In der Zeit des Kaiserreichs 1870/71-1918 stieg das vor allem durch Bismarcks Wirken geeinte Deutschland innerhalb kürzester Frist zu einer der führenden Industrienationen der Welt auf. Noch heute wird Bismarck als der geniale Diplomat gefeiert, der Deutschland nach der Reichseinigung zu dem verholfen hat, das diese Stellung in der Welt ausmachte. All das machte das Kaiserreich jedoch am Ende so überheblich, mitverantwortlich zu sein, einen Krieg vom Zaun gebrochen zu haben, in dem es selbst unterging. Doch nicht nur über Bismarck und die Auswirkungen seiner Bündnispolitik ist in den vergangenen Jahren in großem Umfang publiziert worden. Insbesondere die ökonomischen und wirtschaftspolitischen Aspekte, die maßgeblich zur Entwicklung des Kaiserreichs beitrugen, regten die Gemüter und brachten eine Vielzahl von Veröffentlichungen he rvor. Dennoch sind nicht alle Fragen dieser Ära zur Gänze behandelt. So scheint eine zusammenfassende, von ideologischen Interpretationen befreite Darstellung der wirtschaftspolitischen Entwicklung nicht zu existieren. Die Wirtschaftspolitik im Kaiserreich gehörte ebenso wie viele andere Bereiche des öffentlichen Lebens und der Politik der damaligen Zeit zum Spielball der ve rschiedensten Interessengruppen. Die Bedeutung die ihr hinsichtlich der volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung zukommt, behandeln viele Autoren am Rande. Da aber, wie Marx erklärt, „die Anatomie der bürgerlichen Gesellschaft in der politischen Ökonomie zu suchen sei“1, soll es Ziel dieser Arbeit sein, im begrenzten Rahmen die Entwicklung der Wirtschaftspolitik im Deutschen Kaiserreich, ihre Ursachen und Wirkungen sowie die Akteure in diesem Theater darzustellen. Keineswegs kann dabei Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden. Vielmehr soll anhand bestimmter Bereiche und ausgesuchter Persönlichkeiten versucht werden darzustellen, wie Wirtschaftspolitik damals gemacht und durchgesetzt wurde, und welchen Einflüssen die Handelnden ausgesetzt waren. In zeitlicher Hinsicht soll diese Arbeit auf die Jahre vor dem I. Weltkrieg begrenzt werden. Nach einleitenden theoretischen Überlegungen soll kurz der Wandel der deutschen Wirtschaft vom Agrar- zum Industriestaat betrachtet werden, bevor im Hauptteil auf die verschiedenen Phasen der Wirtschaftspolitik eingegangen wird. Die Namen Bismarck, Caprivi und Bülow stehen dabei für wirtschaftspolitische Umschwünge.[...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Wirtschaftspolitik im Kaiserreich
- Theoretische Betrachtung: Organisierter Kapitalismus oder Interventionsstaat?
- Zusammenhang von Wirtschaftspolitik und Konjunkturzyklen
- Wirtschaftspolitik im Wandel vom Agrar- zum Industriestaat
- Phasen der Wirtschaftspolitik
- Zollverein und Gründerboom
- Gründerkrise, Große Depression und Protektionismus
- Die Caprivi'schen Handelsverträge
- Landwirtschaftliche Agitation und Sammlungspolitik
- Wirtschaftspolitik unter Bismarck, Caprivi und Bülow
- Otto von Bismarck
- Leo von Caprivi
- Bernhard von Bülow
- Wirtschaftspolitik und Imperialismus
- Rückblick und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die Entwicklung der Wirtschaftspolitik im Deutschen Kaiserreich und beleuchtet die Ursachen, Wirkungen und Akteure dieser Entwicklung. Sie will dabei eine zusammenfassende Darstellung liefern, die sich von ideologischen Interpretationen befreit und die verschiedenen Phasen der Wirtschaftspolitik im Wandel vom Agrar- zum Industriestaat untersucht. Die Arbeit befasst sich mit dem Einfluss von Bismarck, Caprivi und Bülow auf die Wirtschaftspolitik und beleuchtet die Rolle von Lobbyisten und Interessengruppen. Die Arbeit beschränkt sich auf die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg.
- Entwicklung der Wirtschaftspolitik im Kaiserreich
- Wechselwirkung von Wirtschaftspolitik und Konjunkturzyklen
- Wandel der deutschen Wirtschaft vom Agrar- zum Industriestaat
- Rolle von Bismarck, Caprivi und Bülow in der Wirtschaftspolitik
- Einfluss von Lobbyisten und Interessengruppen auf die Wirtschaftspolitik
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt den Kontext der Arbeit dar, indem sie auf die Bedeutung der Wirtschaftspolitik im Kaiserreich für die Entwicklung Deutschlands hinweist und die Notwendigkeit einer zusammenfassenden Darstellung betont. Sie grenzt den zeitlichen Rahmen der Arbeit ein und skizziert die behandelten Themen.
- Wirtschaftspolitik im Kaiserreich: Dieses Kapitel behandelt die theoretischen Grundlagen der Wirtschaftspolitik im Kaiserreich und stellt die Frage, ob es sich um einen organisierten Kapitalismus oder einen Interventionsstaat handelte. Außerdem werden die Zusammenhänge zwischen Wirtschaftspolitik und Konjunkturzyklen untersucht.
- Wirtschaftspolitik im Wandel vom Agrar- zum Industriestaat: In diesem Kapitel wird der Wandel der deutschen Wirtschaft vom Agrar- zum Industriestaat betrachtet und die Rolle der Wirtschaftspolitik in diesem Prozess untersucht.
- Phasen der Wirtschaftspolitik: Dieses Kapitel untersucht die verschiedenen Phasen der Wirtschaftspolitik im Kaiserreich, beginnend mit dem Zollverein und dem Gründerboom über die Gründerkrise, die Große Depression und den Protektionismus bis hin zu den Caprivi'schen Handelsverträgen und der landwirtschaftlichen Agitation und Sammlungspolitik.
- Wirtschaftspolitik unter Bismarck, Caprivi und Bülow: Dieses Kapitel beleuchtet die Rolle von Bismarck, Caprivi und Bülow in der Wirtschaftspolitik. Es untersucht die unterschiedlichen Wirtschaftspolitiken der drei Staatsmänner und ihre Auswirkungen auf die Entwicklung Deutschlands.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Schlüsselbegriffen Wirtschaftspolitik, Kaiserreich, Industrie, Agrar, Zollpolitik, Handel, Lobbyismus, Bismarck, Caprivi, Bülow, Konjunktur, Protektionismus, Imperialismus und Entwicklung.
- Quote paper
- Heiko Bubholz (Author), 2001, Wirtschaftspolitik im Kaiserreich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5549