souveräner demokratischer Staat dazu gewillt ist, sich unter größten Anstrengungen einer supranationalen Autorität wie der der EU-Institutionen zu unterwerfen.
1.1 Rationalistische und Konstruktivistische Motive begründen einen Beitritt
Regionale Integration kann eine die Organisation vertiefende vertikale Institutionalisierung beschreiben. Die englische Fachliteratur bezeichnet dies als „deepening“. Dem gegenüber und die Osterweiterung kennzeichnend, steht die territoriale Integration, die einen Prozess gradueller, horizontaler Institutionalisierung, „widening“ genannt, umfasst.[5] So vollzieht sich die angestrebte Mitgliedschaft Polens in der EU als formell definierte Interaktion, die über schriftliche Abkommen und Verhandlungen über mehrere Jahre hinweg andauert und eine insbesondere institutionelle Verknüpfung vorsieht.[6] Bisherige politische Theorien beschrieben oft nur eine, auf eine territorial begrenzte Organisation beschränkte, vertiefende Integration. Hier sollten der Intergouvernementalismus oder der Funktionalismus Erklärungen bieten. Die Betrachtung einer die regionale Organisation um neue Staaten erweiternden Integration wurde jedoch vernachlässigt.[7] Es bietet sich nun an, den EU-Beitritt Polens, wohlbemerkt aus polnischer Sicht, mit den Theorien des Rationalismus und Konstruktivismus zu ergründen. Die Motive und Etappen der Hinwendung zur Union betrachtend, zeigt sich, dass sowohl ökonomische und machtpolitische als auch soziologische Überlegungen eine Rolle spielen. Zum einen bestimmen materielle Interessen die polnischen Zielsetzungen, die die eigenen, egoistisch anzusehenden Positionen, auch auf den politischen Einfluss abzielend, widerspiegeln. Diese rationalistischen Ansichten nehmen Organisationen wie die EU als instrumentelle Einrichtungen wahr. Sie dienen einer effizienten Interessenumsetzung und ermöglichen eine gegenseitige Kontrolle aller Mitglieder. Zum anderen führt eine ideelle Identifikation mit der EU zur gewünschten Annäherung. Die neue polnische Identität, ihr Selbstverständnis als freiheitlich demokratische Nation, resultiert auch aus der Interaktion mit der Union und stimmt mit ihren normativen Grundsätzen und politischen Praktiken, da an ihnen orientiert, überein. Sie, die Gemeinschaft, vertritt ihre Mitglieder, handelt in ihrem Interesse und hat als legitimierte Autorität eine effiziente Problemlösung zum Ziel.[8] Diese konstruktivistische Perspektive steht der rationalistischen nicht grundsätzlich konträr gegenüber. Beide weisen jedoch auf zwei unterschiedliche Ansatzpunkte hin, die nun im Folgenden eine Einsicht in die polnischen Interessenlagen hinsichtlich des EU-Beitritts geben sollen.
Meine Ausführungen orientieren sich an der Chronologie der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung, die Polen seit 1989 vollzogen hat. An den entsprechenden Stellen füge ich die theoretischen Betrachtungen ergänzend hinzu.
2. Polens Orientierung an Europa
2.1 Polen wandelt sich
Während der ausgehenden 80er Jahre vollzog sich in Polen ein beispielloser politischer und gesellschaftlicher Wandel, der zum Vorbild für alle anderen Ostblockstaaten wurde. Angesichts einer weitreichenden sozioökonomischen Krise, in der sich das Land befand und daraus resultierenden Streiks, kam es zu Verhandlungen zwischen der Regierung und der Oppositionsbewegung „Solidarnosc“. Der „Runde Tisch“ hatte 1989 die Entmachtung der bisher allein regierenden „Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei“ (PZPR) zur Folge. Die anschließenden Wahlen führten zu einer Kabinettsbildung mit dem nicht-kommunistischen Ministerpräsidenten Mazowiecki an der Spitze.[9] Polen hatte begonnen, den selbst angestrebten Wandel zu pluralistisch-demokratischen Strukturen zu vollziehen.
2.2 Erste Annäherung
Es zeigt sich nun aus einer konstruktivistischen Sicht, wie die Bedingung für das Entstehen einer neuen Identität und den daraus folgenden Interessen aus einer bestimmten Situation heraus geschaffen wird. Der Freiraum für internationale Interaktion war zu Zeiten des Kalten Krieges stark begrenzt und führte zu einer Isolierung aller Ostblockstaaten gegenüber Westeuropas.[10] Die Gesellschaft erkannte, dass der Kommunismus nicht zukunftsfähig sein konnte und orientierte sich aufgrund der eigenen Unzufriedenheit um. Die alte politische Ideologie abgestreift, bedurfte es neuer ideeller Perspektiven und Ordnungen. Das augenblickliche Fehlen einer eigenen polnischen Identität im postkommunistischen Europa und eigener Stellungnahmen zu dieser, kann zu einer Orientierungslosigkeit führen, die ein selbstbewusstes politisches sowie gesellschaftliches Agieren unmöglich macht.[11] Da nun an liberal-demokratischen Prinzipien orientiert, richtete sich die neu definierte Außenpolitik Polens an die westeuropäischen Staaten.[12] Eine derartige Handlungsinitiative und politische Neuausrichtung war jedoch ohne jeglichen inneren Rückhalt unmöglich.[13] Die Gesellschaft, die den Wandel trug und ihn voranbringen wollte, unterstützte diesen Kurs.
