Bei der Frage nach einer sachgerechten und realitätsnahen Besteuerung der Familie gerät das Ehegattensplitting immer wieder in den Fokus der politischen Parteien und in das Schussfeld der Kritik.1 Reformvorschläge werden diskutiert und eine Umgestaltung anvisiert.2
Das geltende deutsche Einkommensteuerrecht sieht nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes im Jahre 1957 die Zusammenveranlagung in Form des Ehegatten-Splittings vor. Kritiker bezweifeln, dass die Zusammenveranlagung dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit folgt. Sie sehen in diesem Verfahren vielmehr eine unbegründete Steuervergünstigung oder ungerechtfertigte Subvention der Ehe ggü. eheähnlichen Lebensgemeinschaften oder auch getrennt veranlagten Ehegatten.3 Dabei ist immer im Einzelfall zu prüfen, ob es überhaupt zu einer Besserstellung unter Anwendung des Splittingtarifes kommt oder ob die Nicht-Heirat oder getrennte Veranlagung von Ehegatten zu einer niedrigeren Steuerbelastung führt.
Im folgenden zweiten Kapitel geht es zunächst darum, die verschiedenen Wahlalternativen zur Einkommensteuer gesondert herauszustellen und einen Überblick über die aktuellen einkommensteuerlichen Veranlagungsarten zu geben. Kapitel 3 umfasst den Splittingtarif im Einzelnen, die Entwicklungsgrundzüge, die Rechtfertigung durch das BVerfG sowie die gegenwärtige Kritik. Der Hauptteil dieser Seminararbeit befasst sich anschließend in Kapitel 4 mit den Anreizwirkungen, die Zusammenveranlagung zu wählen und deren Vorteile ggü. der getrennten Veranlagung. In Kapitel 5 werden Alternativen und Vorschläge zur Neuorientierung in der Familienbesteuerung analysiert. Abschließend erfolgt in der Schlussbetrachtung des sechsten Kapitels eine Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Veranlagungsarten im Überblick
2.1 Einzelveranlagung
2.2 Zusammenveranlagung
2.2.1 Getrennte Veranlagung
2.2.2 Zusammenveranlagung
2.2.3 Besondere Veranlagung
3 Der Splittingtarif im Einzelnen
3.1 Entwicklung des Ehegattensplittings
3.2 Begründung durch das BVerfG
3.3 Kritik an der Besteuerungsform
4 Wirkungen der Zusammenveranlagung
4.1 Der Splittingeffekt
4.2 Verdoppelung der Höchstbeträge
4.2.1 Vorsorgeaufwendungen
4.2.2 Freibeträge
4.3 Außergewöhnliche Belastungen
4.4 Interpersonelle Verrechnung
5 Alternativen und Vorschläge zur Neuorientierung
6 Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Verzeichnis der Rechtsquellen
Eidesstattliche Versicherung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Darstellung der zu zahlenden Einkommensteuer im Vergleich der Besteuerung zur Grund- und zur Splittingtabelle 2005
(Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 2: Splittingvorteil bei Zusammensetzung der Ehe-Einkommenshöhe im Verhältnis
(Quelle: Spangenberg, U. (2005), S. 19)
Abb. 3: Darstellung des absoluten Splittingeffektes in Abhängigkeit des zu versteuernden Einkommens für den Einkommensteuertarif 2005
(In Anlehnung an: Scherf, W. (2000), S. 270)
1 Einleitung
Bei der Frage nach einer sachgerechten und realitätsnahen Besteuerung der Familie gerät das Ehegattensplitting immer wieder in den Fokus der politischen Parteien und in das Schussfeld der Kritik.[1] Reformvorschläge werden diskutiert und eine Umgestaltung anvisiert.[2]
Das geltende deutsche Einkommensteuerrecht sieht nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes im Jahre 1957 die Zusammenveranlagung in Form des Ehegatten-Splittings vor. Kritiker bezweifeln, dass die Zusammenveranlagung dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit folgt. Sie sehen in diesem Verfahren vielmehr eine unbegründete Steuervergünstigung oder ungerechtfertigte Subvention der Ehe ggü. eheähnlichen Lebensgemeinschaften oder auch getrennt veranlagten Ehegatten.[3] Dabei ist immer im Einzelfall zu prüfen, ob es überhaupt zu einer Besserstellung unter Anwendung des Splittingtarifes kommt oder ob die Nicht-Heirat oder getrennte Veranlagung von Ehegatten zu einer niedrigeren Steuerbelastung führt.
