Bei La Bruyères curieux handelt es sich um Sammler, die mit ihrem seltsamen Verhalten anecken. Was aber macht sie so sonderbar?
La Bruyère stellt fest, dass nicht das Vollkommene, sondern das Seltsame, Bizarre und Seltene diese Menschen anzieht und begründet ihr Handeln darin, dass sie der Mode folgen, aber ist dem wirklich so? Ich vermute, dass das modische Sammeln ein gesellschaftliches Phänomen ist. Es ist eine Zerstreuung, die dem Menschen helfen soll, seine eigene Identität zu bilden. Gleichzeitig wird diese Tätigkeit bewusst eingesetzt, um einen Platz in der Gesellschaft zu festigen. Das Sammeln erweist sich dabei aber als schädigend.
Inhaltsverzeichnis
0. Einleitung
1. Die Eigenheit des Sammlers
1.1 Die curiosité
1.2 Das ökonomische und ästhetische Sammeln
1.3 Der Bedeutungswandel des Objekts
1.4 Die Ordnung der Sammlung und der Welt
1.5 Die Pedanterie
1.6 Die Einsamkeit
2. Das Motiv
2.1 Die persönliche Identität
2.1.1 Selbstdarstellung
2.1.2 Kompensierung
2.2 Die soziale Identität
2.2.1 Sein und Haben – Mode im 17. Jahrhundert
2.2.2 Der Wert eines Sammlerobjekts
2.2.3 Miratio und Admiratio
2.2.4 Der falsche Kult
3. Schlusswort
4. Bibliographie
0. Einleitung
Bei La Bruyères curieux handelt es sich um Sammler, die mit ihrem seltsamen Verhalten anecken. Was aber macht sie so sonderbar?
La Bruyère stellt fest, dass nicht das Vollkommene, sondern das Seltsame, Bizarre und Seltene diese Menschen anzieht und begründet ihr Handeln darin, dass sie der Mode folgen, aber ist dem wirklich so? Ich vermute, dass das modische Sammeln ein gesellschaftliches Phänomen ist. Es ist eine Zerstreuung, die dem Menschen helfen soll, seine eigene Identität zu bilden. Gleichzeitig wird diese Tätigkeit bewusst eingesetzt, um einen Platz in der Gesellschaft zu festigen. Das Sammeln erweist sich dabei aber als schädigend.
1. Die Eigenheit des Sammlers
1.1 Die curiosité
Zu Beginn definiert La Bruyère die curiosité :
La curiosité n'est pas un goût pour ce qui est bon ou ce qui est beau, mais pour ce qui est rare, unique, pour ce qu'on a et ce que les autres n'ont point. Ce n'est pas un attachement à ce qui est parfait, mais à ce qui est couru, à ce qui est à la mode. Ce n'est pas un amusement, mais une passion, et souvent si violente, qu'elle ne cède à l'amour et à l'ambition que par la petitesse de son objet. Ce n'est pas une passion qu'on a généralement pour les choses rares et qui ont cours, mais qu'on a seulement pour une certaine chose, qui est rare, et pourtant à la mode.
(La Bruyère, de la mode 2, S. 393)
Die curiosité ist als sammelnde Neugier zu verstehen. La Bruyère definiert sie als Lust auf modische, seltene und seltsame Dinge. Sie ist die Motivation, die den Sammler antreibt.
1.2 Das ökonomische und ästhetische Sammeln
Ein Sammler ist ein Mensch, der willentlich vorher verstreute Gegenstände zusammenträgt. Um die curieux zu verstehen, müssen zwei Arten unterschieden werden. Manfred Sommer unterscheidet dabei das ökonomische und das ästhetische Sammeln.