2.3 Das Europa-Abkommen
Polen nahm konkrete Verhandlungen mit der EU auf, die eine Assoziierung zum Ziel hatten und das Land näher an die Union heranbringen sollten. So ließe sich auf lange Sicht, so die Hoffnung, eine Aufnahme Polens in die EU vorbereiten. Im Dezember 1991 wurde das Europa-Abkommen unterzeichnet. Durch die Vereinigung Deutschlands direkt an die Union angrenzend, sahen die Vereinbarungen die Etablierung einer Freihandelszone vor, die über eine Anpassungszeit von 10 Jahren zur Herstellung einer Zollunion führen sollte. Nach weiteren Abstimmungen sahen die Beziehungen auch eine Zusammenarbeit in den Bereichen Wissenschaft und Technik und ein Finanzhilfeprogramm für Polen vor.[14]
Es begann die politische, wirtschaftliche und soziale Interaktion, die sich nun zukünftig weiter verstärken sollte. Diese Regelmäßigkeit und Intensität der Beziehungen ist letztlich auch die Voraussetzung dafür, dass sich eine polnische Identität in Orientierung an die Union entwickelt hat und noch entwickelt und das diese einen Ausdruck polnischer Interessen und Zielsetzungen erst ermöglichte.[15] Polen suchte seinen Platz in Europa und verstand seine Zukunft als Mitglied der Europäischen Gemeinschaft. Dies setzt aber ein Umdenken und eine Umstrukturierung des ehemals kommunistischen Landes voraus. Eine Transformation, die alle Staatssektoren umfasst und die Gesellschaft ebenso einbezieht.
Die Identitätsfindung gleicht einem sozialen Lernprozess. Mit der Etablierung demokratischer Strukturen aus dem Willen der eigenen Bevölkerung heraus, war ein erster Schritt getan. Die positive Reaktion der EU darauf und die konkrete Unterstützung dieser Entwicklungen im Zuge des Europa-Abkommens konnten die „Republik Polen“ stabilisieren.[16] Dies bestätigte den richtigen Kurs der polnischen Bevölkerung, die nun in der Union einen Freund sah und ihrer Politik vertraute. Sie war enthusiastisch und befürwortete die Veränderungen, die im Sinne einer „Rückkehr nach Europa“ standen.[17]
[...]
[1] Vgl, Schimmelfennig, Frank/ Sedelmeier, Ulrich, Theorizing EU Enlargement: Research Focus, Hypotheses, and the State of Research, in: Journal of European Public Society, Special Issue, Vol.9, No.4, S. 1.
[2] Vgl. ebd., S. 22.
[3] Vgl. Byrt, Andrzej, Weg in die Europäische Union, in: Informationen zur politischen Bildung, Polen (2001), Heft 273, S. 54.
[4] Vgl. Mildenberger, Markus, Die Europadebatte in Politik und Öffentlichkeit der ostmitteleuropäischen EU-Kandidatenländer, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 4. Januar 2002, S. 3.
[5] Vgl. Schimmelfennig/ Sedelmeier, Theorizing EU Enlargement, S. 3f.
[6] Vgl. ebd., S. 5.
[7] Vgl. ebd., S. 3.
[8] Vgl. ebd., S. 13.
[9] Vgl. Bingen, Dieter, Tausend Jahre wechselvoller Geschichte, in: Informationen zur politischen Bildung, Polen (2001), Heft 273, S. 13f.
[10] Vgl. Wendt, Alexander, Anarchy is What States Make of it: The Social Construction of Power Politics, in: DerDerian, James (Hrsg.), Internationale Theory: Critical Investigation, New York 1995, S. 151.
[11] Vgl. ebd., S. 136.
[12] Vgl. Byrt, Weg in die EU, S. 54.
[13] Vgl. Wendt, Anarchy is What States Make of it, S. 140.
[14] Vgl. Zdzislaw, W. Puslecki, Der EU-Beitritt Polens- Chance oder Opfergang für die Wirtschaft?, in: Welt Trends, Zeitschrift für internationale Politik und vergleichende Studien, Nr. 34 (2002), S. 52.
[15] Vgl. Wendt, Anarchy is What States Make of it, S. 151.
[16] Vgl. Wendt, Alexander, Social Theory of International Politics, Cambridge University Press 1999, S. 327.
[17] Vgl. Mildenberger, Europadebatte, S. 1.
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- Anonym,, 2003, Der Beitritt Polens in die Europäische Union - Warum die Polen in die EU wollen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56390
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