Im folgenden zweiten Kapitel geht es zunächst darum, die verschiedenen Wahlalternativen zur Einkommensteuer gesondert herauszustellen und einen Überblick über die aktuellen einkommensteuerlichen Veranlagungsarten zu geben. Kapitel 3 umfasst den Splittingtarif im Einzelnen, die Entwicklungsgrundzüge, die Rechtfertigung durch das BVerfG sowie die gegenwärtige Kritik. Der Hauptteil dieser Seminararbeit befasst sich anschließend in Kapitel 4 mit den Anreizwirkungen, die Zusammenveranlagung zu wählen und deren Vorteile ggü. der getrennten Veranlagung. In Kapitel 5 werden Alternativen und Vorschläge zur Neuorientierung in der Familienbesteuerung analysiert. Abschließend erfolgt in der Schlussbetrachtung des sechsten Kapitels eine Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse.
2 Veranlagungsarten im Überblick
Um einen ersten systematischen Einblick in die Besteuerungsformen des deutschen Einkommensteuerrechts zu erhalten, werden zunächst die Veranlagungsarten sowohl von einzelnen natürlichen Personen als auch von verheirateten Steuerpflichtigen unterschieden.
2.1 Einzelveranlagung
Für einzelne Steuerpflichtige, für die nicht die Ehegattenveranlagung gemäß § 26 Abs. 1 S. 1 in Frage kommt, stellt die grundsätzliche Ermittlungsart im deutschen Einkommensteuerrecht die Einzelveranlagung gemäß § 25 EStG dar.[4] Dabei wird jede natürliche Person wird als eigenständiges Steuersubjekt betrachtet[5] und separat zur Einkommensteuer gemäß dem Grundtarif des § 32a EStG veranlagt. Es gilt der Grundsatz der Individualbesteuerung.[6] Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer bildet das zu versteuernde Einkommen, das der Steuerpflichtige im relevanten Veranlagungszeitraum bezogen hat.[7] Dieses berechnet sich aus der Summe der Einkünfte abzüglich der Altersentlastungsbeträge und Freibetrag für Land- und Forstwirte, Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen, kindbedingten Freibeträgen und sonstige vom Einkommen abzuziehende Beträge.[8]
2.2 Ehegattenveranlagung
Sobald Ehegatten die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 S. 1 EStG erfüllen, können sie zwischen der getrennten Veranlagung gemäß § 26a EStG, der Zusammenveranlagung nach dem Splittingtarif gemäß § 26b EStG und der besonderen Veranlagung im Jahr der Eheschließung gemäß § 26c EStG wählen. Die Voraussetzungen liegen in der Bestreitung einer zivilrechtlichen gültigen Ehe,[9] unbeschränkter Steuerpflicht beider Ehegatten und kein dauernd getrenntes Leben. Diese müssen entweder zu Beginn des Veranlagungszeitraums vorliegen oder in dessen Verlauf eintreten.[10]
2.2.1 Getrennte Veranlagung
Bei der getrennten Veranlagung gemäß § 26a EStG werden beide Ehepartner mit ihren Einkünften individuell veranlagt und jeweils nach dem Grundtarif gemäß § 32a EStG besteuert.[11] Keine Berücksichtigung erfährt dabei der Transfer von Unterhaltsleistungen. Die gesamte Einkommensteuer setzt sich dabei aus den jeweils einzelnen tariflichen Einkommensteuern beider Ehegatten zusammen. Ein interpersoneller Verlustausgleich, die Verrechnung von positiven Einkünften des einen mit den negativen Einkünften des anderen Ehegatten, findet nicht statt.[12]
2.2.2 Zusammenveranlagung
Bei der Zusammenveranlagung unter Anwendung des Splittingtarifs gemäß § 26b EStG und § 32a Abs. 5 EStG sei das verheiratete Ehepaar die Steuereinheit.[13] Sie schulden gemäß § 44 Abs. 1 S. 1 AO die Einkommensteuer als Gesamtschuldner.[14] Somit führt die Zusammenveranlagung zu einer Zusammenrechnung, nicht aber zu einer einheitlichen Ermittlung der Einkünfte der Ehegatten.[15] Das zu versteuernde Einkommen beider Ehegatten wird zusammengerechnet, durch den Splitting-Divisor[16] geteilt und dem Grundtarif unterworfen. Die daraus resultierenden Steuerbeträge werden anschließend wieder mit dem Splittingdivisor zur Gesamtsteuerschuld multipliziert.[17] Vereinfacht gesagt werden die Eheleute so besteuert, als hätte jeder von Ihnen genau die Hälfte des gemeinsamen Einkommens verdient. Dem progressiven Tarif wird dann jeder Steuerpflichtige individuell mit diesem halben Betrag unterworfen.[18]
2.2.3 Besondere Veranlagung
Bei der Wahl der besonderen Veranlagung gemäß § 26c EStG[19] haben verheiratete Steuerpflichtige im Jahr der Eheschließung die Möglichkeit so behandelt zu werden, als sei die Ehe noch nicht geschlossen worden.[20] Hierbei werden beide unabhängig voneinander individuell veranlagt und sie müssen zwei getrennte Steuererklärungen einreichen. Durch die Einführung dieser Veranlagungsform sollten steuerliche Nachteile - wie z.B. der Verlust des Haushaltsfreibetrages[21] durch die Heirat - ausgeglichen werden, wenn diese durch den Splittingeffekt nicht kompensiert werden konnten.[22] In dem Jahr nach der Eheschließung muss sich das Ehepaar dann entweder für die getrennte oder Zusammenveranlagung gemeinsam entscheiden.
