Um sich dem Verhältnis der Intellektuellen zum SED-Regime und deren kritischen Reaktionen auf die Phase der „Sowjetisierung“ ab 1948/49 bis zum Arbeiteraufstand am 17. Juni 1953 zu nähern, erscheint es zunächst sinnvoll, die Begriffe Widerstand und Intellektuelle zu beleuchten und zu umreißen.
Insbesondere im Kontext des Widerstandsbegriffes lässt sich im Zusammenhang mit den beiden deutschen Diktaturen eine geradezu inflationäre Anwendung beobachten. Gerade für die Zeit des Nationalsozialismus wurden unzählige Bereiche nicht systemkonformen Verhaltens, wie etwa die Verweigerung einer Spende für das Winterhilfswerk während des Russlandfeldzuges, als Widerstand gegen das NS-Regime interpretiert, ohne die persönlichen Handlungsmotive und Auslöser zu hinterfragen. Martin Broszat hat mit der Einführung des
Resistenz-Begriffs einen Beitrag zur Auflösung dieses Dilemmas und zur Nuancierung widerständigen Verhaltens geleistet. So vielfältig und umstritten die Klassifizierung und Definition von nicht systemkonformem Verhalten auch sein mag, so nötig ist es, einen Maßstab bei der Beurteilung des Verhaltens
der Intellektuellen gegenüber der DDR-Obrigkeit anzulegen. Ich stütze mich auf die Dreiteilung Rainer Eckerts. Dieser unterscheidet Widerstand als prinzipiellen Kampf gegen die Herrschaft der SED, Opposition als relativ offene, zumeist zeitweilige und teilweise legale Ablehnung des Realsozialismus bzw. die Absicht zu seiner Reform sowie Resistenz als nicht
der Norm entsprechendes Verhalten im Alltag, passiver Widerstand, die Selbstbehauptung einzelner Personen und die Abweichung von der offiziellen Ideologie. [...]
„Sowjetisierung“ und der 17. Juni 1953
Überlegungen zum Widerstand der Intellektuellen
Um sich dem Verhältnis der Intellektuellen zum SED-Regime und deren kritischen Reaktionen
auf die Phase der „Sowjetisierung“ ab 1948/49 bis zum Arbeiteraufstand am 17. Juni 1953 zu nähern, erscheint es zunächst sinnvoll, die Begriffe Widerstand und Intellektuelle zu beleuchten und zu umreißen.
Insbesondere im Kontext des Widerstandsbegriffes lässt sich im Zusammenhang mit den beiden deutschen Diktaturen eine geradezu inflationäre Anwendung beobachten. Gerade für die Zeit des Nationalsozialismus wurden unzählige Bereiche nicht systemkonformen Verhaltens, wie etwa die Verweigerung einer Spende für das Winterhilfswerk während des Russlandfeldzuges, als Widerstand gegen das NS-Regime interpretiert, ohne die persönlichen Handlungsmotive und Auslöser zu hinterfragen. Martin Broszat hat mit der Einführung des Resistenz-Begriffs einen Beitrag zur Auflösung dieses Dilemmas und zur Nuancierung widerständigen Verhaltens geleistet.[1]
So vielfältig und umstritten die Klassifizierung und Definition von nicht systemkonformem Verhalten auch sein mag, so nötig ist es, einen Maßstab bei der Beurteilung des Verhaltens der Intellektuellen gegenüber der DDR-Obrigkeit anzulegen. Ich stütze mich auf die Dreiteilung Rainer Eckerts. Dieser unterscheidet Widerstand als prinzipiellen Kampf gegen die Herrschaft der SED, Opposition als relativ offene, zumeist zeitweilige und teilweise legale Ablehnung des Realsozialismus bzw. die Absicht zu seiner Reform sowie Resistenz als nicht der Norm entsprechendes Verhalten im Alltag, passiver Widerstand, die Selbstbehauptung einzelner Personen und die Abweichung von der offiziellen Ideologie.[2]
Ähnlich schwierig gestaltet sich die Suche nach einer handhabbaren Definition für den Typus des Intellektuellen. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts hat sich in der Forschung die Meinung durchgesetzt, Intellektuelle weniger nach ihrem beruflichen Habitus und ihrer Ausbildung zu ordnen, sondern vielmehr deren Stellung und Aufgabe in der und für die Gesellschaft zu thematisieren.
Theodor Geiger spricht 1949 vom kritischen Verhalten gegenüber der politischen Macht als der Hauptaufgabe der Intelligenz. Radikaler formuliert Edward. W. Said in den 70`er Jahren die Rolle des Intellektuellen als dem destruktiven, kritisierenden und mahnenden „ewigen Dissidenten“.[3] Pierre Bourdieu spricht von der Verpflichtung eines jeden Intellektuellen, den Staat zu beeinflussen ohne selbst manipulierbar zu sein und politisch tätig zu werden. Wolfgang Jäger schließlich verankert basierend auf den Überlegungen von M. Rainer Lepsius, die Hauptfunktion des Intellektuellen in der „Kritik als Beruf“.[4] All diesen Definitionen ist die Betonung intellektueller Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und der kritischen Beobachtung der Obrigkeit gemein, wobei die Intellektuellen nicht als fester Personenverband sondern als heterogene Gruppe begreifbar sind.
Es ist ein Ziel dieses Essay, zu diskutieren, wie groß der Unterschied zwischen dem idealisierten Typus und der Wirklichkeit intellektuellen Wirkens und Schaffens in den Anfangsjahren der DDR war. Dabei wird zunächst die kulturpolitische Entwicklung bis in die 50`er Jahre ins Blickfeld genommen um dann anhand der Formalismus-Debatte das Verhalten der betroffenen Intellektuellen, hier speziell der Kunstschaffenden einzuordnen und Widerstände sichtbar zu machen.
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[1] Broszat, Martin: Resistenz und Widerstand. Eine Zwischenbilanz des Forschungsprojektes, in: Bayern in der NS-Zeit. Band IV. Herrschaft und Gesellschaft im Konflikt. Teil C, hrsg. Von Martin Broszat, Elke Fröhlich, Anton Grossmann, München/Wien 1981, S. 691-709.
[2] Vgl. Eckert, Rainer: Widerstand und Opposition. Umstrittene Begriffe der deutschen Diktaturgeschichte, Leipzig, Masch., S.15./ Pollack, Detlef: Politischer Protest. Politisch alternative Gruppen in der DDR, Opladen 2000, S.58.
[3] zit. nach Mittenzwei, Werner: Die Intellektuellen. Literatur und Politik in Ostdeutschland von 1945-2000, Leipzig 2001, S.12.
[4] zit. nach Mittenzwei, Intellektuelle, S.18.
- Arbeit zitieren
- Paul Ignatow (Autor:in), 2005, Sowjetisierung und der 17. Juni 1953 - Überlegungen zum Widerstand der Intellektuellen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56332
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