Die Erkenntnis ist niederschmetternd: Im europäischen Vergleich bildet Deutschland bei der Kinderbetreuung das Schlusslicht. Zwar nehmen die politischen Bemühungen für eine Verbesserung der Situation zu, was sich beispielsweise an dem im Oktober 2004 vom Bundestag beschlossenen Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG) zeigt, es ändert jedoch nichts daran, dass Deutschland weiterhin erhebliche Defizite in diesem Bereich aufweist.1 Die Folgen sind fatal: Zum einen ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erheblich eingeschränkt, so dass nahezu die Hälfte der Mütter mit einem noch nicht schulpflichtigen Kind ein aufgezwungenes Hausfrauendasein pflegt. Fehlende Möglichkeiten der öffentlichen Kinderbetreuung führen zu einer enormen Kluft zwischen dem tatsächlichen und dem gewünschten Lebensmodell, worauf die Frauen mit individuellen Lösungen, wie der Annahme einer Teilzeitbeschäftigung oder dem Hinausschieben der Geburt des ersten Kindes reagieren.2 Letzteres führt mit durchschnittlich 1,3 Kindern pro Frau nicht nur zu einer der geringsten Geburtenraten, sondern auch zu der weltweit höchsten Kinderlosigkeit von 22 Prozent der unter 45-jährigen.3 Zum anderen bleibt der Förderbedarf vieler Kinder unbeachtet. „Bildung beginnt in Deutschland, gleichgesetzt mit Schule, wenn die entwicklungsreichsten Jahre vorbei sind. Lernen, auf Leistungsansprüche reduziert, erscheint als etwas, das man möglichst aus der frühen Kindheit heraushalten […] sollte; als Zumutung im Paradies der Kindheit.“4 Dabei ist inzwischen nachgewiesen, dass sich gerade die Förderung in den ersten Jahren positiv auf die emotionale, soziale und kognitive Entwicklung des Kindes auswirkt.5 In welchem Maße man in Deutschland derzeit die Entwicklungschancen des frühen Lebens- und Lernabschnittes ungenutzt verstreichen lässt, beweisen eindringlich die Ergebnisse der PISA-Studie. Ist es dennoch realistisch, Deutschland als das familienfreundlichste europäische Land der Zukunft darzustellen, wie es die Bundesfamilienministerin Renate Schmidt tut?6
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1.1 Problemstellung
- 1.2 Vorgehensweise und Zielsetzung
- Ursprung der Kinderbetreuung in Schweden
- Schwedische Kinderbetreuung heute
- 3.1 Das familienpolitische Leitbild als Grundlage
- 3.2 Verantwortung für die Elementarerziehung
- 3.3 Betreuungsangebote
- 3.3.1 Kindertagesstätte und Familienpflege
- 3.3.2 Vorschulklasse
- 3.3.3 Freizeitheim
- 3.4 Curriculum für die vorschulische Kinderbetreuung
- 3.5 Personal in den Betreuungseinrichtungen
- 3.6 Qualität der Kinderbetreuung
- 3.7 Finanzierung und Ausgaben für die Elementarerziehung
- Der Baum der Erkenntnis
- Schlussfolgerungen für Deutschland
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Studienarbeit befasst sich mit dem schwedischen System der Kinderbetreuung und untersucht, ob es als Vorbild für Deutschland dienen kann. Ziel ist es, die historische Entwicklung der Kinderbetreuung in Schweden darzulegen, die aktuelle Situation der öffentlichen Kinderbetreuung zu beleuchten und die Frage zu beantworten, inwiefern das schwedische System eine Lösung für die Herausforderungen der deutschen Kinderbetreuung bieten könnte.
- Vergleich der Kinderbetreuungslandschaft in Schweden und Deutschland
- Analyse des familienpolitischen Leitbilds in Schweden
- Betrachtung der Qualität und Finanzierung der schwedischen Kinderbetreuung
- Diskussion der Übertragbarkeit des schwedischen Systems auf Deutschland
- Bewertung des schwedischen Curriculums im Kontext der deutschen Bildungspläne
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die Problematik der Kinderbetreuung in Deutschland und stellt das schwedische System als mögliches Vorbild vor. Kapitel 2 geht auf die historische Entwicklung der Kinderbetreuung in Schweden ein. Kapitel 3 befasst sich mit der gegenwärtigen Situation der öffentlichen Kinderbetreuung in Schweden, einschließlich des familienpolitischen Leitbilds, der Verantwortlichkeiten, der Betreuungsangebote, des Personals, der Qualität und der Finanzierung. Kapitel 4 analysiert einen konkreten Bildungsplan der Gemeinde Halmstadt, den „Baum der Erkenntnis“, der in der aktuellen Diskussion um deutsche Bildungspläne häufig als Inspiration dient.
Schlüsselwörter
Kinderbetreuung, Schweden, Deutschland, Elementarerziehung, familienpolitisches Leitbild, Qualität, Finanzierung, Curriculum, „Baum der Erkenntnis“, Vergleich, PISA-Studie, Geburtenrate, Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
- Citar trabajo
- Sabrina Heuer (Autor), 2005, Das schwedische System der Kinderbetreuung - Ein Wegweiser für Deutschland?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55915