3 Der Splittingtarif im Einzelnen
Über die Beschreibung der Veranlagungsformen im deutschen Steuerrecht hinaus, sind nun weiter die Hintergründe und Interpretationen durch das BVerfG zu beleuchten. Auch die Kritik an der Veranlagungsform des Ehegattensplittings muss genauer analysiert werden.
3.1 Entwicklung des Ehegattensplittings
In seinem Urteil vom 17. Januar 1957 beseitigte das BVerfG die bis dahin geltende Ehegattenbesteuerung und damit eine tarifliche Schlechterstellung von verheirateten Steuerpflichtigen gegenüber zwei Alleinstehenden.[23] In der damaligen Zeit sah die Arbeitsteilung in Deutschland größtenteils so aus, dass der Ehemann mit der Einkommenserzielung und die Frau mit den Aufgaben der Kindererziehung und Versorgung der Familie betraut waren.[24] Somit wurden sämtliche Einkünfte beider Eheleute - in der Mehrzahl der Fälle ausschließlich vom Ehemann - in die Zusammenveranlagung einbezogen und auf dieses kumulierte Einkommen der progressive Steuersatz angewendet.[25] Dadurch wurden beide Ehegatten so behandelt, als stammen die Einkünfte von einer einzelnen Person - dies führte aber nur zu einer einmaligen Gewährung des Grundfreibetrages.[26] Das BVerfG sah in seiner Entscheidung im Jahre 1957 einen störenden Eingriff in die Ehe auf Grund des Verstoßes gegen die Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG[27] und die damit verbundene Schlechterstellung der Ehe, insbesondere in den Fällen, in denen beide Ehegatten arbeitstätig waren. Somit reagierte das Gericht auf die Anforderung des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG[28] und dem Grundsatz der horizontalen Steuergerechtigkeit, Ehepaare mit gleichen Gesamteinkommen unabhängig von der Aufteilung des Einkommens in gleicher Höhe zu belasten. Daraufhin eröffnete das Gericht das uns heute bekannte Wahlrecht zwischen getrennter Veranlagung und dem Splittingverfahren.[29]
[...]
[1] Vgl. Spangenberg (2005), S. 6.
[2] Vgl. Bach (2003), S. 1.
[3] Vgl. Vogel (1999), S. 201.
[4] Vgl. Niemeier; Schlierenkämper; Schnitter (2005), S. 1139.
[5] Vgl. Homburg (2003), S. 91.
[6] Vgl. Schneeloch (1986), S. 52.
[7] Vgl. Tiedke (1995), S. 653.
[8] Vgl. Tipke; Lang (2002), S. 242
[9] Vgl. Waterkamp (1993), S. 51.
[10] Vgl. Schneeloch (1986), S. 53.
[11] Vgl. Bach (2003), S. 3.
[12] Vgl. Tiedke (1995), S. 656.
[13] Vgl. Dingeldey (2002), S. 155.
[14] Vgl. Tiedke (1995), S. 658.
[15] Vgl. Niemeier; Schlierenkämper; Schnitter (2005), S. 1149.
[16] Der Splitting- Divisor beträgt in Deutschland 2.
[17] Vgl. Scherf (2000), S. 270.
[18] Vgl. Vogel (1999), S. 201.
[19] Einführung im Jahre 1986.
[20] Vgl. Waterkamp (1993), S.218.
[21] zum VZ 2003 ausgelaufen, abgelöst durch den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemäß § 24 b
EStG.
[22] Vgl. Tiedke (1995), S. 660.
[23] Vgl. Pfeifer-Engelbach (1994), S. 38.
[24] Vgl. Stöcker (1999), S. 234.
[25] Vgl. BVerfG (1957), S. 60; Richter (2002), S. 812; Stöcker (1999), S. 234.
[26] Vgl. Tipke; Lang (2002), S. 431.
[27] „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung“.
[28] „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“.
[29] Vgl. Stöcker (1999), S. 234.
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