Sowohl Gilgamesch-Epos als auch Bibel sind in der Beschreibung von Sintflut überwiegend ähnlich. Die Struktur beider Sintflutgeschichten lässt sich in drei Teile zerlegen: Zeit vor der Sintflut, allgemeine Katastrophe und das - mehr oder weniger glückliche - Ende. Die Erzählpositionen und der moralische Ton beider Berichte sind bedeutend entgegengesetzt, sie stellen zwei Antipoden menschlichen Verständnisses eines tödlichen Naturereignisses dar.
Im Gilgamesch-Epos gibt es keinen Grund für die Katastrophe, keine Berechtigung. Die Rolle der Götter beschränkt sich auf die bloße Entscheidung für die Vernichtung, während das Motiv offen bleibt - es könnte sogar eine gelangweilte Willkür gewesen sein. Summerische Götter sind keine Axiome, sie verkörpern keine hohen, grundsätzlichen Sachverhalte, aus derer Zusammenstoßen mit degeneriertem Menschenverhalten das Ergebnis einer Apokalypse regelhaft entsteht; diese Götter entscheiden nach dem Prinzip der Natur, ohne Überlegung und unvorhersagbar. Die polytheistische Grundlage des Epos zwingt sie sogar als personifizierte Natur zu fungieren, was durch die Rollenverteilung deutlich wird: Anu ist der Himmelsgott, Enlil ist Länderherr, Adad – Wettergott, Ea – Gott des Süßwassers.
Die Moral der Bibel ist andererseits einfach, geradlinig und streng. Sintflut ist die Strafe Gottes für die Bosheit der Menschen. Diese Bosheit wird durch mehrere Verhaltensmerkmale verdeutlicht, welche alle als Unterarten menschlicher Eitelkeit gelten können (Machtgier, Streben nach Unabhängigkeit, Gewalt). Während summerische Götter einer Gruppe von Aristokraten ähneln, deren Verhalten dem menschlichen gleich ist, herrscht der christliche Gott nach einem Prinzip, das dem Machiavellismus ähnelt – die Aufrechterhaltung seiner Allmächtigkeit erlaubt ihm alle Mittel der Selbstbehauptung.
Inhalt
Einführung
Sintflutmotive im Gilgamesch-Epos und in der Genesis
Analyse der fünf Hauptmotive
1. Bau und Inhalt der Arche
2. Vernichtung
3. Rettung
4. Dankopfer
5. Bund
Bibliographie
Einführung
Nicht zuletzt durch die Tsunami-Katastrophe am 26. Dezember 2004 rückte das Verhältnis Mensch-Natur mit voller Problematik in der Weltöffentlichkeit wieder auf. An diesem Tag vor 15 Monaten starben in Südostasien mehr als 300000 Menschen; aufgrund eines Seebebens vor der Insel Sumatra haben darauf folgende Flutwellen die Küsten naheliegender Regionen buchstäblich von allem Leben weggefegt. Die dokumentarischen Aufnahmen dieses Unglücks beherrschten die Medien auch lange danach; der Entwicklungsstand heutiger Informationsübertragung hat dem Rest der Menschheit das grausame Privileg ermöglicht, bewegende Bilder zu sehen, auf denen alles Lebendige in wenigen Sekunden verschwindet.
Die Geschichte der Naturkatastrophen wurde damit um ein neues Ereignis fortgesetzt. Seine mörderische Extravaganz spiegelte sich vor allem in der Erkenntnis wider, dass selbst im 21. Jahrhundert, wo technische Errungenschaften eine Ebene der Phantastik erreichen, Menschen genauso wie im Steinalter der Natur unterworfen sein sollen. Das war das wirklich Neue für den gegenwärtigen Beobachter der Tsunami-Katastrophe - das Wiedererwecken der Ehrfurcht vor dem Zufall.
Dieses Gefühl ist allerdings nichts Unbekanntes. Mindestens seit dem Erdbeben in Lissabon (1755), versucht man sich auf die Wutausbrüche der Natur einzustellen, nicht nur durch das Handeln, sondern vor allem psychologisch – durch das Bekämpfen der hysterischen Gewissheit, dass die Menschheit, unabhängig von ihrer geistigen Entwicklung und von dem Schutzgrad ihrer Zivilisation, sich von der Position eines Noah und eines Gilgamesch nicht im geringsten entfernt hat.
