Die Wirtschaftskultur Spaniens


Hausarbeit, 2005

22 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Wirtschaftsstil, Wirtschaftskultur

3. Geschichtlicher Hintergrund
3.1. Die Herrschaft der Mauren
3.2. Reconquista und Inquisition der „Reyes Católicos“
3.3. Der Bürgerkrieg und die Diktatur Francos
3.4. Übergang zur Demokratie

4. Spanien heute
4.1. aktuelle Zahlen

5. Wirtschaftskultur Spaniens
5.1. Die katholische Religion und das hidalgo-Ideal
5.2. Das Individuum und die Familie
5.3. Passivität des spanischen Bürgertums
5.4. Der Autonomiestaat - regionale Unterschiede

6. Fazit

Anhang

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Spanien - Toreros, Flamenco, Siesta, Paella, Mallorca, Fiesta.

Das sind die üblichen Bilder, die wir „Rest-Europäer“ von Spanien haben. Spanien, ein Land das weiß zu feiern und das Leben zu genießen. Mit sehnsüchtigen Blicken schauen wir auf dieses Lebensfreude aussprühende Land und flüchten vor unserem Alltagsstress in den sonnigen Süden, der uns 100 % Sonne garantiert. Wir sind fasziniert von ihren Bräuchen und Traditionen, wie viele Ausländer versuchen sich nicht jährlich beim öffentlichen Stierkampf von Pamplona, und versuchen einen kleinen Funken des Magischen, das diese umgibt zu erhaschen.

Doch gleichzeitig belächeln wir die langsame Arbeitsweise der Menschen, die sehr humanen Geschäftszeiten, die im Sommer sogar Zeit für ein Schläfchen lassen, und die etwas rückständigen Technologien und Lebensweisen. In Spanien wimmelt es noch von kleinen Kramsläden, Markthallen, Handwerkbetrieben, etc. und das trotz Globalisierung in aller Munde? Wieso ist Spanien so verschieden? Liegt es wirklich am Klima, wie einem vor allem in Südspanien immer wieder versichert wird. (Wer möchte schon bei 50 Grad im Schatten mittags um 16.00 Uhr arbeiten? Oder wer kann nachts bei 35 Grad schlafen? Da muss man eben die ganze Nacht über tanzen gehen, oder sich von Balkon zu Balkon unterhalten.)

Oder hat dieser Unterschied, der nicht nur in den allgemein bekannten Klischees Spaniens vorhanden ist, tiefgreifendere Gründe?

Ein Blick auf die spanische Wirtschaftskultur erklärt einige Besonderheiten Spaniens und hilft dabei den Mythos des immer sonnigen, gutgelaunten Spaniens zum Teil zu Lüften und näher verstehen zu können.

2.Wirtschaftsstil, Wirtschaftskultur

Die traditionelle Wirtschaftsstilforschung, die eher eine Beschreibung der vorhandenen Produktionsfaktoren, -abläufe, etc. war, hat ihr Ende mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Zuvor wurde hauptsächlich zwischen Markt- und Planwirtschaft unterschieden und einzelne Wirtschaftsstile nach Kriterien dieser beiden Wirtschaftsstile beschrieben.

Mit dem Ende der Sowjetunion kommt es nun zu einer neuen Richtung der Wirtschaftskulturforschung, die wesentlich komplexer ist. Sie beschränkt sich nicht nur auf die rein strukturelle Betrachtung von Wirtschaft und deren Form, sondern bezieht die wechselseitige Beziehung zwischen und Kultur in ihre Analyse mit ein.

Ein Wirtschaftssystem kann nicht abgegrenzt von seinem kulturellen Kontext, in dem es entstanden und eingebettet ist, betrachtet werden. „Ökonomisches Handeln wird demnach nicht aus seinem sozialen Kontext herausgelöst, sondern als integrierter Teilbereich der gesamten Gesellschaft gesehen.“1

Diese Art der Herangehensweise an Wirtschaftskulturen ist jedoch nicht neu. So ist schon bei Max Weber der interdisziplinäre Ansatz zu finden. Dieser kann somit praktisch als der Begründer der Wirtschaftskulturforschung bezeichnet werden.