Beim ökonomischen Sammeln werden gleiche Objekte angehäuft, um eine große Masse zu erzeugen, dabei kann es sich um Pilze, Müll oder Rohmaterial zum Bauen handeln. Der Sammler nimmt keine Differenzierung zwischen den Dingen vor, da nur die Quantität wichtig ist. Die Akkumulation wird für andere Menschen nicht sichtbar in Lagern aufbewahrt. Die Konservierung ist dabei nur temporär: Ziel des ökonomischen Sammelns ist das Verschwinden-Lassen der Objekte, sei es durch Konsumierung im Falle von Lebensmitteln, Verkauf, Verbrauch im Falle von Rohmaterial oder Vernichtung im Falle von Müll. Es dient in erster Linie dem Überleben.
Doch diese Art des Sammelns entspricht nicht den Handlungsweisen von La Bruyères amateurs. Auf sie trifft Sommers Definition des ästhetischen Sammelns zu: Der Sammler sucht im Gleichen das Andersartige, Bizarre und insbesondere das Seltene: „un goût […] pour ce qui est rare, unique, pour ce qu'on a et ce que les autres n'ont point“ (La Bruyère, de la mode, 2, S.393). So sucht z. B. der amateur des estampes für seine Sammlung einen ganz bestimmten, seltsamen Kupferstich. Für den ästhetischen Sammler zählt daher die Qualität der Objekte. Auch betrachtet er nicht die Masse, sondern das einzelne Ding mit all seinen Details. Seine Sehenswürdigkeiten lassen sich unter einer Kategorie zusammenfassen, unterscheiden sich aber qualitativ voneinander und bilden gemeinsam eine Serie. Der Sammler verwendet viel Zeit und Mühe, seine Schätze zusammenzutragen und auszustellen; er möchte sie so lange es geht erhalten: im Gegensatz zum ökonomischen Sammler hat für ihn die Konservierung höchste Priorität.
1.3 Der Bedeutungswandel des Objekts
Wie wird aus einem Alltagsgegenstand ein Sammlerobjekt? Wichtig dafür ist, dass der Gegenstand aus seinem bisherigen Kontext herausgelöst wird. Er wird zuerst im gewohnten Zusammenhang, dann anders betrachtet, bzw. in einen neuen Kontext (den der Sammlung) gesetzt. Auf diese Weise ergibt sich ein Bedeutungswandel. Der Gegenstand ist nicht mehr Mittel, sondern hat nun seinen eigenen Zweck. Dieses Umdenken ist bezeichnend für den Sammler und Voraussetzung für die Liebe zu der petitesse de son objet (La Bruyère, de la mode 2, S.393), Aus diesem Grund bleibt seinen Mitmenschen oft die Begeisterung ein Rätsel.
1.4 Die Ordnung der Sammlung und der Welt
Bezeichnend für den Sammler ist seine eigene Weltordnung. Außerhalb seiner Sammlung existiert nichts, was er respektieren kann, weder die Meinung anderer Menschen, noch die kulturelle Ordnung oder den Kontext. So sind für den amateur de prunes andere Früchte idiome[s] inconnu[s] (La Bruyère, de la mode 2, S.394), die er nur müde belächelt. Dies ist auch auffällig bei den amateurs de langues, die sich seltenen und bizarren Sprachen widmen, deren Forschung sich aber als nutzlos erweist, weil sie nicht mit anderer Forschung in Zusammenhang gebracht wird. In der stérilité des faits (La Bruyère, de la mode 2, S.396) hat ihr Wissen nur noch eine Bedeutung als Sammlerobjekt. La Bruyère stellt fest, dass „leur mémoire en est accablée, pendant que leur esprit demeure vide“ (La Bruyère, de la mode 2, S.397). Indem der Sammler seine Objekte unter Kontrolle bringt, erschafft er sich selbst eine Welt mit ihrer eigenen Ordnung, die als „Schutzwall gegen die allzu unvorhersehbare Welt“ (Stagl, S.38) funktioniert. Mit dieser ignorance crasse (La Bruyère, de la mode 2, S.396) kompensiert er so seine Angst vor Unzulänglichkeit.
[...]
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.