Die 1996 erstmals veröffentlichte Abhandlung „Wahrhaftig sein- warum?“ von Dietmar Mieth versucht vermittels unterschiedlicher Argumentationswege die Existenz, die ethische Begründbarkeit und die Universalität der Wahrhaftigkeitsgrundnorm zu aufzuzeigen. Dabei wird die Wahrhaftigkeit an ethischen Theorien und Konzeptionen geprüft, und ihre Ausprägungen im Positiven wie im Negativen, sowie ihre Bedingungen und Pflichten beleuchtet.
Mieth stellt seiner Abhandlung die grundlegende These der Existenz einer allgemein anerkannten Grundnorm der Wahrhaftigkeit voran. Die Begründung seine These ist zunächst eine negativ formulierte, denn als indirekte Beweisführung dieser Grundnorm dient ihre ausnahmsweise Nichtgeltung. Zwar gibt es jene Einzelfälle, in denen bestimmte Prinzipien ein Abweichen von der Wahrheit zu Gunsten einer anderen Norm anregen, doch würde die Unwahrheit stets als das Brechen eines gemeinhin akzeptierten, ungeschriebenen Wahrheitsgebots gelten und bedürfe einer speziellen Rechtfertigung. Als zweites Argument führt Mieth den Grundsatz des gegenseitigen Respekts an, die Menschen als Vorraussetzung für eine gelingende Handlungs- oder Kommunikationsbeziehung einander entgegenbringen müssen. Mieth bezeichnet diese Anerkennung der gegenseitigen Rechte und Pflichten als „Prinzip der konstitutiven Konsistenz“1, welches die Einhaltung der Wahrhaftigkeit als Basiselement erfordert. Der dritte Begründungsweg führt auf die Selbstzweckformel des kategorischen Imperativs von Kant2 zurück, deren Pflichten gegen sich selbst das Fundament für die Pflichten gegenüber anderen darstellen. So soll die aus Vernunftgründen sich selbst auferlegte Wahrheitsvorschrift prinzipiell ein auf die gesamte Menschheit zu übertragendes Gebot sein, was die grundsätzliche Akzeptanz der kommunikativen Aufrichtigkeit zur Folge hat. [...]
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1 Mieth, Dietmar: Wahrhaftig sein- warum?, in: Wunden, Wolfgang: Wahrheit als Medienqualität. Beiträge zur Medienethik, Bd. 3, Frankfurt a. M., 1996, S. 86.
2 Der hier relevante Teil des kategorischen Imperativs von Kant lautet: „Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest.“ Vgl.: Mieth, Dietmar: Wahrhaftig sein- warum?, in: Wunden, Wolfgang: Wahrheit als Medienqualität. Beiträge zur Medienethik, Bd. 3, Frankfurt a. M., 1996, S. 87.
Inhaltsverzeichnis
- I. „Wahrhaftig sein- warum?“ – Eine Zusammenfassung
- II. Interpretationsansätze
- 1. Die Bedeutung der Geltungsbereiche von Wahrhaftigkeit für die Medienethik
- 2. Die Wahrhaftigkeitsgrundnorm in der Teleologie und Deontologie
- 3. Die Pflichten aus dem Wahrheitsgebot und ihre Bedeutung
- 3.1 Der Annäherungsprozess an die Wirklichkeit
- 3.2 Die kommunikative Kompetenz
- 3.3 Die Balance zwischen Kohärenz und Kontextualität
- 3.4 Die Autonomie des moralischen Bewusstseins
- 3.5 Die Normenkonvergenz
- III. Kritische Auseinandersetzung
- 1. Die Beweiskraft der Begründung ex negativo
- 2. Die Logik der Konvergenzargumentation
- 3. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Abhandlung „Wahrhaftig sein- warum?“ von Dietmar Mieth untersucht die Existenz, ethische Begründbarkeit und Universalität der Wahrhaftigkeitsgrundnorm. Sie analysiert die Wahrhaftigkeit im Kontext verschiedener ethischer Theorien und beleuchtet ihre Ausprägungen, Bedingungen und Pflichten.
- Die Existenz einer allgemein anerkannten Grundnorm der Wahrhaftigkeit
- Die ethische Begründbarkeit der Wahrhaftigkeitsgrundnorm
- Die Universalisierbarkeit der Wahrhaftigkeitsgrundnorm
- Die Pflichten aus dem Wahrheitsgebot und ihre Bedeutung
- Die Anwendung der Wahrhaftigkeitsgrundnorm in der Medienethik
Zusammenfassung der Kapitel
In der Einleitung stellt Mieth die These der Existenz einer allgemein anerkannten Grundnorm der Wahrhaftigkeit auf. Er begründet diese These zunächst negativ, indem er auf die Ausnahmefälle verweist, in denen von der Wahrheit abgewichen wird. Diese Abweichungen erfordern jedoch eine besondere Rechtfertigung und bestätigen damit die Gültigkeit der Wahrhaftigkeitsgrundnorm.
Im zweiten Kapitel beleuchtet Mieth die Interpretationsansätze der Wahrhaftigkeitsgrundnorm. Er diskutiert verschiedene ethische Konzeptionen, darunter deontologische, teleologische und diskursethische Ansätze. Darüber hinaus betrachtet er nicht-universalistische Konzeptionen wie Perspektivismus, Kommunitarismus und Modellethik.
Das dritte Kapitel widmet sich einer kritischen Auseinandersetzung mit den Argumenten für die Wahrhaftigkeitsgrundnorm. Hier werden die Beweiskraft der Begründung ex negativo und die Logik der Konvergenzargumentation analysiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den zentralen Themen Wahrhaftigkeit, ethische Begründbarkeit, Universalisierbarkeit, Medienethik, deontologische Ethik, teleologische Ethik, Diskursethik, Perspektivismus, Kommunitarismus, Modellethik, Konvergenzargumentation und Wahrheitspflicht.
- Quote paper
- Christiane Burmeister (Author), 2005, Zu: Dietmar Mierth "Wahrhaftig sein - warum? Die Grundnorm der Wahrhaftigkeit, ihre ethische Begründbarkeit und Universalisierbarkeit", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55576