Max Weber versuchte einen Zusammenhang zwischen wirtschaftlichen Verhaltensweisen und religiösen Normen herzustellen. Und fand diesen im Protestantismus, insbesondere im Calvinismus. Auf Max Webers religions-soziologische Studien baut Alfred Müller-Armack auf.2 Sein Ziel war es die geistigen Ursprünge der abendländischen Wirtschaft zu ergründen, und charakteristische Merkmale herauszuarbeiten. Er unterscheidet dabei grundsätzlich zwischen protestantischen und katholischen Ländern, die im Zeitraum vom 16. bis zum 18. Jahrhundert völlig unterschiedliche ökonomische Entwicklungen durchmachten. Dabei bleiben die katholischen Länder, unter die auch Spanien fällt, „einem Konservatismus verhaftet, der die Entfaltung der wirtschaftlichen Kräfte behindert und Bauern- und Handwerkertum begünstigt.“3

Um die wechselseitigen Beziehungen zwischen Kultur und Wirtschaft näher betrachten zu können. Betrachten Klaus Dorner und Rainer Klump zunächst die Kultur: „ein […] System von Wertefeldern, welche Handlungsspielräume abstecken und Handlungsrichtlinien vorgeben, die als sinnvoll erlebt werden. ’Kultur leistet also Steuerungsarbeit im Prozess der Evolution eines Systems.’ Die Steuerung erfolgt partiell über die Internalisierung von Wertvorstellungen.“4 Die Werte, die eine Kultur vermittelt und generiert, sind demnach ausschlaggebend. Sie steuern das Verhalten von Menschen. Werte entwickeln sich allmählich. Sie werden von Geschichte, Religion und Tradition geprägt und konstituieren sich in Strukturen, Verhaltensnormen, Maximen und Institutionen. Der Mensch erlernt sie im Laufe seiner Sozialisation, in dem er sie über seine Umwelt internalisiert.5 Dieser Lernprozess erfolgt in mehreren Schritten, zuerst im familiären Umfeld und schließlich durch andere Institutionen wie Schule, Kirche, Unternehmen.

Ich möchte in dieser Arbeit die Wirtschaftskultur Spaniens darlegen. Dabei möchte ich vor allem auf historische Begebenheiten, aus denen Spaniens Wirtschaftskultur sich entwickelt hat, eingehen. Hierbei sind vor allem die sieben Jahrhunderte währende Maurenherrschaft, die Rückeroberung durch die „katholischen Könige“ und die Zeit Francos nennenswert. Wobei letztere eher ein Manifest, der sich bis dahin herausgebildeten spanischen Wirtschaftskultur darstellt.

3. Geschichtlicher Hintergrund

Die Geschichte Spaniens unterscheidet sich in einigen Bereichen von der anderer westeuropäischer Staaten. So kommt es in Spanien im 16. Jahrhundert nicht zu einer Reformation und auch im Mittelalter nimmt Spanien eine Sonderstellung ein.

3.1. Die Herrschaft der Mauren

Die über sieben Jahrhunderte währende Herrschaft der Mauren beginnt im Jahre 711 mit dem Angriff von Süden her. 756 wird das selbstständige Emirat von Córdoba gegründet, welches 929 zum Kalifat ernannt wird. Das Reich der Mauren hält bis in das Jahr 1492 an. Während dieser Zeit herrscht eine kulturelle Mischung verschiedener Kulturen und Religionen. Es leben Christen, Juden und Moslems miteinander und werden geduldet. Dies führt zu einem regen kulturellen Austausch.

Sowohl die Juden als auch die Moslems tragen dazu bei, dass die Wirtschaft in Spanien floriert. Durch die Anwendung innovativer maurischer Bewässerungstechniken und die Einführung neuer Kulturpflanzen6, verbessert sich der Stand der Agrarwirtschaft Spaniens deutlich. Außerdem wird ein Halbpachtsystem eingeführt, das den Bauern, die als freie Menschen mit einklagbaren Rechten anerkannt werden, mindestens die Hälfte der Ernte zuspricht und somit eine effizientere Bewirtschaftung der Felder garantiert.7

Auch im Bereich der Industrie kommt es zu Erneuerungen, so werden neue Techniken wie die Papierherstellung und das Gerben von den Mauren überliefert und eingeführt, und ab Mitte des 10. Jahrhunderts wird der Bergbau aufgenommen.