Der heutige Mensch ist im diesen Bezug im gewissen Sinne sogar benachteiligt; von den „Zeugen“ alter Flutmythen und den Zeiten, in denen das Problem der Theodizee noch allgemein aktuell war, unterscheidet ihn vor allem das Fehlen des Glaubens an eine höhere Macht, welche für das Unglück verantwortlich gemacht werden kann.
Das Verhältnis zu Naturkatastrophen wird aber dadurch nicht entscheidend verändert, von der jeweiligen kulturellen Epoche abhängige Furcht- und Trauerparadigmen üben bekanntlich keinen Einfluss auf die eigene Sterblichkeit aus. Das einzige, was den Tod zu überwinden scheint, ist das Todesempfinden, welches sich über Völker und Jahrtausende hinauserstreckt.
Alte Berichte über Naturkatastrophen sind gute Zeugen dessen: die bekannten Darstellungen der Sintflut, wie in Teilen des Gilgamesch-Epos und der biblischen Genesis, verhalten sich in dieser Problematik wie zeitlose Spiegelungen menschlicher Versuche, sich mit der Idee der Vergänglichkeit auseinanderzusetzen.
Sintflutmotive im Gilgamesch-Epos und in der Bibel
Bevor Ähnlichkeiten und Unterschiede beider Sintflutdarstellungen näher besprochen werden, lohnt sich ein kurzer Blick auf die Valenz und Breite des Stoffes. Zur Geschichte vom Gilgamesch-Epos und der Bibel ist an Daten genug vorhanden, das prägnante Vorwort zur deutschen „Gilgamesch“-Übersetzung von A. Schott und die „Bibel-Online“ Seite im Internet[1] stellen einen guten Einstieg dar.
Die Sintflut im „Gilgamesch“ wird in der elften Tafel des Epos beschrieben. Nach dem gewaltsamen Tode seines Freundes Enkidu ist der Hauptheld Gilgamesch von Todesangst ergriffen und begibt sich auf der Suche nach dem ewigen Leben. Er trifft den „fernen Utnapischtim“, den einzigen Mann, der die Flutkatastrophe überlebt hat und dem, nach der Sintflut, von den Göttern Unsterblichkeit verliehen wurde. Von 307 Versen in dieser Tafel entfällt auf den Sintflutbericht von Utnapischtim ungefähr ein Drittel, der Rest des Gesangs berichtet von Gilgameschs anschließendem Versuch, durch die Pflanze des Lebens sich unsterblich zu machen.
Die Geschichte der Sintflut in der Bibel befindet sich bekanntlich im ersten Buch Moses, der Genesis, sie umfasst die Kapitel sechs bis neun und wird oft als der dritte Schöpfungsmythos gekennzeichnet, da die beiden Variationen der ersten Schöpfung gerade durch die Sintflut rückgängig gemacht wurden und nach der Sintflut ein neues, ewiges Bund des Gottes mit Noah und der Erde entsteht.
Sowohl Gilgamesch-Epos als auch Bibel sind in der Beschreibung von Sintflut überwiegend ähnlich, die Struktur beider Sintflutgeschichten lässt sich in drei Teile zerlegen: Zeit vor der Sintflut, allgemeine Katastrophe und das - mehr oder weniger glückliche - Ende. Die Erzählpositionen und der moralische Ton beider Berichte sind bedeutend entgegengesetzt, sie stellen zwei Antipoden menschlichen Verständnisses eines tödlichen Naturereignisses dar.
Im Gilgamesch-Epos gibt es keinen Grund für die Katastrophe, keine Berechtigung. Die Rolle der Götter beschränkt sich auf die bloße Entscheidung für die Vernichtung, während das Motiv offen bleibt - es könnte sogar eine gelangweilte Willkür gewesen sein. Summerische Götter sind keine Axiome, sie verkörpern keine hohen, grundsätzlichen Sachverhalte, aus derer Zusammenstoßen mit degeneriertem Menschenverhalten das Ergebnis einer Apokalypse regelhaft entsteht; diese Götter entscheiden nach dem Prinzip der Natur, ohne Überlegung und unvorhersagbar - die polytheistische Grundlage des Epos zwingt sie sogar als personifizierte Natur zu fungieren, was durch die Rollenverteilung deutlich wird: Anu ist der Himmelsgott, Enlil ist Länderherr, Adad – Wettergott, Ea – Gott des Süßwassers.
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[1] Das Gilgamesch-Epos, S.3-14.
www.bibel-online.de, 12.03.06
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