Sowohl Gilgamesch-Epos als auch Bibel sind in der Beschreibung von Sintflut überwiegend ähnlich. Die Struktur beider Sintflutgeschichten lässt sich in drei Teile zerlegen: Zeit vor der Sintflut, allgemeine Katastrophe und das - mehr oder weniger glückliche - Ende. Die Erzählpositionen und der moralische Ton beider Berichte sind bedeutend entgegengesetzt, sie stellen zwei Antipoden menschlichen Verständnisses eines tödlichen Naturereignisses dar.
Im Gilgamesch-Epos gibt es keinen Grund für die Katastrophe, keine Berechtigung. Die Rolle der Götter beschränkt sich auf die bloße Entscheidung für die Vernichtung, während das Motiv offen bleibt - es könnte sogar eine gelangweilte Willkür gewesen sein. Summerische Götter sind keine Axiome, sie verkörpern keine hohen, grundsätzlichen Sachverhalte, aus derer Zusammenstoßen mit degeneriertem Menschenverhalten das Ergebnis einer Apokalypse regelhaft entsteht; diese Götter entscheiden nach dem Prinzip der Natur, ohne Überlegung und unvorhersagbar. Die polytheistische Grundlage des Epos zwingt sie sogar als personifizierte Natur zu fungieren, was durch die Rollenverteilung deutlich wird: Anu ist der Himmelsgott, Enlil ist Länderherr, Adad – Wettergott, Ea – Gott des Süßwassers.
Die Moral der Bibel ist andererseits einfach, geradlinig und streng. Sintflut ist die Strafe Gottes für die Bosheit der Menschen. Diese Bosheit wird durch mehrere Verhaltensmerkmale verdeutlicht, welche alle als Unterarten menschlicher Eitelkeit gelten können (Machtgier, Streben nach Unabhängigkeit, Gewalt). Während summerische Götter einer Gruppe von Aristokraten ähneln, deren Verhalten dem menschlichen gleich ist, herrscht der christliche Gott nach einem Prinzip, das dem Machiavellismus ähnelt – die Aufrechterhaltung seiner Allmächtigkeit erlaubt ihm alle Mittel der Selbstbehauptung.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Sintflutmotive im Gilgamesch-Epos und in der Bibel
- Analyse der fünf Hauptmotive
- Bau und Inhalt der Arche
- Vernichtung
- Rettung
- Dankopfer
- Bund
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die Sintflutmotive im Gilgamesch-Epos und in der Bibel, um die unterschiedlichen kulturellen und religiösen Perspektiven auf dieses archetypische Ereignis zu beleuchten. Sie untersucht die narrativen Strukturen und die zugrundeliegenden moralischen und philosophischen Konzepte beider Werke, die sich in der Darstellung der Naturkatastrophe, der Rolle der Götter und dem menschlichen Verhalten in der Krise offenbaren.
- Vergleichende Analyse der Sintflutmotive im Gilgamesch-Epos und in der Bibel
- Die Rolle der Götter und das Konzept der göttlichen Macht
- Die Darstellung menschlicher Schwäche und Vergänglichkeit
- Die Bedeutung von Opferbereitschaft und Rettung
- Die Frage nach dem Sinn und Zweck der Sintflut
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einführung beleuchtet die Aktualität des Themas Naturkatastrophen und stellt die Sintflutgeschichten im Kontext der Mensch-Natur-Beziehung dar. Sie verweist auf die Bedeutung von Flutmythen als zeitlose Spiegelungen menschlicher Versuche, sich mit der Idee der Vergänglichkeit auseinanderzusetzen.
Das Kapitel „Sintflutmotive im Gilgamesch-Epos und in der Bibel“ gibt einen Überblick über die beiden Werke und ihre historischen und literarischen Kontexte. Es stellt fest, dass beide Sintflutgeschichten in ihrer Struktur und ihrem moralischen Ton deutlich voneinander abweichen.
Die Analyse der fünf Hauptmotive bietet eine detaillierte Untersuchung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Sintflutdarstellungen in beiden Texten. Dabei werden Aspekte wie die Konstruktion der Arche, die Vernichtung der Welt, die Rettung der Gerechten, das Dankopfer und der Bund mit Gott beleuchtet.
Schlüsselwörter
Gilgamesch-Epos, Bibel, Sintflut, Naturkatastrophe, Mythos, Götter, Moral, menschliche Schwäche, Vergänglichkeit, Opferbereitschaft, Rettung, Bund.
- Quote paper
- Vukan Mihailovic de Deo (Author), 2006, Darstellungen der Sintflut im Gilgamesch-Epos und in der Bibel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55559