Insgesamt kann man sagen, dass sowohl die Wirtschaft als auch das soziale, kulturelle Leben während der Maurenzeit florierte und sich die gesellschaftliche Entwicklung, bedingt durch den überaus ertragreichen Austausch der drei Kulturen, im Vergleich zum restlichen Europa auf einem sehr hohen Niveau befand.

Trotz 700 Jahre maurischer Herrschaft kam es jedoch nicht zu einer nationalen Einheit, was hauptsächlich auf die anhaltenden religiösen und moralischen Unterschiede zurückzuführen ist. Diese nicht vorhandene Einheit erleichterte erheblich die Vertreibung der Juden und Mauren im Zuge der Reconquista und darauf folgenden Inquisition.

3.2. Reconquista und Inquisition der „Reyes Católicos“

Die Reconquista8 begann schon im 8. Jahrhundert, erlangte jedoch erst im Jahre 1031 ihre volle Widerstandskraft. Sie verkörpert eine ständige allmähliche Rückeroberung des südlichen Teils Spaniens vom Norden her und kann somit eher als Kolonisation angesehen werden. Im Jahre 1469 schließlich wurden mit der Heirat von Isabella I von Kastilien und Ferdinand II von Aragon die Kräfte vereint, und es fiel mit Granada 1492 das letzte maurische Reich.

Das Hauptziel der Reconquista war die Rückgewinnung des Landes und Verbreitung des christlichen Glaubens, welche ihren Ausdruck in der späteren Inquisition fand. Durch geographische und zeitliche Unterschiede bei der Rückeroberung entwickelte sich eine regionale Unterscheidung und Abgrenzung, die sich im Laufe der Jahre zum Teil verstärkt und in der heutigen Struktur Spaniens immer noch sichtbar ist.

Die Hochzeit der „katholischen Könige“, wie sie der Papst nannte9, setzte den Grundstein zum spanischen Gesamtstaat. Mit der Herrschaft der „Reyes Católicos“ beginnt eine lange Epoche, die bis in das 20. Jahrhundert hineinreicht. Sie ist vor allem geprägt durch ökonomischen Stillstand und geistige Isolation.

Vor allem die Einführung der Inquisition im Jahre 1483 stärkte das Königspaar in ihrer Macht über den Adel und das Volk. Aber auch ihre Erfolge in Bezug auf Eroberungen neuen Landes verhalfen ihnen zu Ruhm und Ansehen. Im Auftrag Isabellas entdeckte Kolumbus 1492 Amerika, was die Gründung des spanischen Kolonialreiches nach sich zog. Ferdinand hingegen erwarb die Kanarischen Inseln, 1504 das Königreich Neapel und eroberte Obernavarra. Jedoch ist für die Reconquista kennzeichnend, dass hauptsächlich der gemeinsame Glaube die Kräfte gegen die maurischen Herrscher vereinte.

Staat und Kirche sind seit der Herrschaft der „Reyes Católicos“ sehr eng miteinander verbunden.10

Der katholische Glauben spielt in dieser Zeit eine sehr wichtige Rolle. Denn vor allem er vereint die spanischen Völker im Kampf gegen die Mauren.

Die Bedeutung der Kirche nimmt im Zuge der Gegenreformation nochmals deutlich zu.

Die Reconquista besteht nach dem Sieg über Granada 1942 in der Kolonisation und Inquisition weiter.

Während der Reconquista entwickelt sich das Ideal des ehrenhaften und würdevollen „hidalgo“.11 Hidalgo bezeichnete einen stolzen Ritter niederen Adels. Ebenso wurde Ehre mit einer Abneigung körperlicher Arbeit gegenüber erlangt.

Diese Ideale werden durch die Erfolge der Reconquista und der Kolonisation verstärkt, womit eine Verlängerung mittelalterlicher Lebensformen hervorgerufen wurde.

Diese Wertbegriffe wurden aufgrund einer fehlenden Mittelstandes12 und Feudalherrentum von der gesamten Bevölkerung übernommen. Das hatte direkte Auswirkungen auf die ökonomische Lage. So sind z.B. die Rückstände der Landwirtschaft im Süden auf das „Fehlen einer spezifischen Wirtschaftsgesinnung und Leistungsmotivation seiner besitzenden Bevölkerungsschichten“13 zurückzuführen. Die Erhaltung und Verteidigung der Ehre ging eindeutig vor dem ökonomischen Denken.

Diese Mentalität ist auch heute noch im spanischen Lebensstil wieder zu finden.

Die Kolonialzeit führte zu Beginn auf dem spanischen Festland zu durchaus positiven ökonomischen Veränderungen, da vor allem die Handwerkbetriebe ausgelastet wurden, doch bald wurde die Nachfrage zu groß und man befriedigte die Bedürfnisse von außen. Dadurch dass man durch die „Goldgrube“ Südamerikas genügend Mittel zur Verfügung hatte, war dies nicht bemängelnswert. Spanien wurde damit jedoch lediglich zum Durchflussland und konnte somit keinen wirtschaftlichen Nutzen aus dem Kapital der Kolonien ziehen. Diese Kanäle wurden jedoch mit der endgültigen Vertreibung der Juden aus Spanien hauptsächlich nach Antwerpen gelenkt, da jene fast die gesamten aus den Kolonien kommenden Handelsströme verwalteten.

Das Gold aus Südamerika wurde hauptsächlich für Prunkbauten, Kirchen und Luxus verwendet. Die mangelnde Investition in die nationale Industrie wirkte sich deutlich negativ aus und war durchaus bezeichnend für die sich herausbildende spanische Wirtschaftskultur.

In der Renaissance im 16. Jahrhundert vollzieht sich allgemein in Europa ein großer Wandel, die Grundsteine der Naturwissenschaften werden gelegt. Spanien grenzt sich von diesen Entwicklungen ab, und folgt weiterhin den scholastischen Lehren. Schon hier zeigt sich die Abgrenzung Spaniens vom restlichen europäischen Kontinent, die sich bis in das 20. Jahrhundert hinein fortziehen wird.

Mit der endgültigen Vertreibung der Mauren 1609 verschlechtert sich die ökonomische Lage Spaniens weiter. Das technische Niveau sinkt und kann jedoch, bedingt durch die allgemeine Abneigung gegenüber Forschung und Erneuerungen, nicht aus den eigenen Reihen heraus wieder hergestellt werden. Des Weiteren fällt ein Großteil der Arbeitskräfte weg, die teilweise Arbeiten verrichteten, die für den vom hidalgo-Ideal geprägten Spanier in keinsterweise ehrenwürdig waren. Dies führt dazu, dass Negersklaven angestellt werden, und somit Spanien zu einem der ersten europäischen Länder mit Sklavenhaltung wird.

Auch geographisch führt die massive Vertreibung zu Veränderungen. Ganze Landstriche wurden „ausgerottet“ und mussten somit neu besiedelt werden. Ein Großteil des Landes verödete, da nicht genügend Landarbeiter zur Verfügung standen.

Allgemein befand sich Spanien im 17. Jahrhundert nachdem die Schätze der Kolonialländer ausgebeutet, Juden und Mauren das Land verlassen hatten und die nationalen Kräfte in der Gegenreformation ausgeschöpft worden waren, in einer Depression.

Spanien verliert über die Jahrhunderte hinweg an Bedeutung, zeitweise im 18. Jahrhundert ist es vollkommen abhängig von Napoleon. Ende des 19. Jahrhundert verliert es mit Puerto Rico und Kuba seine letzten Kolonien. Dies führt zu einer innenpolitischen Depression. Mit einem Schlag wird im Land der wirtschaftliche Rückstand und der Unterschied zum restlichen Europa bewusst. Es bildet sich ein Europa favorisierendes Lager heraus. Dieser, mit der Zeit weit verbreitete, Wunsch der Europäisierung Spaniens wurde in seinen Grundzügen im Zuge der Reformen der Zweiten Republik verfolgt.

Nach einer sieben jährigen Militärdiktatur von 1923 bis 1930 unter J. Primo de Rivera, versuchte sich am 9.12.1931 Spanien nochmals in einer Republik. Mit Hilfe von Reformen sollten einschlagende Veränderungen im Sozialsystem vorgenommen werden und somit eine europäische Richtung eingeschlagen werden. Jedoch führten diese radikalen Änderungen zu einer starken Polarisierung des Landes. „Ein „traditionelles“ und ein „modernes“ Spanien standen sich unversöhnlich gegenüber“14. Diese Konflikte, verstärkt durch allgemeine Streiks und immer deutlicher werdende Unabhängigkeitsforderungen von Seiten Kataloniens und dem Baskenland überforderten die junge Republik, so dass es schließlich im Juli 1936 zu einem Militärputsch der nationalistisch-autoritären Kräfte und somit zum Beginn des Spanischen Bürgerkrieges und einem vorläufigen Ende der Annäherung Spaniens an das restliche Europa kam.

Die beiden Lager des Bürgerkriegs kennzeichnen sich durch folgende Gegensatzpaare aus: autonomistisches gegen zentralistisches Staatsdenken, traditionell-katholische gegen liberal-soziale Auffassungen und Großgrundbesitzer gegen Arbeiter und Bauern.15

Sowohl die Republikaner als auch das konservative Lager unter Franco bekamen jeweils Unterstützung von den Kriegsmächten des 2. Weltkrieges.

Am 26.1.1939 eroberte General Franco Barcelona woraufhin die bis dahin bestehende Regierung sich auflöste und die faschistische Diktatur Francisco Francos begann.

3.3. Der Bürgerkrieg und die Diktatur Francos

Die ersten zwanzig Jahre der Diktatur Francos waren geprägt von einer radikalen Isolations- und Autarkiepolitik verbunden mit einer starken Repression von Seiten der Regierung. Franco verfolgte eine bewusste Abkopplung Spaniens und eine bewusste Rückbesinnung auf traditionelle Werte. Die fast ausschließliche Ausrichtung der Industrie auf den Innenmarkt war bedingt durch die sozialen und wirtschaftlichen Vorstellungen der Falange16. Demnach hatte sich die Wirtschaft der Politik unterzuordnen und die Produktion stand im Dienste des Vaterlandes.17 Dies hatte verheerende Folgen für die spanische Wirtschaft. Es kam zu einer hohen Arbeitslosigkeit und der allgemeine Lebensstandard sank. Die 40er Jahre sind allgemein als die härtesten Jahre der Repression bekannt. Sie werden auch die Hungersjahre „Años del hambre“ genannt.18 Des Weiteren wurde die bereits Jahrhunderte lang geprägte Abneigung gegenüber Forschung und Entwicklung weiterhin gepflegt, so dass die spanische Wirtschaft nicht im Geringsten mit dem Ausland konkurrieren konnte.

Es bildete sich ein erstaunliches Netz von Schwarzmärkten heraus, die gemeinsam mit Spekulationen und Vetternwirtschaft die Arbeitsmoral untergruben.19

Ebenso zeichnet die erste Hälfte der Franco-Diktatur eine starke Verflechtung von Staat und Kirche aus. Wie in der Zeit der Reconquista wird „die Kirche […] Instrument des Staates und Staat […] Instrument der Kirche“20. Der Katholizismus wurde erneut zur Staatsreligion ernannt. Die katholische Kirche hatte großen Einfluss auf Politik und übte Macht aus. So war ihr zum Beispiel der Bereich der Bildung fast vollständig überlassen.

Die Unabhängigkeitsforderungen von Katalonien und dem Baskenland, die auch während der Diktatur weiterhin bestehen, wurden nicht beachtet. Die beiden Regionen wurden stark unterdrückt. Die massive Unterdrückung führte im Baskenland während der 60er Jahren zu verstärktem Nationalismus und Separatismus und der Herausbildung der ETA.21

Diese Entwicklungen wurden von Streiks, die vor allem in den 50er Jahren zunahmen, begleitet. In Katalonien und im Baskenland wurde die Forderung nach Unabhängigkeit immer lauter. Dem franquistischen Regime gelang es nicht, die im Untergrund tätigen Seperatisten zu bekämpfen. Vor allem die baskischen Freiheitskämpfe der ETA wurden zunehmend zu einer nationalen Gefährdung.

1953 wurde die seit Ende des 2. Weltkrieges bestehende Isolation der westlichen Großmächte, bedingt durch die Kollaboration mit Italien und Deutschland während des Bürgerkrieges, mit dem Bau von amerikanischen Stützpunkten teilweise aufgehoben.22

Schließlich führten die allgemein schlechte wirtschaftliche Lage Spaniens und der ansteigende Unmut in der Bevölkerung zu einem grundsätzlichen Umschwung der Politik Francos. Bei einer Regierungsumbildung 1975 wurden 12 Minister ausgewechselt.

Bedingt durch erneute Streiks in Asturien im März 1958 kam es zu einer Neuregelung der Tarifpolitik, wobei die staatliche Lohnfestsetzung aufgelockert wurde und den Arbeitern ein Mitspracherecht zugestanden wurde.

Ende Juni 1959 stellte die spanische Regierung der OECD und dem Internationalen Währungsfond einen „Stabilisierungsplan“ vor. Dieser stellt den offiziellen Umbruch der Wirtschaftspolitik des Franquismus da. Er sah „ein gleichgewichtiges Wirtschaftswachstum und größere Integration in die Weltwirtschaft, eine Eindämmung der Inflation und bessere Entfaltungsmöglichkeiten für die Privatwirtschaft und Liberalisierung des internationalen Waren- und Dienstleistungsverkehrs“23 vor.

Damit war eine allgemeine Öffnung der spanischen Wirtschaft gesichert und somit auch eine Öffnung des spanischen Volkes gegenüber Forschung und wirtschaftliche Erneuerungen. Die Jahrhunderte lange Abneigung wurde langsam aufgehoben.

In den 60er Jahren erlebte Spanien einen wirtschaftlichen Aufschwung. Sowohl der Export als auch die Industrialisierung wurden massiv von Seiten des Staats unterstützt.

[...]


1 Zitiert in Ludwig (1988) S.1

2 vgl. Ludwig (1988) S. 3 ff.

3 zitiert in ebd., S. 7.

4 zitiert in ebd., S.40.

5 vgl. ebd.

6 z.B. Reis, Bananen, Baumwolle, Zitronen, Zuckerrohr.

7 Hier ist ein deutlicher Unterschied zu dem zu dieser Zeit üblichen Sklaventum bzw. Leibeigenschaft zu sehen.

8 auf deutsch: Rückeroberung

9 vgl. Ludwig (1988), S. 69.

10 Diese enge Verstrickung zwischen Staat und Kirche findet sich später während des Franco-Regimes wieder und ist heute noch erkennbar.

11 „hijos de algo“ = Söhne von jemandem mit Rang und Namen. vgl. Ludwig (1988), S. 53 ff.

12 Abgesehen von Katalonien ist für den Rest des Spaniens bezeichnend, dass kaum eine den Fortschritt vorantreibende Mittelschicht vorhanden ist.

13 zitiert in Ludwig (1988), S. 54

14 zitiert in: Bernecker, Walther, Brinkmann, Sören: „Spaniens schwierige Identität - Geschichte und Politik zur Jahrtausendwende“. Bernecker/Dirscherk (2004) S.124

15 Brockhaus: „Spanischer Bürgerkrieg“

16 Francos Regierungspartei

17 vgl. Bernecker, Walther L., „Die verspätete Entfaltung der Zivilgesellschaft in Spanien im Zuge der Demokratisierung“ in: Ammon, Günther/Hartmeier, Michael (2001)

18 vgl. Spanien-Lexikon: „Años del hambre“ S.23

19 vgl. Bernecker (2001). S.67

20 zitiert in: Ludwig (1988). S.64

21 ETA - „Euskadi ta Askatasuna“ = Baskenland und Freiheit. Baskische Terrororganisation.

22 vgl. Spanien-Lexikon: „Bases americanas“ S.41

23 zitiert in: Bernecker (2001). S.67

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die Wirtschaftskultur Spaniens
Hochschule
Universität Lüneburg  (Rechtswissenschaften)
Veranstaltung
Wirtschaftskulturen in Europa
Note
2,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
22
Katalognummer
V55755
ISBN (eBook)
9783638506274
Dateigröße
466 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wirtschaftskultur, Spaniens, Wirtschaftskulturen, Europa
Arbeit zitieren
Regine Mayer (Autor:in), 2005, Die Wirtschaftskultur Spaniens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55755

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